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Die Reichsbürger-Razzia offenbart, wie manipulierbar die Szene ist

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Kommentar

Die zwei einfachsten Techniken, um Rebellen einzudämmen sind:

  • Das Predigen vom (endlosen) Warten auf die Revolution.
  • Das Anheizen von überstürzten radikal-militanten Aktionen, die keine Aussicht auf Erfolg haben

Rebellen sind an und für sich ungeduldig, aber wenn man ihnen gegenüber den falschen Eindruck erwecken kann, dass sich international vielversprechende Strukturen weiterentwickeln, dann lassen sie sich breitschlagen, zu warten. Noch ein Jahr. Und noch eins. Und so weiter. Genau diese Strategie fahren in den USA die Republican Party und Gruppierungen wie der Council for National Policy (CNP). Trump und das QAnon-Phänomen waren die größte Zeitverschwendung für die ganz rebellischen Konservativen. Vier Jahre Zeit, unzählige Stunden des Aktivismus und hunderte Millionen an Aktivistengeld verpufften, während die üblichen Oligarchen wie die Kochs die nächste Generation an obrigkeitshörigen Politikern bezahlten. Die Kochs hatten auch Geld gegeben an die John Birch Society, um Kontrolle auszuüben auf die Verschwörungsnarrative. Selbstverständlich behielt man die älteren Märchen bei über die Rothschilds und predigte, dass die Konsumenten solcher Verschwörungsmedien ganz fest hoffen sollen, dass einflussreiche rechte Seilschaften bald die Befreiung bringen werden. Dieser Senf wurde in den 1960er Jahren verbreitet und bis heute haben sich natürlich keine Milliardäre wie die Kochs dazu bequemt, Amerika zu retten. Es ist immer nur eine Hinhaltetechnik. Als nächstes hoffen die Leite in Amerika und Deutschland wohl auf Ron DeSantis und verschwenden weitere vier bis acht Jahre. Und wenn dann wieder ein Democrat im Weißen Haus sitzt, dann poltern die Republicans wieder besonders radikal und diverse Medien-Influencer lassen sich bezahlen für politischen Hoffnungs-Porno. Es sei doch besser, auf die große Rettung zu warten und sich dann anzuschließen, als voreilig irgendeine dumme Aktion zu starten. Es scheint, die aktuell verhafteten „Reichsbürger“, QAnon-Gläubige und Putin-Fans waren anfällig für den Hoffnungs- und Abwarten-Trick. Wir werden im Laufe der Verfahren sehen, wie konkret tatsächliche Aktionen geplant waren und wie viel der Aktivitäten eher aus Gewurstel und Netzwerken und Chatten und Abwarten bestand. Das Warten auf den nächsten Kontakt mit einer wichtigen Person. Warten auf eine Anfrage bei den Russen. Warten auf die Ergebnisse von Observationen. Warten auf die nächste Waffe. Warten auf das nächste Meeting.

In der Presse heißt es, die Verhafteten glaubten an Mythen der QAnon-Sekte, die eigentlich in den USA im Wahlkampf zugunsten von Donald Trump entstanden war. Kryptische Nonsens-Postings im Internet wurden als orakelhafte Ankündigungen des „Sturms“ verstanden, eine Befreiungsaktion von einflussreichen rechtskonservativen Figuren aus Politik, dem Militär und den Geheimdiensten. Natürlich kam es nie zur Rettung. Das Orakel Q verstummte. Dann wollte es plötzlich „erneut ein Spiel spielen“, aber keinen interessierte es. Die Q-Sekte wird sogar ohne Trump weitermachen. Vielleicht warten sie noch in 10 oder 20 Jahren auf dem Sturm. Wenn die Anhänger alt und grau sind, hoffen sie wohl dass ihre Söhne oder vielleicht Enkel den Sturm noch miterleben werden.

Ab und an muss aber dann doch in der Szene die ein oder andere krasse Aktion stattfinden oder zumindest kurz bis vor die Durchführung kommen, weil ansonsten der Warte-Schwindel auffliegt. Mit dem Q-Unsinn im Kopf, und mit der allgemein formulierten Anfeuerung durch Donald Trump, Alex Jones und anderen Figuren, stürmten Demonstranten das US-Kapitol und fielen hinterher aus allen Wolken, dass überhaupt kein Eingreifen stattfand durch die vermeintlichen Retter. Die „Oath Keepers“ hatten die Waffen bereit und werden künftig im Knast verrotten. Und so denkt der Durchschnittspatriot, dass Abwarten und Hoffen auf die Republican Party und auf Papa Putin wohl besser sei. Was manche (nicht alle) Republicans und diverse Influencer von sich geben, unterscheidet sich längst nicht mehr von Rechtsradikalen und klassischen Verschwörungsaktivisten. Während der Bush-Administration hieß es noch auf FOX News, Zweifel an der offiziellen Darstellung zu 9/11 seien sowas wie Landesverrat. Seit ein paar Jahren wird sogar Alex Jones von FOX gelobt und umgekehrt. Für Alex Jones ist Ron DeSantis der „neue Anführer“.

