Aus den beiden Verbotsverfahren gegen die NPD lässt sich herauslesen, was eine rechte Partei unbedingt vermeiden muss, wenn sie weiterexistieren will: Ähnlichkeit zur NSDAP, Schaffung von „befreiten Zonen“, systematische Drohungen und Gewalt durch Mitglieder und Sympathisanten, Anstreben einer Diktatur, Planung einer Säuberung nicht-ethnisch-deutscher Bürger, sowie die klassische Verschwörungsmythologie.
Da eine Partei solche Absichten nicht völlig explizit in der Öffentlichkeit ankündigt, müssen die Geheimdienste Beweise beschaffen.
Das Bundesverfassungsgericht musste 2017 abwägen zwischen den Argumenten derjenigen, die das Verbot anstrebten, und den Argumenten der NPD, die den Geheimdiensten und anderen Ermittlungsstellen alle möglichen schmutzigen Tricks unterstellte; von unzulässiger Beeinflussung bis hin zur Verwendung von Material ausländischer Spionage auf deutschem Boden.
Zwischen 2008 und 2013 habe der Anteil der durch Polizei und Nachrichtendienste gegen die NPD eingesetzten Quellen nie mehr als 2,5 % der Mitglieder und 6,6 % der Vorstandsmitglieder betragen, heißt es. Ob dies wirklich der tatsächlichen Infiltrationsquote entspricht, ist fraglich. Zudem ließe sich ein Mangel an Informanten durch verstärkte elektronische Spionage aufwiegen.
Egal, wie die NPD sich beschwerte, ihr größtes Problem war der Radikalismus in den eigenen Reihen und die Unfähigkeit, eigene Geheimnisse zu wahren. Ein ähnliches Schicksal könnte die AfD ereilen.
Unklar ist auch, ob es ein größeres Spiel gab, das die rechten Parteien selbst gar nicht realisierten. Es war von Vorneherein klar, dass die geplante Migrationspolitik der klassischen großen Parteien, die Deindustrialisierung, Einschränkungen die mit Klimaschutz begründet werden usw. zu erheblicher Unzufriedenheit in der Bevölkerung führen würden. Es bestand die Möglichkeit, dass Wähler massiven Druck auf die CDU/CSU ausüben, um wieder eine deutlich konservativere Politik zu betreiben. Und es bestand die Möglichkeit, dass sich eine neue Partei bildet, die die oben genannten radikalen Attribute strikt vermeidet.
Dem Bundesverfassungsgericht ist zu entnehmen, dass es im Prinzip unmöglich ist, eine seriöse konservative Partei zu verbieten. Selbst fragwürdige geheimdienstliche Tricks liefen ins Leere.
Für die klassischen Parteien wäre es am vorteilhaftesten gewesen, wenn eine neue Partei in den Extremismus abdriftet und folglich Opposition gegen die Migration, Klimapolitik usw. verseucht wird. entweder läuft diese neue Partei dann als schmuddeliges Sammelbecken, das nie etwas erreiche wird, oder man verbietet sie, wenn sie zu groß wird und hat dann für die nächsten Jahre und ggf. Jahrzehnte Ruhe, weil Parteipersonal verbrannt ist und Nachfolgeorganisationen illegal sind. Falls die AfD für dieses größere Spiel auserkoren wurde, stellt sich die Frage, wie stark man sie in Richtung Extremismus beeinflussen konnte/wollte/durfte, und wie stark rechte Kräfte unfähig sind, sich fernzuhalten von extremistischen Ideen. Bedeutend sind hierbei auch die zahlreichen Internet-Influencer, die leichter vom Verfassungsschutz zu rekrutieren sind als einzelne Politiker und ganze Parteien.
Spätestens ab dem 6. Dezember 2012, dem Datum der Beschlussfassung über die Einleitung eines Verbotsverfahrens, sei die NPD auf ihren Führungsebenen im Bund und in den Ländern „staatsfrei“ gewesen. Die V-Männer seien abgeschaltet worden. Die verwendeten und zitierten Quellen seien demnach weder staatlich erzeugt noch beeinflusst.
Die NPD argumentierte hingegen:
Es fehle an der Staatsfreiheit der Führungsebenen der NPD, weil davon auszugehen sei, dass sich auf diesen weiterhin V-Leute und/oder Verdeckte Ermittler befänden. Des Weiteren fehle es an der Quellenfreiheit des vorgelegten Beweismaterials, da dieses von V-Leuten und/oder Verdeckten Ermittlern „kontaminiert“ worden sei.
Auch das Ausspähen ihrer Prozessstrategie beklagte die NPD, „was eine effektive Verteidigung unmöglich mache“. Der Gründer der NPD, Adolf von Thadden, war mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Agent für den britischen Geheimdienst. Der Verfassungsschutz wird nur in den seltensten Fällen von ausländischen Diensten eingeweiht, kann aber indirekt von solchen Erkenntnissen profitieren. Die Briten können auch adelige, private Strukturen zum Spionieren verwenden.
Wie die „Abschaltung“ der verdeckten Ermittler, Under-Cover-Agents und V-Leute wirklich stattfindet, ist nebulös. Die NPD forderte, darzulegen,
…wie der Vorgang der Abschaltung einer Person konkret aussehe, wie der Antragsteller sicherstelle, dass keine „Nachsorge“ erfolge, dass keine Informationen verwendet würden, die von abgeschalteten V-Leuten freiwillig übermittelt worden seien, und dass ein außerhalb der Führungsebene stationierter staatlicher V-Mann während des laufenden Verbotsverfahrens nicht in eine Führungsposition gewählt werde.
