Kommentar
Sehr früh am Morgen kamen Polizei-Beamte angerückt, um die Geschäftsräume von „Compact“ in Falkensee und Werder bei Berlin und Potsdam zu durchsuchen. Auch die Wohnräume von Chefredakteur Jürgen Elsässer und seiner Frau sowie von weiteren „Compact“-Beschäftigten werden nach Beweismitteln durchsucht.
Ein Foto in der Presse zeigt Elsässer im Bademantel, konfrontiert von zumeist maskierten Einsatzkräften. Wäre er ein Russe und Compact hätte innerhalb der russischen Föderation gegen die Obrigkeit agitiert, wäre er dort schon längst in ein Foltergefängnis geworfen worden oder unter mysteriösen Umständen verstorben.
Durchsucht wurden auch die Räume von „führenden Akteuren“ und „wesentlichen Anteilseignern“; darunter sollen auch Finanziers im Hintergrund sein.
Seit Jahren spioniert der Verfassungsschutz gegen die Publikation und die Juristen sind sich sicher, das gesammelte Material reicht aus für ein Verbot. Die rechtlichen Hürden dafür sind sehr hoch, allerdings ist Elsässer seine gesamte Karriere lang ein Mann der Provokation gewesen.
Compact begann 2010 mit einer Art Querfront-Haltung, also weder radikal links (so wie Elsässer früher) noch radikal rechts, sondern im Wesentlichen gegen die NATO und die USA. Relativ bald wurde klar, dass es sich um einen strategischen Ideologie-Mix handelte, so ähnlich wie ihn Moskau inzwischen übernommen hatte, um Sowjet-Nostalgiker, Rechte, Anhänger des alten Zarenreichs und weitere Gruppen zu bedienen.
Mit der Flüchtlingskrise 2015/2016 ritt Compact die neurechte Trendwelle und rückte immer näher an die AfD heran, wobei stets Elsässers alte Paranoia durchschien, die Partei könnte zu zahm und zu westlich werden. Früher hatte er zusehen müssen, wie linke Kräfte erschlafften oder sich sogar an NATO-Aktionen beteiligten.
Als Sarah Wagenknecht ihre Partei BSW ankündigte, selbstverständlich ein Putin-freundliches Projekt, witterte Elsässer wieder die Gelegenheit für eine Querfront.
Die COMPACT packte Sarah Wagenknecht flugs aufs neue Cover als „beste Kanzlerin“ für eine Querfront-Wählerschaft.
Wagenknecht versucht es mit einer Art Nationalbolschewismus, eine linke Ideologie mit rechten, nationalistischen Elementen darin. Der große Guru der Nationalbolschewisten ist Alexander Dugin, der mehrfach von Compact interviewt wurde.
Elsässer ist bekannt für seine Gefühlskälte gegenüber allem, was Russland in die Quere kommt. Er feierte früher noch den Luftkrieg gegen die Deutschen, er „weinte keine Träne“ für Tschetschenien, er hatte kein Mitleid mit der Zerstörung von russischen Dissidenten und er sorgte sich stets um Putins Belange beim Angriffskrieg gegen die Ukraine.
Die Zeiten mussten zu Ende gehen, in denen Propagandisten in Deutschland beinahe alles machen konnten, was sie wollten, während Menschen in Russland selbst für den kleinsten Aktivismus gnadenlos verfolgt werden. Typisch für Elsässer ist die massive Gefühlskälte gegenüber anderen, und gleichzeitig die hysterische Beanspruchung der Opferrolle und des Märtyrerstatus, wenn er selbst einmal negative Konsequenzen erlebt.
Für das Innenministerium von Faeser überschritt die Compact die Schwelle zur „aggressiv-kämpferischen Haltung“ gegen das System an sich. Es ist Krieg in Osteuropa und in Kriegszeiten hätte Elsässer eigentlich strategisch auf die Bremse treten müssen, drehte aber immer höher, im Glauben das deutsche Recht sei schwach.