Der Oklahoma City-Bomber Timothy McVeigh hatte genug vom Warten der anderen Aktivisten. Gebracht hat es den Aktivisten nur eine Menge Ärger. Genauso rechnete der Norweger Anders Behring Breivik damit, dass die Rechten verlieren mit dem Abwarten. Auf die langsame Tour hätten Linke und Muslime den Vorteil. Er verrottet jetzt im Knast.

Die nun verhaftete Gruppe war anscheinend auch anfällig für den Reiz überstürzter Aktionen. Dass 3000 Beamte nötig waren, um 25 Personen festzunehmen, zeigt bereits, warum Terrorismus prinzipiell reizvoll ist für verschiedenste Gruppen: Der Staat ist schnell überfordert und muss dann mit sehr unpopulären Maßnahmen reagieren, die den Unwillen breiterer Gesellschaftsschichten erregen.

Selbst dann, falls sich herausstellt, dass es sich bei den Angeklagten eher um traumtänzerische Rentner, Telegram-Psychotiker und Amateur-Guerilla-LARPer handelte, wird der Staat weiterhin mit Vehemenz, jeder Menge verdeckter Informanten und mit High-Tech-Software aus dem Bereich Psychometrie und Predictive Analysis weiterermitteln.

Sind es das nächste Mal 250 potenziell gefährliche Personen, die verhaftet werden sollen, werden dann 30.000 Beamte dafür verwendet? Also 10% der Gesamtzahl aller Polizisten? Sind die nächsten mutmaßlichen Umstürzler von den Russen ausgebildet, wie einst die RAF? Manche der aktuell Verhafteten sind mit ihrem militärischen Hintergrund mindestens gleich oder höher qualifiziert als der Oklahoma-City-Bomber Timothy McVeigh, der es fast in die Spezialeinheiten geschafft hätte. Der Norweger Anders Breivik war ebenfalls nur mittelmäßig qualifiziert, und schaffte eine gewaltige Autobombe und ein Massaker.

Selbst wenn sich eine Art Braune-Armee-Fraktion heranbildet, sich professionalisiert (mit ausländischer Hilfe), dann wird sie es mit Standard-Aktionen nicht weiter bringen als die Kommunisten von damals. Dies verstand auch Anders Breivik, der der Logik des „Turner Diaries“-Roman folgen wollte und immer größere Anschläge anvisierte, um den Bürgerkrieg zu erreichen. Aber was würde tatsächlich geschehen, wenn eine militante Truppe von ein paar hundert Personen ein paar tausend weitere Personen rekrutieren kann und irgendwelche Regierungsgebäude besetzt? Das Internet und der Mobilfunk würden wohl abgeschaltet werden und dann wären die Leute einfach blind für das was geschieht. Was die Bundeswehr und die Polizei nicht hinbekommt, das erledigen dann Truppen aus Frankreich, England oder aus den US-Kasernen. Dann wäre die Erkenntnis bei den Revoluzzern, dass nur noch die Flucht gen Osten bleibt. Ansonsten wird man von amerikanischen Black Ops-Einheiten nach Nordafrika ausgeflogen in geheime Foltergefängnisse, wo man den Status eines ungesetzlichen Kombattanten aufgedrückt bekommt.

Methoden des Aufstands und der Aufstandsbekämpfung sind eine Wissenschaft. Gelehrt wird dies auf sehr hohem Niveau nur in besonderen Kursen in staatlichen Einrichtungen. Was die „Reichsbürger“ sich zusammengereimt hatten, wie sie durch ihre Aktionen konkret irgendetwas gewinnen wollen, wirkt genauso verkorkst wie der weltfremde Hobby-Ché Guevara aus einer linken Kommune in einem besetzten Haus.

Die Szene ist völlig lern-resistent und wird sich aus dem konstanten Scheitern seit vielen Jahren heraus nicht weiterentwickeln. Auch ein höherer Soldat oder Polizist ist kein Profi-Geheimdienstler und erst recht niemand, der die verdeckte Geopolitik wirklich versteht. Die Szene wird öffentlich meckern, dass der Staat mit Kanonen auf Spatzen geschossen hätte. Dass nicht genügend Waffen gefunden wurden. Dass die Verhafteten zu alt waren. Dass es nicht der Rede wert sei. Und dann wird die Szene wieder übergehen zum endlosen Abwarten und hin und wieder gibt es dann radikale Aktionen, die scheitern.

Weder von Tuten noch von Blasen

Keiner der Verhafteten scheint sonderlich viel von der Welt zu verstehen, abgesehen von den groben Ausbeutungsverhältnissen zwischen Eliten und gewöhnlichen Steuerzahlern, dem wirtschaftlichen Abstieg Deutschlands, der schlechten Migrationspolitik und der katastrophalen Demografie.

