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Mythen und Fakten über das russische Zentralbankensystem

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Es kursieren wilde, widersprüchliche Theorien über Russlands Zentralbankensystem: Mal heißt es, Präsident Putin habe seit 1999 Schritt für Schritt die westlichen Banken „hinausgeworfen“ und das Land in die Unabhängigkeit geführt. Dann wird immer wieder behauptet, dass die Zentralbank Russlands noch in den Händen westlicher Banken und der City of London läge. Entweder eine von diesen beiden rigorosen Sichtweisen ist korrekt, oder gar keine.

Die Realität ist natürlich wieder einmal viel komplexer.

Nachdem die kommunistische Partei die Sowjetunion an den Abgrund gewirtschaftet hatte, gewann die Idee des globalen Regierens wieder an Fahrt. Die einflussreiche US-Organisation „Trilaterale Komission“ gab in einem Bericht namens „Engaging Russia – The Next Phase“ unumwunden zu:

„…die bedrohlichste Situation wäre ein schwaches und instabiles Russland, in dem extremistische Elemente nach vorne stoßen. Die Sicherheit von Lagern für Massenvernichtungswaffen würde in Gefahr sein. Lokale Konflikte könnten aufflammen und Russland würde eine weit weniger verlässliche Quelle für Energie und andere Rohmaterialien werden.“

Washington und London wollten kein zerbrechendes Russland, auf dessen Territorium sich neue, eigensinnige Staaten bilden, die Atomwaffen besitzen. Einen Flickenteppich kann man nicht globalisieren und zu dem anvisierten Weltstaat machen. Russland war aber nicht nur pleite, sondern auch strukturell völlig veraltet. Interessanterweise wussten die Sowjets aber ganz genau, wie man das westliche System von Banken und Finanzen kopieren kann. Der wichtigste Architekt der Bretton Woods-Konferenz war der sowjetische Agent Harry Dexter White aus dem US-Finanzministerium. Der erste Vorsitzende des Internationalen Währungsfonds war der kommunistische Agent Frank Coe aus der berüchtigten Silvermaster-Zelle. KGB-Experten kannten zweifellos die Tricks der Westbanken. Was nach 1991 aber noch fehlte, war der Umbau sowjetischer Institutionen und eine Menge Cash.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) machte die Taschen auf und gab Milliardenkredite an Moskau. Der erste IWF-Vorsitzende Frank Coe, ein Sowjetagent, ging nach seiner Enttarnung nach China, um dem grauenvollen Regime von Mao zu dienen und beteiligte sich an dem desaströsen Wirtschaftsprogramm „Großer Sprung vorwärts“. Später verhalf George H.W. Bush als inoffizieller US-Botschafter dem kommunistischen China zu Zugang zu den Weltmärkten und diplomatischer Anerkennung.

Die Kredite des IWF an Russland versickerten in dem Dickicht aus mafiösen Oligarchen und ehemaligen Eliten aus KPdSU und KGB. Der IWF stellte sich dabei als Opfer dar und es gab auch Vorwürfe gegen die Bank of New York wegen Geldwäsche. Die Zentralbank Russlands hätte Milliarden an eine Offshore-Firma auf der Insel Jersey verschoben. Das Geld landete in den geheimen Konten einflussreicher Russen, anstatt dafür verwendet zu werden, die Wirtschaft zu beleben. Man erklärte Russland für pleite und erneut drohte der Zerfall des Landes und die Kompromittierung des Nuklearwaffenarsenals. Der IWF ließ eine Wirtschaftsprüfung der Kreditvergabe durchführen und erklärte die russische Zentralbank trotz der Geldverschiebereien für unschuldig. Das detaillierte Ergebnis der Prüfung wurde nie öffentlich gemacht. Wo aber sind die 22 Milliarden Dollar geblieben, die zwischen 1992 und 1996 an die Russen verliehen wurden? Wieviele Milliarden bunkerten in den 90er Jahren offshore, während die Bevölkerung in Chaos und Armut versank? Die Problematik wurde bestätigt durch den obersten russischen Finanzprüfer Venyamin Sokolov sowie durch den Innenminister Stepaschin und den Generalbundesanwalt Yuri Skuratow.

