Kommentar
Die SPD schlug kürzlich eine flaue, symbolische Maßnahme vor, um den Eindruck zu erwecken, man werde Kontrolle ausüben über den Zustrom von Migranten: Bei der EU beantragen, sechs Monate an deutschen Grenzen ein paar überforderte Beamte hinzustellen, die meistens machtlos bleiben, weil europaweit das ganze System nicht wirklich funktioniert.
Die CDU will am liebsten eine Notlage erklären und an den Grenzen viel stärker zurückweisen, was jedoch mit dem EU-Recht nicht vereinbar ist. Man bedenke dabei, wie die CDU das abgehobene EU-Projekt seit Jahrzehnten unterstützt hat und nun an der Realität verzweifelt. Deutschland gab der EU, also einer Reihe an Bürokraten in Bürogebäuden, eine Art politischen Blankoscheck, ohne echte durchsetzbare Garantien.
Manche malen das düsterste Bild von „Grenzkontrollen“ innerhalb der EU: Ewig lange Auto-Kolonnen, grimmige Grenzschützer mit Maschinenpistolen, Spürhunde, und willkürliche Sonderprüfungen, weil den Beamten jemandes Gesicht nicht gefällt.
Die EU jammerte zudem, wie viel Geld solche Grenzkontrollen verbrennen würden. Im Jahr 2024 sollte es jedoch längst möglich sein, ein funktionierendes automatisiertes System bereitzustellen. Wer eine Staatsbürgerschaft oder sonstige Aufenthaltsberechtigungen hat, lässt an der Grenzstelle oder beim Zugverkehr sein Dokument scannen und fährt einfach weiter. Wer so etwas nicht hat, wird überprüft und ggf. abgewiesen.
Die EU müsste die komplette Außengrenze sichern und genau prüfen, wer hineinwill. Ist es ein Flüchtling? Oder nur Migrant? Terrorist?
Das ist vom Konzept her eigentlich nicht schwierig, aber die EU und die einzelnen Staaten haben eben kein funktionierendes Gesamtsystem. Wozu zahlen wir all diese Steuern, wenn grundlegende Aufgaben nicht erfüllt werden? Warum wird jede importierte Bananenlieferung genauer geregelt als der Zustrom von Menschen?
Der Sonderbericht des Europäischen Rechnungshofes Nr.20 von 2019 mit dem Titel „EU-Informationssysteme zur Unterstützung der Grenzkontrolle“ zeigt höflich formuliert das Fiasko. Zuerst fällt auf, dass die Angelegenheit völlig unterfinanziert ist:
Auf der Grundlage der verfügbaren Informationen gelangt der Hof zu der Schätzung, dass aus dem EU-Haushalt insgesamt mehr als 600 Millionen Euro bereitgestellt wurden, um die Kosten für die Einrichtung von Komponenten auf EU-Ebene für die Systeme zu decken, auf die sich die Prüfung des Hofes erstreckte. Die jährlichen Gesamtkosten für den Betrieb der Systeme beliefen sich auf rund 61,5 Millionen Euro.
600 Millionen Euro für Hardware, Software, Arbeitsflächen, Einrichtungen, Schulungen, Personalkosten?
Darüber hinaus, heißt es, beteiligen sich die Mitgliedstaaten mit ihren eigenen Haushaltsmitteln an den Kosten für die Entwicklung und Wartung der nationalen Systeme. Sonderlich viel ist das aber auch nicht:
Beispielsweise haben die Mitgliedstaaten rund 235 Millionen Euro für die Einrichtung des SIS II aufgewendet, zusätzlich zu dem Betrag von 95 Millionen Euro aus dem EU-Haushalt.
Dies sind die Ausgaben für das „Schengener Informationssystem der zweiten Generation“ (SIS II)? Das entscheidende System für die Sicherheitsbehörden?
SIS II sollte ursprünglich 2007 in Betrieb gehen, dann 2010. Schließlich wurde der 9. April 2013 festgelegt, obwohl wesentliche Anforderungen nicht erfüllt waren und insbesondere nicht sichergestellt werden kann, dass Eilmeldungen tatsächlich innerhalb der vorgegebenen Frist von vier Minuten im gesamten System zur Verfügung stehen. Auch gab es beim Einspielen der Daten aus SIS über 10.000 Fehler durch inkonsistente Hashwerte, und es gibt keinen Notfallplan bei Systemversagen.