Die NPD wollte auch Akteneinsicht. Als Beispiel wurde genannt, dass
„am Montag, den 4. August 2014, der ehemalige Parteivorsitzende Udo Voigt zusammen mit Uwe Meenen in der Kanzlei zweier Berliner Rechtsanwälte auf A. getroffen sei. Letzterer habe erzählt, dass er im Laufe des Jahres mehrfach von Mitarbeitern des sächsischen Staatsschutzes darauf angesprochen worden sei, für sie zu arbeiten und Mitglied der Antragsgegnerin zu werden. Bei dem letzten Treffen sei ihm ein monatliches Salär von 4.000,– EUR angeboten worden, wenn er aktiv werde und in die Antragsgegnerin einträte. Dies beinhalte, sich in Vorstände wählen zu lassen, unter anderem bei der Gestaltung der Internetauftritte in Sachsen mitzuwirken und für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig zu sein. Das Angebot stamme von dem Leiter der operativen Abteilung beim Staatsschutz, „einem Herrn Friebe o.ä.“.
Weiterhin heißt es, dass
das Nachrichtenportal n-tv unter dem 3. Dezember 2014 über die Vernehmung von S. alias „V-Mann Piatto“ im „NSU-Prozess“ vor dem Oberlandesgericht München berichtet und den Zeugen damit zitiert habe, dass er erst nach Rücksprache mit dem Amt und in dessen Auftrag Mitglied der NPD geworden sei – ausschließlich deshalb, um „Einblick in die Strukturen zu bekommen“ und „Informationen zu gewinnen“.
Die internationale Dimension wird ebenfalls erwähnt:
Schließlich fehle jegliche Auseinandersetzung mit der Frage, ob in den Führungsgremien der Antragsgegnerin Mitarbeiter ausländischer Geheimdienste als Verdeckte Ermittler, Under-Cover-Agents oder V-Leute tätig seien, die die von ihnen erlangten Informationen an deutsche Behörden weiterleiteten.
Eine Abschaltung von V-Personen bedeute nicht das Ende von Überwachungsmaßnahmen:
Es liege nahe, dass das mit der „Abschaltung“ der V-Leute einhergehende Informationsdefizit durch erweiterte Überwachung der Telekommunikation, durch akustische Wohnraumüberwachung oder durch Online-Durchsuchungen kompensiert werde.
So sei der ehemalige Bundesschatzmeister der Antragsgegnerin K. bei polizeilichen Vernehmungen im Rahmen eines gegen ihn gerichteten Ermittlungsverfahrens mit wörtlichen Aussagen konfrontiert worden, die er während Parteivorstandssitzungen getätigt habe.
Die NPD beantragte sogar, Edward Snowden als Zeugen zu vernehmen, um die Rolle der US-Behörde NSA anzusprechen.
Der Staat konterte:
Der Freistaat Sachsen habe zur Überprüfung der Behauptungen der Antragsgegnerin sämtliche sächsischen Polizeidienststellen um Stellungnahme gebeten, ob es einen Anwerbeversuch gegenüber A. gegeben habe. Dies sei von allen Dienststellen verneint worden. Auch seien alle im sächsischen Polizeivollzugsdienst mit dem Nachnamen „Friebe“ tätigen Polizeivollzugsbeamten gesondert befragt worden. Alle hätten ausgesagt, A. nicht zu kennen beziehungsweise keinen Kontakt mit ihm gehabt zu haben. Im Landesamt für Verfassungsschutz seien die für Werbung und Beschaffung zuständigen Bediensteten befragt worden, ob es Versuche gegeben habe, A. anzuwerben oder mit ihm in Kontakt zu treten. Beides sei ausgeschlossen worden.
Auch die von der Antragsgegnerin aufgestellten Behauptungen über die Quelle „Piatto“ berührten die Staatsfreiheit im vorliegenden Verfahren nicht. S. habe sich niemals in einem Beschäftigungsverhältnis zu Sicherheitsbehörden von Bund oder Ländern befunden. Er habe aus der Untersuchungshaft heraus 1994 aus eigenem Antrieb den Kontakt zu den Sicherheitsbehörden initiiert. Seitdem habe er als V-Person Erkenntnisse über die rechtsextremistische Szene in Brandenburg weitergegeben. Im Verlauf des Jahres 2000 sei er als Quelle abgeschaltet und der Kontakt zu ihm beendet worden.
Bei den V-Leuten habe auch nicht bloß eine „Abschaltung“ stattgefunden, sondern es sei zudem keine „Nachsorge“ betrieben worden. Aufgrund einer Vereinbarung zwischen Bund und Ländern seien die Sicherheitsbehörden angewiesen worden, jeden Kontaktversuch einer abgeschalteten Quelle zurückzuweisen und die Zurückweisung zu dokumentieren.
Seit dem 1. Dezember 2011 sei es nicht vorgekommen, dass V-Leute unterhalb der Führungsebene in die Vorstände aufgerückt seien.
Die NPD hielt dies nicht für überzeugend:
Selbst wenn man die Abschalterklärungen nebst Begleitvermerken für beweiskräftig halten wollte, könnten diese allenfalls die „Abschaltung“ derjenigen Quellen beweisen, deren Existenz der Antragsteller einräume. Sie bewiesen hingegen nicht, dass es außer den zugestandenen elf Quellen nicht noch weitere gegeben habe oder weiterhin gebe.
Auffällig und aufklärungsbedürftig seien insbesondere die „dubiosen und regelrecht fluchtartigen Abgänge“ der ehemaligen sächsischen Fraktionsvorsitzenden Apfel – im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Verbotsantrag – und Szymanski, gegen den der Verdacht einer Spitzel-Tätigkeit im Raum stehe.
Der Vortrag des Antragstellers bestätige ferner den Verdacht, dass der Staat am aktuellen Parteiprogramm der Antragsgegnerin sowie an dem Positionspapier „Das strategische Konzept der NPD“ selbst mitgeschrieben habe.
