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Wie Erich von Däniken mit einem aufgewärmten Lovecraft-Mythos 70 Millionen Bücher verkaufte

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Foto: Berthold Werner/ Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 nicht portiert“

Kommentar

Die „alternative“ Szene glaubt und kauft so ziemlich alles, vorausgesetzt die Verpackung stimmt und es passt in das übliche Schema: Verboten, anders, zauberhaft, unterdrückt, Geheimwissen, überirdisch. Es gibt praktisch nichts, was zu unwissenschaftlich und zu konstruiert ist, um geglaubt zu werden. Wird eine Sache erstmal fest glaubt, verteidigt man sie humorlos und aggressiv gegen Kritiker. Das Dogma lautet: Jeder Ungläubige ist unerleuchtet, könne oder wolle nicht frei denken. Jemand darf sich auch zuhause Federn in den Hintern stecken und einen Regentanz aufführen, um das Wetter zu beeinflussen. Aber man braucht nicht erwarten, dass ich sonderlich viel Begeisterung dafür aufbringe.

Die vorherrschenden Religionen der alternativen Szene sind die altbackene Esoterik und die Mythen über „Prä-Astronautik“, Außerirdische die uns erschaffen bzw. uns die technischen Errungenschaften gebracht haben sollen. Einer der Hohepriester ist der Schweizer Erich von Däniken; er veröffentlichte vor Jahrzehnten einfach ein paar Ideen, die stark an ältere Fantasie-Geschichten von H.P. Lovecraft erinnern, und landete damit Bestseller mit einer Gesamtauflage von 70 Millionen verkauften Exemplaren.

Ende 1968 wurde Däniken festgenommen, angeklagt und am 13. Februar 1970 wegen Betrugs und Urkundenfälschung zu dreieinhalb Jahren Zuchthaus verurteilt. Mit dem Erfolg des ersten Buches kam der Vorwurf des Plagiats auf. Däniken habe abgeschrieben und sich ausgiebig der Ideen anderer Autoren, zum Beispiel Robert Charroux, bedient. Däniken wurde außerdem vorgeworfen, seine Thesen durch manipulierte Interpretationen wissenschaftlicher Quellen und verfälschte Abbildungen zu untermauern.

Seine Kritiker aus der Wissenschaft werden ihm vor, selbst grundlegendste Konzepte der Geologie, Mythologie, Chemie, Astronomie und Physik nicht zu verstehen. In Dänikens Vorstellung wären wir Menschen die längste Zeit primitive Wilde gewesen, die unfähig gewesen seien, große oder komplexe Bauwerke zu schaffen. Zwar ist heute eigentlich sehr gut verstanden, welche cleveren und oft überraschend einfachen Techniken damals zum Einsatz kamen, aber das ficht Däniken und seine Gemeinde von Gläubigen nicht an. Ohne Verständnis für grundsätzliche Logik-Regeln wird immer wieder auf die gleiche Art argumentiert: Bauwerk XYZ kann nicht von Menschen gemacht worden sein, deshalb müssen Außerirdische geholfen haben!

Die archäologischen Ausgrabungen und Untersuchungen zeigen, wie sich der moderne Mensch langsam und evolutionär entwickelt hat, aber Däniken kann darauf bauen, dass kaum einer seiner Kunden ein näheres Verständis von natürlicher Selektion hat. Ähnlich wie bei den christlichen Kreationisten heißt es da, wir seien doch wohl kaum aus „Zufall“ entstanden, sondern müssen das Zucht-Experiment der außerirdischen Gottwesen sein.

Däniken zeigt nicht einmal das Einmaleins der wissenschaftlichen Vorgehensweise mit Hypothesen, der Entwicklung einer Theorie und der Suche nach echten Beweisen. Experten halten seine zahlreichen Übersetzungen und Interpretationen alter Schriften für fehlerhaft. Besonders peinlich war es, als er Fotos von Ton-Gefäßen herumwedelte, die angeblich ausgegraben worden waren, tausende Jahre alt seien und fliegende Untertassen zeigten. Die Leute vom TV-Programm Nova fanden allerdings heraus, dass ein Töpfer die Dinger zurechtgefälscht hatte. Die Antwort von Däniken: Die Täuschung sei in Ordnung, weil manche Leute halt einfach Beweise sehen wollen.

