Medien

Das Hochrisiko-Spiel der AfD und Compact

Benesch: Herzlich willkommen: Chan-jo Jun, Anwalt für IT-Recht und viele Dinge, die damit verbunden sind. Ich möchte heute sprechen über das Compact Verbot. Sie hatten auch den ein oder anderen Beitrag veröffentlicht dazu. Und Sie hatten ja auch eine Verbindung zu dieser [Kontroverse um die] Remigrationskonferenz. Und da wurde auch ganz heftig gestritten von Leuten, was das jetzt zu bedeuten habe. Also erst mal herzlich willkommen.

Jun: Hallo, schön, dass ich da sein darf.

Benesch: Also wir haben jetzt gesehen, Leute von dem ehemaligen Compact Magazin, andere Influencer und Aktivisten versuchen jetzt ganz, ganz hart, das Narrativ zu dem Verbot zu kontrollieren. Also die wollen jetzt sagen, wie das gelaufen sei, was das jetzt zu bedeuten habe. Also man ist ja Quatsch-Jura aus der Szene gewohnt. Und meine erste Frage jetzt erst mal: Ist es juristisch überhaupt relevant, ob Jürgen Elsässer das Zeug, das er veröffentlicht hat, wirklich selber glaubte?

Jun: Nein, tatsächlich kommt es sowohl bei dem Verbot einer Organisation, eines Vereins als auch bei einem Verbot einer Partei, in erster Linie auf die Wirkung an. Es kommt darauf an, was passiert durch das, was ich mache, wenn ich mich einsetze gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder die freiheitlich demokratische Grundordnung, dann ist die Gefahr ja das, was in der Gesellschaft passiert und ob ich das absichtlich oder fahrlässig, ob ich mutwillig falsche Nachrichten verbreite; das kann eine Rolle spielen im Hinblick darauf, ob man davon ausgeht, dass das noch so weitergeht. Die Motive, warum Herr Elsässer bestimmte Narrative verbreitet, die müssen wir nicht unbedingt als Tatbestandsvoraussetzung für ein Verbotsverfahren ganz genau analysieren. Sie spielen aber schon natürlich in der Bewertung eine Rolle.

Benesch: Also die Influencer behaupten ja jetzt, der Goldstandard, also das Maß der Dinge sei, dass die Compact nicht wegen Straftaten verurteilt wurde. Juristisch kommt es aber eher an auf die Masse und die Beschaffenheit des gesammelten Materials.

Jun: Das sind wieder Fragen, die eigentlich mit dem Gesetz relativ leicht zu klären sind. Denn im Vereinsgesetz, welches Bezug nimmt auf Artikel neun Absatz zwei des Grundgesetzes, gibt es ja verschiedene Verbotsgründe und Straftaten sind ein möglicher Verbotsgrund, aber nicht maßgeblich für dieses Verfahren, sondern maßgeblich für dieses Verfahren ist, dass eine Organisation darauf ausgeht, das Ziel hats die verfassungsmäßige Ordnung zu beseitigen.

Und das geht auch mit Handlungen unterhalb der Strafbarkeitsgrenze. Und das ist ein Thema, über das wir viel streiten, weil manche glauben, solange ich mich nicht strafbar mache, kann ich tun, was ich will. Aber tatsächlich: Unsere Verfassung sieht vor, dass auch andere Handlungen sehr wohl geeignet sind, die verfassungsmäßige Ordnung auszuhebeln und zu beseitigen oder sie wenigstens zu stören.

Benesch: Also wir gehen davon aus, die Compact wird dagegen klagen. Es wurden ja schon mehrere Sachen angekündigt. Es könnte also dazu kommen, dass wir dann auch vielleicht in der Öffentlichkeit mehr erfahren über die Materialsammlung hier vom Innenministerium, über den Verfassungsschutz und wo ist dann letztendlich die Grenze erreicht, wo man sagt, okay, die Masse ist da, die Beschaffenheit ist klar. Wie stelle ich mir das quantitativ vor? Muss der da jetzt 50 mal das eine gesagt haben? Oder 80% seiner Mitarbeiter müssen auf der Linie sein? Also wie muss man sich das vorstellen?

Jun: Am Schluss ist es eine Abwägungsentscheidung des Gerichtes. Und natürlich gibt es jetzt hier nicht eine feste Schwelle, wo man sagen muss, das muss jemand so dreimal gesagt haben, dann bist du raus.

Sondern was man sich anschaut, ist: Sind es Einzelfälle, hat man einen roten Faden? Ist hier ein Narrativ tatsächlich vorhanden in dem Sinne, dass eine bestimmte Stimmung erzeugt werden soll, dass ein bestimmter Glaube erzeugt werden soll, dass die Bereitschaft zur Gewaltanwendung heraufbeschworen wird? Und zwar nicht nur, indem man sagt „Bitte wendet Gewalt an“, sondern indem eine Meinung geäußert wird, zum Beispiel über die Notwendigkeit von Gewalt, über die Berechtigung von Gewalt, über die Alternativlosigkeit von Gewaltanwendung.

Und wir sehen genau das in dem Material, was ja schon veröffentlicht wurde, dass wir eine Gewaltbereitschaft innerhalb oder um die Organisation herum sehen. Wir sehen aber vor allem ja nicht nur in dem Material, sondern in unserer Gesellschaft, wie wir mehr und mehr sehen, dass Menschen bereit sind, gegen den Staat zu kämpfen, gegen die Repräsentanten, gegen Politiker und dabei eben zum Beispiel auch Gewalt anzuwenden.

Benesch: Um vielleicht mal ein Vergleich heranzuziehen Es laufen jetzt die Gerichtsprozesse gegen die sogenannte Prinz Reuß-Gruppe. Also das wurde ja aufgeteilt, schon der Prozess, weil es einfach so ein hohes Volumen hat. Wir haben auch gesehen, wie viele Polizisten da vor einer ganzen Weile beteiligt waren an den Razzien usw. und so fort. Und der Prozess wird es auch sehr, sehr lange dauern. Ist das auch Teil dieses Medienverbot, das man hier argumentiert, der Staat hat nur begrenzte Sicherheitskapazitäten? Also man ist da vielleicht gegebenenfalls in fünf oder zehn Jahren überfordert. Falls dann irgendwelche Aktivisten zu gewalttätigen Mitteln greifen.

Jun: Ich würde Ihre Frage so verstehen, dass die Gefährlichkeit sich ja auch daraus ergibt, dass wir Gefahr laufen, dass tatsächlich die verfassungsmäßige Ordnung eines Tages ausgehebelt werden würde. Für das Verfahren nach dem Vereinsgesetz kommt es darauf aber eigentlich gar nicht an. Es kommt nicht darauf an, ob Compact wirklich in der Lage ist, die verfassungsmäßige Ordnung zu beseitigen. Beim Vereinsverbot, also das Wort von Organisationen, reicht es aus, dass sie das Ziel verfolgt, die verfassungsmäßige Ordnung zu beseitigen, unabhängig davon, ob sie wirklich dieses Ziel erreichen kann, also wie gefährlich es tatsächlich schon wird.

Benesch: Also die Schwelle ist einfach anders. So verstehe ich das, weil wir kennen das ja von dem zweiten NPD-Verbotsverfahren. Da war die Relevanz eben das Thema. Also die Partei galt nicht als relevant genug. Deswegen durfte sie bestehen.