Vergleichen wir das mit den Kosten für irgendeine relevante Industrie-Software, ein Betriebssystem für Volkswagen-Elektroautos zum Beispiel, oder Ähnliches. Da werden Milliarden investiert. Und vergleichen wir das mit den exorbitanten Kosten für die Versorgung von Migranten, die eigentlich gar keinen Anspruch haben, hier zu leben.
Die meisten Mitgliedstaaten haben bis 2017 keine nennenswerten Ausgaben gemeldet. Da die Ausgaben verspätet begannen, setzen die Mitgliedstaaten die Mittel bislang nur langsam ein. Angaben der Kommission zufolge ist dies in erster Linie auf die entsprechenden schwerfälligen Vergabeverfahren zurückzuführen. Die geprüften Mitgliedstaaten wiesen darüber hinaus auf den zusätzlichen damit verbundenen Verwaltungsaufwand hin. Beispielsweise hielten sie fest, dass selbst eine geringfügige Erhöhung des Betrags, der einem nationalen Programm zugewiesen wird, eine vollständige Überarbeitung jenes Programms erfordert.
Entweder haben wir es mit einer absurden Bürokratisierung und Lähmung zu tun, oder mit gezielter Sabotage. Gerade Beamte, die heimlich für Russland arbeiten, können alles Mögliche blockieren, um Europa zu destabilisieren. Als Folge wählen Menschen vermehrt pro-russische Parteien.
Die geprüften Länder haben zwischen 3 % und 29 % ihrer Mittel aus dem Fonds für die innere Sicherheit (61,2 Millionen Euro) für die fünf geprüften Systeme bereitgestellt. Davon entfielen 43 % (26,5 Millionen Euro) auf Wartungsprojekte und 57 % (34,7 Millionen Euro) auf Erweiterungsprojekte. Die Länder haben diese Mittel in erster Linie für die Wartung des SIS II und des VIS sowie für die Erweiterung von EUROSUR und des PNR-Systems verwendet.
Für Migranten und „Klimaschutz“ werden Milliarden bereitgestellt. Nicht für Sicherheit. In der Praxis scheitert das Konzept regelmäßig:
Die Behörden, die eine Ausschreibung erstellen, verfügen jedoch nicht immer über alle Informationen, die sie zur eindeutigen Identifizierung einer Person benötigen. So können Übereinstimmungen für eine Person auftreten, bei der es sich eigentlich nicht um die gesuchte Person handelt, die aber den gleichen Namen hat. Diese Art von Übereinstimmung wird als falsch positiv bezeichnet. In diesen Fällen müssen die Grenzschutzbeamten weitere Schritte unternehmen, um die Identität jener Person festzustellen.
Dies verschwendet knappe Ressourcen. Stammt jemand aus einem Land mit schlechten Datenbanken und hat einen häufigen, typischen Namen, wird es schwierig, zu unterscheiden, wer Anspruch hat und wer nicht.
Fingerabdrücke erwiesen sich als effektiv:
Biometrische Daten (d. h. Fingerabdrücke) werden im Allgemeinen als eine Möglichkeit zur eindeutigen Identifizierung einer Person angesehen, weshalb immer mehr Ausschreibungen im SIS II biometrische Informationen (Fingerabdrücke) enthalten. Der Hof stellte fest, dass sich die Anzahl der Treffer in Bezug auf gesuchte Personen und Gegenstände auf der Grundlage von Ausschreibungen, die in anderen Ländern erstellt wurden, im Zeitraum 2013-2017 nahezu verdreifacht hat.
Wenn ein vermeintlicher Flüchtling seine wahre Identität verschleiert, oder sich in europäischen Ländern nicht registrieren lässt, sondern nach Deutschland weiterreist, bringen die Abdrücke nichts mehr.
Aus der Umfrage des Hofes ging jedoch hervor, dass sich mehr als die Hälfte der Grenzschutzbeamten bereits in einer Situation befunden hatten, in der sie über die Einreise einer Person entscheiden mussten, ohne Daten aus den Systemen abzurufen.
Die Nutzung der Informationssysteme hängt auch von der externen Umgebung ab, in der die Kontrollen durchgeführt werden.
Beispielsweise treten bei an Bord von Schiffen durchgeführten Kontrollen häufig Konnektivitätsprobleme auf. Der Hof stellte bei seinen Besuchen in zwei Ländern fest, dass eine vollständige Grenzübertrittskontrolle durch derartige Probleme verhindert wurde. Die Durchführung von Kontrollen in fahrenden Zügen ist mit ähnlichen technischen Herausforderungen verbunden.