„Wir wollen einfach das Regime stürzen“, hieß es. Am 3. Oktober 2023 meinte er auf einer Veranstaltung in Gera, im Osten einen „eigenen Staat namens DDR“ wieder aufzurichten: „Wir haben doch einen Reichskanzler in Gestalt von Björn Höcke“. Auch diese Ideen harmonieren mit den Russen:
‼️Attention, Germany!
— Anton Gerashchenko (@Gerashchenko_en) August 11, 2023
Russian propagandist Solovyov questions Germany’s territorial integrity and official borders:
„I do not consider Germany a legitimate state.“ pic.twitter.com/poJoGlPlwR
Um die Souveränität gegen Polen zu verteidigen, könne man gemischte „deutsch-russische Bataillone“ an der Grenze stationieren.
Nach Trumps Niederlage 2020 meinte Elsässer:
Auch Mussolinis „Marsch auf Rom“ war eine gut geplante Operation mit der vorhergehenden Einnahme vieler Rathäuser in der Provinz, und Lenins Oktoberrevolution war nichts anderes als ein vorzüglich geplanter Miliärputsch mit übergelaufenen zaristischen Truppenteilen.
Elsässer sprach über eine neue DDR samt Mauer:
„Mittleres Szenario: Der Westen [Deutschlands] ist verloren; der Osten baut ne Mauer. Im Westen entsteht das Kalifat Alemanistan. Im Osten entsteht die – wie hab ichs genannt? – deutsche demokratische Reich, DDR. Für das mittlere Szenario spricht relativ viel, vor allem die Entwicklung der Geburtenraten.“
Ähnlich wie bei der Materialsammlung gegen die AfD muss der Verfassungsschutz zeigen, dass es sich nicht um einzelne Entgleisungen handelt, sondern um das Wesen der Publikation. Beim Thema Geheimdienste sah man in der rechten Szene vor allem eine Verdrängung. Man wollte keine Streitereien in der Szene riskieren durch Spionageabwehr, also meckerte man oberflächlich über die „Instrumentalisierung“ des Verfassungsschutzes durch die klassischen Parteien.
Der Verfassungsschutz hat aber nicht nur in den letzten 10 Jahren seine Methoden verbessert, sondern er wird seit Jahrzehnten angefüttert durch Material, dass von ausländischen, „befreundeten“ Diensten stammt. Das heißt, jemand wie Elsässer hat auch noch potenziell den britischen GCHQ gegen sich, MI6, die NSA usw. Gerade die elektronische Spionage der Anglos funktioniert weitgehend automatisch und macht hier im Prinzip, was sie will. In Amerika muss nur in das System eingegeben werden, dass Elsässer als deutscher Staatsbürger gegen die Sicherheitsinteressen der USA eingestellt ist und schon wird alles von ihm und seinen Kontakten legal abgefangen.
Vor deutschen Gerichten lässt sich wohl nicht alles solches ausländische Material verwenden; aber das ist vielleicht gar nicht notwendig.
Jürgen Elsässers COMPACT-Talk mit dem AfD-Politiker MdB Robby Schlund und Martin Müller-Mertens berührt die Frage, wie rechts-sozialistisch die AfD werden könnte und was das konkret überhaupt hieße. Zudem ist Schlund fest davon überzeugt, dass es zur Bildung einer „eurasischen Union“ mit Russland kommen werde. Robby Schlunds Frau ist russischer Herkunft. Seit 2018 ist er Mitglied im Unterausschuss Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung.