Jun: Sortieren wir es tatsächlich mal kurz ein, denn wir haben zwei Bestandteile. Das eine ist, dass man also die Ziele hat, die verfassungsmäßige Ordnung zu beseitigen. Das ist gleichbedeutend mit der freiheitlich demokratischen Grundordnung. Und jetzt braucht man bei einer Partei zusätzlich das Kriterium der Potentialität. Die Potentialität, die bei der NPD nicht gegeben war, bedeutet also, dass jemand theoretisch auch die Möglichkeit hat, diese Ziele zu verwirklichen. Beim Vereinsverbot nach neun Absatz zwei Grundgesetz brauche ich diese Potentialität nicht.

Was ich aber stattdessen brauche, ist aber eine kämpferische, aggressive Haltung. Das heißt, an Stelle von dieser Potentialität muss sich bei einem Vereinsverbot eine gewisse Aggressivität nachweisen. Und das sind jetzt so die Fragen, die wir genauer betrachten müssen: Mit welcher Vehemenz, mit welcher Energie, mit welcher Rücksicht auf Schwächere werden denn hier diese Lehren oder diese Ziele verfolgt?

Benesch: Kann es jetzt dazu kommen in den nächsten Jahren, dass das gesammelte Material, also gerade durch die Verfassungsschutzämter, dass dieses Material dann teilweise auch weitergereicht wird an Staatsanwaltschaften? Kann es da zu Anklagen kommen?

Jun: Das halte ich für sehr wahrscheinlich, denn ich habe mir ja die Begründung des Innenministeriums angesehen und dachte mir, manche stellen, Puh, das hätte aber auch schon für ein Ermittlungsverfahren ausgereicht. Insbesondere im Hinblick auf 130, also Volksverhetzung. Vielleicht sind diese Sachen auch schon bei den Ermittlungsbehörden parallel und wir werden wahrscheinlich mehr Material sehen. Das hier ist ja erst der Anfang. Die haben ja in den Durchsuchungen alles mögliche, weitere Material, Chatverläufe usw. sichergestellt. Das wird jetzt noch Monate dauern, das auszuwerten. In der Zwischenzeit wird man natürlich das Verbotsverfahren weiter betreiben. Da wird man sich wahrscheinlich von Seiten des Ministeriums verteidigen, dagegen aber die weiteren Erkenntnismöglichkeiten und das gilt sowohl jetzt für Compact als auch für mögliche Parteiverbotsverfahren Dort lernen wir natürlich immer weitere Erkenntnisse und haben am Ende die Möglichkeit, in Richtung Parteiverbot, AfD, und ich bringe das hier in Zusammenhang, weil ich da Verbindungen sehe, in der Hinsicht weiteres Material, weitere Anknüpfungspunkte hat oder eben natürlich auch Strafverfahren. Vielleicht der eine Punkt, Habeck ins Auge schießen zu lassen, das ist etwas. Da sind ja schon Ermittlungen aufgenommen worden.

Benesch: Und jetzt habe ich natürlich auch diesen Text durchgelesen, also der längere Text. Es ging ja nicht nur um diese kurze Pressemitteilung hier vom Innenministerium, sondern [um die Verbotsverfügung, geleakt], glaube ich, von der Richtung der Anwälte oder des Anwalts-Teams von den Compactleuten. Da wurde der gesamte Verbotsbeschluss irgendwie weitergereicht, ins Netz gestellt. Und da geht es jetzt natürlich sehr stark um das Thema Remigration. Also da gab es auch diese eine Konferenz, also unter etwas konspirativen Voraussetzungen. Da wurde darüber gesprochen, was haben wir eigentlich vor zwecks Abschieben usw. und dann, als es in der Presse landete, war natürlich dann wieder der Kampf um die Deutungshoheit über die ganze Sache.

Also das ist jetzt halt ähnlich bei dieser Konferenz wie auch bei der Compact. Also die betreffenden Leute habe ich dann gesagt, sie hätten da überhaupt gar nichts Verbotenes anvisiert und gefordert. Das Innenministerium sieht das jetzt anders. Also noch mal, wo konkret ist die Schwelle, damit jetzt nicht Leute sagen können, das sei jetzt Willkür gewesen? Mit dem Compact verbot dürfe man ja überhaupt nichts mehr quasi sagen.

Jun: Wir haben jetzt ja eben gesprochen über dieses zweite Kriterium, nämlich wie gefährlich ist jemand, Potentialität oder aggressiv-kämpferische Haltung Jetzt geht es um die zwei materiell rechtlichen Argumente, nämlich dass die verfassungsmäßige Ordnung beseitigt oder bekämpft werden soll. Und da ist ein Aspekt die Menschenwürde und der Punkt Remigration. Der greift die Menschenwürde insofern an, dass nicht nur zwischen einem ethisch deutschen und nicht ethisch deutschen Volk unterschieden wird. Biodeutsche und Pass-Deutsche nennen die das dann mal gelegentlich. Sondern dass auch andere rechtliche Konsequenzen daran geknüpft sind. Und das ist genau die Grenze. Die rote Linie, die auch schon beschrieben ist hier in diesem Buch von Martin Sellner, wo er ja dezidiert genau sagt, was er vorhat mit Staatsbürgern mit Migrationshintergrund oder falschen politischen Einstellungen, wie die behandelt werden sollen, wie man sie dazu bringt, freiwillig das Land zu verlassen.

Und das ist eine Verletzung der Menschenwürde nach meiner Überzeugung, aber auch der Lesart des Verwaltungsgerichts Nordrhein Westfalen in Münster aus dem AfD Prozess, wo wir immer wieder sehen: Du darfst einen unterschiedlichen Volksbegriff aufstellen, aber in dem Moment, wo du forderst, dafür einstehst, dass Menschen mit Migrationshintergrund, die Staatsbürger sind, anders behandelt werden, dann verletzt du die Menschenwürde, weil die Menschenwürde gleich gilt für Staatsbürger, für alle Menschen und schon gar nicht mit einem ethnisch völkischen Kriterium.

Benesch: Also gab es für die Compact anscheinend durchaus jede Menge Möglichkeiten im Lauf der letzten Jahre, legal Bericht zu erstatten. Und es gab auch anscheinend die Möglichkeiten, eben nicht diese Normen zu zu triggern. Also gerade mit der mit der Ungleichbehandlung oder wie auch immer, hätte man ja sagen können wir fordern, dass der Verfassungsschutz beispielsweise vergrößert wird, dass er sich einsetzen soll, verstärkt vielleicht gegen islamistische Bedrohungen vorzugehen usw. aber man bewegte sich da eben an dieser krassen Linie.

Und man beschrieb dann eben auch die Zustände in Deutschland in den letzten Jahren, also gerade seit 2015/16, als so eine Art Bürgerkrieg. Und es wurde auch noch Bezug genommen auf auf diverse Personen, die ebenfalls so eine Art Rhetorik bringen. Also man habe es gar nicht mehr mit so einer Art Friedensituation oder normalen Situation zu tun, sondern es würde der Eindruck erweckt, es gäbe eine Vernichtungsabsicht gegen das deutsche Volk und da müsse man sich jetzt dann irgendwie gegen wehren.

Also wie ist das zu bewerten mit so einer Art Bürgerkriegs- oder Kriegsrhetorik? Also in was für einem Zustand wir uns eigentlich hier befinden?

