Kommentar
Der deutsche Inlandsgeheimdienst war immer recht klein und eigentlich völlig überladen mit Aufgaben: Neben diverse Formen des Extremismus musste auch die Spionage abgewehrt werden, die auf andere Nationen zurückgeht. Dennoch schaffte es der Verfassungsschutz beispielsweise, die NPD enorm stark zu infiltrieren.
Aktuell steht die Gruppe um Prinz Reuß vor Gericht, eine Truppe aus rechten Aktivisten und Russland-Fans. Die Mitglieder waren nach umfangreichen Ermittlungen verhaftet worden.
Abgesehen von Skandalen wie die Informanten (V-Personen) im Umfeld des Nationalsozialistischen Untergrundes (NSU) oder bei den beiden NPD-Verbotsverfahren wird das Thema nicht einmal rechtsextremen Aktivisten so richtig bewusst und jene können daher nicht einmal die eigene Inkompetenz einigermaßen quantifizieren.
Die nachrückende Generation tritt einer bereits infiltrierten Szene bei
Kommt jemand mit rechtsextremen Inhalten und Aktivisten in Kontakt, tritt derjenige in der Regel etablierten Strukturen bei. Das kann die Jugendorganisation einer Partei sein, oder eine rechte Burschenschaft oder eine sonstige physische oder online operierende Gruppe.
Der neue Rekrut ist völlig unfähig, seine neue Ideologie, die Organisationen und einzelnen Mitglieder akkurat einzuschätzen. Bei hauptsächlich online aktiven Gruppen tritt jeder anonym auf und es muss erst ein Kennenlern-Prozess stattfinden, bevor man sich im realen Leben trifft. Der Verfassungsschutz benutzt längst Online-Agenten, die jeweils eine Vielzahl on Accounts betreiben. Bei Bedarf kleiden sie sich in szenetypische Marken und verfremden ihr Gesicht für Fotos oder Videochats.
Rechte Organisationen sind in aller Regel Sammelbecken. Sie wirken wie ein Magnet und ziehen neue Leute an, die dann überwacht werden können.
V-Personen in höheren Stellungen können bestimmen, welche neuen Mitglieder der Gruppe aufsteigen dürfen.
Radikale Statements und Taten werden verlangt als Loyalitätsbeweis
Radikale Statements und selbst illegale Handlungen gelten als Mitgliedsausweis, als Loyalitätsbeweis und als Bedingungen für den Aufstieg in der Organisation. Statements können offen oder verdeckt gefilmt werden, um die neue Person unter Kontrolle zu halten. Niemand kann sich gesellschaftlich davon erholen, wenn Aufnahmen öffentlich werden mit einer unmissverständlichen Huldigung des Nationalsozialismus und mit Absichtserklärungen, ein neues Regime errichten zu wollen.
Je mehr man sich in Schwierigkeiten bringt, umso mehr verliert man den Bezug zu der realen Welt.
Ein gut platzierter Informant kann eine große Zahl Aktivisten verraten.
Aktivisten sind für sich genommen zu inkompetent
Immer wieder ist aufgefallen, dass V-Personen wie Tino Brandt mit Geld vom Verfassungsschutz die größte Initiative und das größte Organisationstalent zeigten. Es ist für Aktivisten praktisch unmöglich, selbst etwas Substanzielles auf die Beine zu stellen. Es fehlt immer an Geld, Ausbildung und an fähigem Personal.
Neben der inländischen Spionage bieten auch ausländische Dienste ihre Hilfe an.
Ideologie über alles
Die Übereinstimmung mit dem Nationalsozialismus gilt als das Wichtigste. Daran werden Vertrauenswürdigkeit und Status gemessen. Es ist die Illusion, durch den Glauben an die Ideologie automatisch weise zu sein, heldenhaft, bedeutsam und anderen überlegen.
Jeder, der die gewaltigen Probleme der Ideologie und der Szene anspricht, gilt als illoyal und zersetzend. Selbst die Frage nach Geheimdiensten wird mit einer ideologischen Überlagerung vermieden. Man solle einfach weitermachen wie immer.
Straftatbestände sammeln sich an
Gewalttaten, Steuerhinterziehung, Drogen, Volksverhetzung, Terrorismus usw. sind die üblichen Straftatbestände, die jemand ansammeln kann in seiner Aktivistenkarriere. Die wenigsten sind bereit, für längere Zeit ins Gefängnis zu gehen und werden irgendwann entweder weniger aktiv, zum Aussteiger oder zum Informanten.
Frustrationen und Rache
Die Szene ist dermaßen dysfunktional, dass die Mitglieder sich gegenseitig extrem schlecht behandeln. Jedes bisschen Einfluss wird gnadenlos missbraucht und so wachsen Rachegefühle, die von Geheimdiensten gerne ausgenutzt werden.
Es kann sich um Rachemotive handeln gegen einzelne Funktionäre einer Organisation, gegen die gesamte Organisation oder derjenige ärgert sich darüber, dass er überhaupt in die Szene hineingelockt worden war.
Aktivisten haben null Ahnung von Geheimdiensten
Praktisch kein rechter Aktivist liest sich wirklich in die geheimdienstliche Welt ein. Nicht einmal über die Spionage in der eigenen Szene kennen sie sich wirklich aus. Bildung gilt als eklig und deshalb haben es Geheimdienste so einfach.
Die klassische Verschwörungsmythologie gilt als heilig
Die Vorstellung, dass ein paar Juden das britische Kolonialreich übernommen hätten, war eine gezielte Desinformationskampagne der britischen Geheimdienste. Die Nazis übernahmen diese Sichtweisen und bis heute gelten die Überzeugungen als heilig.
Typisch für die Szene ist es, öffentlich anzudeuten, dass man diese Überzeugung teilt. Geheimdienstler wissen, dass nur ganz bestimmte Menschen so sprechen; nämlich diejenigen die die Ideologie voll und ganz teilen. Sieht man näher hin, findet man belastendes Material.