Ronald Story widerlegte 1976 in seinem Werk „The Space Gods Revealed“ das gesamte Däniken-Buch „Chariots of the Gods“. Jason Colavito entdeckte erstaunliche Ähnlichkeiten zwischen Dänikens Büchern und den alten Fantasy-Geschichten von H. P. Lovecraft über den Cthulhu Mythos. Bereits die unterhaltsamen Science Fiction-Magazine aus den 1940er und 1950er Jahren drehten sich um Prä-Astronautik.

1926 war die berühmte Kurzgeschichte „The Call of Cthulhu” erschienen, in der der Protagonist nach anstrengender Puzzle-Arbeit entdeckt, dass eine mysteriöse Alien-Rasse als Götter für einen seltsamen Kult fungierte. 1931 veröffentlichte Lovecraft die Geschichte “At the Mountains of Madness”, in der Abenteurer eine uralte Stadt in der Antarktis finden. An den Wänden befinden sich Skulpturen, die erzählen wie Aliens die Menschen und Tiere auf der Erde geschaffen hätten.

Das Buch „The Dawn of the Magicians“ führte diesen Trend fort und Däniken kannte es gut; die deutsche Übersetzung taucht nämlich im Quellenverzeichnis von „Chariots of the Gods“ auf.

Zu den typischen, sachlichen Fehlern von Däniken gehören falsche Behauptungen über Bauwerke. Die Pyramide von Zoser besteht beispielsweise nur aus Kalkstein, nicht aus Granit. Die Ägypter importierten ihr Holz und konnten auf Stämmen sehr wohl schwere Steine vorwärts rollen. Die Ägypter hatten auch Seil, im Gegensatz zu älteren Behauptungen Dänikens. Altes Seil ist u.a. im Kairo-Museum ausgestellt. Reste von ganzen Arbeiter-Dörfern und Steinbrüche wurden in unmittelbarer Nähe der Pyramiden gefunden. Keine Aliens waren notwendig. Die Proportionen sind auch nicht passend zu dem Abstand zur Sonne und die Maße der Khufu-Pyramide haben nichts mit pi zu tun. Solche Ideen aus dem 19. Jahrhundert sind längst widerlegt.

Die üblichen Hasstiraden der Fans gegen Kritiker sind immer die gleichen: Man sei nur neidisch auf Dänikens erfolg, dumm, unfähig frei zu denken, niederträchtig usw. Also praktisch das Gleiche, was beispielsweise Scientology-Anhänger ihren Kritikern entgegenschleudern würden. Scientology-Gründer Hubbard war ein Romanautor im Science Fiction-Genre, veröffentlichte Kurzgeschichten in Trash-Magazinen für einen Cent pro Wort Bezahlung unter solch illustren Pseudonymen wie Winchester Remington Colt, Kurt von Rachen, René Lafayette, Joe Blitz und Legionnaire 148.

Es würde den Fans von Prä-Astronautik guttun, sich einmal mit dem Handwerk auseinanderzusetzen. Dann würden sie merken, wie es selbst für einen einzigen ausgebildeten Handwerker mit einfachsten Mitteln möglich ist, schwere Steine zu bewegen:

Im Mainstream ist „alternative“ Archäologie keineswegs „verboten“. Sogar auf dem großen TV-Sender „History Channel“ in den USA lief eine Serie namens Ancient Aliens, die so ziemlich jeden berühmten pseudowissenschaftlichen Nonsens über Pyramiden und außerirdische Raumfahrer in moderner Verpackung darbot.

Im Gegensatz dazu gibt es in der alternativen Szene ein unausgesprochenes Verbot von Kritik an irgendwelchen alternativen Fantasie-Büchern und Filmen. Denn das ist Ketzerei, das ist Verrat und Verbrüderung mit dem Mainstream und dem Feind. Kritisches Denken gefährdet die Rekrutierung von neuen Glaubensbrüdern und die Profite die sich machen lassen. Der Film „Ancient Aliens Debunked“ zerpflückt Schritt für Schritt die ganzen Behauptungen und Pseudobeweise, die das Fundament einer Mysterienreligion bilden.

AlexBenesch
AlexBenesch
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