spot_img

Überwachungsnetz in Russland macht Jagd auf alle Zweifler im System

Datum:

In Sowjetrussland war das Spitzelnetz des KGB von überragender Bedeutung, um in der gesamten Bevölkerung möglichst jeden aufzuspüren, der keine Begeisterung für das Regime hatte und sich in irgendeiner Form mit seinen Mitbürgern austauschte. Jeder konnte ein Spitzel sein und zu den schlimmsten Zeiten konnte der falsche Witz gegen das System 25 Jahre Lagerhaft nach sich ziehen. Noch in der späten DDR verbaute eine einzige unerwünschte Aussage die gesamten Karriereaussichten. Zu groß schien der Obrigkeit das Risiko, dass sich aus Meinungsäußerungen ein Flächenbrand entwickeln kann.

Der Operativ-technische Sektor der Stasi ergänzte das Spitzelnetz. Das Rückgrat der Abhörmaßnahmen bildete das sogenannte Ceko – oder Centrales Kontrollsystem, ein über das gesamte Territorium der DDR installiertes, festes Abhörnetz, das ab 1973 in Betrieb ging.

Fand man eine verdächtige Person, wollte man im nächsten Schritt herausfinden, mit wem sie in Kontakt steht. Dazu wurden die Zielpersonen und Gegenstände mit radioaktiven Stoffen versehen zur effektiveren Verfolgung. Verdächtige Personen seien auch mit verseuchten Stecknadeln ausgestattet worden. Stasi-Mitarbeiter hätten sie dann mit am Körper getragenen Geiger-Zählern ausmachen können. Unter normalen Umständen ist ein Bürger pro Jahr 4 Milli-Sievert an Belastung ausgesetzt. Ein markierter Geldschein strahlte 200 Rem (vier Sievert).

Einem Entwicklungsingenieur wurden radioaktiv markierte Dokumente zugespielt, die er später zu Hause einem Westberliner übergab. Die Markierung war so stark, dass „auch von außen in der Wohnung“ gearbeitet werden konnte, wie es in Notizen des MfS heißt. „

In der Putin-Ära wurde der russische Überwachungsapparat grundlegend erneuert und hauptsächlich gegen organisierte politische Beteiligung und Aktivismus verwendet. Wer im privaten Umfeld sein Missfallen äußerte, wurde in aller Regel in Ruhe gelassen. Dieser Zustand konnte aber nicht allzu lange anhalten. Ich warne seit 2016 vor der Rückkehr stalinistischer Verhältnisse.

In einem Interview mit Max Otte behauptete Boris Reitschuster:

„Man kann in Russland auch völlig frei die Meinung sagen. Und wenn man jetzt nicht ein bekannter Oppositionspolitiker ist, dann wird einem da auch nichts passieren. Aber man kann Nachteile erlangen.“

Seit 2022 wird Jagd gemacht auf jeden, der sich selbst nur im privaten Bereich negativ über den Krieg oder das System äußert.

„Es hat die Leute sehr paranoid gemacht, denn wenn man mit irgendjemandem in Russland kommuniziert, kann man nicht sicher sein, ob es sicher ist oder nicht. Sie überwachen den Verkehr sehr aktiv“,

sagte Alena Popova, eine russische Oppositionspolitikerin und Aktivistin für digitale Rechte.

„Früher war es nur für Aktivisten. Jetzt haben sie es auf alle ausgeweitet, die mit dem Krieg nicht einverstanden sind.“

Jede Art von elektronischer Kommunikation ist brandgefährlich; egal welche App man benutzt.

Die Bemühungen haben die Kassen einer Konstellation relativ unbekannter russischer Technologieunternehmen gespeist. Viele gehören der Citadel Group, einem Unternehmen, das einst teilweise von Alisher Usmanov kontrolliert wurde.

Die NY Times erhielt Hunderte von Dateien von einer Person mit Zugriff auf die internen Aufzeichnungen, in denen etwa 40 die Überwachungsinstrumente detailliert beschrieben. Es geht oft um die „Metadaten“, also wer mit wem kommuniziert.

Ein in den Materialien beschriebenes Programm kann erkennen, wenn Personen über verschlüsselte Chat-Apps wie Telegram, Signal und WhatsApp Sprachanrufe tätigen oder Dateien senden. Die Software kann den Inhalt der Nachrichten nicht unbedingt abfangen, aber sie kann feststellen, ob jemand mehrere Telefone verwendet, das Beziehungsnetzwerk kartieren, und triangulieren, welche Telefone an einem bestimmten Tag an bestimmten Orten waren.

Wer also kein klassisches Spionage-Tradecraft beherrscht, und nicht-elektronische Zeichen verwendet, um konspirative Treffen anzukündigen, ist klar im Nachteil.

Das expandierende Programm – früher bekannt als System for Operative Investigative Activities (SORM) – war ein unvollkommenes Überwachungsmittel. Russlands Telekommunikationsanbieter haben die Technologien oft unvollständig installiert und aktualisiert.

Jetzt hangelt man sich von einer verdächtigen Person zur nächsten. Automatisch wird verdächtiges Verhalten erkannt, wie das Verwenden mehrerer Mobiltelefone.

Eine Funktion von NetBeholder nutzt eine Technik namens Deep-Packet-Inspection, die von Telekommunikationsdienstleistern verwendet wird, um zu analysieren, wohin der Datenverkehr geht.

Für die Hersteller von Signal, Telegram und WhatsApp gibt es nur wenige Schutzmaßnahmen gegen ein solches Tracking. Die russische Bevölkerung ist nicht sehr groß und der Staat verfügt längst über sehr viele Daten zu den Menschen. Unter diesen Umständen ist keinerlei nennenswerte politische Beteiligung oder Aktivismus möglich.

AlexBenesch
AlexBenesch
Senden Sie uns finanzielle Unterstützung an: IBAN: DE47 7605 0101 0011 7082 52 SWIFT-BIC: SSKNDE77 Spenden mit Paypal an folgende Email-Adresse: [email protected]
spot_img
spot_img
spot_img
spot_img
spot_img
spot_img
spot_img

Related articles

Friends & Enemies (04/28/24) Vietnam War

Full show with Jeff Nyquist and Alex Benesch on the Vietnam war, the traitors and the controlled student...

Prozess gegen „Reichsbürger“-Gruppe um Prinz Reuß beginnt heute

Kommentar In Stuttgart-Stammheim beginnt heute der erste Prozess gegen Mitglieder der Gruppe um Prinz Reuß. Wegen Verbindungen mancher Personen...

Putin, Sachsensumpf und die Unterwanderung der rechten Szene

Der sogenannte Sachsensumpf-Skandal dreht sich um ein vermutetes altes Stasi-/KGB-Netzwerk, das nach der Wende operiert haben soll, um...

Das gemeinsame Fundament des Links- und Rechtsextremismus

Es ist heute von enorm hoher Bedeutung, die Kern-Mythen des Links- und Rechtsextremisten zu zerstören. Es mag überraschend...