Kommentar
Ein Presse-Event mit Trump, Vance und Selenskyj nimmt ein scheinbar dramatisches Ende: Dem ukrainischen Staatschef wird vorgeworfen, er sei „undankbar“ und nicht „bereit für Frieden“. Er wiederum vermisst eine konkrete Sicherheitsgarantie für den Fall, dass Putin sich nicht an die Bedingungen eines künftigen Deals hält.
Verschiedene Medien versuchten es mit den üblichen Standard-Interpretationen: Linke wittern wie üblich das Werk einer rechten Weltverschwörung. Traditionelle Verschwörungsaktivisten übernehmen samt und sonders die psychopathische russische Haltung und glauben, Trump sei ihr Mann.
Viel wichtiger und aussagekräftiger als dieses Pressevent war hingegen das CNN-Interview Tage später von Außenminister Rubio. Er erklärt, soweit überhaupt in der Öffentlichkeit möglich, wie unglaublich schwierig eine Antwort ist auf die Frage nach einem Mechanismus, mit dem die Einhaltung der Bedingungen eines Deals sichergestellt werden kann.
Selenskyj beklagt, man könne Putin ja nicht trauen. Das ist zunächst vollkommen richtig. Eine Antwort von Trump und Vance hätte lauten können, Putin stirbt wahrscheinlich sowieso innerhalb von 5 Jahren oder wird abgesägt und laut Geheimdiensteinschätzungen hat man andere Erwartungen an Nachfolger in der russischen Regierung. Diese Antwort hätte wesentlich besser geklungen, wäre aber viel zu gefährlich gewesen.
Rubio kann auf CNN nicht die genauen Absichten der US-Regierung verraten, welcher Mechanismus zur dauerhaften Durchsetzung eines Deals über die Ukraine geplant ist. Je schlechter der Deal für die Ukraine, umso leichter ist natürlich für Russland ein Vertragsbruch. Die Ukraine war einst schon an die Nazis und die Sowjets verraten worden mit Millionen Toten als Folge.
„High stakes international diplomacy„
Die CNN-Moderatorin sagt zu Rubio: Sie haben selbst in der Vergangenheit gesagt, man könne Putin nicht vertrauen bei Verhandlungen.
Rubio kontert, dass die Ukrainer, die Europäer oder Kritiker der Republicans in den USA keinen echten Plan vorweisen können. Einfach immer weiter Waffen liefern und aufs Beste hoffen, mag gut klingen, ist aber unrealistisch aus ganz konkreten Gründen, wie er erklärt: Der Krieg sei ein Fleischwolf und Russland könne mehr Fleisch aufbieten, inklusive Nordkoreaner. Russland „schere sich nicht um Menschenleben“. Er nennt keine Zahlen, aber prinzipiell wäre es denkbar, dass eine halbe Million Nordkoreaner und ggf. zusätzlich Chinesen eingesetzt werden. Diese könnten die Ukraine und weitere Territorien überrennen. Rubio sagt es nicht explizit, aber man kann eins und eins zusammenzählen. Es ist allgemein bekannt, dass laut Russlands Nukleardoktrin bei fundamentalen Schwächen des Regimes Atomwaffen eingesetzt werden. Im Russen-TV laufen entsprechende Drohungen.
Rubio sagt, die Angelegenheit sei „sehr komplex“. Das bedeutet, dass man nicht glauben soll, Trump würde alleine aus seinen Stimmungen heraus handeln, oder die Republicans schauten nur auf Eigeninteressen.
Rubio erwähnt, dass Russland weiterhin „hunderttausende neue Soldaten rekrutiert“. Dazu kämen bereits Nordkoreaner. Was die Trump-Administration mache, sei „high stakes international diplomacy” und kein Unfug.
Die CNN-Dame sagt, Rubio habe Putin bereits in der Vergangenheit als Schlächter und Kriegsverbrecher bezeichnet. Fairerweise muss man dazu erwähnen, dass Trump gerade Rubio zum Außenminister gemacht hatte.
Rubio kontert, er arbeite jetzt für das Außenministerium und sein Job sei demnach, Kriege zu beenden, nicht zu führen. Gemeint ist, er arbeite ja nicht fürs Pentagon.
Er erinnere sich, wie Joe Biden einst in einem Meeting sagte: „Wir wollen bestimmte Waffen nicht liefern, weil die Ukrainer diese dann einsetzen würden.“ In einem Briefing hieß es sogar von der Führung der Democrats, der Krieg sei sowieso „in sechs Tagen vorüber“. Es gab auch lautes Geschrei zwischen Biden und Selensky abseits der Kameras.