Hinsichtlich des Parteiprogramms werde durch die vom Antragsteller zugestandene Anwesenheit von neun staatlichen Quellen auf dem Programmparteitag der Grundsatz der Staatsfreiheit verletzt, da es sich bei diesem um eine „führende Organisationseinheit“ der Antragsgegnerin handele. Der Antragsteller müsse zumindest zu dem Wirken dieser V-Leute auf dem Parteitag Stellung nehmen, da eine Beeinflussung der Abstimmungsergebnisse durch diese nicht auszuschließen sei.
Der Staat konnte solche Einwände abblocken und auf das gesammelte Material verweisen, wie extremistisch die Partei war. Eine ähnliche Situation könnte sich bei der AfD ergeben.
Insbesondere in Mecklenburg-Vorpommern seien die Verbindungen zwischen der Antragsgegnerin und der Neonazi-Szene stark. Auf diese Weise habe die Antragsgegnerin großen Einfluss auf örtliche Strukturen der Neonazi-Szene. Besonders augenfällig sei, dass Landtagsabgeordnete der Partei größtenteils entweder selbst mittlerweile verbotenen rechtsextremistischen Vereinen angehört hätten oder sich zumindest offen zur Zusammenarbeit mit neonationalsozialistischen freien Kräften bekennten.
Es hätte eine Kampagne der Drohungen, Gewalt und „befreiter Zonen“ gegeben.
Die Antragsgegnerin fordere den vollständigen Rückzug des Islam beziehungsweise hier lebender Muslime aus Europa. Exklusion und Aufrufe zu entsprechendem Tätigwerden fänden sich bundesweit bei sämtlichen Parteigliederungen.
Strategie und Aktivitäten der Antragsgegnerin führten dazu, dass die gesellschaftliche Präsenz verfassungsfeindlicher rechtsextremistischer Ansichten in einigen Gegenden Ostdeutschlands als Normalität angesehen werde.
Die Antragsgegnerin mache auch deutlich, welches politische Ziel aus dieser menschenverachtenden Ideologie resultiere: die Exklusion ethnischer Minderheiten, die gegebenenfalls auch zwangsweise durch Gewalt umgesetzt werden solle. Dies reiche bis zu einer Gutheißung der Tötung von Flüchtlingen. Dabei überschneide sich die Agitation gegen Asylbewerber und Muslime häufig.
Die NPD meinte, die Schwelle für ein Parteiverbot müsse sehr, sehr hoch angesetzt werden:
Als verfassungswidrig erkannt (und möglicherweise verboten) werden könne danach nur eine als Partei organisierte Umsturzbewegung, etwa eine Partei, die als parlamentarischer Arm einer Terrororganisation anzusehen sei. Sie müsse dabei den Straftatbestand des Hochverrats noch nicht verwirklichen, aber dazu Bereitschaft zeigen, etwa durch das Anlegen von Waffenlagern oder militärisches Training ihrer Anhänger. Ein Parteiverbot könne nur legitim sein, wenn eine Partei gerade den Einfluss der Wähler ausschalten wolle, indem sie jenseits eines Wählervotums gewaltsam die Macht anstrebe.
Das deutsche Recht sieht dies anders. Eine Partei, die die Demokratie nur benutzen will, solange es Vorteile bringt, gilt nicht als legal. Die NPD konnte zumindest etwas auf den Volksbegriff pochen, damit aber nicht die eigene extremistische Linie entschuldigen:
Der ethnische Volksbegriff sei tradiertes Leitprinzip des deutschen Staatsangehörigkeitsrechts. In diesem Zusammenhang könne auf Art. 116 Abs. 1 GG verwiesen werden, die Präambel der Weimarer Reichsverfassung sowie die Formulierungen über den Amtseid von Bundeskanzler, Bundespräsident und Bundesministern. Auch das Bundesverfassungsgericht lege seinem „Teso“-Beschluss diesen Volksbegriff zugrunde und postuliere eine Pflicht des Gesetzgebers, die Identität des deutschen Staatsvolks zu erhalten (unter Hinweis auf BVerfGE 77, 137 <150>)
Die NPD sei nicht nach dem „Führerprinzip“ aufgebaut. Ihre Programmatik beruhe auf „vollständig anderen Grundsätzen als diejenige des historischen Nationalsozialismus.“ Eugenik und Sozialdarwinismus lehne sie ab.
Die Materialsammlung der Geheimdienste zeigt jedoch Abgründe auf. Die NPD
versuche vergeblich, sich nachträglich von grundlegenden Parteidokumenten, insbesondere der Schrift „Wortgewandt – Argumente für Mandats- und Funktionsträger“ sowie den Leitfäden der JN zu distanzieren. Die betroffenen Texte behandelten Kernpositionen der Antragsgegnerin, die diese nicht nur über einen langen Zeitraum vertreten habe, sondern auch weiterhin vertrete. Dies werde durch zahlreiche Äußerungen führender Parteifunktionäre belegt. Der für die Leitfäden verantwortliche JN-Schulungsleiter D. sei ein halbes Jahr nach diesem Beschluss zum stellvertretenden Bundesvorsitzenden der JN aufgestiegen. Dieses Amt übe er weiterhin aus. In einem Interview vom 27. April 2014 habe er die fortwährende Gültigkeit der Leitfäden bestätigt.
Die Argumentationsbroschüre für Mandats- und Funktionsträger besitze ihrerseits eine große Relevanz innerhalb der Antragsgegnerin und eine hohe Reichweite. Sie entstamme der „Schriftenreihe des Parteivorstands der NPD“ und enthalte ein Vorwort des damaligen Parteivorsitzenden, wonach es sich um eine der „drei Grundlagenschriften nationaldemokratischen Politikverständnisses“ handele. Der Verfasser Jürgen Gansel sei führender und die Ideologie prägender Funktionär der Antragsgegnerin. Die 2012 in zweiter Auflage erschienene Broschüre sei seit mindestens zehn Jahren ideologische Grundlage der Parteiarbeit.
