Eine aktuelle Studie des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) dokumentiert eine katastrophale Schwäche der deutschen Verteidigung, die beim aktuellen Tempo in 100 Jahren nicht wirklich überwunden werden könnte.
Der Report „Kriegstüchtig in Jahrzehnten: Europas und Deutschlands langsame Aufrüstung gegenüber Russland“ errechnet, dass Moskau den gesamten Waffenbestand der Bundeswehr in rund einem halben Jahr produzieren könne.
So schaffe es die deutsche Regierung gegenwärtig nur knapp, die aus der Bundeswehr an die Ukraine abfließenden Waffen zu ersetzen. Bei Luftverteidigungssystemen und Artilleriehaubitzen sei der Bestand sogar rückläufig.
Als Maßstab wurden die Bundeswehrbestände von 2004 hergenommen, die im Vergleich mit dem Kalten Krieg eher gering waren, aber deutlich größer als die heutigen. Um das Niveau von 2004 wieder zu erreichen, bräuchte es 100 Jahre. Und das berücksichtigt nicht einmal den Innovationsmangel angesichts der sich ständig verändernden Kriegsführung.
Es sei unklar, wie viel Geld Deutschland nach Auslaufen des 100-Milliarden-Euro-Sondervermögens, was ohnehin nur eine Nachbesserung war, für Verteidigung ausgeben will. Es scheint, als ob die Politik lieber gar kein Militär wollte und sich mit einer Pseudo-Armee begnügen musste.
Überläufer aus dem Kalten Krieg berichteten, dass Moskau darauf hoffte, eine heftige Droung würde genügen, um ein SPD-geführtes Deutschland zur Kapitulation zu bringen.
Kriege sind teurer als Abschreckung. Deutschland profitierte von einer „Friedensdividende“, die für den Zeitraum 1990–2018 auf 419 Mrd. EUR geschätzt wird; nach einigen Schätzungen sogar auf 600 Mrd. EUR.
Das heißt, statt für Sicherheit wurde dieses Geld benutzt für Migranten, die Energiewende, den Sozialstaat und sonstige Belange. Statt Friedensdividende handelt es sich um einen Verwundbarkeits-Kredit zulasten der Bevölkerung und der jungen Generationen.
Nach Röhl et al. (2023) produzierten im Jahr 2020 nur noch rund 55.500 Beschäftigte in der Rüstungsindustrie in Deutschland Waffen, Kampfflugzeuge, Kriegsschiffe und Militärfahrzeuge im Gesamtwert von rund 11,3 Milliarden Euro.
Es scheint, als wollte die Politik am liebsten gar keine Rüstungsindustrie. Die Rahmenbedingungen waren so schlecht, dass niemand wirklich investieren wollte und konnte.
Das Sondervermögen wurde ursprünglich geschaffen, um den regulären Haushalt zu ergänzen, der aus eigener Kraft 2 % des BIP erreichen sollte. Der politische Wille zu einer solchen Aufstockung war jedoch nicht vorhanden, und der tatsächliche Haushalt ist sogar in Prozent des BIP gesunken und liegt jetzt bei nur 1,2 %, wobei der Sonderfonds die Lücke füllt, um das 2 %-Ziel zu erreichen.
Nicht einmal 4% wären genug ohne die geeignete Innovation und die passenden Bedingungen.
Die Daten zeigen, dass die russische Produktion derzeit so stark ist, dass sie
den deutschen Waffenbestand von 2021 in 2 bis 7 Monaten problemlos erreichen könnte. Und wir reden hier von einer defizitären russischen Industrie, die von Inkompetenz und Überalterung geplagt ist und die wichtigen Bezugsquellen aus der Ukraine seit 2014 nicht mehr nutzen kann.
Die kleinen Stückzahlen, die in Deutschland angefordert werden, führen zu absurden Preisen.
Deutschland hat 600.000 Schuss 30-mm-Autokanonenmunition für Puma-Schützenpanzer bestellt. Die Kosten für diese Munitionsbestellung belaufen sich auf rund 576 Millionen Euro, was fast 1000 Euro pro Schuss entspricht. Bei 350 Pumas und theoretisch bis zu 600 Schuss pro Minute reicht jeder Puma aus, um unter normalen Gefechtsbedingungen etwa drei Minuten oder einige Tage lang zu schießen.
Das Munitionsproblem ist insgesamt anhaltend und bezieht sich auf alle Waffengattungen. Ohne Munition gibt es keine Fähigkeit zum Kampf, sondern nur die Kapitulation.
Im vergangenen Jahr haben Deutschland und die Niederlande den Caracal von Rheinmetall bestellt, einen leichten Sturmjeep auf Basis der Mercedes G-Klasse. Die Rahmenvereinbarung umfasste auch Jeeps für die Ukraine und kostete satte 1,9 Milliarden Euro für 3058 Jeeps. Ein Stückpreis von 620.000 € pro Jeep ist eindeutig teuer und lässt auf geringe Größenvorteile schließen.
Für 300.000€ bekommt man normalerweise ein gepanzertes Fahrzeug. Für den doppelten Preis holt man sich eine gepanzerte G-Klasse, also einen modernisierten Wolf mit 5 Tonnen Gewicht und 249 PS.
Ein drittes Beispiel ist der Rahmenvertrag mit einer Laufzeit von sieben Jahren für fast 200 000 Headsets zu einem Stückpreis von 2100 €.
Effektiv schrumpft also der Verteidigungshaushalt in sich zusammen, wenn man die tatsächliche Anzahl an Geräten betrachtet. Ein anderes Land könnte für das gleiche Geld die mehrfachen Mengen bekommen.
Ein weiteres Problem ist der Innovationsmangel. Der Krieg in der Ukraine hat gezeigt, dass die altmodische Kriegsführung vorbei ist. Ein System kann im Nutzen drastisch sinken, wenn nicht eine Innovation dazu kommt.
Selbst alte russische Panzer werden weiterhin gebaut. Hat der Gegner keine Javelins oder passenden Drohnen, wird es eng.
Bislang werden etwa 80 % der russischen Produktion von gepanzerten Fahrzeugen durch die Nachrüstung bestehender Wannen aus vorhandenen Beständen sowjetischer und russischer Fahrzeuge erzielt. Wenn die Lagerbestände zur Neige gehen, könnte die Produktion jedoch weniger stark beeinträchtigt werden als angenommen.
2004 verfügte Deutschland noch über Tausende von Panzern und Schützenpanzern und sogar über fast eintausend Haubitzen. Im Jahr 2021 sind diese Zahlen auf einige Hundert gesunken, da Deutschland nur noch über 339 Panzer und 121 Haubitzen verfügt.