Die EU, so Rubio, spiele ein gefährliches Spiel mit der Kritik an der US-Regierung, denn die EU habe ja selbst gar keine Exit-Strategie für den Krieg. Trump habe kein Interesse an einem Waffenstillstand, der nur ein Jahr oder sechs Monate anhält. Er werde keine Worte verwenden in der Öffentlichkeit, die sich toll anhören, aber nichts bringen.
Wenn Trump sich von dem gesamten Thema abwenden würde, wer übernähme dann? Niemand auf der Welt sonst kann es. Rubio weist sogar noch explizit darauf hin, dass „viel abseits der öffentlichen Sphäre“ passiert. Frieden wird nicht erreicht „durch Pressekonferenzen und die Medien“. Es sei leicht dahergesagt, einfach nur Waffen zu liefern, komme was da wolle. Und dann dauert der Konflikt 15 Jahre lang.
74% der Republicans wollen laut einer aktuellen Umfrage ein „schnelles Ende des Ukraine-Kriegs; wobei Russland bereits erbeutete Gebiete behält.“
Die gewählte Trump-Regierung muss irgendwo den Wählerwillen abbilden, auch wenn die Parteiführung sicherlich weiß, dass die Wähler oft kompletten Dummfug glauben. Viele (soziale) Medien sind so geisteskrank, dass sie erzählen, Ukraine sei kein Land und hätte im Auftrag der linken Weltverschwörung Russland so provoziert, dass Russland keine andere Wahl mehr gehabt hätte, als einzumarschieren. Wenn das die Haltung ist bei den Republican-Wählern, dann fragt natürlich Selenskyj, ob es überhaupt einen Enforcement-Mechanismus für einen Deal geben wird. Oder ob die Russen einfach nur Kraft sammeln und dann die ganze Ukraine holen werden.
Die EU muss auch herhalten für Enforcement. Die scheinbar völlig schief gelaufene Pressekonferenz im Oval Office kann erheblich die Haltung von Europäern ändern. Vorher wurde viel gedacht, „die Amis“ werden solche Probleme lösen und für alles bezahlen.
Es kann sein, dass US-Militärführern schon vor Jahren klar war, dass die USA auf China fokussieren werden und die EU auf Russland. Deshalb vielleicht auch die Duldung der Ausweitung der klassischen Verschwörungsmedien. Normalerweise kultivieren die Republicans die Spinner begrenzt, um diese als Wähler zu mobilisieren. Die GOP rechnet vielleicht damit, dass Putin noch maximal 5 Jahre zu leben hat und mit den Nachfolgern mehr anzufangen ist. Demnach wäre es jetzt strategisch Unsinn, zu hoch gegen die Russen zu pokern. Rubio, Vance und sogar Trump haben mehr oder minder klargestellt, dass Putin nicht zu trauen ist. Aber Putin wird nicht für immer existieren.
EU
Zwischen 2021 und 2024 stiegen die Gesamt-Verteidigungsausgaben der EU-Staaten um 30%. 2024 lag der Wert bei rund 326 Milliarden bei knapp unter 2% des BIP. Eine Verdoppelung auf 4% bedeutet rund 650 Milliarden. Hedgefonds sind bereits im Gespräch, um mehr zuzuschießen. Von diesen Zahlen träumen die Russen.
EU defence in numbers – Consilium
Fehler
Trumps Persönlichkeit ist kein Geheimnis. Aber wer glaubte in den 2000ern, George W. Bush leitete wirklich das Land nach eigenen Vorstellungen? Man könnte nun spielend leicht auf die Trump-Admin verbal eindreschen, aber dies könnte sich als erheblicher Fehler herausstellen. Sollen die Republicans wirklich Wähler verlieren, sodass die Democrats mehr zum Zug kommen? Wie Rubio und Vance sagten, klang die Biden-Admin toll beim Thema Ukraine aber die Handlungen waren schlecht.
Trump wirkte alt und müde. Auch er ist nicht für die Ewigkeit bestimmt. Rubio, Vance, Musk und viele andere hatten vor wenigen Jahren noch erklärt, dass sie nicht viel von Trump halten. Dann schwenkten sie ein, zugunsten der Gesamtsituation. Nicht einfach nur wegen der eigenen Karriere. In der Privatwirtschaft können sie ohnehin mehr Geld verdienen und haben weniger Stress.
Senate approves $350 billion budget for Trump border, defense spending – The Washington Post