Gemäß EU-Recht sind die Mitgliedstaaten für die Datenqualität zuständig. Dementsprechend stellte der Hof fest, dass auf EU-Ebene kaum auf die Kontrolle der Datenqualität eingegangen wird. Erst mit der Eurodac-Verordnung wurde der Grundstein für ein System zur Qualitätskontrolle von Fingerabdrücken gelegt, indem eu-LISA die Zuständigkeit für die Festlegung von Qualitätsstandards übertragen wurde.
Die monatlichen Berichte enthalten rund 3 Millionen Warnmeldungen zu potenziellen Datenqualitätsproblemen (von insgesamt durchschnittlich rund 82 Millionen Datensätzen), die darauf hinweisen, dass die Daten den Datenqualitätsanforderungen des SIS II möglicherweise nicht entsprechen. Der Hof stellte fest, dass weder eu-LISA noch die Kommission über Durchsetzungsbefugnisse verfügen, um sicherzustellen, dass die Mitgliedstaaten Datenqualitätsprobleme zeitnah beheben. Tatsächlich zeigen die monatlichen Berichte keinen maßgeblichen Rückgang der SIS-II-Warnmeldungen zu Qualitätsproblemen.
Dann kommt noch das Problem der Verzögerung bei der Dateneingabe in die Systeme.
Beispielsweise stieß der Hof auf Ausschreibungen, bei denen der Vorname der Person als Nachname eingegeben war und bei denen das Geburtsdatum fehlte oder unvollständig war, was es erschwerte, die Person zu identifizieren. Wegen dieser Art von Problemen erhalten Grenzschutzbeamte bei der Überprüfung eines Namens im SIS II möglicherweise Hunderte von Ergebnissen (in den meisten Fällen falsch positive Ergebnisse), die sie manuell überprüfen müssen. Dies geht nicht nur zulasten der Effizienz der Grenzkontrollen, sondern erhöht auch das Risiko, dass echte Treffer übersehen werden.
Diese Probleme vervielfachen sich:
Unvollständige Datensätze im SIS II verringern auch die Effizienz anderer damit verbundener Systeme. Prüfen die Behörden der Schengen-Staaten beispielsweise Fluggastinformationen auf der PNR-Liste, gleichen sie diese normalerweise mit Ausschreibungen im SIS II ab. Unvollständige Ausschreibungen führen zu einer erheblichen Anzahl von falsch positiven Treffern.
Wedelt eine Person irgendein obskures Visum-Dokument, sind Beamte oft ratlos:
Das VIS kann nur Schengen-Visa für Kurzaufenthalte erfassen, obwohl die Schengen-Staaten immer noch mehr als 200 verschiedene Arten von nationalen Visa und Aufenthaltstiteln einsetzen, um Drittstaatsangehörigen die Einreise und Weiterreise im Schengen-Raum zu ermöglichen. Diese Aufenthaltstitel werden nur in nationalen Datenbanken registriert, die nicht mit anderen Ländern geteilt werden. Im Jahr 2017 wurden fast 2,6 Millionen dieser Aufenthaltstitel im Schengen-Raum erteilt. Es gibt derzeit keine Rechtsgrundlage dafür, diese Aufenthaltstitel im zentralen VIS-System zu erfassen.
Die Kommission arbeitete an einer Verordnung, mit der dieses Problem behoben werden soll.
Da diese Reisedokumente jedoch eine Gültigkeit von bis zu 10 Jahren haben, werden sie sich noch jahrelang außerhalb des Systems befinden, bevor die Informationslücke geschlossen wird.
Bei EUROSUR besteht ein Mangel darin, dass die Mitgliedstaaten ihre Berichte in verschiedenen Formaten vorlegen. Dies bedeutet, dass die Informationen nicht einfach aggregiert werden können und aus technischen Gründen möglicherweise nicht einmal für andere Mitgliedstaaten zugänglich sind.
Die Daten werden in der Regel manuell in EUROSUR eingegeben. Kommt es an den Grenzen zu einer Zunahme von Ereignissen, kann es für einen Sachbearbeiter schwierig sein, diese schnell im System zu erfassen. Dies kann zulasten der Datenqualität gehen. Darüber hinaus melden einige Mitgliedstaaten Vorfälle auf Einzelfallbasis, während andere nur aggregierte Daten liefern. Einige Mitgliedstaaten erstellen für jede Person einen Vorfallbericht, während andere einen Vorfallbericht für zahlreiche Personen erstellen.
