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Seien Sie vorbereitet auf einen begrenzten nuklearen Schlagabtausch

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Die Supermächte veranstalteten den ganzen Kalten Krieg über Psychoterror mit ihren Atomwaffen-Arsenalen, die Overkill-Potenzial hatten. In der aktuellen Situation sind die Arsenale zwar deutlich kleiner und auch viele Sprengköpfe sind kleiner, aber dies hat auch die Hemmschwelle verringert, begrenzte Atomschläge durchzuführen. Weitere Nationen wurden zu Atommächten und verfügen über Mittel- und Langstrecken-Raketen. Russland will nun den START-Vertrag zur Begrenzung von Atomwaffen pausieren, was nicht unbedingt heißt, dass man sich ein Wettrüsten mit den USA leisten kann, aber da ist ja immer noch China, das darauf hinarbeitet, künftig dreistellige Mengen an Sprengköpfen parat zu haben.

Die USA haben viele Bunker, die Russen auch und natürlich die Schweizer. In Deutschland? Fehlanzeige. Man muss in der Lage sein, mindestens 14 Tage lang zuhause ausharren zu können, um nicht Schäden davonzutragen durch den sogenannten „Fallout“, also den radioaktiven Staub, der umherweht. Seltsamerweise empfiehlt der staatliche deutsche Bevölkerungsschutz nur Vorräte für 10 Tage. Man wäre gezwungen, seine Behausung zu verlassen und sich zu vergiften.

Das amerikanische Oak Ridge Laboratory, das bei der Entwicklung der ersten Atomwaffen eine entscheidende Rolle spielte, erforschte auch die hohe Wirksamkeit von Schutzvorkehrungen, egal ob Keller oder professioneller Schutzraum. Kann man sich wenigstens 14 Tage darin ununterbrochen aufhalten, und ist man nicht in unmittelbarer Nähe eines Einschlags, übersteht man einen (begrenzten) Atomkrieg so gut wie ohne Schäden. Was ist aber, wenn man über keinen Schutzraum verfügt, oder diesen zu spät betreten kann oder mangels Trinkwasser und anderer Vorräte vorzeitig verlassen muss?

Viele Antworten auf diese Fragen sind geheim. Die Unfälle in den Atomkraftwerken in Tschernobyl und Fukushima sind kein allzu guter Vergleich mit Atomwaffen, weil unkontrolliert abbrennende Kernbrennstäbe einen länger anhaltenden Fallout bedingen und teils andere Isotope darin enthalten sind. Bei dem Atomwaffeneinsatz in Hiroshima und Nagasaki gab es nur Studien über die unmittelbare Strahlenwirkung, aber es fehlt an breiteren Untersuchungen, inwiefern sich der Fallout noch Generationen später bemerkbar gemacht haben könnte.

Neue Erkenntnisse stammen aus Kasachstan, nahe des Testgeländes Semipalatinsk, etwa 150 Kilometer westlich von Semei. Zwischen 1949 und 1963 führten die Sowjets auf 18.500 Quadratkilometern (der „Polygon“) mehr als 110 oberirdische Atomtests durch. Die kasachischen Gesundheitsbehörden schätzen, dass dabei bis zu 1,5 Millionen Menschen radioaktivem Niederschlag ausgesetzt waren.

Kasachische Forscher haben Daten über diejenigen gesammelt, die die Detonationen erlebt haben, sowie über ihre Kinder und Kindeskinder. Die Auswirkungen sind nicht immer offensichtlich oder leicht nachzuvollziehen. Aber die Forscher beginnen jetzt, einige Auswirkungen zu sehen; 30 Jahre nachdem auf dem Polygon die letzten Tests stattfanden. Studien zeigen ein erhöhtes Krebsrisiko, und eine im vergangenen Jahr veröffentlichte Studie deutet darauf hin, dass die Auswirkungen der Strahlung auf die kardiovaskuläre Gesundheit von einer Generation zur nächsten weitergegeben werden könnten.

Man muss damit rechnen, dass es der Sowjetführung nicht einfach nur egal war, dass viele Menschen zu nage an dem Testgelände lebten, oder dass die Reichweite und Wirkung des Fallouts unterschätzt wurde. Vielmehr bestand der erhebliche Anreiz dafür, Kasachen dem Fallout gezielt auszusetzen, um die Wirkung zu studieren. Die allermeisten Daten dazu blieben geheim und keine irgendeine andere Atommacht auf der Welt verfügt über ein ähnliches Wissen.

