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Böhmermann leakt „NSU-Akten“ und erreicht das Gegenteil des Erhofften

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Kommentar

Der Moderator Jan Böhmermann schaffte es mit seinem Team, die Sendung „ZDF Magazin Royale“ zu einem kompetenten Klon der alten „Daily Show mit Jon Stewart“ zu machen. Die einen Kollegen übernehmen Recherche, die anderen sind Gagschreiber. Was fehlt, ist jemand der sich wirklich auskennt mit Geheimdiensten und den größeren Operationen.

Auch Stewart war rückblickend schwer enttäuscht darüber, dass er immer nur dem gleichen Zielpublikum Bestätigung liefern konnte für das, was es ohnehin schon glaubte. Ein echter Effekt auf das politische System blieb aus. Was anderes hätte man auch nicht erwarten sollen bei einer Ko-Produktion von Paramount/Viacom und MTV Productions. Es ging nie darum, der Oberschicht Amerikas und dem Zwei-Parteien-Kartell gefährlich zu werden.

Böhmermann arbeitet für den Staat, dem er nicht traut und sein 70-köpfiges Team wird angeführt von Hanna Herbst, die noch nie irgendetwas gebracht hat, das über das gewöhnliche linke Spektrum hinausgeht. Sie war jahrelang bei VICE, ein Konzern der noch größeren kapitalistischen Monstrositäten gehört wie Disney, TPG Capital, Soros Fund Management, LLC und James Murdoch (siehe NewsCorp und der rechte Sender FOX News). Im Herbst 2017 wurden mehrere Bericte veröffentlicht, in denen Vorwürfe wegen sexuellen Fehlverhaltens und einer allgemeinen „Boys Club“-Kultur bei der Muttergesellschaft des Vice-Magazins, Vice Media, angeführt wurden.

Der Begriff der einem bei Hanna Herbst und Böhmermann in den Sinn kommt, ist: Sellouts. Es ist in den USA seit den 1950er Jahren völlig offensichtlich, dass WallStreet-Firmen sich die linke Szene gekauft hatten, als Sammelbecken, um den Pöbel zu managen. Man findet immer linke Aktivisten, die sich bezahlen lassen, und Ausreden finden für diesen Deal mit dem Teufel. Die Böhmermann-Sendung habe „riesiges Revolutionspotenzial“, sagt Herbst gegenüber dem STANDARD.

Mit ihrer Reichweite und ihrer Sprache kann die Sendung sehr viele Menschen erreichen und sie auf Themen aufmerksam machen, die sie zuvor so vielleicht noch nicht wussten.

Revolutionspotenzial? Es scheint eher, dass sie von dem deutschen Staat und Konzernen angeheuert wurde, um jegliche Bedrohung für die Oberschicht zu ersticken. Statt wirklich Klartext zu liefern, bekommt das Publikum den üblichen linken Eintopf serviert, der keine Gefahr ist für Eliten, und der zudem noch wegen seiner Einseitigkeit Gegenreaktionen triggert. Für jedes Bit Aktivismus, das bei jemandem im Publikum ankommt, entsteht irgendwo ein Bit Gegenaktivismus.

Kürzlich präsentierte das Böhmermann-Team einen Bericht, der nicht wirklich etwas neues lieferte, über eine russische IT-Firma in einem Verein mit zig anderen Firmen. Der Verein hängt zusammen mit dem Chef des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) Arne Schönbohm. Dieser BSI-Chef galt immer als konservativ und pro-USA, was vom Moment seiner Ernennung zu massiver Verärgerung im linken Sektor führte. Es war nicht Schönbohms Aufgabe, einer russischen Software-Firma hinterherzuspionieren, sondern die Aufgabe des Verfassungsschutzes und des BNDs. Der SPIEGEL, der seit jeher BND-Kontakte pflegt, berichtete dass Böhmermanns Sendung in aktive Ermittlungen hineinplatzte. Auch die Amerikaner waren längst misstrauisch gewesen bei der Russenfirma. Trotzdem wurde Schönbohm abberufen von Nancy Faeser (SPD) und linke Kreise und wohl auch Böhmermanns Truppe jubelten. Erstens war man einen rechten Funktionär losgeworden und zweitens hatte man eine Ablenkung von den SPD-Skandalen über Russlandgeschäfte mit Gas und Pipelines.

