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Kommentar
Man ist von den russischen Funktionären viel Unsinn gewohnt: Jede Realität, die nicht gefällt, gilt als fake und jede als nützlich erachtete Fantasie als real. Im Westen ist die Realitätsverdrängung nicht so direkt, aber dennoch vorhanden. Eine aktuelle Studie der Brown-University schätzt 4,5 Millionen direkte und indirekte Todesfälle im Zusammenhang mit den Kriegen in Afghanistan und Irak. Trotzdem wird der Eindruck aufrechterhalten, die amerikanische NATO-Führung sei die moralische und geopolitische Autorität. Leute auf Social Media und sogar gebildete „Experten“ geben sich entsetzt, wenn man den amerikanischen Schein-Status in Frage stellt und vermuten sogleich russische Propaganda, so als müsse man sich zwangsläufig zwischen den Supermächten entscheiden.
Russland steckte Geld in (Atom-)Uboote und Atomsprengköpfe, während die regulären Streitkräfte vernachlässigt wurden und die massive Korruption das marginale Budget auffraß. Diese heruntergekommenen Streitkräfte, bestehend aus jungen Männern die eigentlich ausgemustert gehörten, wurden dann mit veralteten Panzern und Ausbildungen in die Ukraine geschickt, ohne angemessene Unterstützung durch die Luftwaffe.
Jede Übung aus dem Kalten Krieg kam zu dem gleichen Ergebnis, dass konventionelle russische Truppen bei nennenswerter Gegenwehr der NATO relativ schnell steckenbleiben. Die Planspiele, zu kleineren Atomsprengköpfen zu greifen, führten ebenfalls zu keinem zufriedenstellenden Ergebnis.
Die Militärplaner der UdSSR und der USA erwogen frühzeitig den Einsatz chemischer und biologischer Kampfstoffe, selbst in der frühen Phase eines Konflikts, solange es als nützlich erscheint.
Im Ukraine-Krieg gab die NATO-Führung den Russen anscheinend genügend Zeit, sich einzugraben und zu regenerieren, damit die ungenügend ausgestattete ukrainische Gegenoffensive keinen durchschlagenden Erfolg erzielt. Wir werden wohl nie erfahren, wie die Geheimverhandlungen weit oben aussahen. Vielleicht drohten die Russen mit B- und C-Waffen. Umgekehrt wäre es für die Ukraine nicht allzu schwer, solche Waffen zu improvisieren.
US-Präsident Joe Biden sagte am Montag, die Drohung des russischen Präsidenten Wladimir Putin mit dem Einsatz taktischer Atomwaffen sei „real“.
Russland hat den Vereinigten Staaten vorgeworfen, sich darauf vorzubereiten, ihre Truppen mit Drohnen anzugreifen, die Malaria übertragende Mücken transportieren.
So behauptete Igor Kirillov, Chef der russischen Truppen zum Schutz vor Strahlung, chemischen und biologischen Stoffen unter Wladimir Putin, dass das Ziel darin bestehe, Krankheiten oder den Tod durch Malaria herbeizuführen.
„Die vom Kiewer Regime geplante Überschwemmung der Region Cherson kann die Situation verkomplizieren, auch im Hinblick auf Arbovirus-Infektionen“,
sagte Kirillov mit Blick auf die Zerstörung des Kachowka-Staudamms. Vielleicht hatten die Russen den Damm zerstört und bauen hier nur propagandistisch vor, falls Mücken künftig einen Haufen Krankheiten übertragen.
Aber auch schmutzige Tricks der USA sind leider nicht ausgeschlossen.
Project Baseless
Das Buch Baseless von Nicholson Baker über biologische Waffen erschien vergangenes Jahr, mitten in der COVID-Pandemie und der damit verbundenen Schlacht der Informationen. Über Forschung an biologischen Waffen spricht man für gewöhnlich nicht, außer es geht um uralte Sachverhalte, oder Terrorismus. Was ist aber, wenn Staaten gigantische Programme unterhalten und sich diese mit der zivilen Forschung überschneiden? Bei COVID beschuldigten chinesische Medien zunächst die USA, den Virus eingeschleppt zu haben. Die USA beschuldigten China hingegen, einen Unfall im Wuhan-Labor vertuscht zu haben, ohne die Welt rechtzeitig zu warnen. Im neuen WHO-Bericht ist u.a. die Rede davon, dass irgendjemand die Seuche nach China und anderswo eingeschleppt haben könnte. Soll es sich um einen gezielten Angriff durch bisher unbekannte Akteure gehandelt haben, die bewusst in Wuhan neben einem heiklen Labor zuerst losschlugen, um China schlecht aussehen zu lassen? Wenn es wirklich wichtig ist, spricht man nicht oder nur in sehr groben Zügen über das Thema. Jedes Land kann Vorwürfe lautstark von sich weisen und als böswillige Propaganda abtun, die von einem anderen Land ausgeht.
Nicholson Baker verfügt über eine der größten Sammlungen an US-Regierungsdokumenten, die von der Geheimhaltung befreit wurden und es ist erstaunlich, wie man sich von einer Sache zur nächsten hangeln kann. Manchmal sickert einfach etwas durch und man kann dies als Ausgangspunkt hernehmen, um die Freigabe weitere Dokumente zu fordern oder vor Gericht zu erstreiten. Manchmal werden zensierte Dokumente veröffentlicht, die Informationen über einen ganz anderen Fall enthalten, der eigentlich streng geheim bleiben sollte.