Jun: Sie sprechen zwei Punkte an ich nehme mal den ersten auf. Das Magazin hat jahrelang einigermaßen unbehelligt berichtet und deswegen kommt auch so der Eindruck auf: Na ja, wir wurden nicht verfolgt, das war ja nicht strafbar. Also dürfen wir das auch weitermachen. Und jetzt wundert man sich. Natürlich ist es überraschend, dass jetzt der Staat mit einem so drastischen Schritt mit dem Verbotsverfahren dagegen vorgeht, obwohl es im Gesetz drinsteht, obwohl eigentlich auch klar und vorhersehbar war, dass dieses Magazin rechtsextremistisch ist, dass es gegen die verfassungsmäßige Ordnung ist. Der zweite Punkt, den Sie aufgebracht haben: Wir haben ein Narrativ, an das wir uns schon fast gewöhnen. Das ist schon das Gefährliche daran, nämlich dass der Staat [angeblich] nicht legitim ist, dass der Staat den Zustand erzeugt hat, gegen den man kämpferisch – wir erinnern uns – vorgehen muss, dass sozusagen zum Sturz des Regimes, wie es ausgedrückt wurde, es womöglich nicht nur erforderlich ist, parlamentarische Mehrheiten zu verwenden, sondern eben auch Gewalt anzuwenden.

Und in dem Moment hat man natürlich auch wieder diese rote Linie überschritten, da geht es jetzt nicht allein um die Menschenwürde, sondern vor allem um das Kriterium Demokratie und Rechtsstaatsprinzip. Wenn ich nicht mehr bereit bin, den Diskurs in einem demokratischen Prozess zu führen; und das reicht nicht aus, dafür einfach nur zu Wahlen anzutreten. Demokratischer Prozess bedeutet, dass man einen Diskurs friedlich miteinander führt, Minderheitenrechte auch anhört und respektiert, Grundrechte anhört.

Wenn man dazu nicht mehr bereit ist, dann ist man auch gegen diesen Teil des Rechtsstaats, nämlich der, in dem jeder Mensch Rechte hat und in dem Demokratie nicht mehr so ausgewogenes Austarieren der Interessen seine Meinung durchsetzt und die Gewalt, das Gewaltmonopol beim Staat liegt.

Benesch: Ein ähnlicher Punkt, der damit zusammenhängt in dem Verbotsbeschluss, dreht sich um diverse Sezessionsbemühungen. Also da ist gibt es ja alles mögliche, man nennt sie Reichsbürger- Gruppen. Man nennt sie Selbstverwalter. Es gibt da auch noch diese Verbindungen vom Compact- Magazin zu diesem Institut. Und da werden auch, wie auch von Martin Sellner, immer wieder Pläne genannt. Man könnte ja so irgendwie Deutschland so ein bisschen zerstückeln und dann letztendlich irgendwann wieder zu einem Ganzen zusammenfügen. Also wie ist das rechtlich, wie muss man das rechtlich verstehen, wenn jetzt Leute meinen, oder wen soll sich animiert dazu fühlen, ihr Grundstück so zum Staat auszurufen oder irgendwelche völkischen Siedlungsgemeinschaften hier zu bilden?

Jun: Na ja, wir sehen wieder einen Konflikt mit dem Demokratie und Rechtsstaatsprinzip und auch der verfassungsmäßigen Ordnung. Wenn Menschen den Staat nicht anerkennen. Und das bedeutet nicht, dass man den Staat nicht kritisieren darf. Das ist selbstverständlich erlaubt. Aber in dem Moment, wo ich sage, die Grundlagen des Staates sind nicht mehr legitim und müssen umgestürzt werden, das ist die verfassungsmäßige Ordnung unseres Grundgesetzes, dass wir ein Staatsgebiet haben, ein Staatsvolk, eine Staatsregierung und das, wie schon gesagt, das Machtmonopol vom Staat ausgeht.

Leute sagen, es wäre doch schön, wenn sich Bayern abspalten würde, Sachsen und Thüringen. Solche Gedankenspiele kann man durchaus machen, aber in dem Moment, wo man tatsächlich versucht, sich loszusagen mit einem Königreich oder einem eigenem Territorium, gerade weil man das Narrativ transportiert, dass der bisherige Staat oder das Grundgesetz keine Autorität mehr habe, nicht mehr gelten soll, [ist die Linie überschritten].

Denn das liegt ja jetzt in den verschiedenen Lehren und Narrativen zugrunde. Manche gehen ja davon aus, dass das Grundgesetz keine Verfassung ist. Und all diese Sachen sind natürlich ganz offenkundig eine feindliche Einstellung zu der verfassungsmäßigen Ordnung.

Benesch: Und jetzt heißt es dann hier in dem Text noch folgendermaßen: Stellvertretend für Juden werden von Compact jüdische Gruppierungen wie die Organisationen Bnai Brith und Chabad Lubawitsch im Kontext antisemitischer Narrative genannt. In einem Online Artikel verbreitet Compact das Narrativ, die jüdische Gemeinschaft Chabad arbeitet im Hintergrund auf beiden Seiten des russischen Angriffskrieges in der Ukraine an der Eskalation des militärischen Konflikts. Und dann gibt es auch andere Chabad-relevante Aussagen, dass irgendwie Chabad die Herrschaft über Deutschland anstrebe. Welche Verpflichtung hat man, wenn man publiziert? Man muss ja anscheinend zumindest in der Lage sein, Dinge zu trennen von Mythen und Märchen. Also gerade bei Chabad. Das ist halt einfach eine Gruppe gewesen, die unter anderem in der UdSSR, in der Sowjetunion, versucht hatte, jüdisches Leben zu ermöglichen. Also man beschrieb das in der Sachliteratur als sanfte Diplomatie. Es war unglaublich schwierig, unter den damaligen Verhältnissen beispielsweise jüdische Schulen zu haben. Jetzt sind ein paar prominente Figuren in der in der Welt heute Mitglied von Chabad. Also welche Verpflichtung hat man da konkret, dass man das auseinander hält? Der Vorwurf, so hört sich das für mich an, ist, hier werden Dinge durcheinandergeworfen. Also ich habe jetzt nicht von der Compact ein klares Bekenntnis gehört zu der klassischen Verschwörungsmythologie. Aber so wie die das schreiben, kann das eben sehr krass missverstanden werden. Was muss man als Publizist beachten? Also welche saubere Trennung muss man hier vornehmen?

Jun: Compact wurde nicht verboten, weil sie redaktionell mal einen Fehler gemacht haben. Sie werden nicht deswegen verboten, weil sie ein Artikel zugelassen hat. Das reicht nicht aus und das ist genau das, was natürlich jetzt die Unterstützer von Compact versuchen, als Narrativ zu platzieren.

Dass man hier Presseorgane versucht zu drangsalieren wegen einzelner Vergehen. Und das ist schwierig daran. Wir sehen natürlich in dieser Stoffsammlung einzelne Aspekte und denken uns, das hätte man nicht so tun dürfen. Jeder einzelne Aspekt daraus hätte wahrscheinlich für ein Verbotsverfahren nicht gereicht. Und da kommt es drauf an, was ist mit der Summierung. Aber was wir sehen, und das zieht sich eben als roter Faden bei Compact durch, ist, dass sie darauf hinarbeiten und jedenfalls die Wirkung erzielen, dass es massive fundamentalistische Vorbehalte gegenüber dem jüdischen Volk gibt.

Ob man das jetzt Antisemitismus als sekundären Antisemitismus bezeichnet, wie jetzt in der Begründung, ob das jetzt DogWhistles sind. Ehrlich gesagt, das ist eine Mischung aus mehreren Sachen. Der Antisemitismus wird gar nicht immer so ganz direkt angesprochen, aber das, was passiert bei den Lesern, der Einfluss des Magazins und der Organisation; das ist ja nicht nur das Magazin, sondern es sind auch die Veranstaltungen, diejenigen, die dieser Linie folgen, ihr ausgesetzt werden, werden mehr und mehr ein antisemitisches Lebens-Weltbild aufnehmen.