Die USA hatten die Daten von rund 400.000 verstrahlten „Atomic Soldiers“: Diese beobachteten nukleare Explosionen – viele nur ein oder zwei Meilen vom Ground Zero entfernt. Von 1946 bis 1992 führte die US-Regierung mehr als 1.000 Atomtests durch, bei denen unzureichend informierte Truppen großen Mengen ionisierender Strahlung ausgesetzt wurden. Zum Schutz trugen sie Gebrauchsjacken, Helme und Gasmasken. Ihnen wurde gesagt, sie sollten ihr Gesicht mit ihren Armen bedecken. Nach den Tests wurden die vielfach traumatisierten Soldaten zur Verschwiegenheit verpflichtet. Darüber zu reden galt als Verrat, der mit einer Geldstrafe von 10.000 Dollar und 10 oder mehr Jahren Gefängnis bestraft wurde.

Im August 1956 führte ein oberirdischer Test im kasachischen Polygon dazu, dass mehr als 600 Einwohner der Industriestadt Ust-Kamenogorsk, etwa 400 Kilometer östlich des Testgeländes, mit Strahlenkrankheit ins Krankenhaus eingeliefert wurden. Es gibt keine öffentlich bekannten Aufzeichnungen darüber, wie viele Menschen in der Stadt infolgedessen starben.

Strahlung ist auch für sich schnell teilende Zellen problematisch, wie sie sich beispielsweise in der Entwicklung von Föten befinden. Frauen in der Nähe des Polygons, die Strahlung ausgesetzt waren, brachten mit größerer Wahrscheinlichkeit Kinder mit Chromosomenerkrankungen zur Welt, darunter das Down-Syndrom und angeborene Behinderungen.

Aber für andere zeigen sich die Auswirkungen möglicherweise jahrelang oder jahrzehntelang nicht. Die Verbindung zu radioaktiver Strahlung wird auch nur dann erkannt, wenn man gezielt danach sucht. Denn für diverse Herzkrankheiten oder Schilddrüsenprobleme werden normalerweise andere Ursachen angenommen.

1991, nach Kasachstans Unabhängigkeit von der Sowjetunion, schickten Beamte aus Moskau ein Sonderkomitee nach Semey, um Daten nach Moskau mitzunehmen und manche zu zerstören. Selbst die heutigen Forscher wissen nicht, was diese Aufzeichnungen enthielten.

Obwohl nur ein Bruchteil der Daten überlebt hat, lassen sich mehr als 351.000 Personen über drei Generationen hinweg auflisten. Seit 1962 wurden etwa 10.000 Menschen kontinuierlich beobachtet. Genetiker konnten diese Aufzeichnungen verwenden, um die Auswirkungen der Strahlung auf folgende Generationen zu untersuchen. Yuri Dubrova von der University of Leicester, UK, berichtete, dass die Mutationsrate in den Keimbahnen derjenigen, die direkt exponiert waren, fast doppelt so hoch war wie bei den Kontrollgruppen. Die Auswirkungen setzten sich in nachfolgenden Generationen fort, die den Explosionen nicht direkt ausgesetzt waren. Ihre Kinder hatten eine um 50 % höhere Keimbahnmutationsrate als die Kontrollgruppe.

Dubrova glaubt, dass, wenn Forscher das Mutationsmuster in den Nachkommen bestrahlter Eltern feststellen können, es eine Möglichkeit geben könnte, die langfristigen, generationenübergreifenden Gesundheitsrisiken vorherzusagen. Man fand 19 Jahre alte Personen, die sich plötzlich anhaltend schwach fühlten. Der Vater starb mit 41 an einem Schlaganfall und die Mutter mit 70 an Herzproblemen. Die ältere Schwester hat Bluthochdruck und die jüngere Schwester hat Herzinsuffizienz.

Forscher, die die Polygon-Population untersuchen, kennen jedoch noch nicht das volle Ausmaß des Schadens, den langfristige und niedrig dosierte Strahlung der menschlichen Gesundheit zufügen kann. Und je mehr Zeit vergeht, desto schwieriger kann es werden, die Auswirkungen der Strahlung von denen anderer Umweltfaktoren abzugrenzen.

https://www.nature.com/articles/d41586-019-01034-8

AlexBenesch
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