Elsässer: „Also einen Schuss Sozialismus erkenne ich auch in den letzten zwei Jahren von Björn Höcke. Er hat ja gesagt, sozusagen, der Kampf gegen den Globalismus, gegen die Finanzmächte, den die Linken schmählich verraten haben, den müssen jetzt wir wieder aufgreifen im Interesse des kleinen Mannes. Sein Konzept heißt solidarischer Patriotismus. Wir haben da auch so ne Sonderausgabe rausgebracht. […] Ist das zuviel Sozialismus? Diese Anleihen, die jetzt auch Martin genannt hat, wo man sich im Prinzip positiv auf das DDR-Erbe bezieht, obwohl man nicht sozialistisch oder kommunistisch werden will.“
Elsässer und sein Gast von der AfD spielen sich gegenseitig die Bälle zu und betreiben Bauernfängerei mit alten Slogans, in der DDR sei ja nicht alles schlecht gewesen.
MdB Robby Schlund: „Ich finde es ja sehr gut das man diese Themen bringt. Und das vollendet die Wende. Ist eigentlich auch der richtige Slogan dafür, weil das Problem ist, dass viele Menschen der DDR ja bestimmte soziale Standards kannten auch wenn sie vielleicht nicht so finanziell untersetzt war. Aber es gab ganz ganz viele Dinge, die für die Kinder, für die Familie da waren, einfach eben langfristig orientiert waren, um die Zahl der Kinder zu steigern, um nachhaltig die Kinder zu entwickeln und sie in vernünftige Berufe zu führen, nicht nur in Universitäten, sondern eben auch ins Handwerk. Und da denke ich, ist es genau der richtige Ansatz jetzt zu sagen, wir müssen nicht alles wegschmeißen, was aus der DDR kam, sondern es gibt ein paar Ansätze, die gut waren, und die wir natürlich, um die Wende zu vollenden, wieder vielleicht reaktivieren müssen.“
Die Compact wollte das rechte Publikum abmelken, stellte sich demonstrativ gegen die radikalen Figuren der AfD, und veröffentlichte groteske Berichte zu Figuren des Dritten Reichs. Für die Compact waren dies nur historische Abhandlungen, aber das Innenministerium sieht das anders.
Sämtliche Formate werden ab sofort nicht mehr produziert, die Internetseite wird abgeschaltet und das Vermögen konfisziert. Auch die Inhalte auf dem YouTube-Kanal müssen entfernt werden. „Compact“ kann gegen das Verbot klagen.
Die Seite ist bereits nicht mehr erreichbar.
Der Antideutsche
Elsässer schrieb zunächst für die Kommunistenpostille „Arbeiterkampf“ (ak) des Kommunistischen Bundes unter dem Pseudonym jü./Stuttgart und dann für die „Bahamas“.
Im Februar 1990 sah er im ak die »kulturrevolutionäre Aufgabe« der radikalen Linken in der »Zerstörung des deutschen Staates und seiner Ersetzung durch einen Vielvölkerstaat, sowie der Auflösung des deutschen Volkes in eine multikulturelle Gesellschaft«
https://www.der-rechte-rand.de/archive/7820/juergen-elsaesser-chamaeleon/
Der Verfassungsschutz wähnte die Bahamas als Szeneblatt des linksradikalen Spektrums der Antideutschen, die der festen Überzeugung waren, die Deutschen dürfen keinen eigenen Staat mehr haben wegen der „Veranlagung“, Juden zu vernichten.
Daher dürfe kein deutscher Staat existieren, und die bestehende Bundesrepublik müsse aufgelöst werden. Als Konsequenz könne das deutsche Staatsgebiet unter den angrenzenden Ländern aufgeteilt oder zu einer Sonderzone der UNO erklärt werden.
Ich empfehle ihm die Lektüre des Kapitels “Die Dresden-Lügen” von Jürgen Elsässers Buch “Wenn das der Führer hätte erleben dürfen” (konkret-Verlag, 1995). Darin rechtfertigt er ausführlich die Bomben-Kampagne vom britischen Bomberkommandanten Harris. Keine Spur Mitgefühl für die Toten. Nichts. Eiseskälte. Stattdessen meinte Elsässer:
“Man kann Harris nicht zum Vorwurf machen, daß die Deutschen sich nicht einmal im Bombenhagel von ihrem Führer trennen wollten.”
