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Reporter-Legende Hersh meint, USA hinter Nordstream-Sprengung zu enthüllen

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Die 85 Jahre alte Reporter-Legende Seymour Hersh überraschte nun die Welt mit einem Report, wie die US-Regierung die Nordstream-Pipelines gesprengt haben soll. Blankes Entsetzen bei pro-amerikanischen Kreisen und Begeisterung bei Putin-Sympathisanten war das Resultat.

Der Bericht erschien nicht in der NY Times, wie so viele von ihm in den letzten Jahrzehnten (darunter auch zu Wetterwaffen im Vietnamkrieg), sondern auf Substack, wo er sich rühmt, der „weltweit führende investigative Journalist“ zu sein.

Das Weiße Haus habe zurückgegriffen auch Taucher des Tauch- und Bergungszentrums der US-Marine. Die Taucher waren nur Navy und keine Mitglieder des amerikanischen Special Operations Command, dessen verdeckte Operationen dem Kongress gemeldet und im Voraus der Senats- und Repräsentantenhausführung mitgeteilt werden müssen.

Im vergangenen Juni platzierten Taucher der Marine, die unter dem Deckmantel einer weit verbreiteten Nato-Mittsommerübung namens BALTOPS 22 operierten, den ferngezündeten Sprengstoff, der drei Monate später drei der vier Nord-Stream-Pipelines zerstörte, so eine Quelle mit direkte Kenntnis der operativen Planung.

Hersh verrät nicht, wer die Quelle ist und ob es irgendwelche harten Belege dafür gibt. Die US-Regierung scheint zu denken, dass die Behauptungen nicht untermauert werden können. Ein Sprecher des Weißen Hauses sagte in einer E-Mail: „Das ist eine vollständige Fiktion.“

Biden ermächtigte angeblich Jake Sullivan, eine behördenübergreifende Gruppe zusammenzubringen, um einen Plan auszuarbeiten. Hershs Quelle meinte, wenn der Angriff auf die Vereinigten Staaten zurückverfolgt werden könnte, „ist es eine Kriegshandlung“.

Wozu aber das Risiko überhaupt eingehen, erwischt zu werden? Die russischen Gasverkäufe an Europa hatten ohnehin keine Zukunft mehr. Russland war verantwortlich, die eigenen Pipelines zu schützen und der Verantwortliche hat das Recht, entlang der Leitungen Gerätschaften anzubringen. Militärexperten befürchteten weitreichende Passiv-Sonar-Anlagen, Dockingstationen für Unterwasserdrohnen usw.

Laut Hersh hätten die Amerikaner einen seltsam aufwändigen, komplizierten Plan gewählt mit vielen Beteiligten, darunter auch Norweger. Verfügen die USA etwa nicht über kleine, getarnte Kamikaze-Unterwasserdrohnen mit Sprengstoff? Vehikel wie das amerikanische Orca oder das australische „Ghost Shark“ wurden bekannt. Wer weiß, was sonst noch entwickelt wurde im Geheimen.

Mitglieder einer CIA-Arbeitsgruppe hätten laut Hersh Norwegen als „perfekten Standort für die Mission“ ausgewählt.

Irgendwann im März flogen einige Mitglieder des Teams nach Norwegen, um sich mit dem norwegischen Geheimdienst und der Marine zu treffen.

Waren sich die Amerikaner sicher, dass der norwegische Geheimdienst und die Marine dort nicht etwa infiltriert waren von den Russen?

Die norwegische Marine fand schnell den richtigen Ort in den seichten Gewässern der Ostsee, ein paar Meilen vor der dänischen Insel Bornholm. Die Pipelines verliefen mehr als eine Meile voneinander entfernt entlang eines Meeresbodens, der nur 260 Fuß tief war.

Das heißt aber auch, dass die Russen exakt diesen Ort prinzipiell als Schwachpunkt der Pipeline betrachten mussten.

Die NATO-Übung BALTOPS 22 soll die Tarnung geliefert haben, um die Minen zu platzieren. Eine von einem Flugzeug abgeworfene Sonarboje hätte „einzigartige niederfrequente Tonklänge“ ausgesandt um damit die zeitverzögerten Zünder zu aktivieren.

Am 26. September 2022 unternahm ein P8-Überwachungsflugzeug der norwegischen Marine einen scheinbar routinemäßigen Flug und ließ eine Sonarboje fallen.

Moskau hatte hingegen die britische Royal Navy beschuldigt, die Pipelines gesprengt zu haben, und dafür keine Beweise vorgelegt. Die Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrates des Weißen Hauses, Adrienne Watson, bezeichnete den Hersh-Bericht als „vollständige Fiktion“. Ein Sprecher der CIA wiederholte die Leugnung des Weißen Hauses und nannte den Bericht „völlig und absolut falsch“.

Hersh gilt tatsächlich als Legende, aber geriet wiederholt in die Kritik, da er sich standardmäßig auf ungenannte Quellen beruft. In der Vergangenheit wandte er sehr viel Zeit auf, Listen zusammenzustellen mit Personen, die von Interesse waren, und dann jeden einzelnen Namen abzuklappern.

Ohne handfeste Belege wird die Story von Hersh wohl verpuffen. Irgendjemand muss die Pipeline gesprengt haben und die US-Regierung war immer der Hauptverdächtige.