Und da sind wir wieder im Bereich der Verletzung der Menschenwürde. Wenn also beispielsweise dem jüdischen Volk ein Existenzrecht, ein Lebensrecht in einzelnen Personen daraus abgesprochen wird.

Benesch: Nun heißt es hier in dem Text, also der längere Text, nicht die kurze Pressemitteilung: Jürgen Elsässer schreibt in seinem Editorial in der Compact Ausgabe vom Juni 22 schuld-relativierend und die Erinnerungskultur delegitimierend: „Mit aller Gewalt will die Bundesrepublik die masochistische These von der deutschen Alleinschuld am Holocaust verteidigen und ihre ukrainischen Kostgänger als unschuldige Opfer von Hitler darstellen.“ So werden mittels einzelner Zeitzeugen berichtet, die Taten der Waffen SS oder Leibstandarte relativiert oder verherrlicht. Angehörige der Waffen SS werden beispielsweise als die Tapfersten der tapferen oder tapfere Soldaten, keine Verbrecher bezeichnet. Das wirkt für mich auch wieder so ein Balanceakt hier an der ganz krassen Grenze. Also wenn man jetzt bestimmte Leute historisch als tapfer bezeichnet, da geht man wohl um die strafrechtliche Relevanz wahrscheinlich drumherum. Aber jetzt wieder dieses Masseargument. Also hat man es auch letztens gesehen mit Krah von der AfD? Ging es da um „mutig“ oder ging es da um „es war nicht alles schlecht“ oder so was in der Art? Ab wann ist da der der Ofen aus?

Jun: Also die Grenze ist nicht die Strafbarkeit. Beleuchten wir die trotzdem mal ganz kurz, weil hier geht es ja um Paragraf 130 Absatz drei StGB, in dem ja unter Strafe gestellt wird, wer die Herrschaft des Nationalsozialismus unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlungen, und zwar nach dem Völkerstrafgesetzbuch in einer Weise den öffentlichen Frieden geeignet zu stören, billigt, leugnet oder verharmlost.

Das ist eine strafrechtlich durchaus enge Definition. Aber auf diese Grenze kommt es nicht an, es kommt für das Verbotsverfahren nicht darauf an, es bedeutet nicht, dass schon jegliche Ansätze deswegen zu einem Verbotsverfahren gehören, sondern der Maßstab ist verfassungsmäßige Ordnung.

Und da geht es ja um Demokratieprinzip, Rechtsstaatsprinzip und Menschenrechte. Hier sind wir wieder bei den Menschenrechten. Wenn wir nämlich sagen, wie bei Krah, dass nicht alle SS Offiziere oder Mitglieder [Verbrecher waren]. Die Antwort ist da ein bisschen differenziert, denn so sehen wir ja, dass diese Äußerung für sich selber noch keine konkrete Handlung bezeichnet, sondern nur die Personen versucht zu rehabilitieren.

Und so macht es Herr Elsässer auch. Aber das Narrativ dahinter, das Ziel ist das gleiche, nämlich zu sagen, dass die Menschen keine Verbrecher waren oder sie seien tapfer. Das führt natürlich auch zu einer Neubewertung ihrer Handlungen.

Diese Annäherung. Sie haben völlig recht. Und ob die sich da so langsam an die Fenster der Strafbarkeit herantasteten und dachten, solange ich die Strafbarkeitsgrenze nicht überschreite, bin ich safe. Aber für das Verbotsverfahren, da gelten andere Maßstäbe, und da kommt es jetzt nicht auf die einzelne Handlung an, sondern auf die gesamte Wirkung, die man erzeugt, die man erzeugen will.

Benesch: Nun heißt es hier dann auch noch folgendermaßen: Desweiteren liegen Erkenntnisse über Verbindungen zwischen Compact und der rechtsextremistischen Partei „Die Heimat“, ehemals NPD, vor. Einige Mitarbeiter der Compact Magazin GmbH stammen beispielsweise aus der NPD oder weisen Bezüge zur Partei Die Heimat auf. Also genannt ist der sogenannte Chef vom Dienst.

Jun: Und das ist neu für uns gewesen. Die waren ja unter Pseudonym und dankenswerter Weise wurden diese Erkenntnisse alle geleakt und aufgedeckt.

Benesch: Und dann wurde noch genannt hier ein weiterer zurechenbare Mitarbeiter. Und dann haben wir sogar noch einen weiteren Autor. Also Compact vermarktete sich als die sogenannte Neue Rechte, auch Partner der Compact, also gerade auch dieses dieses Institut für Staatspolitik von Herrn Kubitschek vermarktet sich als neue Rechte. Und man kriegt dann die dann Artikel und Veranstaltungen der alten Rechten. Also es gibt ja auch Naive im Publikum, die meinen dann, sie bekommen die Neue Rechte. Jetzt scheinen aber da Autoren unterwegs gewesen zu sein von der alten Rechten. Also wie ist das rechtlich zu bewerten? Man stelle sich mal die Bewerbungsgespräche vor bei der Einstellung dieser Leute mit dem Herrn Elsässer. Wie ist das zu beurteilen, wenn man sich jetzt Leute holt, die einen gewissen Status hatten? Bei der NPD?

Jun: Jetzt kann man sagen, wir sollen nicht von Kontaktschuld sprechen. Aber wir sehen doch folgendes: Die Neue Rechte, was immer das jetzt war, die sind nicht klar abgegrenzt.

Unterschiede sofern zu verwischen, als dass man das Andenken, das Bild von den alten Rechten, von den Nationalsozialisten versucht, eigentlich immer weiter zu verklären. Wir sehen es zum Beispiel auch, wenn man sich das Wahlprogramm der AfD Thüringen anschaut, das auf der ersten Seite gleich mal beginnt mit einem Liedtext von einem alten Nazi.

Vielleicht unverfangen, aber man versucht jetzt natürlich auch, und das ist tatsächlich neu, alte Nationalsozialisten zu rehabilitieren. Um Ihre Frage zu beantworten: Spielt das rechtlich eine Rolle, ob es neue oder alte Nazis sind? Eigentlich nicht. Es spielt nur eine Rolle, wenn wir die Handlungen der alten Nationalsozialisten tatsächlich verharmlosen würden. Aber das Verharmlosen [mancher] Personen ist jetzt zunächst mal nicht strafbar nach 130 Absatz drei. Aber was wir natürlich sehen, ist, dass diese Lehre immer mehr transportiert wird. Und das ist der Punkt. Das ist die Wirkung, auf die wir abstellen. Wenn wir nämlich eine Gesinnung erzeugen, die mehr oder weniger auch bereit ist, anzuerkennen, dass Nationalsozialisten unter Hitler Helden, tapfere Menschen waren, ihre Handlungen gerechtfertigt waren, dann sind wir auch ganz schnell bei genau dieser Lehre, die dann eben auch natürlich impliziert, dass es wertes und unwertes Leben gibt, dass es Volksdeutsche gibt, Biodeutsche, die mehr Rechte haben sollten als die anderen. Und diese Grenze haben wir schon überschritten. Also aus juristischer Sicht geht das alles mit einher, dass wir eine Differenzierung suchen, die die Menschenwürde verletzt.

