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Alphonse Toussenels „Die Juden, Könige der Epoche“

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Der sozialistische französische Journalist Alphonse Toussenel gilt als Begründer des modernen Antisemitismus, da er nicht nur die altmodischen Klischees ausbreitete über Satansanbetung, sondern eine neuartige Rassentheorie formte und diese mit einer politischen Ideologie verband. Sein Buch „Die Juden, Könige der Epoche: Eine Geschichte des Finanzfeudalismus“ von 1846 gilt als Schlüsselwerk des linken Antisemitismus. Als großer Aufhänger wird James de Rothschild benutzt, der die Bahnlinie von Paris nach Belgien erwerben konnte. Toussenel warnte eindringlich davor, dass Juden die Weltherrschaft anstreben würden. Die Firma „Compagnie des chemins de fer du Nord“ (NORD) gehörte dem französischen und dem britischen Arm der Rothschild-Bankerfamilie und wurde in der Folgezeit immer weiter ausgebaut. Aber 1938 erfolgte die Verstaatlichung der NORD und anderer Privatbahnen. Sicherlich war es für einige Beobachter suspekt, wenn eine einzelne Bank solch ein Übergewicht hatte und dann auch noch ein britischer Zweig beteiligt war. Aber die Eisenbahn war wohl kaum ein Beleg für eine jüdische Weltverschwörung. Jeder wusste, dass die politische Situation in Frankreich wackelig war und dass theoretisch jederzeit eine neue Regierung privatwirtschaftliche Projekte verstaatlichen könnte. Der deutsche Dichter Heinrich Heine, der einen jüdischen Familienhintergrund hatte, besuchte 1841 die Pariser Bank seines Freundes Baron James de Rothschild und schrieb hinterher:

Geld ist der Gott unserer Zeit, und Rothschild ist sein Prophet.

Juden hatten über viele Jahrhunderte in Europa hinweg gelitten unter der Diskriminierung, die primär vom Adel und der Kirche gesteuert war. Deshalb wirkte das Freimaurertum, dem Heine angehörte, so attraktiv, denn hier wurde die alttestamentarische Tradition der Antike gewürdigt und Mitglieder, die den dritten Grad erreicht hatten, galten zumindest in der Loge als ebenbürtig. Sozialistische Ideen wirkten für Heine teils spannend, teils gefährlich. Der Verdacht ist, dass James de Rothschild im Auftrag Britanniens spionierte und mit verdeckten Geldzahlungen aufrührerische Gruppen finanzierte, was ein völlig normaler Vorgang gewesen wäre. Den antisemitischen Klischées der 1800er Jahre zufolge hatten Juden keine Wurzeln und keine echte Heimat; demzufolge seien sie politisch neutral und würden sich nur um Gewinne scheren, anstatt um die Belange irgendeiner bestimmten Nation. Diese stereotypen Vorstellungen boten eine gewisse Tarnung für die Aktivitäten von James de Rothschild, aber gleichzeitig entstand im Laufe der Zeit der gefährliche Mythos, der Rothschild-Clan hätte im Zusammenspiel mit anderen jüdischen Bankern immer beide Seiten von kriegerischen Auseinandersetzungen in Europa und anderswo finanziert, um die Nationen gegeneinander auszuspielen. Falls auch nur der Hauch eines ernsthaften derartigen Verdachts aufgekommen wäre, hätte dies die Verhaftung oder gar Ermordung der Rothschilds bedeutet und sogar eine Gefahr für die Frauen und Kinder in der Familie. Jeder wusste, wo die Rothschilds wohnten. Die großen Nationen Europas und deren dominierende Adelshäuser hatten immer wieder sondiert, ob ein dauerhafter Zusammenschluss machbar sei und waren sich durchaus bewusst darüber, dass große Konflikte potenziell ruinös sind und dass man unbedingt darauf achten muss, dass keine aufstrebende kleinere Macht die Großmächte in ruinöse Kriege verwickelt. In den gängigen Verschwörungsmedien der 1800er und 1900er Jahre hielt sich hartnäckig der Mythos, die Rothschilds hätten mühelos alle großen Adelshäuser gegeneinander ausgespielt und dann auch noch die Revolutionen finanziert in Frankreich, Russland und China. In dem amerikanischen Bestseller-Verschwörungsbuch „None dare call it conspiracy“ schreibt Gary Allen:

Die Rothschilds wurden im neunzehnten Jahrhundert unglaublich reich, indem sie Regierungen finanzierten, um gegeneinander zu kämpfen.

Professor Stuart Crane sagte: Wenn Sie auf jeden Krieg in Europa im 19. Jahrhun-dert zurückblicken, werden Sie feststellen, dass er immer mit der Schaffung eines neuen Kräfteverhältnisses endete. Immer gab es dann ein Kräfteverhältnis, be-stimmt von dem Haus Rothschild in England, Frankreich oder Österreich. Sie grup-pierten Nationen so, dass ein Krieg ausbrechen würde, wenn ein König aus der Reihe tanzte, und entschieden, auf welche Weise die Finanzierung verlief. Die Un-tersuchung der Schuldenpositionen der kriegführenden Nationen zeigt für ge-wöhnlich, wer bestraft werden sollte.

Für den Hochadel, der das britische Kolonialreich steuerte (Welfen, Wettiner, Reginare) war es bereits in den 1800er Jahren eine willkommene Ablenkung, wenn diese Märchen zirkulierten. Nathan Rothschild in Britannien tat einfach wie ihm vom Adel aufgetragen wurde, handelte mit Bonds um Geld zu beschaffen für das Militär und transportierte Geld zu Feldmarschall Wellington. In Paris half James de Rothschild ganz offen bei der Finanzierung der „Französischen Invasion in Spanien“, weil in Spanien eine Revolte die Herrschaft von König Ferdinand VII. bedrohte. Ferdinands Mutter war aus dem Haus der Bourbonen, das im Zuge der Französischen Revolution gestürzt war. Ferdinand war von Karl IV. als sein Sohn anerkannt worden und Karls Mutter war Maria Amalia von Sachsen aus dem Kreis der Welfen, Wettiner und Reginare. In der Nähe von Paris ließ James de Rothschild ab 1855 das berüchtigte Schloss Ferrières bauen, welches zum ständigen Sitz der Familie wurde. Bei seinem Tod verfügte Rothschild laut der gewöhnlichen Geschichtsschreibung über das größte private Geldvermögen der damaligen Zeit. Viel eher handelte es sich dabei um das Geld der britischen Krone. Bis zum heutigen Tag gibt es keine ausführliche Studie darüber, ob und im welche Umfang es eine Desinformationskampagne britisch-adeliger Geheimdienste gab, um die antisemitischen Märchen über die Rothschilds und andere jüdische Banker möglichst weit zu verbreiten. In den 1980er und 1990er Jahre wurden Bestseller-Bücher aus dem Verschwörungsgenre von amerikanischen Autoren wie Gary Allen ins Deutsche übersetzt. Gerade die Autoren aus der „John Birch Society“ ragen hierbei heraus. Deutsche Autoren erstellten Collagen mit übersetzten Stellen aus den amerikanischen Büchern.

AlexBenesch
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