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Die Protokolle von Zion

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Die “Protokolle der Treffen der gelehrten Alten von Zion” sind ein zusammengefälschter Text aus Russland ungefähr aus dem Jahr 1900, der etwas später von einflussreichen Amerikanern und Briten einem Massenpublikum zugänglich gemacht wurde und die Literatur über Verschwörungen bis heute stark beeinflusst. Die Autoren der Protokolle wiederum waren selbst beeinflusst worden durch ältere Verschwörungsliteratur und hatten sich nicht einmal die Mühe gemacht, sich den ganzen Text auszudenken, sondern übernahmen Teile aus einer Satire von Maurice Joly, aus dem Roman Biarritz und aus Theodor Herzls „Der Judenstaat“.

Der Text an sich ist ein Durcheinander und lahmes Gefasel, das praktisch von jeder Person hätte verfasst werden können, die vertraut war mit der gängigen antisemitischen Literatur. Im Prinzip sind die Protokolle so konstruiert worden, dass sie als Gegenstück und scheinbare Bestätigung der vorherigen Verschwörungs-Literatur wirkten. Der gleiche billige Trick wurde auch schon eingesetzt, um Verschwörungsliteratur gegen die Katholiken bzw. Jesuiten aufzupeppen und zu ergänzen. Das Buch „Foxes and Firebrands“ von Robert Ware aus dem Jahr 1689 behauptete, Jesuiten hätten einen geheimen Eid geschworen, in dem es heißt:

Ich verspreche und erkläre ferner, dass ich, wenn sich die Gelegenheit dazu bietet, heimlich und offen einen unerbittlichen Krieg gegen alle Ketzer, Protestanten und Freimaurer führen werde, wie es mir aufgetragen wurde, um sie vom Angesicht der ganzen Erde auszurotten; und dass ich weder Alter, Geschlecht noch Zustand schonen werde, und dass ich diese berüchtigten Ketzer hängen, verbrennen, kochen, häuten, erwürgen und lebendig begraben werde; die Bäuche und Leiber ihrer Frauen zerreißen und die Köpfe ihrer Säuglinge gegen die Wände schlagen werde, um ihre abscheuliche Rasse zu vernichten. Wenn dasselbe nicht offen getan werden kann, werde ich heimlich den giftigen Becher, den Strick zum Erdrosseln, den Stahl des Poniards oder die bleierne Kugel verwenden, ungeachtet der Ehre, des Ranges, der Würde oder der Autorität der Personen, unabhängig von ihrem Zustand im Leben, sei es öffentlich oder privat, wie ich jederzeit von irgendwelchen Agenten des Papstes oder des Oberen der Bruderschaft des Heiligen Vaters der Gesellschaft Jesu dazu angewiesen werden kann.

Die einzelnen „Protokolle von Zion“ sind weder thematisch noch sonst irgendwie stringent geordnet, sondern wiederholen nur das immergleiche Gerede, wie man die Presse und die Finanzwelt und Politik kontrollieren würde. Protokoll #1 besteht nur aus allgemeinen Phrasen zum Thema Macht versus Freiheit und wie manipulierbar die Masse der Bevölkerung sei. Protokoll #2 verlautbart, dass die Judenverschwörung die Kontrolle über die Presse und über Gold besäße. Protokoll #3 dreht sich um die Vernichtungsabsicht gegenüber Nichtjuden. Protokoll #4 ist mehr allgemeines Gerede. Protokoll #5 handelt davon, wie die Nichtjuden zu zerstritten seien, um eine Koalition gegen die Judenverschwörung zu bilden. Außerdem würde man Verwirrungstaktiken benutzen, damit die Leute Politik nicht richtig verstehen können. Protokoll #6 redet davon, dass die Aristokratie keine politische Macht mehr besäße, sie aber wegen ihrem Reichtum immer noch eine potenzielle Bedrohung darstellt. Genau dieser Gedanke verleitete auch die Nationalsozialisten zur Kooperation mit den Welfen. Protokoll #7 beschreibt, dass man problematische Länder automatisch in Kriege mit den Nachbarstaaten verwickeln möchte. Antisemiten lasten prinzipiell jeden bedeutenden Kriegsausbruch der Judenverschwörung an. Protokoll #8 handelt von der Juristerei und Ökonomie, die die Judenverschwörung für ihre Zwecke benutzen will. Protokoll #9 enthält diverse Punkte, die bereits in vorherigen Protokollen mehrfach abgehandelt wurden. Protokoll #10 ist noch mehr schwammiges Gerede darüber, wie man gezielt das „Gift des Liberalismus“ ausgebracht habe, um Staaten und Gesellschaften zu zersetzen. Politiker, die man erpressen kann, würden gezielt gefördert werden. Protokoll #11 verspricht, nach all dem Gerede über den Ist-Zustand der jüdischen Weltverschwörung aus den ersten 10 Protokollen, endlich die Strategie zu offenbaren für die Zukunft, um endgültig und unwiderruflich die Weltherrschaft zu sichern. Aber man erfährt nichts, was nicht schon zuvor behandelt wurde. Protokoll #12 dreht sich wieder um Kontrolle über die Presse. Irgendwelche tieferen Einblicke erhält man nicht. Es geht immer so weiter bis einschließlich Protokoll #24. Für eine Fälschung ist die Qualität hundsmiserabel und es ist offensichtlich, dass man sich damit keine Mühe gegeben hat. Es war vielmehr die Aura, die man um die Protokolle herum schuf, die die Wirkung ausmachte; nicht der eigentliche Text. Die Protokolle verraten kein einziges, tatsächlich nachprüfbares Geheimnis, keine einzige geheime Technik oder Methodik, es lässt damit kein einziger jüdischer Agent enttarnen und keine einzige konkrete Operation. Der nachrichtendienstliche Wert dieser „Enthüllung“ ist also Null, was eben typisch ist für eine komplette Fälschung. Wenn wir die Protokolle vergleichen mit Victor Ostrovskys Enthüllungsbuch über den israelischen Geheimdienst Mossad, dann erkennen wir, dass Ostrovsky tatsächlich geheime Operationen, Namen und Methoden verrät. Bei einer guten Fälschung sind interessante Geheimnisse enthalten, die verraten werden. Die Protokolle sind leer und hohl. Deshalb wurden auch in verschiedenen Print-Editionen so viele Vorwörter, Kommentare und ausführliche Schlusswörter angefügt, sowie vermeintlich neu entdeckte Zusatz-Protokolle, um die Fälschung irgendwie interessanter und überzeugender aussehen zu lassen. Es ist der typische Effekt der Echokammer und Filterbase, wenn jemand nur noch antisemitische Texte liest und in der Welt dann überall scheinbare Bestätigungen sieht.