Während die russische Wirtschaft kollabierte, verkauften einflussreiche Männer ihre Rubel und flüchteten sich mutmaßlich in die IWF-Dollars. Einer der IWF-Funktionäre, der mit den Geldern beauftragt war, wurde später zum Vizepräsidenten des Ölgiganten Yukos Holdings. Seine Frau war Vizepräsidentin für die osteuropäischen Geschäfte der Bank of New York, der Geldwäsche vorgeworfen wurde im Zusammenhang mit den IWF-Krediten. Eine Anhörung im US-Kongress setzte die Finanzminister Lawrence Summers und Robert Rubin deswegen unter Druck.

Ein ähnliches Kapitel waren die Entwicklungsgelder. Die United States Agency for International Development (USAID) finanzierte ein Projekt des Harvard Institute for International Development (HIID) um die russische Wirtschaft zu modernisieren. Die Berater von HIID arbeiteten eng mit Russen wie Anatoly Chubais. Nach Jelzins Wahlsieg leitete Chubais die Präsidialverwaltung und wurde damit quasi zum zweitmächtigsten Mann im Staat. In diesem Zeitabschnitt wurden weitreichende Privatisierungen durchgeführt, durch die einige russische Finanziers zu superreichen Oligarchen aufsteigen. Ab 1991 galt Tschubais als einer der engsten Mitarbeiter des Reformers Anatoli Sobtschak, der in diesem Jahr zum Oberbürgermeister von Leningrad gewählt wurde. Sobtschak war von 1991 bis 1996 der erste demokratisch gewählte Bürgermeister Sankt Petersburgs und gilt als politischer Ziehvater Wladimir Putins und Dmitri Medwedews.

1996 forderte der US-Kongress vom Rechnungshof eine Aufstellung, was HIID tatsächlich getrieben hatte. Es waren mehrere Beschwerden an den Kongress eingegangen und letztendlich musste wegen der Sache Larry Summers seinen Posten räumen, der unter Clinton im Finanzministerium leitend tätig war und für das Projekt die Verantwortung hatte.

Moskau band sich an das westliche Finanzsystem und erhielt dadurch frische Milliarden, um die Schwerindustrie umzubauen und das Land zu erneuern. Der amerikanische Steuerzahler haftete selbstverständlich für diese Abenteuer. Im Endeffekt konnten die russischen Eliten dadurch zu Milliardären werden und Westbanken bekamen alte Kredite zurückgezahlt, die teilweise noch in die Sowjetzeit zurückgingen. Nur wenn die alten Kredite zurückgezahlt werden, gibt es neue. Der Dumme war der amerikanische und russische Steuerzahler.

Laut der Propaganda sei das Ziel gewesen, Russlands Ressourcen auszubeuten. Dagegen spricht aber die Tatsache, dass insbesondere die USA keine russischen Ressourcen brauchen, sondern selbst auf mehr als genügend Gas und Öl sitzen. Also war auch die florierende Energiewirtschaft Moskaus letztendlich quersubventioniert aus dem Westen.

Der Rothschild-Bankenclan berät seit dem Jahr 2000 einige der größten Transaktionen in Russland und beschafft neue Kredite. Der Aluminiumgigant Rusal saß beispielsweise 2009 auf einem Haufen Schulden im Umfang von 14 Milliarden Dollar und wandte sich an die britische Rothschild-Investmentbank für frisches Geld. Als der Oligarch Oleg Deripaska wegen seinem Geschäftsgebaren nicht mehr in die USA einreisen durfte, wandte er sich an Nat Rothschild, der ihm Zugang vermittelt haben soll zu Weltbank-Geld und der European Bank for Reconstruction and Development. Nat gilt nach miesen Deals in der City of London inzwischen allerdings als Witz.