Das britische Bomber-Command, zitierte Elsässer Harris, habe schließlich die Möglichkeit geliefert, Russland rechtzeitig zu unterstützen.
„…im Februar werden wir einen Toast auf Sir Arthur Harris ausbringen, dessen Luftflotte den sowjetischen Panzern ihren Vormarsch nach Berlin freibombte. Und am 8. Mai würden wir uns gerne von Spezialisten des Mossad zeigen lassen, wie man deutsche Tornados sprengt. Just in case.“
Harris unterstützte maßgeblich die Entwicklung eines geplanten Feuersturms (Zitat A. Harris bei den Planungen des Luftangriffs auf Lübeck am 29. März 1942: „Historischer Stadtkern brennt gut“). In der ersten Welle wurden neben Spreng- und Brandbomben vor allem große Luftminen (Blockbuster – „Wohnblockknacker“) abgeworfen, die die Dächer abdeckten und Fenster zerstörten, um den Kamineffekt zu verstärken. In einer zweiten Welle wurden Brandbomben abgeworfen, die in kürzester Zeit einen Flächenbrand entstehen ließen.
In seinem Buch “Wenn das der Führer hätte erleben dürfen” (konkret-Verlag, 1995) erklärte Elsässer noch explizit, dass “SED und CIA recht hatten, Zeitungen und Verlage im Nachkriegsdeutschland einer strengen Zensur zu unterwerfen.” Denn der Piper-Verlag hatte es in den 1990er Jahren gewagt, ein Buch zu veröffentlichen, in dem die Morde an Volksdeutschen und Internierungen von Deutschen nach 1945 heftig kritisiert wurden. Elsässer hatte keine Tränen übrig für diese Deutschen, sondern forderte noch in den 1990er Jahren (!) eine strenge Medien-Zensur. Die internationale Staatenwelt hätte laut Elsässer “einen großen Fehler gemacht”, das deutsche Volk irgendwann aus der “Beaufsichtigung” zu entlassen und den Deutschen Demokratie zu gestatten.
In dem zweiten Aufsatz des Buches “Wenn das der Führer hätte erleben dürfen” spricht Elsässer von der verpassten Chance nach 1945, Deutschland zu zerstückeln und zu demilitarisieren:
“WÄRE ES NICHT ZUM KALTEN KRIEG UND ZUR BIPOLARITÄT GEKOMMEN, WÄRE DEUTSCHLAND VIEL GRÜNDLICHER AUFGETEILT WORDEN. DIE STRATEGIE DER ZERSTÜCKELUNG DEUTSCHLANDS WAR AUSDRUCK DER WELTWEITEN ANTIFASCHISTISCHEN ALLIANZ, DAS BUHLEN UM DIE DEUTSCHE EINHEIT RESULTAT IHRES ZERFALLS.”
