Kommentar
Es scheint, dass wenige Jahre vor dem erwarteten Dritten Weltkrieg eine neue PR-Strategie zum Einsatz kommt bei den transatlantischen Netzwerken, die bislang im Geheimen koordinieren bei der Sicherheitspolitik und Rüstung. Im Kalten Krieg kannte die Öffentlichkeit die Bilderberg-Gruppe überhaupt nicht, die sich jedes Jahr in einem anderen Land in einem 5-Sterne-Hoteil einquartierte für eine Elite-Konferenz. Wer bei Konzernen und Behörden zumindest von der Existenz von Bilderberg wusste, ging davon aus, dass es sich um die Speerspitze des Antikommunismus handelte. Tatsächlich war die Rolle von Bilderberg aber paradox; Teilnehmer leiteten oft Megakonzerne, deren Waren an den Ostblock verkauft wurden. Das Urgestein von Bilderberg, Henry Kissinger, überredete US-Präsident Nixon, China weit entgegenzukommen, was einer der schlimmsten Fehler des Kalten Kriegs war.
Nach 1991 stürzten sich Verschwörungs-Influencer auf das Thema Bilderberg, während ab und an in den gewöhnlichen Medien kommentiert wurde, die Organisation sei ein bedeutungsloses Relikt, wo sich nur ehemals wichtigere Funktionäre herumtreiben.
Spätestens seit dem Ukraine-Krieg konnte niemand mehr abstreiten, wie hochkarätig die Teilnehmerlisten der jährlichen Konferenzen sind und wie stark der Fokus auf Verteidigungspolitik und Rüstung ist.
Verschwörungs-Influencer sind aktuell in den allermeisten Fällen der Russenpropaganda verfallen, oder arbeiten heimlich direkt für die Russen. Manche könnten aber unter einer neuen Trump-Administration zurückgewonnen werden für eine US-Politik. Im Wahlkampf flirteten die Republicans (wie auch viele Male in der Vergangenheit) auch mit extremistisch gesinnten Wählern. Ein Netzwerk aus parteitreuen Influencern könnte benutzt werden, um Bilderberg einen guten Ruf zu verpassen, oder zumindest, um den Ruf aufzupolieren.
Der frühere NATO-Chef Jens Stoltenberg wurde nun zum neuen Ko-Vorsitzenden der einflussreichen Bilderberg-Gruppe ernannt. Dieser Schritt ist wie geschaffen für Publicity, die eigentlich in der Vergangenheit stark vermieden wurde. Statt einen in der Öffentlichkeit weitestgehend unbekannten Funktionär zu nehmen mit einem Namen, den sich niemand merkt, wurde nun demonstrativ Stoltenberg genommen. Unterschwellig wird damit auch angedeutet, dass Bilderberg nicht ideologisch festgenagelt sei, denn Stoltenberg war in seiner Jugend links und skandierte Anti-NATO-Lieder.
Der britische Journalist Charlie Skelton schwankt in seinem Beitrag im London Guardian vom Mittwoch zwischen Skepsis und Verständnis.
Im Februar wird Stoltenberg auch den Vorsitz der Münchner Sicherheitskonferenz übernehmen, einem weiteren wichtigen Symposium zu Verteidigung und Diplomatie. Dass ein anderer Bilderberg-Veteran, der ehemalige niederländische Ministerpräsident Mark Rutte, Stoltenberg bei der NATO ersetzt, markiert eine Konzentration der Kontrolle an der Spitze des Atlantischen Bündnisses zu einem kritischen Zeitpunkt.
Mehrere Mitglieder des Lenkungsausschusses der Gruppe stammen aus der Rüstungsindustrie. Der ehemalige Google-Chef Eric Schmidt leitete kürzlich die Nationale Sicherheitskommission für KI und ist nun damit beschäftigt, ein Drohnenunternehmen zu gründen, das auf den ukrainischen Markt abzielt. Unterdessen ist der schwedische Industrielle Marcus Wallenberg Vorsitzender des Rüstungsherstellers Saab, der in den ersten neun Monaten des Jahres 2024 einen Auftragsanstieg von 71 % verzeichnete, was größtenteils auf den Krieg mit Russland zurückzuführen ist.
Der Tech-Star und Donald-Trump-Insider Peter Thiel gründete das Robotikunternehmen Anduril und den Überwachungs- und KI-Riesen Palantir. Sein Vertrauter Alex Karp, der CEO von Palantir, wurde vor einigen Jahren in den Vorstand der Bilderberg-Gruppe gewählt. Karp behauptet, sein Unternehmen sei „für die meisten Angriffe in der Ukraine verantwortlich“ und sagte der New York Times kürzlich, dass die USA „sehr wahrscheinlich“ bald einen Dreifrontenkrieg mit China, Russland und dem Iran führen würden.
Bilderberg lebt von diskreter Diplomatie, Elite-Netzwerken und Geheimdienstarbeit: Ein ehemaliger Chef des MI6, Sir John Sawers, ist Mitglied des Lenkungsausschusses der Gruppe, und der derzeitige Chef der CIA, William Burns, war Mitglied, bevor er stillschweigend zurücktrat, als er sein Amt antrat.
Charlie Skelton leakt dann in seinem Artikel den Ort der nächsten Bilderberg-Konferenz, was ein Novum darstellt und mit der neuen PR-Strategie der Gruppe zusammenhängen könnte.
Der Chefunterhändler für Schwedens Nato-Beitritt, Oscar Stenström, wurde am Rande der diesjährigen Bilderberg-Konferenz in Madrid gesichtet: Er hilft im Auftrag seines neuen Chefs, des Milliardärs Wallenberg, bei der Organisation des Gipfels im nächsten Jahr in Stockholm.
Es wäre nicht entscheidend gewesen, wer die 2024er Präsidentschaftswahlen in den USA gewinnt. Der künftige Vizepräsident JD Vance arbeitete früher für Thiel bei Mithril Capital, und eine ganze Handvoll Mitglieder aus Thiels Tech-Netzwerk sind für leitende Posten in der zweiten Trump-Regierung vorgesehen. Karp, Thiels CEO bei Palantir, war hingegen ein großer Unterstützer von Kamala Harris.