Das System macht Schummeln zu einfach:
Gemäß der Dublin-Verordnungist das Land, über das der Asylbewerber erstmals in die Europäische Union eingereist ist, für die Prüfung des Asylantrags zuständig. Ab dem Moment, in dem eine Person Asyl beantragt oder bei einem illegalen Grenzübertritt aufgegriffen wird, haben die Mitgliedstaaten eine maximale Frist von 72 Stunden, um Fingerabdrücke zu nehmen und an Eurodac weiterzuleiten. Zieht der Asylbewerber in einen anderen Mitgliedstaat, kann die verspätete Übermittlung dazu führen, dass der falsche Mitgliedstaat als für die Bearbeitung des Asylantrags zuständig benannt wird
Wie Abbildung 9 zeigt, nahm die Übermittlung von Fingerabdrücken in Eurodac im Jahr 2017 in Spanien beispielsweise durchschnittlich 30 Tage in Anspruch. Dies bedeutet, dass eine Person, die bei einem illegalen Grenzübertritt nach Spanien aufgegriffen wurde, durchschnittlich 30 Tage Zeit hatte, um in einen anderen Mitgliedstaat zu gelangen und dort einen Asylantrag zu stellen. Die Behörden in diesem anderen Land, die die Fingerabdrücke mit den Daten in Eurodac abgeglichen hätten, hätten keine Übereinstimmungen gefunden. Folglich wäre das andere Land verpflichtet gewesen, den Asylantrag der Person zu bearbeiten.
https://op.europa.eu/webpub/eca/special-reports/border-control-20-2019/de/
Den Deutschen war vermittelt worden, dass Migranten bzw. Flüchtlinge von denjenigen europäischen Staaten verwaltet werden müssen, die sie zuerst betreten.
Es gab eine enorme Überraschung, als Kanzlerin Merkel auf dem Höhepunkt des Flüchtlingsstroms vor Jahren den Einsatzbefehl für Beamte einschränkte: Wer Asyl verlangt, darf über die Grenze nach Deutschland. Dann muss aufwändig geprüft werden, um welche Leute es sich handelt, ob die einen Flüchtlings-Schutz-Status bekommen, ob sie bereits in einem anderen EU-Land registriert wurden usw. Entschied sich ein anderes Land, die Leute nicht zu registrieren, sondern weiter nach Deutschland reisen zu lassen, können diese Leute bei uns ihren ersten Asylantrag stellen. Selbst wenn kein Anspruch besteht, dürfen viele bleiben, weil die Verfahren zu lange dauern.
Leute waren über Merkels Entscheidung verblüfft. So als würde sie die „Dublin“-Regeln ignorieren. Dann hieß es von verschiedenen Seiten, die Regeln hätten nie wirklich vorgesehen, dass Deutschland sich beispielsweise wirklich abschotten kann durch Grenzkontrollen. Inzwischen sagt man das offen und überall.
Die EU-Kommission hat Deutschland in der Migrationspolitik an die europäischen Grundregeln erinnert. Von Mitgliedsländern angekündigte Grenzkontrollen müssten „notwendig und verhältnismäßig“ sein und den Vorschriften des Schengener Grenzkodex entsprechen, sagte Kommissionssprecherin Anitta Hipper. Soll heißen, eskalierende Kosten und Chaos durch Migranten seien kein legaler Grund, um wirklich die Grenzen zu kontrollieren.
Die Bundesregierung habe die Maßnahmen in Brüssel angemeldet, nun würden sie geprüft,
Polens Regierungschef Donald Tusk kritisierte die Ankündigung von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), vorübergehend Kontrollen an allen deutschen Außengrenzen einzuführen. Polen will, dass die Migranten nach Deutschland durchreisen. Österreich auch. Keiner will den „Rückstau“ und die Kosten.
Der Plan der Europäischen Kommission, ein vollständig digitalisiertes System zur Überwachung des Personenverkehrs im Schengenraum einzuführen, klingt ambitioniert.
Für 2022 war durch die Verordnung die Einführung eines volldigitalisierten Einreise- bzw. Ausreisesystems geplant: das sog. „Entry and Exit System (EES)“
An einem kühlen Novembertag 2019 übertrat ein Rechtsprofessor die Grenze von Slowenien in die österreichische Stadt Spielfeld. Eine Polizeikontrolle wertete er als illegale Grenzkontrolle und klagte dagegen. Dann urteilten die Richter des Europäischen Gerichtshofs, dass der Mann recht habe.
Migration stellt allein keine begründete Bedrohung der öffentlichen Ordnung nach Schengener-Grenzkodex dar.
Vor diesem Hintergrund verstoßen anscheinend die seit der Migrationskrise vollzogenen Grenzkontrollen an der Grenze zwischen Bayern und Österreich gegen Europarecht.