Nur im Geheimschutzraum
Vor wenigen Jahren erkundigten sich Abgeordnete der Partei DIE LINKE bei der Bundesregierung, welche Verbindungen das COMPACT-Magazin hat zu rechtsextremen Kreisen und ausländischen Regierungen bzw. deren Tarnorganisationen. Was über die offensichtlichen Dinge hinausgeht, ist so geheim, dass nicht einmal Abgeordnete unter Verschlusssache-Einstufung in einem Geheimschutzraum die Akten einsehen dürften:
Die Bundesregierung kann die Frage aus Gründen des Staatswohls nicht weiter beantworten, da Arbeitsmethoden, Vorgehensweisen und Aufklärungsprofile der Verfassungsschutzbehörden im Hinblick auf deren künftige Aufgabenerfüllung besonders schutzbedürftig sind. Eine Veröffentlichung von Einzelheiten zu Aufklärungsaktivitäten ließe Rückschlüsse auf aktuelle Aufklärungsschwerpunkte und die nachrichtendienstliche Erkenntnislage zu. Dies gilt insbesondere dann, wenn es sich um eine zahlenmäßig kleine aktive Gruppierung handelt. Aus der Abwägung der verfassungsrechtlich garantierten Informationsrechte des Deutschen Bundestages und seiner Abgeordneten mit den negativen Folgen für die künftige Arbeitsfähigkeit und Aufgabenerfüllung der Verfassungsschutzbehörden sowie den daraus resultierenden Beeinträchtigungen der Si-cherheit der Bundesrepublik Deutschland folgt, dass auch eine Beantwortung unter VS-Einstufung, die in der Geheimschutzstelle des Deutschen Bundestages einsehbar wäre, ausscheidet. Im Hinblick auf den Verfassungsgrundsatz Drucksache 19/23915– 2 –Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiodeder wehrhaften Demokratie hält die Bundesregierung die Informationen der an-gefragten Art für so sensibel, dass selbst ein geringfügiges Risiko des Bekanntwerdens unter keinen Umständen hingenommen werden kann.
https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/239/1923915.pdf
Elsässer bei der konkret
Das Magazin konkret war 1957 mitgegründet worden von Klaus Hübotter, der wegen seiner Mitgliedschaft in der Deutschen Kommunistischen Partei (KPD) mächtig Ärger in der BRD bekam. Später versuchte er es zeitweise bei der Nachfolgeorganisation Deutsche Kommunistische Partei (DKP). Die KPD wollte Westdeutschland für Moskau erobern und die Deutschen unterjochen. Zu diesem Ziel sollte auch die moskau-ferne Sozialdemokratie in Form der SPD bekämpft werden. Die KPD war auch beteiligt an den „Friedensbewegungen“ der 1950er Jahre, vor allem der Bewegung gegen die Wiederbewaffnung Westdeutschlands gegen die Bedrohung durch die Sowjetunion.
Hermann Gremliza verließ Ende 1971 den Spiegel und ging zur konkret. 1989 trat er aus der SPD aus; ein Anlass dazu war, dass sich die Bundestagsabgeordneten der SPD nach der Maueröffnung am 9. November im Bundestag spontan mit den Abgeordneten der CDU, CSU und FDP erhoben, um die deutsche Nationalhymne zu singen. Die konkret erhielt eine Zeit lang Zuwendungen aus der DDR, bis zu 40.000 Mark pro Ausgabe. Klaus Rainer Röhl, die RAF-Prominente Ulrike Meinhof und andere Redakteure reisten dafür häufig in die DDR. Manchmal empfingen sie ihre Weisungen auch im Westen durch Abgesandte der DDR. Röhl gab später an, die Redakteure seien durch Instrukteure der seit 1956 in der Bundesrepublik illegalen KPD angeleitet worden. Deutlich wurde dies zum Beispiel daran, dass moskaukritische Sozialisten wie Kurt Hiller aus dem Blatt hinausgedrängt wurden.
Der Herausgeber Klaus-Rainer Gröhl hatte eine Polit-Postille mit Tittenbildern aus der konkret gemacht, Gremliza bürstete das Magazin schließlich wieder auf Richtung und Elsässer stieß dazu, der auch für die Zeitung „Arbeiterkampf“ des Kommunistischen Bundes geschrieben hatte, für die Allgemeine Jüdische Wochenzeitung und die ehemalige DDR-SED-Zeitung Junge Welt. Bei der konkret unter Gremliza fanden sich sogar der spätere SPIEGEL-Chef Stefan Aust und der damalige SPD-Landeschef von Schleswig Holstein ein.