Benesch: Nun heißt es hier in über eine Compact-Spendengala aus dem Jahr 2023: „Und dann noch ein da noch ein wichtiger Unterschied zu anderen Medien Wir wollen dieses Regime stürzen. Wir machen keine Zeitung, indem wir uns hinter dem warmen Ofen oder den Computer verziehen und irgendwelche Texte wie eine Laubsäge-Arbeit auf den Markt bringen, sondern das Ziel ist der Sturz des Regimes. Und nur wenn man das Ziel vor Augen hat, kann man auch entsprechende Texte schreiben. Ich lade Sie ein, den Weg, den wir gehen, zu begleiten, zu unterstützen.

Also ab welchem Punkt sind solche Äußerungen tatsächlich relevant? Weil jemand kann sich ja theoretisch rausreden und sagen na ja, mit Regime meint er jetzt nicht unbedingt die die freiheitlich demokratische Grundordnung; es sei irgendwie nur die Regierung gemeint. Und mit Stürzen meint er vielleicht damit, dass wir hier eine andere Partei an der Macht haben wollen.

Jun: Diese Argumente verfangen in dem Verbotsverfahren nicht besonders gut. Es kommt nicht darauf an, ob Herr Elsässer das meint oder glaubt. Worauf es ankommt, ist die Wirkung, die es erzielt, wenn diese Aussage so verstanden wird von vielen Menschen oder von ausreichend Menschen, dass wir ein Regime, nämlich ein nicht legitimes staatliches System stürzen müssen und das notfalls auch mit Gewalt, wenn er in Kauf nimmt, dass man es so versteht.

Wobei, das ist jetzt schon wieder eine subjektive Sache des Vorsatzes. Dann ist die Organisation darauf ausgerichtet, die verfassungsmäßige Ordnung zu beseitigen. Also das Ziel ergibt sich durch die Wirkung. Ein Herausreden, dass man es anders meinen könnte, das kennen wir aus dem Äußerungsrecht. Natürlich dort, wo wir im Strafrecht unterwegs sind, da gilt das Prinzip in dubio pro reo.

Ich muss bei mehreren denkbaren Auslegungsvarianten diejenige nehmen, die gerade noch legal ist. Aber wenn ich die Wirkung von einer Organisation oder Partei betrachte, dann schaue ich die Gesamtwirkung an, dann schaue ich mir auch an, wie wird es verstanden? Und seien wir mal ehrlich: Regime stürzen? Wer meint denn dabei wirklich nur, wir wollen erfolgreich bei demokratischen Wahlen sein?

Benesch: Aber er hatte zumindest die Gelegenheit, Statements zu machen, die völlig legal sind. Er hätte sagen können, ich mag die SPD nicht. Ich mag die Grünen nicht. Ich mag die CDU nicht. Ich will nicht, dass die in Zukunft nicht die Regierung stellen. Ich will da andere Parteien haben. Also es gab zumindest eine Menge an legalen Alternativen.

Jun: Und das ist ein wichtiger Punkt; den sehen wir auch in anderen gerichtlichen Verfahren. Wenn etwas mehrdeutig ist, schauen wir auch genau hin. Als Juristen. Welchen Kontext haben die betroffenen Personen geschaffen, um es einzuordnen? Haben Sie sich jemals ernsthaft bekannt zu so etwas? Weil, wenn es zum Beispiel um die Remigration, wie sie in Potsdam beschrieben wurde, geht, dann wäre es doch eigentlich relativ leicht, dass die Teilnehmer dort sagen, wir finden die Vertreibung von Staatsbürgern mit Migrationshintergrund oder falscher politischer Einstellung ekelhaft und distanzieren uns völlig davon.

Das tun sie aber nicht, weil sie im Grunde genommen gar nicht bereit sind, sich von dem Gedankengut zu distanzieren. Einzelne vielleicht schon, wird man bestimmt auch finden. Die Wirkung ist es, warum eine Gefahr von einer Organisation ausgeht.

Benesch: Nun gab es ja noch diese Situation hier, das wurde auch zitiert in dem Verbotsbeschluss. Da ging es um eine Art Hausmeister der Compact. Und der habe dann, so der Vorwurf, eine Drohung ausgestoßen gegenüber Herrn Robert Habeck. Und jetzt gab es dann eben von seitens Compact dann Erklärvideos. Also man habe darauf hingewiesen, da sei ja irgendwie nichts dran.

Aber es klingt so, als sei man sich nicht sicher, wie viel Informationen die Behörden tatsächlich darüber haben. Das ist jetzt erst mal so nicht zu erraten. Gibt es da Abhörprotokolle oder sonst irgendwas? Oder basiert das jetzt nur auf einer Aussage? Wir werden es wahrscheinlich irgendwann erfahren, aber heute ist die Information noch nicht sichtbar.

Jun: Über die Staatsanwaltschaft hat sich dazu ja auch auf Presseanfragen auch schon erklärt, dass man zum Beispiel nicht genau weiß, mit wem dieser Dialog stattfand. Bzw. gesagt, das will man jetzt nicht sagen. Sie hat nur gesagt, dass sie selbst nicht erklären, dass das ein Dialog mit Herrn Elsässer war und weiß jetzt auch nicht genau, was danach dazu gesagt wurde.

Ob Herr Elsässer gesagt hat, um Gottes Willen, nicht den Habeck erschießen, das machen wir auf gar keinen Fall. Wie er sich da zu verhalten hat. Dass es überhaupt diese Information in den Akten gibt, spricht natürlich sehr stark dafür, dass wohl Überwachungsmaßnahmen durchgeführt worden sind. Und das ist ja kein Geheimnis. Das ist ja offenkundig, denn der Verfassungsschutz hat ja schon vor Jahren erklärt und Monaten, dass dieses Objekt überwacht und überprüft wird.

Das heißt, natürlich wurden da Telefone abgehört oder Durchsuchungsmaßnahmen, auch verdeckte Ermittlungen durchgeführt. Und deswegen wird es natürlich viel, viel mehr Material noch geben als das. Und ich glaube, im Augenblick sitzen alle da beim Verfassungsschutz und beim Innenministerium und genießen vielleicht, betrachten, analysieren die Show, sehen, wie man sich dazu verhält und haben wahrscheinlich noch wesentlich mehr Material in der Hinterhand.

Benesch: Jetzt werden dann auch Kommentare zitiert, vielleicht so circa zehn Stück. Also das sind Kommentare, die da Leute gemacht hatten zu der Berichterstattung der Compact, also das ist aus den letzten Jahren, soweit wir das sagen können. Das sind Teile des Compact-Publikums gewesen; also da werden Sachen zitiert wie der folgende Satz: „Es ist für Deutsche in der fremdbestimmten Bundesrepublik viel schlimmer als es 1933 war. Dann meint irgendjemand anderes, Faesers Demokratieförderungsgesetz sei nichts anderes als das Ermächtigungsgesetz von 1933. Dann haben wir: Habeck und von der Leyen wollen eine Diktatur einführen. Und dann meint noch jemand, die transatlantischen zionistischen Eliten gehören abgeschafft und alle US-Präsidenten seien Gefangene des weltweiten Spinnennetz Systems. Sie seien letztendlich nur Juden-Knechte, wenn auch mit fürstlichen Gehalt. Was hat das jetzt für konkrete Auswirkungen? Was sind die Folgen für die Compact, wenn man eben nicht nur die Compact selber beobachtet hat, was die hier rausgehauen haben, sondern wenn man beobachtet hat, was sagen die Leser oder Leute, die das Ganze auch abonniert hatten.