Bezeichnend sei schließlich, dass die NPD in ihren Schriftsätzen die zahlreichen Belege zum Antiparlamentarismus und zur Systemüberwindung nicht inhaltlich kommentiere. Der systemüberwindende Anspruch sei noch einmal in den Äußerungen von Udo Voigt in der mündlichen Verhandlung deutlich geworden.
Von dieser handlungsleitenden Zielsetzung könne auch der Verweis auf die parlamentarische Arbeit nicht ablenken, da diese nur Mittel auf dem Weg zur Abschaffung des parlamentarischen Systems sei. Ziel der Antragsgegnerin sei die Herrschaft einer rassischen Elite.
Ein weiterer Faktor bei der Beurteilung der Stärke der Antragsgegnerin sei ihre Rolle als Arbeitgeberin. Insgesamt seien den Verfassungsschutzbehörden 87 Personen bekannt, die seit 2004 als Mitarbeiter beziehungsweise Praktikanten der Landtagsfraktionen der Antragsgegnerin in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen, der einzelnen Landtagsabgeordneten der Partei sowie des Europaabgeordneten Udo Voigt tätig gewesen seien.
Bei 37 dieser Personen könne eine vorherige oder gleichzeitige Verbindung zu neonazistischen Personenzusammenschlüssen aus offen verwertbaren Informationen bestätigt werden. Ihre Rolle als Arbeitgeberin stärke die personelle Basis der Antragsgegnerin und ihre Netzwerkfunktion im rechtsextremistischen Spektrum.
Beim Thema NSA und anderer Spionage durch das Ausland wird abgeblockt:
Außerdem ist nicht ersichtlich, warum das hiesige Verfahren bis zur Vorlage des Abschlussberichts des NSA-Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages ausgesetzt werden sollte, da weder der Einsatz von V-Leuten noch das Ausspähen der Prozessstrategie der Antragsgegnerin Gegenstand des Bundestagsuntersuchungsausschusses ist.
Entscheidend sind die wirklichen Ziele der Partei, nicht die vorgegebenen. Es ist nicht erforderlich, dass eine Partei sich offen zu ihren verfassungswidrigen Zielsetzungen bekennt.
Neben ihrer Programmatik können sich die Absichten der Partei im Verhalten ihrer Anhänger spiegeln (vgl. BVerfGE 2, 1 <22>). Anhänger sind dabei alle Personen, die sich für eine Partei einsetzen und sich zu ihr bekennen, auch wenn sie nicht Mitglied der Partei sind
Ob eine Partei eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus aufweist, ist unter Rückgriff auf deren politisches Programm, die inneren Organisationsstrukturen und das Auftreten der Partei und ihrer Mitglieder in der Öffentlichkeit zu bestimmen.
So können sich aus der Glorifizierung der NSDAP oder der Verharmlosung der durch die Nationalsozialisten begangenen Verbrechen Rückschlüsse auf die von einer Partei verfolgten – und aus ihrer Programmatik möglicherweise nur unvollkommen ablesbaren – wirklichen Ziele ergeben.
Der Landesverband Berlin der Antragsgegnerin verschickte im Bundestagswahlkampf 2009 ein als „nichtamtliche Bekanntmachung“ deklariertes Schreiben an 22 Politiker mit Migrationshintergrund. Unter der Überschrift „Ihr Ausländerrückführungsbeauftragter informiert“ wurden die Adressaten unter Hinweis auf „den Fünf-Punkte-Plan zur Ausländerrückführung“ der Antragsgegnerin angehalten, Vorkehrungen für ihre jeweilige „Heimreise“ zu treffen:
Liebe ausländische Mitbürger,
gemäß dem Fünf-Punkte-Plan zur Ausländerrückführung bin ich als Ausländerrückführungsbeauftragter der NPD angehalten, Sie mit den Einzelheiten Ihrer Heimreise vertraut zu machen.
1. Personen mit Migrationshintergrund, die straffällig geworden sind, kehren fristlos in ihre Heimat zurück.
2. Personen ohne Sonderaufenthaltserlaubnis und Personen ohne Arbeitserlaubnis oder den Nachweis eines Arbeitsplatzes verlassen Deutschland nach längstens drei Monaten.
3. Die übrigen Ausländer werden schrittweise in ihre Heimatländer zurückgeführt.
4. Ausländer werden aus dem deutschen Sozialversicherungssystem ausgegliedert […].
Bitte kümmern Sie sich schon jetzt um Unterkunftsmöglichkeiten und Arbeit in Ihren Heimatländern. […] Wir danken Ihnen für Ihre geleistete Arbeit und die kulturelle Bereicherung und wünschen Ihnen eine gute Heimreise. Ihr Ausländerrückführungsbeauftragter.
Im Bundestagswahlkampf 2013 versandte der Landesverband Berlin erneut ein ähnliches Rundschreiben an Kandidaten mit Migrationshintergrund, in dem diese aufgefordert wurden, die Bundesrepublik Deutschland freiwillig zu verlassen, um einen Rücktransport in einer „Sie persönlich benachteiligenden Form“ zu vermeiden. Die Behauptung der Antragsgegnerin, bei diesem Schreiben handele es sich lediglich um eine satirische Anregung zum Nachdenken über die Einwanderungspolitik, ändert nichts an der Tatsache, dass das an deutsche Staatsangehörige gerichtete und diese zum Verlassen des Landes auffordernde Schreiben als Bestätigung der Auffassung der Antragsgegnerin zu werten ist, wonach die Zugehörigkeit zur „deutschen Volksgemeinschaft“ und der damit verbundene Rechtsstatus einschließlich eines dauerhaften Bleiberechts auch durch den „Erwerb bedruckten Papiers“ nicht erreicht werden können.