1990/91, als die Sowjetunion offiziell hinüber war, sich inoffiziell aber nur modernisierte und umbaute in eine pseudokapitalistische, pseudokonservative Pseudodemokratie, waren die Topthemen der konkret radikale Deutschlandkritik und Kampf gegen den Antisemitismus. Die Kommunisten behandelten also ihre antideutschen Brot- und Butter-Themen. Dann nach 9/11 plötzlich der Streit: Konkret-Autoren und die Führung waren einer US-Aktion im Irak gegenüber aufgeschlossen.
In zwei Artikeln in der Zeitung junge Welt rechnete Elsässer einen Monat später mit „Kriegslügen von links“, insbesondere in der konkret ab und warf der Zeitschrift u.a. politischen Zynismus sowie eine unseriöse und groteske Aufblähung der „Opferbilanz der Baath-Partei“ vor. Für manche machte die konkret sich verdächtig. Gab es Einfluss durch westliche Kräfte? Konkret kündigte wenig später den Arbeitsvertrag mit Elsässer als Redakteur. Elsässer konnte zumindest beim linken Publikum punkten als strammer Gegner von amerikanischen Militäraktionen. Die Empörungen Elsässers beschränkten sich jedoch auf auf westliche Militäraktionen, wie Irak oder später am Balkan.
Mit dem brutalen Krieg Russlands gegen das nach Unabhängigkeit und Souveränität strebende Tschetschenien hatte Elsässer hingegen keine Probleme. In der Zeitung junge Welt wetterte er 1995 noch „Keine Tränen für Tschetschenien“ als die russischen Truppen einmarschierten und die Panzer rollten. In den Wochen davor und danach hatte Elsässer zwar noch die Iren, Basken, Korsen und Kurden wegen ihres auf nationale Unabhängigkeit zielenden Kampfes scharf kritisiert, aber bei Tschetschenien hieß es:
„Tschetschenien ist Teil des russischen Staates, so wie Kreuzberg Teil des deutschen ist.“
Eigentlich eroberten die Russen die islamisch gepräte Gegend rücksichtslos im Jahr 1864, schlugen einen Aufstand 1877/1878 nieder, erklärten sie 1921 zur „sowjetischen Gebirgsrepublik“, deportierten 1944 zwangsweise insgesamt 400.000 Tschetschenen in Viehwaggons nach Kasachstan und Mittelasien, und lehnten auch nach 1990 die Soveränität Tschetscheniens ab und schickten Panzer und Truppen dorthin.
Was für ein bizarres Gerechtigkeitsempfinden von Elsässer. Sobald es um die Interessen Russlands geht, sieht er nicht nur über eine Militärinvasion hinweg, sondern auch über „einen Alkoholiker im Kreml“ und seine sonstige streng antinationalistische Haltung. In der jungen Welt erschien 2005 der Beitrag „Jürgen Elsässer: Die Mörder von Beslan und ihre Freunde“. Obwohl die Geiselnahme in einer Schule von Beslan hauptsächlich dem russischen Sicherheitsapparat und Wladimir Putin nützte und viele Spuren auf russische Geheimdienste hindeuten, bog sich Elsässer die Sache zurecht:
Interessant ist in diesem Zusammenhang, daß überlebende Kinder aus Beslan berichten, die Geiselnehmer hätten »neue NATO-Uniformen in den klassischen Tarnfarben getragen«.
Hier erkennt man bereits das Muster, nach dem auch später das Magazin COMPACT gestrickt ist. Jeder Vorfall wird pauschal westlichen Kräften angehängt. Spuren nach Osten werden verwischt. Zweifellos haben manche tschetschenische Gruppen westliche Hilfe angenommen, die CIA hat sich jedoch in ihrer Geschichte jahrzehntelang ausnehmen und betrügen lassen wie eine Weihnachtsgans. Immer wieder zahlte die CIA und lieferte Waffen an Gruppen, die entweder ihre ganz eigene Agenda hatten oder die gleich unter Moskaus Kontrolle standen. Trotzdem gilt für „Enthüller“ á la Elsässer: Moskau hat immer recht.