1919 veröffentlichte die amerikanische Zeitung Philadelphia Public Ledger übersetzte Auszüge aus den Protokollen unter dem Titel „Rote Bibel“, die etwas umgeschrieben wurden, damit es aussah, wie ein Dokument der russischen Bolschewisten. Der verantwortliche Carl W. Ackerman bekam später ausgerechnet den Chefposten bei der Journalismus-Fakultät der elitären Columbia University, die ursprünglich von dem britischen König George II. gegründet worden war. Der Besitzer der Zeitung war der unglaublich reiche Cyrus H. K. Curtis und von 1918 bis 1921 war auch der ehemalige US-Präsident William Howard Taft ein Autor. Taft war Mitglied der gefährlichen Geheimorganisation Skull&Bones, die sich rege beteiligt hatte an der bolschewistischen Revolution in Russland und der Versorgung des neuen sowjetischen Regimes mit westlichem Geld und westlicher Technologie. Skull&Bones wurde später vom Historiker Antony Sutton entlarvt anhand von Originaldokumenten. Skull&Bones geht zurück auf den Einfluss der britischen Krone. Hier hatten wir also „Journalisten“ aus einem Milieu, das mit geheimdienstlichen Methoden Russlands Zarenherrschaft beendete und den Sowjetkommunismus unterstützte, und genau diese Journalisten verbreiteten als Ablenkungsmanöver die gefälschten Protokolle von Zion über eine jüdische Weltverschwörung zur Etablierung des gottlosen Kommunismus und zur Auflösung von Nationen. Jedes Mal also, wenn das britische Imperium irgendwo auf der Welt eine bedeutende Geheimoperation für den Umsturz einer bestehenden Ordnung vornahm, lancierten die britischen Geheimdienste gleichzeitig in der Öffentlichkeit verlogene Bücher und Pamphlete, um die Aufmerksamkeit auf jemand anderen zu lenken. Harris A. Houghton, ein Mitglied des amerikanischen Militärgeheimdienstes, ließ 1920 eine komplette englische Übersetzung der Protokolle anfertigen und verbreiten. Zu diesem Zweck schuf er die Tarnfirma „The Beckwith Company“ und verlegte auch noch Bücher wie Nesta Websters „Boche and bolshevik“. Das Geld für Houghtons Verlagsaktivitäten kam wahrscheinlich von der Organisation „American Defense Society“, deren Ehrenpräsident der ehemalige US-Präsident Theodore Roosevelt war. Als Vorsitzender diente Richard Melancthon Hurd, Absolvent der Universität Yale und Mitglied der Geheimorganisation Skull & Bones. In Großbritannien erschien die erste englische Ausgabe der Protokolle 1920 und es gab eine ausführliche Berichterstattung in der Zeitung „The Morning Post“ in London. Daraus entstand noch das Buch „The Cause of World Unrest“, an dem Nesta Webster, George Shanks und die Hälfte der Angestellten der Zeitung mitarbeiteten. Shanks hatte die allererste Übersetzung der Protokolle vom Russischen ins Englische vorgenommen, möglicherweise mit der Hilfe von Graf Tscherep-Spiridowitsch, der unter den Zaren als General gedient hatte. Der Graf schrieb auch das Buch “Secret World Government or The Hidden Hand” in dem er 300 jüdische Familien als den Kern der Verschwörung benannte und das wohl eine Inspiration war für die Legende vom „Komitee der 300“ und das entsprechende Werk von John Coleman.

