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Der schlechte Wikileaks-Krimi

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Wikileaks könnte derzeit genausogut Wikidrips heißen; nur langsam tröpfeln wenige der insgesamt Viertelmillion diplomatischen US-Depeschen an die Öffentlichkeit, die Reihenfolge und Geschwindigkeit der Veröffentlichungen sind abgesprochen mit der New York Times, dem SPIEGEL, dem London Guardian, El País und Le Monde. Die Blätter hatten bereits vor fünf Monaten mit der Analyse des Materials begonnen und sich selbst wiederum mit der US-Regierung abgesprochen. Alle anderen Medien bleiben wie auch bei den Afghanistan- und Irakprotokollen außen vor und sind dazu verdammt das zu kommentieren, was für uns vorselektiert wurde. Obwohl die letzten großen Leaks die Agenda des „Krieges gegen den Terror“ erheblich gefördert hatten und Blätter wie die New York Times u.a. instrumentell dafür gewesen waren, vor 2003 für einen Krieg gegen Saddam Hussein wegen angeblichen Massenvernichtungswaffen zu werben, lobte Wikileaks-Chef Assange kürzlich diese unheilvolle Allianz:

„Die Schwerarbeit – die schwere analytische Arbeit – an unserem Material wird von uns erledigt und den professionellen Journalisten mit denen wir arbeiten und von professionellen Menschenrechtsaktivisten. Die Arbeit wird nicht von der breiteren Community geleistet.”

Der filmreife, dramatische Krimi um Wikileaks der seit einer geraumen Weile in den Medien geboten wird, sieht in der Realität recht profan aus, wir sehen eine koordinierte Aktion von der US-Regierung, den „respektierten“ Establishment-Medien und den selbsternannten Helden von Wikileaks. Die Associated Press berichtete:

„‚[Wikileaks] veröffentlicht die Dokumente die wir ausgesucht haben,“ sagte Sylvie Kauffmann, Managing Editor von Le Monde in einem Interview beim Hauptquartier der Zeitung in Paris.“

„Executive Director Bill Keller von der New York Times sagte gegenüber Lesern in einem Online-Chat, dass die Zeitung gegenüber ihren Medienpartnern und Wikileaks vorgeschlagen hatte, welche Informationen zurückgehalten werden sollten.“

„US-Regierungsfunktionäre übermittelten Vorschläge an die Times, die wiederum Regierungsbeamte um Rat bat hinsichtlich mancher Dokumente die die Zeitung und ihre Partner veröffentlichen wollten.“

Auch Herr Mascolo vom deutschen SPIEGEL erklärte:

„Wir haben uns die Einwände der amerikanischen Regierung angehört, welche Informationen aus ihrer Sicht nicht veröffentlicht gehören und mit ihr darüber diskutiert.“

Die US-Regierung hatte bereits jahrelang Zeit, gegen Wikileaks einzuschreiten. Seit Julian Assange 1991 durch einen „Deal mit der Staatsanwaltschaft“ statt 10 Jahren Haft nur eine Geldstrafe für insgesamt 30 Anklagen des illegalen Hackings erhalten hatte, scheint eine schützende Hand über ihm zu schweben. Andere, die das geheime Material überhaupt erst beschafft haben wie im aktuellen Fall Bradley Manning, trifft hingegen die Härte des Gesetzes; bis zu 50 Jahren Haft schweben im Raum. Der investigative Journalist Greg Palast, dessen Megastory über George W. Bushes Wahlbetrug im Jahr 2000 von ebenjenen Presseorganen ignoriert worden war die seit Monaten ausgiebigst das Wikileaks-Material ausschlachten, schrieb:

„Bradley Manning hero, Assange zero.“

„Die [New York] Times, wie sie sich erinnern werden, gab Bazillionen aus für die anwaltliche Verteidigung dieses Sprachrohrs des Verteidigungsministeriums Judith Miller, aber es gibt keinen Penny für Manning. Die Times schrieb sehr empört in Leitartikeln, dass Judith nicht zu Haft verurteilt werden sollte, aber bei Manning hört man nur Stille.“

Die New York Times hatte Judith Millers Fantasien über Massenvernichtungswaffen im Irak veröffentlicht und somit einen erheblichen Beitrag dazu geleistet, die Öffentlichkeit von der Notwendigkeit eines Krieges zu überzeugen. Auf der Basis von Wikileaks-Veröffentlichungen verharmloste das Blatt ähnlich wie der SPIEGEL und andere dieses Jahr Operation Iraqi Freedom maßlos, korrigierte die Anzahl der Toten mindestens um den Faktor 10 auf absurde 100.000 herunter, entlastete George W. Bush und dessen Kollegen, schürte Panik vor dem Iran und gab dem Pentagon eine Steilvorlage dafür, den Krieg gegen den Terror nach Pakistan auszuweiten.

„Die Times ergötzte sich gierig an Mannings Information, verkaufte viele Werbeanzeigen, und lies dann die Leiche ihrer Quelle in einem militärischen Verlies verrotten. SCHÄMEN DIE SICH NICHT?“

Eine der Personen, die in den diplomatischen US-Depeschen angegriffen wird, ist der afghanische Präsident Hamid Karzai, der in den letzten Monaten zunehmend in Ungnade gefallen war bei den amerikanischen Kreisen die ihn einst ins Amt gehievt hatten. Er beklagte u.a. dass private Söldner-Unternehmen wie Xe Services (ehemals Blackwater) hinter terroristischen Anschlägen stecken und wie eine Mafia agieren würden um mehr Verträge mit dem Pentagon zu erhalten:

„Wir wissen noch nicht genau wieviele dieser Detonationen von den Taliban herrühren und wieviele von (US Sicherheitsfirmen).“

Im August diesen Jahres ordnete Karzai an, dass diese Unternehmen bis zum Ende des Jahres nicht mehr länger in Afghanistan tätig sein dürfen. Press TV berichtete:

„Manche Diplomaten und Militärbeamte sagen, dass Karzai unter immensem Druck stünde, seine Entscheidung zu überdenken.“

Die New York Times und der SPIEGEL griffen die Wikileaks-Steilvorlage auf um einem Millionenpublikum zu vermitteln, dass US-Botschafter Karzai für „eine schwache Persönlichkeit“ halten die von „Paranoia“ und „Verschwörungstheorien“ getrieben sei.

Im Jahr 2005 wurden britische Einsatzkräfte der Spezialeinheit SAS im Irak bei einem Angriff auf irakische Sicherheitskräfte verhaftet. Sie verfügten über Verkleidungen, falsche Bärte, Sturmgewehre, Panzerabwehrwaffen und Sprengstoff.

Greg Palast veröffentlichte in der Vergangenheit u.a. im London Guardian und fand heraus wie man sich fühlt wenn keine schützende Hand im Spiel ist und Quellen sich in größten Schwierigkeiten befinden:

„Ich berichtete einst über das Abschlachten von fünfzig Goldschürfern in Afrika. Sie arbeiteten an einem Fundort den eine Firma haben wollte, in dessen Beraterstab George Bush Sr. saß.“

„Eine meiner Quelle Quellen, tundu Lissu, wurde wegen Volksverhetzung angeklagt weil sie heimlich das Beweimaterial aus Tansania an mich weitergeleitet hatte. Meiner Zeitung, dem Guardian, drohte eine ruinöse Klage von Bushs Kumpanen. Mir ebenso. Die Zeitung hatte eine begründete Angst (ich auch) und hoffte ich würde die Story zurückziehen. Aber ich konnte Lissu nicht im Stich lassen und tat dies auch nicht.“

AlexBenesch
AlexBenesch
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