Jun: Wirkung. Was wir gerade sehen ist Wirkung. Und ich glaube, es ist vielen Leuten nicht bewusst, wie relevant die Wirkung ist. Es geht nicht nur um die Handlungen von Compact, sondern welche Wirkung sie auf die Menschen, auf die Anhänger, auf die Leser, auf die Gesellschaft haben. Und wir haben diesen Aspekt gesehen in den Urteilsgründen vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein Westfalen in Münster im AfD Verfahren in einer besonderen Deutlichkeit, die ich vorher noch nicht, gar nicht so sehr gelesen habe, dass man eben nicht nur allein darauf abstellt „Was hat jemand gesagt?“ Sondern „Was ist die Überzeugung unter den Anhängern?“ Und wenn wir jetzt sehen, dass immer wieder zwar die einen verharmlosen, aber die anderen rechtfertigen, warum man Compact braucht, warum Compact zum Widerstand aufrufen muss, warum tatsächlich Gewaltanwendung vielleicht auch unverzichtbar ist, dann sieht man ja, wie stark diese Wirkung schon gegen die verfassungsmäßige Ordnung geht.

Insofern hochgradig relevant. Das meinte ich eben auch mit „Man wird das genau beobachten“, weil das, was jetzt hier in Reaktion auf Compact passiert, zeigt, glaube ich schon ganz gut, welche Bedeutung das Magazin schon hatte.

Benesch: Nun ist es ja auch so, dass nicht nur die Compact selbst verboten wurde, sondern auch diese Filmgesellschaft, die da noch mit dranhängt usw. Und dann gab es jetzt auch politisch dieses Verbot von Nachfolgeorganisationen. Ab wann genau spricht man von einer Nachfolgeorganisation?

Jun: Ja, das ist eine spannende Frage, die ich letzten Tage öfter versucht habe zu beantworten und nachzuvollziehen, weil wir sehen ja, man versucht das Sommerfest fortzusetzen, Veranstaltungen fortzusetzen. Herr Elsässer wird dann eben auf anderen Kanälen präsentiert und viele von diesen Sachen werden wohl zulässig sein.

Aber die Nachfolgeorganisation ist dann gegeben und natürlich dann auch verboten. Wenn quasi die wesentlichen Ziele der ursprünglichen Organisation fortgesetzt werden. Und das muss jetzt nicht bedeuten, dass man wieder dieses Magazin herausgibt, sondern zu Compact gehörten ja natürlich auch Verleih von Bühnen, Material, Sponsoring, Finanzierung und diese Sachen vorzusetzen, kann natürlich genau unter dieses Verbot der Nachfolgegeneration fallen.

Und ich nehme an, das schaut man sich natürlich auch jetzt sehr aufmerksam im Bundesinnenministerium an, um dann womöglich auch dann ein entsprechendes Verbot zu sprechen, ein Verwaltungsakt, aber vielleicht auch dann die Ermittlungsverfahren einzuleiten.

Benesch: Und wie geht das jetzt weiter? Wenn man da jetzt dagegen klagt, so habe ich das verstanden, hat es keine aufschiebende Wirkung. Also Compact bleibt erst mal verboten. Das kann jetzt dann ein anderes Gericht dann noch mal überprüfen. Also erstens, wie lang dauert das ungefähr und zweitens, wie sieht das dann aus konkret in dem Verfahren, wenn wir dann vielleicht mehr sehen oder in der Öffentlichkeit überhaupt irgendwas sehen von der dieser größeren Materialsammlung?

Jun: Also zunächst mal, wir haben die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig.

Ich nehme an, dass es zwei Verfahren gibt; einerseits ein Eilverfahren, also ein Verfahren zum Erlass einer einstweiligen Anordnung zu der Herstellung auch der aufschiebende Wirkung. Also das werden die Antragsteller versuchen, möglichst schnell dieses Verbot aus der Vorziehbarkeit rauszukriegen. Solche Eilverfahren können zwar theoretisch innerhalb von wenigen Tagen entschieden werden. Nachdem diese Sache ein bisschen komplexer ist, würde ich davon ausgehen, dass das eher Monate als Wochen dauert, aber nicht Jahre.

Also da kann es durchaus sein, dass wir in diesem Jahr schon noch eine Entscheidung im einstweiligen Verfahren, ein Ermittlungsverfahren im Eilverfahren sehen. Die Hauptsache- Entscheidung dürfte dann noch etwas länger dauern. Wobei wir mit dem Eilverfahren, wenn es eins geben wird, vermutlich schon einen ziemlich gute Orientierung bekommen, wie in der Hauptsache entschieden wird. Weil es geht ja hier dann auch um rechtliche Bewertungen von dem Material, was schon vorliegt.

Da kann bis zur Hauptsache Entscheidung zwar noch mehr Material hinzukommen, aber wenn das Bundesverwaltungsgericht sagt, wir erlassen keine einstweilige Anordnung im Eilverfahren, dann wird es wahrscheinlich auch die Hauptsache-Entscheidung so halten. Danach ist natürlich auch denkbar, dass das Bundesverfassungsgericht darüber entscheidet. Da wissen wir natürlich nicht genau, was rauskommt. Aber wir haben natürlich aus anderen Verfahren inzwischen ein ganz gutes Verständnis dafür, wie Menschenwürde, Rechtsstaatsprinzip dort gesehen wird, was die Anforderungen dazu sind.

Und wenn Sie mich persönlich fragen: Ich glaube, dass die Chancen der Antragsteller nicht unbedeutend sind, aber sie sind unterdurchschnittlich.

Benesch: Jetzt sah man die eine oder andere Stelle in der Verbotsverfügung. Da nimmt man Bezug auf anscheinend abgehörte Telefongespräche. Es ist auch die Rede von internen Diskussionen da bei der Compact Redaktion. Also bevor sie auf Sendung gehen; man redet dann über das eine oder das andere und da heißt es eben dann auch, da werden halt eben diese sehr krassen Haltungen da zum Ausdruck zum Ausdruck gebracht. Also wie muss man sich das vorstellen, wenn jetzt praktisch jemand, wie viele andere Influencer da draußen, die sich für mich auch nicht großartig unterscheiden von der Compact, unterwegs ist und die rechnen vielleicht damit, dass sie überwacht werden, wenn die da vielleicht intern immer wieder so ein paar Sätzchen sprechen, die entlastend klingen. Wie zieht man das so auseinander?

Also wenn jemand sagt, na ja, ich meine das ja gar nicht so ernst, ich mach das fürs Publikum oder ich mache das für meine Popularität oder ich will ja gar nicht dies und jenes. Also wie bewertet man solche Gespräche, die gar nicht da für die Öffentlichkeit gedacht worden?

Jun: Die Gespräche sind eine Einordnung und helfen bei der Auslegung der Frage, ob jemand tatsächlich die verfassungsmäßige Ordnung versucht zu beseitigen, ob er sich gegen sie richtet.

Aber wir haben es ja jetzt hier nicht mit einer einzelnen Ausgabe oder einem Zitat wie bei Herrn Krah zu SS-Offizieren zu tun, sondern es zieht sich ja wie ein roter Faden. Und dass über lange Zeit hinweg schon. Insofern, auf die einzelne Äußerung alleine wird es voraussichtlich nicht ankommen.

Sie wird aber hilfreich sein zur Interpretation, was gemeint war, aber auch da wiederum es kommt vielmehr auf die Wirkung an und allenfalls dann, wenn man sagt, also diese Wirkung haben wir gar nicht so intendiert, das war ja gar nicht unsere Absicht. Das würde man dann wiederum aus den Hintergrundgesprächen versuchen zu bewerten. Das würde dabei helfen. Und da sehen wir natürlich mit dem Material, was wir bisher sehen, dass die eigentlich das, was sie geschrieben haben, eigentlich auch so gemeint haben.