Der Kreisrat (Bautzen) der Antragsgegnerin K. wurde im August 2015 von Journalisten der Frankfurter Allgemeinen Zeitung befragt, wie mit straffälligen Asylbewerbern umzugehen sei. Darauf antwortete er:
„Nee, Gleis 17, Waggon 1, rein und ab.“
Auf Gleis 17 im Bahnhof Berlin-Grunewald befindet sich ein Mahnmal, das an die Deportation von Juden in Konzentrationslager erinnert.
Im Jahr 2008 wurde der Versandkatalog der „Deutsche Stimme Verlags GmbH“ wegen Verherrlichung des Nationalsozialismus und des Krieges durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) indiziert.
In dem Katalog wurde unter der Rubrik „Gesinnungsknöpfe“ ein Button „Keine Macht den Nasen“ angeboten, auf dem eine Comic-Figur mit großer Nase abgebildet ist. Die Abbildung spielt auf die Darstellung jüdischer Mitmenschen im Nationalsozialismus an, die durch Hässlichkeit und als besonderes körperliches Merkmal durch eine große Nase geprägt war. Dies gilt in gleichem Maße für den angebotenen Aufnäher „Vorsicht bei Gesprächen! Feind hört mit!“ mit dem Kopfbild eines hässlichen, geifernden, dunkelhaarigen Mannes mit großer Nase, welches das im Nationalsozialismus propagierte Feindbild des „Juden“ schürt. Die Ausgrenzung und Missachtung jüdischer Mitbürger tritt auch in dem T-Shirt-Aufdruck „100 % unkosher“ zutage.
Auch hochrangige Funktionäre der Antragsgegnerin haben sich in öffentlichen Äußerungen antisemitisch positioniert.
So formulierte etwa Jürgen Gansel:
Seit 1930 war Adorno Assistent am Frankfurter Institut für Sozialforschung, dessen Gründung 1923 der jüdische Millionärssohn Felix Weil finanziert hatte. Zusammen mit Max Horkheimer, Herbert Marcuse und Friedrich Pollock, allesamt Söhne reicher Juden, machte Adorno das Institut schon zu Weimarer Zeiten zu einer neomarxistischen und neofreudianischen Denkschule. Deren „Kritische Theorie“ verband in ihrer Gesellschaftstheorie sozioökonomische Auffassungen des Juden Karl Marx mit der Psychoanalyse des Juden Sigmund Freud. Mit scheinhumanitären Forderungen nach Demokratisierung, Emanzipation und Aufklärung rührten diese Köche eine ganz und gar nicht koschere Speise an: einen Giftfraß, der die inneren Organe und das Gehirn der deutschen Volksgemeinschaft anfressen sollte. […] Durch die Heranzüchtung des „demokratischen Menschen“, der sich vom „falschen Bewußtsein“ freimacht, sollte der Nährboden von Faschismus und Antisemitismus ausgetrocknet werden. Für Deutschland hieß das, einen totalen Bruch mit der nationalen Vergangenheit und die Diffamierung des deutschen Wesens ins Werk zu setzen, denn der demokratische Mensch sollte auch ein antinationaler Neurotiker sein.
Karl Richter erklärte am 8. Januar 2015:
Ständig bemühen sich bestimmte Kreise mit ganz bestimmten Absichten, uns etwas vom „christlich-jüdischen Abendland“ weiszumachen. Aber das ist eine historische Lüge:
Juden gab es im Abendland mindestens 1500 Jahre lang nur als Händler, Wucherer, Christusmörder und im Ghetto. 1500 Jahre lang hatten Juden im Abendland so gut wie nichts zu sagen.
Kurz und gut: MEIN Abendland ist christlich und zu mindestens gleichen Teilen germanisch. Das „jüdisch“ brauche ich nicht in meinem Abendland, und – ich bin so frei – ich lege auch keinen Wert darauf.
Holger Apfel führte zum Antrag der Antragsgegnerin „Keine Zusammenarbeit mit ‚Schurkenstaaten‘ – Sächsisch-israelische Partnerschaft beenden“ im Sächsischen Landtag aus:
Fakt ist: Mit dem aktuellen Überfall auf einen Hilfskonvoi hat sich Israel endgültig als Schurkenstaat entlarvt. […] Für die NPD ist der aktuelle Überfall kein Ausrutscher; Gewalt ist vielmehr eine historische Konstante des Zionistenstaates. […]
Kein Wunder, gebärdet man sich doch seit über 3.000 Jahren als Opfer der Weltgeschichte, während die eigene Rolle als Tätervolk verschwiegen wird, […].
Der heutige Vorsitzende des Landesverbands Berlin der Antragsgegnerin, Sebastian Schmidtke, erklärte am 18. Februar 2011 bei einer Mahnwache unter dem Motto „Kriminelle Ausländer raus!“:
Nicht der kleine eingeführte Ausländer ist der Hauptschuldige. Nein, die Schuld tragen die Wucherkapitalisten, die Globalisierer, die Hochfinanz, ihre Köpfe aus dem vorderasiatischen Raum und all ihre Marionetten, die den freien Völkern der Welt den Untergang bringen, indem sie die Völker zu hirnlosen, heimatlosen, identitätslosen Arbeitsmaschinen umfunktionieren.
Bereits zuvor war Schmidtke wegen des Tragens eines schwarzen T-Shirts mit der Aufschrift „All Jews are Bastards“ wegen Beleidigung verurteilt worden.