Und so erfuhr Baker von dem „Baseless“-Programm der 1950 er Jahre während dem Koreakrieg. Die B- und C-Waffen-Kapazitäten für die US-Luftwaffe sollten eine ebenso hohe Priorität erhalten wie Nuklearwaffen. Seit damals gibt es Vorwürfe, die USA hätten im Koreakrieg heimlich Smallpox und andere Erreger eingesetzt. Baker weiß von der Existenz von 21 Luftwaffe-Memos von damals, die Auskunft geben würden.
Nordkorea beschuldigte die USA, Smallpox beim Rückzug hinterlassen zu haben, um die kommunistischen Streitkräfte zu treffen. Die USA hätten dahingehend eine Partnerschaft gehabt mit den Japanern, die ein großes B-Waffen-Programm besessen hatten, und im Zweiten Weltkrieg unter General Shiro Ishii das berüchtigte Camp 731 leiteten. Nordkorea beschuldigte die USA später nochmals, Kisten mit verseuchten Insekten abgeworfen zu haben. China attackierte offen Präsident Truman.
1952 bestätigte der Vereinte Generalstab der USA die Vorschläge eines Ausschusses, B-Waffen einzusetzen, wo es militärisch vorteilhaft ist, anstatt sie nur als Abschreckung und letzte Option in der Hinterhand zu haben. Amerikanische Kriegsgefangene machten unter massivem Druck Geständnisse die laut den Amerikanern nur durch Gehirnwäsche zustande kamen.
Das neue „Office of policy coordination“ (OPC) bei der CIA unter Frank Wisner hing in der B-Waffen-Geschichte mit drin. Wisner war an der Elite-Universität in Virginia in der extrem geheimen Gesellschaft „Seven Society“ gewesen und arbeitete später ausgerechnet mit Kim Philby, dem britischen Agenten, der alle möglichen Informationen an die Sowjets verriet. Das OPC unter Wisner suchte nach neuen Möglichkeiten für biologische, chemische und radiologische Kriegsführung.
Ein besonders heikles Wisner-Memo wurde von der Geheimhaltung befreit durch Janet Reno unter Bill Clinton wegen einem Skandal um Strahlen-Experimente, wo Leuten radioaktives Material injiziert wurde. Der Buchautor Baker druckte sich in den 1990er Jahren die Dokumente aus über sein lahmes Modem von einer Regierungs-Webseite. Das Wisner-Memo wurde nirgends sonst mehr veröffentlicht, die Webseite war weg und Anfragen unter dem Informationsfreiheitsgesetz wurden abgeblockt. Bestimmte Datenbanken listeten Namen in dem Zusammenhang, deren Rolle bisher kaum bekannt war, so wie Caryl Haskins, der von den Elite-Unis stammte, bei dem Chemiekonzern DuPont ein Direktor war und Projekt Artischocke startete, einen Vorläufer von MKULTRA.
1952 bastelte das „Chemical Corps“ an Insekten, die resistent waren gegen Insektizide und geeignet waren, um Ernten zu zerstören. Es gab auch Projekte für verseuchte Insekten, die Krankheiten übertragen auf Menschen, Medikamenten-resistentes Anthrax oder Tularämie, die resistent ist gegen Antibiotika. Die Militärs heckten Pläne aus, um Kubas Zucker- und Tabak-Anbau zu zerstören und auch die Arbeiter krank zu machen. 1960 soll die CIA im U-Bahn-System von NewYork einen Biowaffen-Simulationstest durchgeführt haben im Rahmen von Operation MKNAOMI. Man befürchtete, die Sowjets könnten einen begrenzten Nuklearangriff kombinieren mit einem biologischen Angriff, um die flüchtende Bevölkerung krank zu machen. Umgekehrt sammelte die CIA Infos über sowjetische U-Bahnsysteme, die zu einem weitläufigen Bunker-Netz gehören zum Schutz bei Atomkriegen. Man stelle sich vor, dass verängstigte Bürger in Moskaus unterirdischen Schutzräumen plötzlich an Smallpox erkranken auf engstem Raum.
Als Koryphäe galt Vannevar Bush, ausgezeichnet mit dem Order of the British Empire. Er wurde Vorstandsmitglied beim Pharmakonzern Merck, der auch am Biowaffenprogramm der USA beteiligt gewesen war. Detaillierte Pläne wurden erstellt, um 70 russische Städte auszuradieren durch die Luftwaffe. Dann Pläne für 1200 Städte im ganzen Ostblock, geordnet nach Priorität. Besonders gespenstisch ist die militärische Logik, dass man genügend gegnerische Zivilbürger töten könne, damit der gegnerische Staat handlungsunfähig wird.
Die „Federbombe“ enthielt tatsächlich Vogelfedern, getränkt mit biologischen Krankheitserregern. Unter Codename Noodle wurde in einer Anlage in Pine Bluff Waffen gegen Ernten entwickelt, vor allem Weizen. Dementsprechend gab es eine Studie über die bestmöglichen Ziele in der UdSSR. 1953 ging dann prompt die Ernte in Ungarn um 40% zurück. Zufall? Operation „Fiber“ drehte sich um die Zerstörung der Kaffeeproduktion in Guatemala, um die kommunistische Regierung zu stürzen.
Norman Cournoyer, der an heiklen Sachen gearbeitet hatte, meinte die USA hätten im Koreakrieg Biowaffen eingesetzt. Sein Forschungspartner Frank Olson hatte die Nerven verloren bei Programmen für Biowaffen und Verhörmethoden mit Medikamenten und Folter. Er wollte reden, und wurde bald darauf hin aus dem Fenster eines Hotels geworfen. Streng nach Anleitung der CIA für Attentate.