Wieviel Böhmermanns Sendung mit Schönbohms Abberufung zu tun hat, ist nicht 100% klar. Aber nun wird nachgelegt mit der Veröffentlichung geheimer „NSU-Akten“. Die Komiker-Truppe will nicht mehr nur mit Humor arbeiten, sondern anscheinend ein, zwei Gänge höherschalten.

Der Bericht

Es handelt sich um einen 10 Jahre alten Bericht des Landesverfassungsschutzamtes (LHessen über die Aktenprüfung zum NSU-Fall. 2011 hieß es, dass das seltsame Trio Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe verantwortlich gewesen sei für eine Mordserie an Kleinunternehmern mit Migrationshintergrund in verschiedenen Städten. Die beiden Männer wurden tot in einem ausgebrannten Wohnmobil gefunden und hatten sich lange Zeit im Untergrund bewegt, aber auch Kontakte in die Neonazi-Szene unterhalten.

Das LfV Hessen sollte 27 Beamte darauf ansetzen, insgesamt rund 1 Million Seiten Papier an Aktenbeständen durchzukämmen, um Bezüge zum NSU zu finden. Das heißt, das LfV sollte sich selbst überprüfen, ob es möglicherweise Mist gebaut hätte. Selbstverständlich stellt sich die Behörde ein gutes Zeugnis aus. Mann könnte sagen: Eine Note zwei minus. Immer wieder wird zwischendrin angedeutet, was jeder ohne Geheimniskrämerei nachprüfen kann: Die Behörde ist kleiner als ein lokaler Yoga-Verein. Mit 246 Mitarbeitern und ein paar Millionen Euro Budget soll man Rechtsextremisten überwachen, Linksextremisten, militante Kurden, Russenagenten, türkische Netzwerke, Dschihadisten und zig andere heikle Organisationen. Sicherlich kann man auch auf die (hoffnungslos überforderte) Polizei und Justiz zurückgreifen oder auf das Bundesamt für Verfassungsschutz mit kümmerlichen 4000 Beamten.

Böhmermann hat fast ein Drittel soviel Personal wie das LfV Hessen. Ist ja nett, wenn Reporter ihren Beitrag leisten möchten, um Radikalismus und potenziell illegale Vorgänge in den Behörden aufdecken möchten, aber dafür ist halt leider Professionalität notwendig. Den LfV-Bericht aus Hessen ins Netz zu stellen, lässt den Verfassungsschutz nicht schlecht aussehen. Ganz im Gegenteil. Die winzige Behörde hat ein gewaltiges Pensum abgearbeitet und sich, wen überrascht es, selbst ein gutes Zeugnis ausgestellt. Wer den Bericht liest, steht am Ende mit dem Eindruck da, dass es die Nadel im Heuhaufen gewesen war, damals aus über 30.000 Rechtsextremisten in Deutschland rechtzeitig herauszufinden, wer für die Mordserie verantwortlich ist. Im Nachhinein wurden 1 Million Blatt Papier an Aktenbestand durchgekämmt und man fand eine Reihe an Hinweisen auf Personen, die in irgendeiner Form Kontakte zu dem Trio gehabt haben könnten. „Szenetypisches Verhalten“ bedeutet im Rechtsextremismus, dass instabile, impulsive Leute sich legal und illegal Schusswaffen besorgen, hin und wieder Sprengstoffe anmischen, sich austauschen und davon träumen, ein revolutionäres System aus Terrorzellen zu bilden, wie einst die RAF oder zig anderen Gruppen aus aller Welt.

Der Verfassungsschutz insgesamt scheint eine Sammelbecken-Strategie zu verfolgen: V-Personen müssen in der Szene Eindruck schinden, denn nur so wirken sie und ihrer Organisationen wie ein Magnet. Neue radikale Aktivisten bewegen sich unweigerlich in die Richtung der V-Personen und können so (begrenzt) überwacht werden. Wäre der Geheimdienst zu wenig aktiv, könnten sich terroristische Strömungen entwickeln, von denen die Agenten zu spät erfahren und die dann zu schwer zu infiltrieren sind. Aber die Sammelbecken-Taktik birgt eben das Risiko, dass eines Tages ein Szenegänger oder eine winzige Terrorzelle mit simplen Waffen hinterrücks Anschläge begehen. Der Oklahoma-City-Bomber Timothy McVeigh wäre beinahe den Behörden vorab ins Netz gegangen, weil er Fehler machte bei seinem konspirativen Verhalten und der Rekrutierung von Komplizen. Aber eben nur beinahe. Hinterher tönten „patriotische“ Aktivistenkreise in den USA, McVeigh sei ein gehirngewaschener Zombie der Behördengeheimdienste gewesen, die den Anschlag geschehen ließen. So wenig man den Behörden vertrauen kann, so wenig kann man Aktivisten trauen und sollte jeden einzelnen Fall genau untersuchen.