Der ehemalige Pressesprecher des Landesverbands Sachsen-Anhalt der Antragsgegnerin, G., äußerte sich am 30. Januar 2013 auf der Homepage des Landesverbands zur Forderung des Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, ein neues Verbotsverfahren anzustrengen, wie folgt:
Einmal mehr erweist sich Dieter Graumann als ein echter Vertreter seiner Art: „Steuergelder dürfen nicht mehr missbraucht werden, um braunes Gift zu finanzieren. Genug ist genug“, fordert der freche Chefhebräer am 30. Januar 2013 in der Zeitung „Die Welt“ und ist sich dabei nicht zu schade zu verheimlichen, wofür er denn die – wohl mehrheitlich von Deutschen ohne jüdischen Glauben – erbrachten Beiträge zum deutschen Staatshaushalt stattdessen viel lieber verwenden möchte. Vielleicht für die weitere Finanzierung (s)eines nahöstlichen Schurkenstaates, so wie in den vergangenen 65 Jahren und – wenn möglich – bis zum Sankt Nimmerleinstag? Oder für die Alimentierung raffgieriger Religionskörperschaften, wie beispielsweise der Magdeburger Synagogengemeinde?
Die Missachtung der Menschenwürde durch die Antragsgegnerin ist nicht auf die bereits benannten Gruppen beschränkt. Stellungnahmen gegenüber weiteren Gruppierungen lassen erkennen, dass sie den aus der Menschenwürde folgenden Achtungsanspruch der Person auch insoweit nicht respektiert.
So forderte der frühere niedersächsische Kommunalmandatsträger H. in der Zeitschrift „Volk in Bewegung – Der Reichsbote“ (Ausgabe 1/2011, S. 18):
Unser Ziel muß die Wiederherstellung der Handlungsfähigkeit des Deutschen Reiches als unser völkerrechtlicher Nationalstaat sein. […] Eine „Ordnende Reichsversammlung“ aus den bewährten Kräften, wesentlich zusammengesetzt aus den Führungskräften des Netzwerkes, wird allgemeine Wahlen vorbereiten. […] Als Sofortmaßnahmen stellt sie die Verfassung und die Gesetze des Deutschen Reiches mit Stand vom 23. Mai 1945 wieder her, […], macht den Ausländern einschließlich solcher mit bundesdeutschem Paß klar, dass sie im Deutschen Reich kein Aufenthaltsrecht haben, womit sich jede Sozialversorgung selbsttätig erledigt, kündigt sämtliche Arbeitsverträge mit Ausländern und sorgt für deren Rückführung samt Sippen unter Strafandrohung binnen längstens eines Jahres, berichtigt das Geschichtsbild und stellt jene Leute vor Gericht, die sich vorsätzlich an deutschen Lebensanliegen und am Völkerrecht vergangen haben.
Dann formulierte P. in seinem unter dem 26. September 2012 auf der Seite www.xxx.de veröffentlichten Artikel „Du sollst nicht falsch Zeugnis reden …“:
Die historischen Wahrheiten werden verfolgt, als Revisionismus diskreditiert oder als Holocaustleugnung und Relativierung von Nazi-Verbrechen mit Kerker bestraft. Ist es deshalb, weil wir unsre Staatsdoktrin gegründet haben als Gegenentwurf zu Auschwitz, dem Vergasen in Deutschland, Katyn, Wannseeprotokoll, Erzählungen eines Eli Wiesel oder dem Tagebuch der Anne Frank? Wird deshalb nicht über die schon 2002 nachgewiesene 4-Millionen-Lüge von Auschwitz gesprochen, weil Fischer und Schröder sie zur Begründung des Krieges gegen Jugoslawien haben aufleben lassen? […] Warum hat ein Pastor Martin Niemöller erbärmlichst gelogen mit der Behauptung, in Dachau wären über 200.000 Juden vergast worden? […] Ein Blinder mit Krückstock kann die offensichtlichen Fälschungen oder Manipulationen im Wannsee-Protokoll oder im Anne-Frank-Tagebuch erkennen.
Jürgen Gansel diagnostizierte im Sächsischen Landtag „Geschichtspornografie in Gestalt von Holocaust-Gedenkritualen und anderen Formen des Nationalmasochismus“ . Udo Pastörs sprach im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern von „einseitigem Schuldkult“ und „Auschwitzprojektionen“. Dort bekundete auch Tino Müller:
Sie belügen unsere Jugend, weil Sie verschweigen, dass nicht das Deutsche Reich Großbritannien und Frankreich den Krieg erklärte, sondern die Engländer und Franzosen uns. Die Wahrheit tut manchmal weh, meine Damen und Herren von den Blockparteien, besonders wenn man die Lüge pflegt. (vgl. Landtag Mecklenburg-Vorpommern, Plenarprotokoll 5/93 vom 28. April 2010, S. 11)
Holger Apfel erklärte im Sächsischen Landtag:
66 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges muss endlich Schluss sein, dass unser Volk durch die Auschwitzkeule in die Knechtschaft getrieben wird. 66 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges ist es an der Zeit, das Büßerhemd und die Narrenkappe endlich auszuziehen. Der Fahrkartenschalter nach Canossa, meine Damen und Herren, sollte ein für allemal geschlossen sein. (vgl. Sächsischer Landtag, Plenarprotokoll 5/28 vom 19. Januar 2011, S. 2753)
Auf den Führungsebenen der NPD waren in erheblichem Umfang Personen vertreten, die verbotenen rechtsextremen Organisationen angehörten. Dies gilt bereits für vier Angehörige des siebenköpfigen Parteipräsidiums, denen eine frühere Mitgliedschaft in neonazistischen Vereinigungen nachgewiesen werden kann: der am 22. Oktober 2016 verstorbene Frank Schwerdt („Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V.“, Stefan Köster („Heimattreue deutsche Jugend e.V.“ <HDJ> und HNG), Klaus Beier („Deutsche Alternative“) und Sebastian Schmidtke (HNG). Frank Schwerdt und Andreas Storr waren außerdem führende Mitglieder des Vereins „Die Nationalen e.V.“. Von den weiteren zehn gewählten Parteivorstandsmitgliedern war jedenfalls Jens Pühse („Nationalistische Front“ <NF>) Mitglied in einer neonazistischen Vereinigung. Im 2010 gewählten Bundesvorstand galt dies für fünf Personen: Klaus Beier (DA), Jens Pühse (NF), Manfred Börm in der „Wiking-Jugend“, Thomas Wulff (FAP, NL, HNG) und Thorsten Heise (FAP).