Laut Lord Alfred Douglas haben einflussreiche Männer wie Henry Ford und Zeitungen wie die Financial Times dem Grafen geholfen, eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen.

Die Morning Post wurde geleitet von Lilias Borthwick, die Frau von Seymour Henry Bathurst, 7th Earl Bathurst (ein Deputy lieutenant des Königshauses). Unter ihrer Führung war die Zeitung erzkonservativ, imperialistisch, protektionistisch, militaristisch und antisemitisch. Am 7. April 1924 wurde die Zeitung an den umtriebigen antisemitischen Verschwörungs-Publizisten Alan Percy, den 8. Herzog von Northumberland (Träger der höchsten britischen Orden), und ein Konsortium prominenter Konservativer verkauft. Victor E. Marsden war bei der Zeitung der Russlandkorrespondent gewesen und soll ebenfalls bei der Übersetzung geholfen und sich zeitweise mit dem Prinzen von Wales getroffen haben. In der Veröffentlichung der Protokolle von Marsden finden wir ein Nachwort des Adeligen Lord Sydenham, der mit mehreren der höchsten britischen Orden ausgezeichnet war, in dem es für bedeutungslos erklärt wird, dass der Text von anderen Quellen abgekupfert worden war. Sydenham verwendet das Argument, dass die Protokolle mit „tödlicher Genauigkeit“ die kommenden Geschehnisse unter anderem bei der kommunistischen Revolution in Russland vorausgesehen hätten. Dies bedeutet aber, dass er die kommunistische Revolution wiederum gemäß der Protokolle interpretiert. Er dreht sich also argumentativ im Kreis, obwohl ein gebildeter Mann wie er eigentlich hätte verstehen müssen, dass eine zirkuläre Argumentation Unsinn ist.

https://archive.org/details/protocolsofthelearnedeldersofzion_201905/page/n63/mode/2up

Der Text der Protokolle ist extrem schwammig und ungenau, aber Sydenham erklärt, dass die Vorhersagen „auf den Buchstaben genau“ eingetroffen wären. Er bedankt sich bei dem amerikanischen Autobauer Henry Ford für dessen „hervorragende“ weitere Enthüllungen als Ergänzung zu den Protokollen. Ford unterstützte aber nicht nur das nationalsozialistische Regime, sondern baute interessanterweise auch in der Sowjetunion, also dem vermeintlichen Moloch der jüdischen Illuminaten, kriegswichtige Fabriken. Einem Massenpublikum in Amerika wurden die Protokolle bekannt durch Ford, denn er bezahlte den Druck von zahllosen Exemplaren und machte zudem noch den deutschen Nazis schöne Augen. Natürlich dienten ihm die Protokolle als Ablenkungsmanöver und lenkten die Aufmerksamkeit auf eine vermeintliche jüdische Weltverschwörung. Um den Effekt zu verstärken, veröffentlichte Ford gleich noch das Buch „Der internationale Jude“, welches auf den Protokollen aufbaut. Praktisch alle negativen Entwicklungen werden einer jüdischen Verschwörung, nicht jedoch dem angloamerikanischen Imperium zugeschrieben. Die zahlreichen Leser der Protokolle verdächtigten in aller Regel Familien wie die Rothschilds, die Pläne aus den Protokollen umzusetzen. Dass die bedeutenden jüdischen Clans vom britischen Imperium genauso aufgebaut worden waren wie nichtjüdische Raubbarone, erfuhr das Publikum nicht. Nachdem eine britische Zeitung in den 1920er Jahren aufgedeckt hatte, dass die Protokolle eine Fabrikation waren, fielen die Reaktionen unterschiedlich aus. Eines der am häufigsten genannten Argumente, welches sich auch bei Henry Ford, sowie in späterer Verschwörungsliteratur findet, lautet, dass es egal sei, ob die Protokolle gefälscht wurden oder nicht, weil die darin enthaltenen Pläne von den jüdischen Verschwörern genau wie beschrieben in der Welt umgesetzt worden wären. In manchen späteren Verschwörungsbüchern wurden die Protokolle in veränderter Form abgedruckt, wobei Begriffe wie „Juden“ und „Goyim“ (Nichtjuden) ersetzt wurden durch „Illuminaten“ und „Untertanen“. Milton William Cooper druckte in seinem Bestseller „Behold a Pale Horse“ 1991 den gesamten Text im Original ab mitsamt dem Kommentar, man müsse das Wort „Juden“ jedes Mal durch „Illuminaten“ ersetzen.

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