Die Sanktionen von 2014 bringen jedoch das russische Bankensystem und die Wirtschaft insgesamt in arge Bedrängnis: Seit dem 17. Juli 2014 bannten die USA Transaktionen von Rosneft, Novatek sowie von den Banken Gazprombank und Vneshekonombank. Die EU zog nach und setzte zahlreiche weitere Firmen und Individuen auf eine Blacklist. Weitere Länder, darunter auch die Schweiz, zogen nach. Im September 2014 legten die USA nach mit Sanktionen gegen die größte russische Bank Sberbank sowie gegen Energieproduzenten wie Gazprom, Lukoil, Rosneft.

Labyrinth Zentralbank

In den russischen Medien und im Internet sind Verschwörungstheorien beliebt, wonach die russische Zentralbank irgendwie noch unter der Kontrolle westlicher Banken sei und (Mit-)Schuld daran hätte, dass nun der Wert des Rubels kollabiert. Es tobe angeblich ein Kampf hinter den Kulissen zwischen dem weißen Ritter Putin und den finsteren Mächten aus der Zentralbank. Mit Hilfe dieser schwammigen Verschwörungstheorie argumentieren die Putin-Fans, dass es nur gerechtfertigt sei, wenn in naher Zukunft ihr Führer die offene Diktatur ausruft und Säuberungsaktionen durchführt. Man ahnt also schon, was da noch so alles droht. Was aber hat es wirklich mit der Bank auf sich? Im Grunde ähnelt das System frappierend den westlichen Bankensystemen.

In der Öffentlichkeit beschwört Putin, dass die Zentralbank „unabhängig“ sei und abseits der Exekutivgewalt den Rubel schütze. Ähnliche Sätze hört man über die EZB oder die amerikanische FED. Die russische Zentralbank erklärt selbst, dass ihre Unabhängigkeit in der Verfassung garantiert würde. Insider sehen das anders: Eine hochrangige Quelle aus der russischen Regierung meckert darüber, dass die Bank Putins Schoßhündchen sei. Andere Kritiker erklären, dass Putin dennoch zuwenig über Geld verstehen würde. Die derzeitige Gouverneurin von Putins Gnaden ist Elvira Nabiullina, die ihren Führer 17 Jahre lang in Wirtschaftsangelegenheiten beraten hatte. Sie wiederum vertraut der Expertise von Ksenia Yudayeva, die in den USA ausgebildet wurde und für die Sberbank gearbeitet hatte, die größte Geschäftsbank deren Hauptanteilseigner ausgerechnet der russische Staat ist. Wenn die Zentralbank der größte Regulierer im Bankensystem ist und die größte regulierte Geschäftsbank überwiegend der Regierung gehört, reguliert die Sberbank sich praktisch selbst. Da werden Erinnerungen wach an Goldman Sachs in den USA, deren Top-Leute im Finanzministerium landeten.

CNN Money berichtete, dass ein ranghohes Mitglied von Putins Partei namens Yevgeny Fyodorov der Zentralbank vorgeworfen hatte, den Rubel zu kollabieren. Ermittlungen hätten bereits begonnen. Die Zentralbank sei ein „Feind“. Diese Verschwörungstheorie könnte in naher Zukunft eventuell einen Sündenbock schaffen, um abzulenken von den überall gestohlenen Milliarden und der miserablen Wirtschaftspolitik von Putin und dessen Gang. Außerdem gibt es verstärkte Hetze gegen „Spekulanten“, also all jene die versuchen, ihre Investments aus dem Rubel herauszubekommen, Geld ins Ausland zu verschieben und sich in Dollars und Euro zu flüchten. Kapitalverkehrskontrollen werden wohl bald als Zwangsmittel eingesetzt. Die mächtigsten Russen bunkern natürlich auch weiterhin ihr Geld offshore im Ausland in fremden Währungen. Das gewöhnliche Volk darf das sehr bald nicht mehr.