Der 1995 verbotenen FAP gehörten neben den bereits Genannten die Funktionäre der Antragsgegnerin B. und B. an. Mitglied der 2009 verbotenen HDJ waren außer Stefan Köster und Manfred Börm auch die Funktionsträger H., B., F., B., G., K., P., T. und P. Der 2011 verbotenen HNG gehörten außer den bereits Genannten H., David Petereit, S., R., D., J., Uwe Meenen, Safet Babic, H., L., P., S., C., D., K., W., W., B., M. und W. an.
Auch die früheren Landtagsabgeordneten der Antragsgegnerin in Mecklenburg-Vorpommern sind eng mit der neonazistischen Szene verbunden. Der ehemalige stellvertretende Fraktionsvorsitzende Tino Müller war Mitglied der verbotenen HDJ und hat Führungsfunktionen im rechtsextremistischen „Kulturkreis Pommern“ sowie im Kameradschaftsnetzwerk „Soziales und Nationales Bündnis Pommern“ übernommen. Das ehemalige Fraktionsmitglied David Petereit gehörte nicht nur der HDJ und der HNG an, sondern betreibt den Szene-Versandhandel „Levensboom“ und verantwortete – bis zu dessen Einstellung – den rechtsextremistischen Internetauftritt www.mupinfo.de.
Hiervon ausgehend verfolgte die NPD das Ziel einer „Konzentration möglichst aller nationalen Kräfte“.
Die Studie „V-Leute bei der NPD – Geführte Führende oder Führende Geführte?“
Hohe NPD-Funktionäre wie Winfried Petzold, seit 1996 Vorsitzender des NPD-Landesverbandes Sachsen, betrachteten die militanten Neonazis der „Freien Kameradschaften“ als „wichtige Vorfeldorganisationen für unsere Partei“, aus denen sich die nötigen „gut geschulten politischen Soldaten“ für den bevorstehen den „Endkampf“ rekrutieren ließen; diese müssten „aus voller Überzeugung bereit“ sein, „im Notfall alles zu opfern, ja das Letzte zu geben.
Solche Zusammenhänge braucht es für ein Parteiverbot. Die AfD versuchte es mit diversen Abgrenzungen, die aber anscheinend an vielen Stellten unterlaufen werden. Immer wenn ein Bundesvorstand stärkere Maßnahmen ergreift, regt sich großer Widerstand, auch durch einschlägige Internetmedien.
Die Liste der im Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten der Antragsteller vom 8. Februar 2002 aufgeführten V–Leute ist sehr lang. Ein paar Beispiele:
• Wolfgang Frenz, von 1961 bis 1995 für das Landesamt für Verfassungsschutz NRW tätig
• Udo Holtmann, von 1978 bis 2002 für das Bundesamt für Verfassungsschutz tätig
• Tino Brandt, von 1994 bis 2001 für das Landesamt für Verfassungsschutz Thüringen tätig; treibende Kraft im neonazistischen „Thüringer Heimatschutz“; seit 1999 in der NPD; seit April 2000 stellvertretender Landesvorsitzender der NPD
• Mathias Meier, von 1998 bis 2000 für das Bundesamt für Verfassungsschutz tätig
• Michael Grube, von 1997 bis 1999 („ohne förmlich verpflichtet zu werden“) für das Landesamt für Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern tätig
• Mike Layer, von 1996 bis 1997 für das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg tätig
Wolfgang Frenz und Udo Holtmann bekleideten hohe Parteiämter. Der Verfassungsschutz merkte, dass Frenz häufig „unter verschiedenen Pseudonymen“ schrieb, „was er seinem V–Mann-Führer zunächst verheimlichte“.
Frenz‘ Karriere beim nordrhein-westfälischen Landesamt für Verfassungsschutz begann seiner eigenen Darstellung zufolge im Winter 1959/60, als er nach der Schändung der Kölner Synagoge, an der der Kölner Kreisversitzende der Deutschen Reichspartei (DRP) Custodis, beteiligt gewesen war, „die ersten Kontakte zu den Staatsschutzkontakten, dem 14. Kommissariat und dem Verfassungsschutz in Köln aufnahm“.
Die Gründe für die Kontaktaufnahme klingen seltsam. Man sah angeblich die Gefahr, dass die DRP als Nachfolgeorganisation der verbotenen SRP verboten werden könnte, und wollte diese Gefahr durch Kooperation mit den repressiven Staatsapparaten abwenden.
Nach Beratungen im kleinen Kreis der DRP-Parteiführung, an denen Wilhelm Meinberg, Adolf von Thadden, Otto Hoß, Prof. Hans Bernhard von Grünberg, Prof. Kunstmann und Werner Gebhard teilnahmen, sei er als jüngstes Mitglied des Landesvorstandes auf Vorschlag von Grünbergs „als kommissarischer Kreisvorsitzender der DRP“ nach Köln geschickt worden, „um Kontakte zum Staatsschutz und dem VS-Amt aufzunehmen.
Im Sommer 1961 sei ihm dann vom Verfassungsschutz vorgeschlagen worden, „die doch bereits bewährte Zusammenarbeit fortzusetzen“. Als er dieses Ansinnen dem Landesvorsitzenden Egon Kleinlinger mitgeteilt habe, habe dieser ihm zugeraten und ihm außerdem eröffnet, „dass bereits zwei weitere Vorstandsmitglieder, Gerhard Quelle, ein späterer Landesvor sitzender der NPD, und Günter Demolski, früher Landesvorsitzender der SRP in NRW und zu dieser Zeit Landesgeschäftsführer der DRP, auf ähnliche Weise wie ich mit dem VS-Amt Kontakte bekommen hatten und eine Regelung getroffen wurde, dass alle auf die Offerte des Amtes eingehen sollten und die vom Amt gewünschten Nachrichten unter einander abzustimmen.
