Die Karriere von Milton „Bill“ Cooper ist ein Armutszeugnis für die Verschwörungsszene der 1990er Jahre und sorgte für mehr Verwirrung als Aufklärung. Er verwob uralte Mythen mit erfundenen Science-Fiction-Ideen zu einer Verschwörungstheorie über alles beherrschende Außerirdische, und wurde damit ein Einfluss für die Hollywood-Serie „Akte X“.
Cooper hatte wahrscheinlich in der US-Marine gedient, allerdings ist nicht einmal wirklich gesichert, in welcher Funktion und seine Kritiker gehen davon aus, dass es sich um eine langweilige Tätigkeit auf dem untersten Niveau handelte. Er hingegen verbreitete hochtrabende Behauptungen, in der Luftwaffe und im Geheimdienst der Marine gearbeitet und dort hochgeheime Dokumente kopiert zu haben. In den heutigen Verschwörungsmedien ist es unüblich, sich mit einer erfundenen oder stark übertriebenen Militärkarriere zu schmücken. Es ist spielend einfach, seine Entlassungspapiere aus dem Militär oder aus dem Internet kopierte Dokumente in einem Bildbearbeitungsprogramm entsprechend zu ergänzen um militärische Auszeichnungen, Offiziersränge und Einsatzgebiete. Auf ebay oder in Kleinanzeigen oder in Läden kann man auch entsprechende Uniformen sowie Orden erwerben, um im richtigen Look posieren zu können. Solche Hochstapler erklären natürlich, dass ihre wichtigsten Missionen der Geheimhaltung unterliegen und dementsprechend keine schriftlichen Bestätigungen verfügbar seien. Cooper hätte eigentlich spielend leicht nachprüfbare Unterlagen seiner Dienstzeit herzeigen und in seinen Büchern abdrucken können, aber leider lieferte er nur vollmundige Geschichten ohne Belege. Andere Verschwörungsautoren wie Bo Gritz hatten überhaupt keine Probleme damit, ihre Militärkarriere zweifelsfrei zu belegen; Gritz war ein höherer Offizier bei den Spezialeinheiten der Armee. Cooper stritt sich leidenschaftlich mit ihm und bezeichnete ihn als Hochgradfreimaurer und Zionisten.
1988 tauchte der bisher unbekannte Cooper urplötzlich in UFO-Zirkeln auf und erzählte eine filmreife Geschichte, laut der er beim Marinegeheimdienst und bei der Luftwaffe UFOs gesehen und geheimste Dokumente für sich kopiert hätte. Zweifler wurden sofort vehement angegriffen und als Agenten der Regierung bezeichnet. Brian Doherty schrieb später in Reason Magazine:
“Cooper war ein totaler Spinner, im schlimmsten Sinne des Wortes. Seine Tiraden und Anschuldigungen gegen andere UFO-Forscher machten ihn zum Außenseiter in einer Gruppe von Außenseitern. Jeder, der nicht gleich alles glaubte, was Cooper erzählte, wurde gebrandmarkt als CIA-Agent und/oder als nützlicher Idiot der weitreichenden Verschwörung der Außerirdischen. Er war bekannt dafür, die ‘Forschungen’ von anderen Ufologen abzukupfern und behauptete, dass er all das bereits in Dokumenten des Marinegeheimdienstes in den frühen 1970er Jahren gesehen hätte; darunter auch Sachen, die die Ufologen einfach nur zum Spaß erfunden hatten.”
Don Ecker veröffentlichte im Sommer 1990 in der Publikation UFO Magazine eine Reihe an Enthüllungsberichten über Coopers Verhalten und seine vielen Widersprüche und unbelegten Geschichten. Als Ufologen Coopers Dokumente einsehen wollten, die er angeblich beim Marinegeheimdienst fotokopiert hatte, erwiderte Cooper, dass seine Garage mit den Dokumenten abgebrannt sei, ohne dabei zu enthüllen, wo er wohnte, denn dann hätte man bei der örtlichen Feuerwehr überprüfen können, ob es diesen Brand wirklich gegeben hatte. In der Folgezeit zauberte er dennoch immer neue angebliche Geheimdokumente aus dem Hut und verband seine Geschichten über Außerirdische mit altbekannten Texten aus der Verschwörungsliteratur. Daraus entstand 1991 das kommerziell erfolgreiche Buch „Behold a Pale Horse“, ein chaotischer Flickenteppich aus altem Material und völlig unbewiesenen Behauptungen über Außerirdische als Bosse der Illuminaten. Von Cooper stammt auch die Behauptung, John F. Kennedy sei mit einer Alien-Pistole von dem Fahrer seiner Limousine in Dallas erschossen worden, weil er die Existenz der Aliens publik machen wollte. Ein „geheimes“ Video von dem Attentat wurde nachgeschoben, bei dem es sich aber um eine billige Fälschung handelte. Nichtsdestotrotz vermarktete sich Cooper relativ effektiv über Buchverkäufe, Radio, Videos und öffentliche Auftritte, sodass er bald eine führende Position einnahm in der Szene und insbesondere bei den rechten Milizen und dem Umfeld des Ku-Klux-Klans ankam. Gleichzeitig beschwerte