Die Zentralbank kann nicht zaubern und eine primitive Öl- und Gaswirtschaft in ein florierendes System verwandeln. Eine aktuelle Maßnahme war das Ende der festen Wechselkurse. Frances Coppola analysiert für Forbes Magazine:

Wenn ein Land ein System mit festen Wechselkursen betreibt, übernimmt es de facto die Geldmarktpolitik des jeweiligen Landes, an dessen Währung man die eigene Währung bindet. Im Fall des Rubels sind dies die Vereinigten Staaten. Und wie ich bereits erklärt habe, wird die Geldmarktpolitik der Fed wiederum zu einem bestimmten Grad von der [Zentralbank] Volksbank Chinas (PBOC) bestimmt, weil China große Dollarreserven hält und einen festen Wechselkurs zum Dollar.

Russlands Geldmarktpolitik sei demnach bislang abhängig gewesen von den Kräften der Fed und der PBOC. Indem man nun auf ein System der freien Wechselkurse umgestellt hat, vergrößerte sich zwar die Kontrolle der russischen Zentralbank über den Rubel, allerdings hängt der Rubelkurs in Zukunft vom Ölpreis ab, der momentan extrem tief liegt und noch Jahre so bleiben kann. Der Ölpreis liegt weit unterhalb der Schwelle, ab der die Ölförderung überhaupt für russische Konzerne rentabel ist. Anstatt Geld zu verdienen mit dem Rückgrat der russischen Wirtschaft wird also Geld verbrannt. Wenn die Währungsreserven zusammenschmelzen, droht die Staatspleite. Die Alternative ist eine stärkere Anbindung an den Wirtschaftsgiganten China und die Erschaffung einer Art Ostblock-Wirtschaft mit eigenem supranationalen Bankensystem. Genau dies wird seit Jahren vorbereitet.

Global Player

Der Analyst Trevor Loudon schrieb:

Indien wird umschmeichelt, angelockt und langsam aber sicher untergraben und in die russisch-chinesische Achse gebracht. Die beiden zukünftigen Supermächte wollen einen pan-asischen Machtblock basteln, mit Iran und den alten sowjetischen Republiken, Indien und möglicherweise Indonesien.

Das Rahmenwerk für diesen Block ist die Shanghai Cooperation Organisation, bei der Iran und Indien Anwärter sind. Zusammen mit einem roten Lateinamerika und einem roten Afrika, von denen der Großteil inzwischen verbündet ist mit Russland und China, könnte sich die Machtbalance zugunsten des BRICS-Imperiums verschieben.

Eine Konvergenz zwischen Europa und dem Osten wäre nicht zwischen zwei gleichberechtigten Partnern, sondern würde vom kommunistischen Block diktiert werden. Maoistische Aufständische kontrollieren inzwischen ein Drittel vom Indiens Territorium.

Indiens “Naxalite”-Rebellen netzwerken durch das Koordinations-Komitee von Maoistischen Parteien und Organisationen. Durch Indiens vollständige Partizipation in der Shanghai Cooperation Organisation würde die Achse Moskau-Peking-Neu Delhi 40% der Weltbevölkerung kontrollieren, 20% der Weltwirtschaft und 50% der Nuklearsprengköpfe der Welt.

Derzeit vertritt die SOZ rund ein Viertel der Weltbevölkerung und stellt damit die größte Regionalorganisation dar. Die Regierungen und Regime der sogenannten BRICS-Staaten Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika haben sich auf die Errichtung einer neuen Weltbank geeinigt, die laut Analysten den Dollar marginalisieren könnte. Beim fünften jährlichen Treffen im südafrikanischen Durban verkündete man Pläne für eine neue Weltwährung und sogar eine Weltregierung mit „nachhaltiger Entwicklung“.

Die BRICS-Staaten verfügen zwar über rund die Hälfte der Weltbevölkerung, ihr kombiniertes Bruttosozialprodukt beläuft sich jedoch auf „nur“ 14 Billionen $, in etwa die Größe der US-Wirtschaft. Viele Regierungen und Zentralbanken der BRICS haben in bisher ungekannten Größenordnungen Gold gekauft, was auf größere Veränderungen hindeutet.

AlexBenesch
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