Die Honorare, die das Amt zahlte, sollten in die DRP-Landeskasse fließen. So einfach funktioniert das aber nicht. Man kann nicht einfach wertloses Material liefern, auch noch abgesprochen und vereinheitlicht, und abkassieren. Schon allein wegen der elektronischen Überwachung.
Nach anfänglicher Skepsis habe auch Adolf von Thadden, später Vorsitzender der NPD, Frenz‘ V–Mann-Verpflichtung zugestimmt.
Frenz berichtet über eine Zusammenkunft mit dem damaligen Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Dr. Nollau, im Hause von niemand Geringerem als Waldemar Pabst:
„Pabst war pensionierter Direktor von Rhein metall. Er gehörte zum Typus des ewigen Re volutionärs. Er machte mich mit Walter Stennes bekannt, der einmal SA-Führer in Berlin war, sich mit Goebbels überworfen hatte und Militärberater bei Tschiang-Kai-Chek im chinesischen Bürgerkrieg wurde […]. Er gehörte wie Pabst zu den Anführern des Kapp-Putsches. Pabst wurde als Liquidator von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht bekannt. In einer Teestunde traf ich bei Pabst auf den Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungschutz Dr. Nollau. Ich wurde ihm als Geschäftsführer der NPD vorgestellt und von Dr. Nollau auch über die NPD befragt.
Geheimdienste wollen nicht unbedingt ihr Quellen per Zwang und Drohung führen, sondern Sympathien gewinnen. Dafür ließen sich eben Personen einspannen, die in der rechten Szene respektiert werden.
Udo Holtmann war vierundzwanzig Jahre für das Bundesamt für Verfassungsschutz tätig. Rekrutiert wurde er als V–Mann Anfang 1978, „abgeschaltet“ erst am 28. Januar 2002.
Schon als 14-jähriger war er Mitglied in einer vaterländischen Jugendgruppe. Er demonstriert vor dem Zuchthaus Werl für die Freilassung deutscher Soldaten, wird bereits damals polizeibekannt und vom Jugendgericht Oberhausen verurteilt. Mit 18 trat er in die Deutsche Reichspartei ein.
Mitte Mai 1970 flog im Ruhrgebiet ein rechtsradikaler Geheimbund auf, der sich „Europäische Befreiungsfront“ nannte. Bei Hausdurchsuchungen wurden etliche Waffen und 1000 Schuss Munition gefunden. Als Aktion war ein Angriff auf das Treffen von Bundeskanzler Willy Brandt und dem Ministerpräsidenten der DDR, Willi Stoph, in Kassel geplant. Als Kopf der Truppe galt der 25jährige Duisburger Helmut Blatzheim, zu den acht später Mitangeklagten gehörte auch Holtmann. Zuvor war Blatzheim Mitglied im von Holtmann angeführten Ordnungsdienst der NPD gewesen.
Alle zwanzig Mitglieder der EBF waren NPD-Mitglieder, der Ordnungsdienst war das Rekrutierungsfeld gewesen.
Das Verfahren gegen die EBF vor der IV. Großen Strafkammer am Düsseldorfer Langericht wegen Gründung einer kriminellen Vereinigung nach Paragraph 129 StGB endete mit vier Freisprüchen und fünf Freiheitsstrafen auf Bewährung.
Der Hauptzeuge der Staatsanwaltschaft, der Mülheimer Helmut Krahberg, zugleich ehemaliger Agent des Verfassungsschutzes, gab laut FAZ „eine so zwielichtige Vorstellung, daß die Anklage in Beweisnot geriet“.
Den Verdacht, bei der Gründung der EBF eine Doppelrolle gespielt zu haben, konnte Krahberg nicht ausräumen.
Auch im zentralen Organ der Bundespartei, der Zeit schrift „Deutsche Stimme“, gab es jahrelang eine Kooperation von Frenz und Holtmann. Unter dem Titel „Holocaust international“ fragt Holtmann im Untertitel „Wieviele Milliarden sollen Deutsche jetzt zahlen?“.
„Vorweg gesagt, Holocaust ist ein Hollywood-Schmierstück übelster Sorte. Wir Nationaldemokraten sprechen diesen Schreibtisch-Tätern der Volksverhetzung jede moralische und sittliche Qualifikation ab. Den geistigen Handlangern in Westdeutschland gebührt die gleiche Verachtung.
Aber wir Deutschen müssen diesen Anschlag auf unsere Selbstachtung und … unseren Geldbeutel ernst nehmen. Denn dieses üble Machwerk soll unserer jungen Generation und denen, die noch folgen das Rückgrat brechen.“
Als Autor bediente Wolfgang Frenz unter seinem Klarnamen und unter seinen verschiedenen noms de guerre insbesondere den antisemitischen Diskurs strang in der Propaganda der NPD. Für das bundesweite Parteiorgan „Deutsche Stimme“ wie auch für die Zeitschrift „Deutsche Zukunft“ des Landesverbandes NRW schrieb Frenz zahlreiche Texte, die sich mit der Erinnerung an die Vernichtung der europäischen Juden und oder dem Verhältnis zu Israel oder auch den USA befassten; diese Artikel sind stramm antisemitisch und liegen auf der Linie des bereits zitierten Holtmann-Textes aus der „Deutschen Stimme“
In der Ausgabe April/Mai 1993 erschien in der „Deutschen Zukunft“ unter der presserechtlichen Verantwortung des V–Mannes Holtmann ein vom V–Mann Frenz namentlich gezeichneter Artikel mit der Überschrift „Auschwitz abreißen“.