2011, also kurz nachdem die Leichen von Mundlos und Böhnhardt aus ihrem ausgebrannten Wohnmobil getragen wurden, vernichteten Leute beim Bundesamt für Verfassungsschutz bestimmte Aktien über die Infiltration der rechtsextremen Szene; u.a. zur Operation Rennsteig. Es stellte sich heraus, dass beim BfV offenbar „keine klaren Regeln über Löschfristen“ existieren würden. Das ist für einen Geheimdienst natürlich ein schickes Sicherheitsnetz. Hat eine Aktion erfolgt und die Dokumentation der Aufbauarbeit wird nicht mehr benötigt, wandern Akten in den Schredder oder den Spezialofen. Das nächste Sicherheitsnetz ist der Verweis darauf, dass man bestimmte Infos und V-Personen nicht preisgeben kann, weil ansonsten andere wichtige Operationen kompromittiert würden. Hier wird die geringe Größe des Verfassungsschutzes sogar zum Vorteil. Man hat nicht genügend Agenten, V-Personen und Auswerter, um auf etwas verzichten zu können.

Falls also theoretisch hoch angesiedelte Geheimdienstler in der Lage waren, ganz bestimmte Unterlagen verschwinden zu lassen, bleibt nur gewöhnlicher Krempel in den Archiven. Wenn dann das LfV Hessen seine eigenen Aktenbestände sichtet, kommt so etwas bei heraus wie der Bericht, der über Böhmermann geleakt wurden. Die Essenz: Sorry, wir fanden die Nadel im Hauhaufen nicht. Leute aus dem NSU-Trio hatten vor Jahren ein paar Aktionen mit Fake-Bomben gemacht, dann wurden sie erwischt mit einer echten (aber nicht zündfähigen Bombe) und 1,5 Kilogramm TNT (entspricht der Sprengkraft von rund fünf Handgranaten). Sie tauchten unter und wirkten nicht wie eine Priorität. Wirklich untertauchen in Deutschland ist schwer möglich, was auch die RAF schon gemerkt hatte. Es kam zu einer Reihe an Banküberfällen. Und dann nach und nach kamen in völlig verschiedenen Großstädten die Morde an Kleinunternehmern mit Migrationshintergrund. Wenn die Verbindung nicht gleich offensichtlich war, schrillen natürlich nicht sofort die Alarmglocken zur Großfahndung nach dem untergetauchten Trio, als handle es sich um die Baader-Meinhof-Gruppe.

Sollten die Aktenvernichtungen wirklich vertuschen, dass der Verfassungsschutz gewusst habe, dass das Trio die Morde beging? Oder sollten ganz andere Operationen damit abgeschirmt werden? Böhmermann und viele Linke denken bei geheimdienstliche Skandalen nicht professionell und sachlich, sondern wittern überall die große rechte Weltverschwörung. Rechte Verbrechen würden gedeckt werden aus rechten Motiven von ganz oben. Linke seien immer in der Opferrolle und würden unfair verfolgt.

Vielleicht hatten Verantwortliche beim Verfassungsschutz und beim BND und bei „befreundeten“ Diensten aus den USA und Britannien unrealistische, überambitionierte Zielsetzungen entwickelt. Die Sammelbecken-Strategie bei den Neonazis war so erfolgreich, dass sich seit 1945 keine einzige nennenswerte terroristische Bedrohung entwickeln konnte. Fast die einzigen Grüppchen, die nicht auf den ersten Metern an ihrer eigenen Amateurhaftigkeit scheiterten, waren Zellen des GLADIO-Programms. Dieses ging aber auf die NATO zurück und sollte ein europaweites Netzwerk schaffen für den Fall einer sowjetischen Invasion. Es handelte sich nicht um eine organische, deutsche Entwicklung aus der Szene heraus. Vielleicht kam in den 1990er und 2000er Jahren der Gedanke auf, man könnte V-Personen und künstlich etablierte Strukturen für mehr benutzen als nur den Betrieb eines Sammelbeckens. Die Wunschliste wäre lang gewesen Darauf ziemlich weit oben: Das Anlocken von und das Heranspielen an russische Kreise. Denn die Russen hatten 1991 ihre kommunistische Fassade aufgegeben und wollten künftig ein breites Spektrum in Europa umgarnen, sowohl Mainstream-Parteien als auch extremistische Gruppen.