Mögliche Täter hätten also äußerst vorsichtig agieren müssen; oder vielleicht vor Jahren bereits in der Bauphase und Räum-Phase die Rohre oder den Meeresboden vermint.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Berge an Munition in der Ostsee und Nordsee versenkt. Meistens ist die Rede von 1,6 Millionen Tonnen. Die tatsächliche Menge, Art der Munition und bestimmte Standorte sind nach wie vor geheim. Neben Seeminen liegen dort Torpedos, Granaten, Bomben, chemische Kampfstoffe in Fässern und große Mengen an Gewehrmunition sowie Schieß- und Sprengmitteln. Manches davon kann immer noch explodieren.

Bei den chemischen Kampfstoffen handelt es sich um überwiegend S-Lost (Hautkampfstoff), Tabun (Nervenkampfstoff), Phosgen (Lungenkampfstoff), Chloracetophen (Augenreizstoff) und Clark I, Clark II, Adamsit und Arsinöl (Nasen- und Rachenreizstoffe).

Ist die Schifffahrt gefährdet durch entdeckte Sprengmittel, werden diese geborgen und an einem sicheren Ort detoniert. Bis heute erfolgt keine systematische und flächendeckende Sondierung und Räumung der Kampfstoffe in den Küstenmeeren, nur im Zusammenhang mit bodenberührenden Bauvorhaben.

In einem Bedrohungsbewertungsbericht von 2009 über Nord Stream, Russlands erste nordische Pipeline nach Europa, wird behauptet, dass diese Munition „strukturelle Schäden an den Pipelines“ verursachen kann, wenn sie detoniert. Die Studie stellt fest, dass Russland seit 2007 versucht hat, die Route von Nord Stream anzupassen, um potenzielle Deponien für chemische Waffen zu umgehen, diese Bemühungen jedoch aufgrund des Mangels an Daten mit vielen Komplikationen konfrontiert waren.

„Aufgrund der Verlegung der Gaspipeline besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Unversehrtheit von Munition oder deren Detonation beschädigt wird, was zu großflächigen Schäden an der Ostsee führen wird“,

heißt es in dem Bericht. Nordstream selbst meinte, man hätte sich große Mühe gegeben, den Meeresboden vorab abzusuchen:

Nord Stream hat die wahrscheinlich umfassendste hochauflösende Vermessung eines definierten Installationskorridors durchgeführt, die jemals durch die Ostsee durchgeführt wurde.

Um die Unversehrtheit der Pipeline im Falle einer Detonation zu gewährleisten, müsse der „Sicherheitskorridor“ 50 Meter breit sein, also 25 Meter nach links und nach rechts. Man verließ sich dabei auf die Dienste der italienischen Firma Saipem. Insgesamt wurden über 100 Gegenstände in russischen, finnischen, schwedischen und deutschen Gewässern geräumt.

In den letzten zehn Jahren haben die Marinen der Ostseestaaten Methoden entwickelt, die sowohl sicher als auch effektiv für die Räumung von Minen und anderen explosiven Unterwasserwaffen sind. Sie räumen routinemäßig Munition – mehr als 1.000 seit 1996.

Was ist aber, wenn durch Spionage während der Bau- und Räumphase die Pipelines bzw. der Meeresboden an der anvisierten Route absichtlich vermint wurde? Dann wäre es nach einer Explosion unmöglich zu klären, wer dafür verantwortlich ist.

Nord Stream kooperiert mit BACTEC International Limited, einem in Großbritannien ansässigen Unternehmen für die Beseitigung von explosiven Kampfmitteln (EOD) und Minenräumung.

BACTEC galt vor wenigen Jahren noch als britischer Marktführer auf dem Gebiet. Aktuell ist die Firmenwebseite nicht mehr erreichbar.

Rohre für die Pipeline lagerten bis zu ihrer Verlegung auch im Fährhafen Sassnitz (Rügen). Vor der Verlegung mit Einem Spezialschiff wurden sie mit Beton ummantelt und auf dem Schiff vor Ort endlos verschweißt. Hier hätte sich ebenfalls die Gelegenheit ergeben, die Rohre zu verminen.

Ein wichtiges Verlegeschiff gehört zum italienischen Konzern Saipem, der wiederum zu dem Giganten ENI gehört. Mit einer Quote von 30,3 % ist der italienische Staat weiterhin größter Einzelaktionär von Eni. Der ENI-Vorläufer AGIP wurde auf Anweisung des italienischen Königs mit amerikanischer Hilfe von Sinclair Oil geschaffen.

Der berüchtigte ENI-Manager Enrico Mattei hatte zu tun mit dem Sturz Mussolinis durch katholische Partisanen und mit der Förderung der christdemokratischen Partei Italiens, die nach dem Zweiten Weltkrieg großzügig über den amerikanischen Geheimdienst CIA bezahlt wurde. Ihm wurde vorgeworfen, mit Agip-Geld Politiker und Journalisten bestochen zu haben. Agip kaufte direkt einige Zeitungen und zwei Nachrichtenagenturen. Mattei richtete sich einen persönlichen Sicherheitsdienst mit früheren Resistenza-Partisanen ein bzw. Mitarbeitern von Eni. Bei einem mysteriösen Flugzeugabsturz verstarb er und im Nachhinein starben noch Journalisten und Polizisten, die den Vorfall untersuchten.

Die Nordstream-Anlage oder den Meeresboden frühzeitig zu verminen, wäre einfacher gewesen, als im Jahr 2022 inmitten besserer Überwachungs- und Sensortechnologien eine Art Explosiv-Unterwasserdrohne einzusetzen, um Löcher in die Rohre zu sprengen.

AlexBenesch
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