Also da ich meine, angenommen, die würden sagen, wir machen das jetzt einfach nur, um Auflage zu erzeugen, heute links, morgen rechts ist uns gerade egal, Hauptsache wir erzielen eine Wirkung. Selbst dann würde ich sagen, dass ja die Erzielung der Wirkung, ob jetzt durch Auflage oder Emotionalisierung der Menschen, eine beabsichtigte Wirkung ist. Allenfalls wenn es sich um ein unglückliches Missverständnis handelt, könnte man sagen, dass dem eine entlastende Wirkung zukommen könnte.

Benesch: Hier ist noch ein Zitat. Hier heißt es also das stammt auch aus der Compact: „Der globalistische Geldadel hat kein Interesse an der Nation, er ist vaterlandslos wie der Blutadel im Mittelalter. Da werden dann genannt die Bourbonen, die Habsburger, die Romanows, die waren damals das 1 %, heißt es, das grenzüberschreitend die 99 % gegeneinander hetzte, so wie heute die Rockefellers, Rothschilds, Morgans und die Kabale um Klaus Schwab und Bill Gates.

Wie damals können diese Blutsauger nur durch eine Revolution gestürzt werden.“ Also wie ist das, wenn ein Deutscher oder eine deutsche Publikation, wenn die Vorwürfe äußern gegen Ausländer, also Klaus Schwab oder Bill Gates oder irgendwelche Rothschilds, die da im Ausland sitzen. Also da hat man auch vieles gesehen, gerade im Zusammenhang mit der Corona Pandemie. Also da gab es ja die abstrusesten Vorwürfe auch gegen Bill Gates.

Jun: Es geht jetzt gar nicht so sehr darum, dass man die einzelne Äußerung als Aufruf einer Straftat ansieht. Es geht nicht um die einzelnen Delikte, sondern was man hier sieht, ist ein Baustein im Narrativ, um die Bereitschaft zu erzeugen, gewaltsam gegen einen Staat vorzugehen, die verfassungsmäßige Ordnung zu stören.

In dem Moment, wo ich sage, wir haben eine Machtausübung durch eine Finanzelite, die eben nicht demokratisch legitimiert ist, die in Wirklichkeit die Fäden zieht. Wenn ich dafür sorge, dass Menschen glauben, dass unsere Regierung ferngesteuert ist, dann ist es auch legitim, sie gewaltsam aus den Ämtern, aus der Macht zu drängen. Und wir sehen eben, dass genau diese Verschwörungsmythen dafür notwendig sind oder jedenfalls hilfreich sind, um Menschen tatsächlich zu aktivieren, dazu zu bringen, davon überzeugt zu sein, dass die Demokratie, wie wir sie haben, nach unserem Grundgesetz nicht die richtige, nicht die beste Rechtsform ist, sondern dass vielleicht ein totalitäres System, ein System, in dem man sich die Macht einfach greift.

Als Volk, als Aktivist, als bewaffnete Gruppe womöglich; dass das die bessere Option sein soll fürs Vaterland, dafür brauche ich solche Narrative. Und deswegen sehen wir, dass die eben Teil der erzeugten Wirkung sind.

Benesch: Nun konnte man ja beobachten, dass die Compact einen gewissen Einfluss hatte auf die AfD oder auch die Meinungen von AfD Wählern oder potenziellen AfD Wählern. Also so wie das für mich aussah, lief das im Prinzip so: Die Compact sympathisierte anscheinend sehr stark mit Figuren wie Höcke und Poggenburg und Tillschneider, die ja als die die ganz Harten gelten bei der AfD. Wenn allerdings dann zum Beispiel Maßnahmen erwogen wurden in der AfD, also man will vielleicht zum Beispiel einen Höcke aufs Abstellgleis stellen oder man äußert, dass man da jetzt Konsequenzen braucht gegen Aussagen von Leuten wie Höcke oder oder andere. Also immer wenn so eine Situation da war, wenn jemand da ein bisschen auf die Bremse treten wollte in der AfD, dann kam relativ schnell die Compact und verteidigt dann eher diese ganz harten Leute und warf den Gemäßigteren eher vor, sie würden da die Partei beschädigen oder sie würden halt irgendwie zu sehr an ihren Ämtern hängen etc. Ist das jetzt so eine Art Dynamik, die dann auch der AfD letztendlich zum Verhängnis wird? Ich sehe das immer so als als gäbe es keinen Mechanismus in der AfD für Fehlererkenntnis und Fehlerbehebung.

Jun: Wenn Sie mich jetzt als Jurist fragen, müssen wir natürlich vorsichtig sein, dass wir der Compact eine Unterstützung einer möglicherweise auch verfassungsfeindlichen Partei nur bedingt vorwerfen können für ein eigenes Verbotsverfahren, weil wir natürlich das Parteienprivileg haben. Und das ist eine komplizierte Situation. Ob jetzt Fördern eines bestimmten und versteckten ethnisch völkischen Flügels innerhalb der AfD auch ein Verbotsgrund sein kann. Haben Sie aber gar nicht jetzt vorgehalten. An Ihrer Frage zielt ja darauf hin: Was lernen wir über die Mechanismen? Und wir haben natürlich in der AfD gesehen, wie eins ums andere Mal die gemäßigteren Stimmen die Partei verlassen und aufgeben, weil sie unter Druck gesetzt werden, zum Beispiel durchs Vorfeld, durch den Flügel oder durch eben einflussreiche Kräfte, zu denen eben auch Compact gehört und das ist ein Teil der AfD Geschichte der Dynamik, die wir sehen.

Und jetzt aus Sicht der AfD, da sehen wir jetzt natürlich, dass die Richtung im Augenblick immer stärker zugunsten des ethnisch völkischen Flügels sich bewegt, weil diejenigen, die solche Sachen einbremsen würden, eingebremst werden, oder dann frustriert auch die Partei verlassen, weil die Machtverhältnisse, die eben auch geprägt sind durch ein Medium wie Compact und die Organisation dahinter, mehr an Einfluss gewonnen hat.

Das könnte sich jetzt vielleicht ändern, wer weiß. Das werden andere übernehmen. Aber wir sehen jetzt natürlich, was das mit der AfD macht. Und wir sehen eben auch, wie stark diese Strömungen, diejenigen, die verfassungsfeindlich eingestellt sind, innerhalb und außerhalb der AfD bereits Einfluss ausüben können.

Benesch: Was erwarten Sie sich in den nächsten Monaten im Hinblick auf die AfD? Also es gab jetzt aktuell heute einen Bericht in der Welt, da ging es glaube ich um die AfD Thüringen. Es ging um die Waffenbesitzkarte einer Person. Also man kann Leuten, die waffenrechtliche Eignung aberkennen, wenn derjenige halt verwickelt ist in heikle Organisationen und da wurde jetzt dann schon hier von seitens der Welt eben gesagt, das kann hinauslaufen auf ein Verbot der AfD in Thüringen. Wie sehen Sie das in den nächsten Monaten? Also wie schnell kann sowas dann tatsächlich gehen?