Wenn die USA oder Britannien die deutschen Geheimdienste dazu drängen, sich an größeren, länderübergreifenden Operationen zu beteiligen, würde man da nein sagen? Es ist nach wie vor ein Geheimnis, wie stark die deutschen Dienste, vor alle der Verfassungsschutz, sich von den Anglo-Partnern auf deutschem Boden helfen lassen. Denn offiziell sind NSA oder CIA oder der MI6 hier nur begrenzt aktiv. In Amerika wurde das FBI-Programm COINTELPRO mit Ablegern wie WHITE HATE enthüllt. Immer wieder kreuzten die Wege von Rechtsradikalen aus verschiedenen Ländern. Die internationale Vernetzung erweckte bei Szenegängern den Eindruck, dass eine weltweite Allianz geschmiedet würde und sich der Aktivismus eines Tages lohnen könne.

Es gab sogar eine Gruppe in Deutschlands namens „European White Knights of the Ku Klux Klan“ (EWK KKK) in Anlehnung an verschiedene US-Gruppen mit ähnlichen Namen und der einschlägigen Tradition. Bekannt wurde der Klanableger in der Aufklärungsarbeit zum rechtsterroristischen NSU-Komplex. Zwei baden-württembergische Polizisten waren im Jahr 2002 Mitglieder der Gruppe.

Die zwei Beamten arbeiteten damals bei der Bereitschaftspolizei Böblingen, zu der auch Michèle Kiesewetter gehörte, die im Jahr 2007 mutmaßlich von der Terrorgruppe NSU erschossen worden war. Der NSU-Vertraute Thomas Richter, der unter dem Decknamen „Corelli“ langjährige V-Person des Verfassungsschutzes war, hatte Verbindungen zu dieser Gruppe. Im Rahmen der Ermittlungen wurde auch bekannt, dass es sich beim Gründer des Klans vermutlich um Achim Schmid, einen V-Mann des baden-württembergischen Verfassungsschutzes gehandelt haben soll.

Fazit

Der winzige Verfassungsschutz von Hessen quälte sich durch eine Million Blatt Papier, notierte ein paar Leute und szenetypische Vorgänge aus dem Dickicht der Neonaziszene, und stellte sich hinterher selbst ein gutes Zeugnis aus. Aus dem Dickicht von Leuten, die alle irgendwie Knarren und Sprengstoff haben wollten, habe es halt drei gegeben, die in den Untergrund verschwanden und hinterrücks Döner- und Blumenverkäufer erschossen mit einer alten, billigen Pistole.

Böhmermanns linkes Zielpublikum fühlt sich durch den Bericht diffus bestätigt in Grundansichten. Der Verfassungsschutz müssen dringend linker werden oder durch einen linken Nachfolger beerbt werden. Dann würde alles gut. Wirklich? Wohl kaum. Der Durchschnittsbürger denkt sich eher, dass überforderte Behörden sich verzettelt hatten mit all dem Managen von 30.000 Neonazis. Nachdem Mundlos und Böhnhardt im Wohnmobil abfackelten seien ein paar Akten vernichtet worden, weil höhere Beamte nicht den Schwarzen Peter wollten.

Wie man es dreht und wendet: Die Veröffentlichung des LfV-Berichts ist keine Bedrohung für irgendjemanden. Das Ding wurde ursprünglich für die nächsten 120 Jahre unter Geheimhaltung gestellt, konnte aber von manchen Politikern eingesehen werden. Es wirkte durch die Einstufung interessanter als es tatsächlich war. Man fühlt sich erinnert an die großen Veröffentlichungen von Wikileaks um das Jahr 2010 herum: Viel Hype um von vorneherein von der Regierung mehrfach bereinigte Datenbanken zum Afghanistan- und Irakkrieg. Die Massemedien benutzten das Zeug, um damit letztendlich sogar die Bush-Administration gut aussehen zu lassen. Solange das Publikum den Eindruck hatte, es handle sich um privilegierte Informationen, die irgendeinen tollen Nutzen hätten, war es zufrieden.

AlexBenesch
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