Zur Aushandlung eines „Friedensvertrages“ soll der verhaftete adelige Heinrich XIII. sogar Kontakt mit Vertretern Russlands aufgenommen haben. Laut Generalbundesanwalt hätten die Russen aber nicht angebissen. Man kann vermuten, dass der gealterte Prinz tatsächlich geglaubt hat, das Putin-Regime und vielleicht auch Republican-Kreise der Amerikaner würden irgendwie dabei helfen, dass es in Deutschland zu einer neuen Ordnung kommt. Selbst wenn man nicht begreift, dass die Supermächte ein heimliches Kartell formen, so sollte man wenigstens nicht seine Sichtweise über Geopolitik aus Telegram und schlechten Online-Filmchen beziehen. Wir leben nicht mehr in den 1910er oder 1920er Jahren, wo linke Revoluzzer wie Rosa Luxemburg ihre Weltsicht aus völlig zensierter und aus schlechter linker Literatur bezogen hatte, sich in Deutschland komplett verrannte und im letzten Moment ahnte, dass Russland erneut eine Diktatur werden wird. Oder wo die Nazis eine Diktatur hochzogen, die komplett infiltriert war von adeligen Geheimdienst-Netzwerken, die alles an Britannien verrieten. Wo die Nazis auf das Täuschungsmanöver hereinfielen, laut dem die USA sich nicht mehr in Europa einmischen würden und Britanniens Adel ein Bündnis mit den Nazis anstrebe.

In der Presse heißt es, die Verhafteten glaubten an Mythen der QAnon-Sekte, die eigentlich in den USA im Wahlkampf zugunsten von Donald Trump entstanden war. Kryptische Nonsens-Postings im Internet wurden als orakelhafte Ankündigungen des „Sturms“ verstanden, eine Befreiungsaktion von einflussreichen rechtskonservativen Figuren aus Politik, dem Militär und den Geheimdiensten.

Vielleicht hätten einige der Verhafteten sich nie an der Gruppe beteiligt, wenn sie nicht unter dem Eindruck gestanden hätten, dass ihre Handlungen Anklang finden bei mächtigen Personen. Und genau das machte die Gruppe auch so verwundbar für Spionage. Jemand muss nur das „richtige“ Auftreten haben, um Vertrauen zu etablieren. Die Gruppe hat hingegen keine hoch platzierten Spione in den staatlichen Organen.

Aktivisten-Ironie

McVeigh dachte vor 30 Jahren schon, der Großangriff gegen die US-Patrioten stünde unmittelbar bevor. Nach 30 Jahren ist dies immer noch nicht eingetroffen, sondern die US-Regierung weiß einfach ganz genau, wie man legal (oder ohne sich zu erwischen lassen) die Macht der Oberschicht erweitern kann. Die Aktivisten lassen sich für ihre legalen Aktivitäten alles vordenken von einflussreichen Kreisen (Ideologie, Verschwörungsmythologie, Werkzeuge, Techniken usw.) und scheitern am laufenden Band. Bei ihren illegalen Aktivitäten werden sie praktisch immer erwischt und triggern die allerschärfsten Gesetze, die es gibt.

Die heutigen Aktivisten und Rebellen glauben teilweise alles, was sie auf Telegram vorgesetzt bekommen, darunter die Idee einer Corona-Impfstoff-Apokalypse. Ihnen entgeht die grausame Ironie, dass gerade die rechten Anhänger von klassischen Verschwörungsmedien in den USA und Deutschland sich wiederholt selbst schaden durch den Virus SARS-Cov-2. Über eine Million Amerikaner sind schon verstorben; darunter auch einige radikal gesinnte Personen, die von der großen Revolution träumten.

Die Regierung muss den Rebellen vieles gar nicht direkt antun. Die Aktivisten übernehmen das selbst. Hätte die Biden-Regierung gesagt, rechte Verschwörungsideologen dürfen sich nicht impfen und werden nicht mit Covid in der Notaufnahme behandelt, wäre der Teufel los gewesen. Stattdessen verzichteten Aktivisten selbst auf die Impfung und hielten sich von den Notaufnahmen fern, aßen Ivermectin und beteten.

Hätte die Biden-Administration eine Executive Order erlassen gegen Eheschließungen von Extremisten, wäre die Hölle losgebrochen. Die Aktivisten übernahmen es mal wieder selbst, sich zu schaden. Wer auf dem MAGA-QAnon-Trip gelandet war, der wurde für die allermeisten Frauen ungefähr so attraktiv wie Fußpilz. Auch diese Ironie ist vielen entgangen. Man kann noch so konservativ sein; ohne Frau wird das nichts mit Nachwuchs für Amerika oder Deutschland.

AlexBenesch
AlexBenesch
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