Jun: Ich habe in letzten Wochen sehr intensiv die Entscheidung des Oberverwaltungsgericht Münster Nordrhein Westfalen angesehen und ich komme zur ähnlichen Einschätzung wie viele andere Juristen auch, nämlich dass ein Verbotsverfahren dadurch wahrscheinlicher geworden ist bzw. auch ein Verbot wahrscheinlicher wird, wenn es beantragt werden wird. Und ich glaube, dass diejenigen, die die Entscheidung zu treffen haben, ob ein Antrag gestellt wird, in Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, im Augenblick ganz genau schauen, wie es sich entwickelt, auch mit diesem Verfahren. Ich glaube nicht, dass das jetzt ein Versuchsballon war, um zu, um zu experimentieren. Mit so was spielt man nicht. Aber es ist trotzdem hochgradig interessant zu sehen, welche Dynamik entsteht, wer wem zur Seite springt, mit welchen Argumenten hier argumentiert wird und natürlich auch, was juristisch dabei rauskommt. Ich glaube, dass die Wahrscheinlichkeit für ein Verbotsverfahren derzeit steigt. Es hätte ja auch sein können nach der Europawahl, dass zum Beispiel gemäßigte Kräfte, aber auch der Bundesvorstand versuchten, ein Verbotsverfahren dadurch abzuwenden, indem man sich demokratisiert, indem man die radikalen Kräfte isoliert.

Aber wir haben ja gesehen, was passiert ist, als man das mit Maximilian Krah versucht hat, wie stark die Gegenkräfte da drin sind und das sieht sich Alice Weidel hoffentlich auch an und überlegt sich, wie viel kann sie ihrer Partei zumuten? Denn ich glaube, Alice Weidel würde wahrscheinlich eher Björn Höcke gerne auch eher isolieren oder zur Ordnung rufen. Sie schafft es wenigstens nicht.

Und das macht leider dann wohl ein Verbotsverfahren unvermeidbar. Leider in dem Sinne, dass ich mir gewünscht hätte, die AfD würde aus eigener Kraft in Ansehung auf das drohende Verbotsverfahren versuchen, wieder den Kurs zugunsten einer Übereinstimmung mit der freiheitlich demokratischen Grundordnung suchen. Danach sind im Augenblick nicht aus.

Benesch: Jetzt haben wir gesehen bei vergangenen Vorfällen, beispielsweise bei den Verbotsverfahren gegen die NPD, also immer dann, wenn es um die Rolle geht von Informanten innerhalb dieser Kreise, da reagiert die Szene oder das Milieu gerne so, dass sie halt die die Rolle des Geheimdienstes sehr sehr stark übertreiben. Also zusammengefasst kann man vielleicht formulieren, na ja, der Verfassungsschutz ist schuld. Wenn irgendwas krasses war, dann war es eben der Verfassungsschutz.

Also wenn es zum Verbot kommt, sei es jetzt ein teilweises Verbot der AfD wie in Thüringen oder Komplettverbot. Wenn dann versucht wird, die die Deutungshoheit zu erlangen über dieses Verbot. Und es heißt wieder mal der Verfassungsschutz ist schuld. Wie muss man sich das vorstellen? Also was darf da der Staat?

Jun: Das hat das Bundesverfassungsgericht ja in der zweiten NPD und in der ersten NPD Entscheidung sauber ausgeführt und ich bin mir ziemlich sicher, dass der Verfasssungsschutz natürlich ganz genau diese Entscheidung gelesen hat und das auch weiß, was passiert. Nämlich dass zum Beispiel alle V-Leute abgeschaltet werden müssen, wenn ein solches Verbotsverfahren beantragt wird. Also diese gleiche Blamage werden die sich sicherlich nicht antun.

Und dass natürlich es kritisiert wird, ist völlig normal. Dass jedes denkbare Argument vorgeführt wird. Verfassungswidrigkeit oder Weisungsabhängigkeit des Amtes vom Innenministerium. Damit rechnen wir. Das ist jetzt auch nicht überraschend, dass das kommen wird. Aus juristischer Sicht wäre es natürlich sehr ungünstig, wenn bei einem Verbotsverfahren am Schluss rauskommt, dass sich die AfD durchsetzt. Ist es also so, dass die Erkenntnisse, die entstanden sind, durch V-Leute provoziert wurden. Ich halte die Wahrscheinlichkeit dafür allerdings nicht so hoch, weil die AfD ist viel zu groß, als dass man sie durch fünf Leute ernsthaft noch beeinflussen kann. Und es geht ja hier nicht um einzelne Äußerungen. Das was an Material vorliegt, ist ja öffentlich. Es geht ja nicht um ein abgehörtes Telefonat, wo man sich fragt, mit wem hat denn der da gerade telefoniert?

Selbst das Gespräch mit dem Hausmeister wird nicht entscheidend sein für das Verbot von Compact. Natürlich, wenn dieses Gespräch mit einem Mann geführt worden wäre, hätte das vielleicht eine andere Bedeutung, als wenn es mit Jürgen Elsässer geführt worden wäre.

Benesch: Okay, letzte Frage, falls es zu diesem Verbot kommt, also da werden dann eben auch die Vermögenswerte eingezogen von der AfD. Die Mandate fallen weg, auch Nachfolgeorganisationen sind dann verboten. Also es wäre schon ein gewaltiger, gewaltiger Schlag gegen die rechte Szene. Aber wie würde das sich auswirken, wenn da 1000 Leute oder 10.000 Leute hier tatsächlich dann den Aufstand wagen, von dem sie ja immer so lange gesprochen haben? Wie würde der Rechtsstaat damit umgehen, wenn er dann eben konfrontiert ist mit einem riesigen Haufen an Verfahren und Vorgängen?

Jun: Ich bin dankbar für die Frage, weil immer wieder gesagt wird, das sind 20 % der Bürger, die diese Partei wählen, den kann man doch nicht einfach das demokratische Angebot wegnehmen. Zum anderen das sind ganz viele Betroffene, denen man die Lebensgrundlage entzieht; die werden sich dagegen wehren.

Also eine Fortführung dieser Partei wird nicht funktionieren. Also ein Parteiverbot lässt sich durchsetzen. Jetzt war die Kommunistische Partei Deutschland natürlich viel, viel kleiner als die AfD, aber eben nicht so bedeutend, wie auch die NPD im zweiten Verfahren. Ich glaube, dass sich ganz viele andere Organisationen ganz genau überlegen, ob sie das gleiche Schicksal in Kauf nehmen oder riskieren wollen.

Wir würden also sehen, dass der Staat tatsächlich ernst meint und es nicht durchlaufen lässt. Und ich glaube, ganz viele in der AfD glauben im Augenblick, es wird nicht zum Verbotsverfahren kommen, weil sich der Staat das schlicht nicht traut. Das ist aber auch der Grund, warum man nicht versucht, jetzt die Verbotsgründe aus der Welt zu schaffen. Da spielen manche Leute eben auf volles Risiko und sagen: Wir sind wie wir sind.

Ob wir gegen die verfassungsmäßige Ordnung vorgehen oder nicht, ist uns völlig egal. Wenn der Staat eh zu blöd ist, uns das zu verbieten und in diesem Spiel mit dieser Konfrontation liegt es jetzt am Staat, an den dreifach antragsberechtigten Staats-Verfassungsorganen, ob sie sich das gefallen lassen wollen oder ob sie es wirklich drauf ankommen lassen. Insofern ja, das wird Verwerfungen geben, das wird unangenehm sein.

Wird auch bestimmt unangenehm viele Verfahren nach sich ziehen. Aber wir haben die Regeln dafür und so sehe ich das im Augenblick als das geringere Übel, wenn die Alternative dazu ist, eine tatsächlich verfassungswidrige Organisation oder Partei fortbestehen zu lassen.

Benesch: Okay, und ich danke Ihnen vielmals für das Gespräch und bin gespannt, wie sich das entwickelt.

Jun: Ich danke Ihnen für die Zeit und die Aufmerksamkeit. Bis dann.

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