er sich, dass es die regierende linke Partei der Democrats auf ihn abgesehen hätte und dass das Finanzamt IRS ihn aus fadenscheinigen Vorwänden drangsaliere. Der IRS wurde später während der Obama-Administration tatsächlich dabei ertappt, selektiv Steuerprüfungen bei unbequemen Rechtskonservativen vorzunehmen, aber bei Cooper lässt sich rekonstruieren, dass er den Behörden eine Steilvorlage bot mit seinen abstrusen Argumentationen, laut denen er mit seiner eigenen (hauptsächlich herbeifantasierten) Milizgruppe quasi staatliche Souveränität genoss und der IRS kein Recht habe, von ihm Steuern einzuziehen. Viele regierungskritische Gruppen experimentierten damals mit solchen gefährlichen Spielereien und inspirierten damit auch die sogenannten „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ in Deutschland, die oft einfach nur in Geldnöten sind und daraufhin mit abstrusen Rechtsauffassungen die Behörden abwimmeln möchten. In Amerika versuchen auch heute noch Regierungskritiker vor Gericht alle möglichen absurden Tricks, von denen sie sich Immunität vor der Rechtsprechung der USA erwarten: Die Selbsterklärung als unzurechnungsfähiger „Idiot“, der nicht geistig klar genug sei, um den Gesetzen unterworfen zu sein, die Weigerung sich vor Gericht hinzusetzen und auf den eigenen Namen zu hören der im Personalausweis steht, die Selbstausrufung als „freier Mensch“ und vieles mehr. Cooper nutzte jahrelang mehrere Tricks, um eine amtlich gültige Zustellung der Anklageschrift wegen Steuerhinterziehung und Bankbetrug zu verhindern, erschien nicht zu einer gerichtlichen Anhörung und handelte sich damit den Status eines „Flüchtigen“ ein beim United States Marshals Service. Der zurückgezogen lebende Eigenbrötler Cooper hatte zudem noch einen Zwischenfall heraufbeschworen auf seinem Grundstück, wo er Leute aus der Nachbarschaft angeblich mit gezogener Waffe verscheuchte. Ein Haftbefehl wurde erwirkt und gewöhnliche Polizisten vom Apache County, nicht irgendwelche Beamte einer höheren Behörde, fuhren zu Coopers Behausung in Arizona. Der Gesuchte probierte zunächst, mit dem Auto zu fliehen, erkannte aber dann wohl die Sinnlosigkeit des Unterfangens, drehte um, raste dabei fast einen der Polizisten um, eröffnete laut Polizeiangaben das Feuer und verwundete einen Polizisten dabei schwer. In dem entstehenden Schusswechsel sei Cooper, der zuvor schon geschworen hatte sich nicht lebendig gefangen nehmen zu lassen, dann getötet worden. Die Nachricht von seinem Tod weckte besonders im rechtskonservativen Teil der Verschwörungsszene sofort Erinnerungen an die Vorfälle von Ruby Ridge und Waco, sodass Cooper den Status eines Märtyrers bekam. Für diesen Mythos des Heldentodes fehlen uns aber die Belege. Mehrere Tatsachen lassen hier Zweifel aufkommen:
- Die Behörden hatten jahrelang dabei zugesehen, wie er der Zustellung der Anklage wegen Steuerhinterziehung auswich. Anscheinend war er überhaupt keine Priorität für die Behörden
- Cooper hatte keinerlei Kämpfer seiner angeblich mächtigen Milizgruppe bei sich oder sonst irgendwelche Beschützer, was doch stark verwundert, wo er doch angeblich der größte und bedeutendste Aufdecker von Verschwörungen war
- Nicht hochprofessionelle Agenten der Bundesbehörden kamen, um ihn zu verhaften, sondern gewöhnliche Polizisten aus dem County, von denen auch noch einer angeschossen wurde. Ein Attentat von Profis hätte ganz anders ausgesehen und wäre leicht zu bewerkstelligen gewesen, weil Cooper ja keine Mitstreiter bei sich hatte. Profis hätten Cooper schleichend vergiften können, ohne Aufmerksamkeit zu erregen
- Coopers Verhalten wies über einen langen Zeitraum durchgehend einschlägige Warnzeichen auf für narzisstische, antisoziale und paranoide Züge oder sogar vielleicht eine ausgewachsene Persönlichkeitsstörung. Solchen Personen fehlt es oft an Einsicht, Realitätsbezug und am Willen, sich an irgendwelche Regeln zu halten. Kommt es zu einer Konfrontation mit Polizeibeamten, eskaliert eine Situation schnell
- Coopers „Enthüllungen“ waren nur altbekanntes Material, dass in den Jahrzehnten zuvor schon millionenfach in anderen Büchern abgedruckt worden war, sowie erfundene Alien-Geschichten ohne Beweise. Es gibt keinen Grund zur Annahme, dass Cooper eine schwere Bedrohung für die Eliten der USA geworden war.
Sein Tod und die neuen Möglichkeiten des Internets gaben eine Weile lang seinen Büchern und Videos neuen Auftrieb, dann wurde es aber sehr still.