Es handelte sich bei Elsässers Empörung über den Irak-Feldzug der Amerikaner also eher um altbekannte selektive, politisierte Ethik wie bei unzählige Linken zuvor im Bezug auf den Vietnamkrieg. Nur die „westliche“ Aggression wird angegriffen. Interessant in diesem Zusammenhang ist eine Äußerung auf Elsässers Blog von 2012, in der er die Aktivitäten vom nordvietnamesischen Diktator Ho Chi Minh feiert:
„Hoch lebe Ho Chi Minh und das vietnamesische Volk.[…] Hoch lebe Hisbollah […] Mögen Syrien, Iran, Russland, Venezuela, Kuba und China das Pulver trocken halten. No paseran! Pasaremos!“
Woanders heißt es:
„Lang lebe die New Model Army des Genossen Mao tse Tung! Eure weißen Lackstiefel werden den Yankee-Imperialismus in den Staub der Geschichte treten!“
1996 veröffentlichte er bei konkret ein gemeinsames Buch mit Sahra Wagenknecht, die einst einen Aufsatz pro Stalin veröffentlicht hatte. Beide bejammern die deutsche Einheit, den Verlust der Ost-Bundesländer an die BRD, wo vorher noch die eiserne Herrschaft der SED war. Wagensknechts Aufsatz pro Stalin hieß “Marxismus und Opportunismus – Kämpfe in der Sozialistischen Bewegung gestern und heute”. Darin heißt es:
Nicht zu leugnen ist, daß Stalins Politik – in ihrer Ausrichtung, ihren Zielen und wohl auch in ihrer Herangehensweise – als prinzipientreue Fortführung der Leninschen gelten kann. (Der “stalinistische” Staatsaufbau existierte in seinen Grundzügen ohnehin bereits vor Stalins Machtantritt.) Welche Handlungsspielräume die Situation im damaligen Rußland bot, muß angesichts der konkret historischen Bedingungen untersucht werden. Eine solche Analyse wird vermutlich zu dem Schluß gelangen, daß weder in Bucharins Lösungsansatz noch in dem Trotzkis (um nur zwei prägnante Beispiele zu nennen) eine realisierbare Alternative zur Stalinschen Linie vorlag.
Und was immer man – berechtigt oder unberechtigt – gegen die Stalin-Zeit vorbringen mag, ihre Ergebnisse waren jedenfalls nicht Niedergang und Verwesung, sondern die Entwicklung eines um Jahrhunderte zurückgebliebenen Landes in eine moderne Großmacht währ end eines weltgeschichtlich einzigartigen Zeitraums; damit die Überwindung von Elend, Hunger, Analphabetismus, halbfeudalen Abhängigkeiten und schärfster kapitalistischer Ausbeutung; schließlich der über Hitlers Heere, die Zerschlagung des deutschen und europäischen Faschismus sowie die Ausweitung sozialistischer Gesellschaftsverhältnisse über den halben europäischen Kontinent.
Nach seiner Zeit bei der extrem linken Zeitung Jungle World ging es für Elsässer zur Zeitung „Neues Deutschland“ wo es 2009 wieder vorbei war.
Die COMPACT-Ära und das Eurasiertum
Elsässers COMPACT funktionierte letztendlich nach einem Strickmuster:
- Jeder Vorfall wird in das gleiche Muster gepresst: NATO/USA schlecht und schuldig, Russland gut bzw. neutral. Bei offenen Fällen werden nur Spuren behandelt die in den Westen führen und vergleichende Beispiele aus dem Westen genannt. Moskaus subversive Aktivitäten werden nicht behandelt. Dies soll den falschen Eindruck erwecken, Russland sei in jeder Hinsicht eine vernünftigere, moralischere Weltmacht, ein Vorbild und ein besserer Partner für Deutschland.
- Eine historische „Freundschaft“ zwischen Deutschland und Russland wird herbeikonstruiert durch selektive Darstellungen. Es wird ignoriert, dass Deutschland mit kaum einem Land mehr Probleme in den letzten 100 Jahren hatte als mit Russland. Es wird strikt ignoriert, dass Russland sich in der Vorlaufzeit von 1914 mit Frankreich und England gegen Deutschland verschworen hatte. Dies soll die Stimmung erzeugen, politisch und wirtschaftlich näher an Russland heranzurücken.
- Die Betonung der nationalen deutschen Souveränität soll Stimmung machen gegen die US-amerikanische Besatzung auf deutschem Boden und jeden verbleibenden amerikanischen Einfluss. Die totale Besatzung Ostdeutschlands durch die Russen sowie der dauerhafte Verlust von deutschen Ostgebieten an das sowjetische Polen werden gleichzeitig ausgeblendet. Dies soll Stimmung erzeugen, politisch und wirtschaftlich näher an Russland heranzurücken.
- Verteidigung russischer Unterdrückungsmethoden, indem man sich auf umstrittene Einzelbeispiele konzentriert wie Chodorchowski oder Pussy Riot. Ignoriert wird der systematische Unterdrückungsapparat, bei dem unzählige Bürger in schockierenden Gefängnissen landen und bei dem selektiv „Staatsfeinde“ ruiniert oder umgebracht werden, während die Oligarchenclique um Putin vor strafrechtlicher Verfolgung geschützt ist. Auch wird nur die westliche Überwachung kritisiert, nicht die Überwachung die Russlands Behörden im In- und Ausland betreiben. Das Ziel ist ein Vertreiben amerikanisch-britischer Spionageabwehr und Militärpräsenz aus Europa.
Immer deutlicher positionierte sich Elsässers COMPACT hinsichtlich der russischen Idee von „Eurasien“. Den Lesern wird vorgegukelt, es gehe um deutsche Souveränität und Frieden. Man interviewte dahingehend den Eurasien-Kultführer Alexander Dugin sowie Leute von dessen eurasischen Gruppierungen.
Er netzwerkt außerdem mit bürgerlich-konservativen Parteien in Europa wie der Front National oder der FPÖ. In Wirklichkeit wollen Dugin und seine Eurasier souveräne Staaten in Europa mit aller Gewalt verhindern. Der Tagesanzeiger berichtete:
“In einer TV-Ansprache im April schlug Dugin vor, Europa auf friedlichem Weg zu einem russischen Protektorat zu machen und es damit vor Homoehen, Pussy Riot und vor sich selbst zu schützen: «Wir müssen Europa erobern und anschliessen.» Fest stehe, so Dugin weiter, «dass uns eine prorussische fünfte Kolonne in Europa unterstützt. Das sind europäische Intellektuelle, die ihre Identität stärken wollen.»
Zu der europäischen “neuen Rechten” erklärte Dugin bereits 1998 in einem Interview:
“Sie ist ein Projekt, und wir sind die Architekten. Die Zukunft gehört wahrlich uns.”
In einem Interview in Moskau von 1998 äußerte Dugin, dass die europäische neue Rechte sich entweder für die USA oder für Russland entscheiden müsse. Wählen sie Russland, hieße das dass gleichzeitig auch das barbarische Element und brutale Handlungsweisen mitgewählt werden.
“Die Neue Weltordnung wird nicht kommen durch alternde Herren die sich zu Seminaren treffen. […] Man muss ein Messer nehmen, eine Maske anziehen, Abends aus dem haus gehen und mindestens einen Amerikaner töten.”
“Ich weiß nicht ob irgendwer von den Aktivisten der neuen Rechten jemals Artilleriefeuer erlebt hat, aber unsere Leute gehen nicht nur zu Meetings oder kämpfen an den Barrikaden, sondern sie gehen auch in echte Kriege. […] Die neue Rechte ist nur ein Projekt, und wir sind die Architekten. Die Zukunft gehört wahrlich uns.”