Von Alexander Benesch
Der Kanadier Stefan Molyneux ist ein populärer Internet-Philosoph aus dem ultraliberalen, anarchokapitalistischen Sektor. In tausenden Podcasts und Videos wettert er theatralisch gegen das Wählen und die Republik als die satanischen Grundübel der Menschheit. Soweit so uninteressant. So manche Eltern machten aber Erfahrungen wie die folgende:
„Vor fast drei Jahren empfahl ich meinem Sohn, die Podcasts von Stefan Molyneux anzuhören. Wir glauben an Freiheit und verbrachten viele Stunden mit der Diskussion über Politik und Philosophie. Sechs Monate später, brach mein Sohn jede Verbindung mit uns ab.“
„Sam war ein junger Erwachsener. Seine Kindheit war idyllisch – eine sichere Umgebung, eine liebevolle Familie, christlich erzogen aber er hatte die Freiheit für sich selbst zu denken. Nach seinem Schulabschluss ging er zur Army – einer seiner Kindheitsträume – und lebte im Süden. Er hielt starke Bindungen zu seiner Familie und Freunden in mehreren Bundesstaaten aufrecht. Er fuhr sogar durch das ganze Land zum Geburtstag seiner Mutter! Innerhalb von zwei Monaten war alles anders. Wo es zuvor noch hieß ‚Ich werde für euch beten‘, hieß es plötzlich ‚Ich habe keinen Glauben‘ und er trennte sich rigoros von Familie und Freunden. Sogar von seinen drei Geschwistern. Viele von uns haben versucht. herauszufinden was in Sams Leben vor sich ging. Das einzige das er erwähnte, waren die Lehren von Stefan Molyneux, (dessen Frau) Christina Papadopoulos und der Blog-Anhänger bei FreeDomainRadio. Innerhalb von Monaten verabschiedete er sich mit wütenden Worten für immer von uns. Sein Brief war voll mit verrücktem Jargon und Phrasen.“
Völlig allein, beging Sam Selbstmord.
Molyneuxs Frau Christina Papadopoulos, eine Therapeutin, wurde vom College of Psychologists of Ontario offiziell gerügt für Fehlverhalten in mehreren Fällen, in denen sie in der Radiosendung ihres Mannes Ratschläge an verwundbare Menschen gegeben hatte, die eigenen Familien zu verstoßen. Mehrere betroffene Eltern aus Großbritannien und den USA wandten sich an die kanadische Zeitung Globe and Mail. Das College of Psychologists of Ontario begann seine Ermittlungen erst, nachdem formelle Beschwerden von Eltern eingegangen waren.
Nicht einmal Ms. Papadopoulos selbst hatte sich einst mit ihren eigenen Eltern ausgesprochen, sondern brach urplötzlich die Beziehung ab. In einem der vielen Podcasts sprachen Christina und Stefan mit einem Anrufer, dessen Mutter verzweifelt E-mails mit der Bitte um Kontakt sandte. Shristina sagte zu dem Anrufer:
„Sie versucht nur dich zu manipulieren. Sie spielt auf deine Schuldgefühle an. Das Beste das du tun kannst, ist nicht darauf einzugehen. Sobald du antwortest, weiß sie dass sie dich hat.“
In ihrem Beruf als Clinical Director beim Mississauga’s Meadowvale Psychological Services traute sie sich interessanterweise nicht, ihren Therapiekunden nahezulegen, sich von den Eltern zu trennen. Der 1966 geborene Kanadier Stefan Molyneux hatte nach eigenen Angaben eine furchtbare Kindheit auf Grund furchtbarer Eltern. Hinter dem jovial, immer fröhlich auftretenden Internetphilosophen verbirgt sich nach seinen eigenen Worten eine desolate Innenwelt:
„Ich musste viele Dinge hinter mich bringen. Ich meine, sieh her, ich habe 20 beschissene Jahre lang versucht, dass Sachen von mir veröffentlicht werden, niemand interessierte sich für mich in der Hochschule, mein Unternehmen wurde mir entrissen und unter Wert verkauft, ich hatte viel Verbitterung, viele Vertrauensbrüche in der Familie, Gewalt und so weiter. Ich hatte viel Verbitterung.“
Die führenden Kult- und Sektenexperten wie Ian Haworth vom britischen Cult Information Centre, Rick Ross sowie die anerkannte International Cultic Studies Association (I.C.S.A.) haben alle längst begonnen, Molyneux und seine FreeDomain-Community zu beobachten. Das I.C.S.A. schrieb:
Rob Griesbach aus Virginia, der FDR [FreeDomain Radio] mit 16 Jahren kontaktierte, sagt: „Ich benutzte FDR als eine Flucht vor der Realität.“ Ein ehemaliges Mitglied aus Arizona sagt: „Er [Molyneux] versucht immer, Missstände und Gründe dafür herauszupicken, um wütend zu sein. Was auch immer für ein Problem man hat, er führt es auf deine Eltern zurück.“ Der Vater einer weiteren Person berichtete, dass „Mitgliedern eingetrichtert wurde, jede Kritik an [FDR] durch Eltern als einen persönlichen Angriff auf das Kind zu bewerten, was jene noch weiter davontreibt.“ Eine Tochter die die Princeton-Universität verlassen hatte, anwortete einfach nicht mehr auf Telefonanrufe und Emails, sagt ihr Vater. „Wir wussten nicht ob sie krank oder tot war.“ Nach zwei Jahren Ehe beendete Molyneuxs Frau, die auch seine Mitstreiterin ist, den Kontakt zu ihren Eltern. Molyneux, der sich auch von seinen Eltern abgewandt hatte, entwickelte und codifizierte eine Philosophie und Psychologie, um diese Herangehensweise zu stützen.
Die Zeitung London Guardian zitierte Molyneux mit den Worten:
„Tief in mir drin glaube ich nicht, dass es tatsächlich irgendwelche guten Eltern da draußen gibt. Genauso wie ich glaube, dass es tatsächlich irgendwelche guten Ärzte im 10. Jahrhundert gab.“
Molyneux und seine Frau haben ein richtiges System entwickelt, um vor allem junge Erwachsene von ihren Eltern abzuspalten. Mit all den Youtube-Videos und Podcasts über Politik und Liberalismus weckt man Interesse und lockt sie in die Chaträume. Nach der überschwenglichen Kennenlernphase wird dem neuen Rekruten nahegelegt, doch das kostenlose E-book „On Truth – The Tyranny of Illusion“ zu lesen. Darin heißt es, wer seinen Eltern oder anderen Figuren mit mehr Erfahrung traut, der sei praktisch in einer Sekte. Daher stamme das Wort „Kult“ in Kultur. Eifersüchtig und routiniert sägt Molyneux an jeder engen Beziehung, die seine Hörer und Zuschauer mit anderen Menschen haben. Dann gibt es noch spezielle Podcasts zu hören mit Titeln wie „Aber meine Eltern waren doch nett“ oder FDR-Podcast # 348: Escaping Your Family Step By Step – Part 2. Darin heißt es vom Guru:
„Bitte schickt mir eine Spende. Es macht es einfacher für dich, deine Familie zu konfrontieren, wenn du mit einer hohen Integrität in deinem Leben handelst.“
Dann hört der Neuling die sonntägliche Sendung von Stefan, in die zahlreiche Leute anrufen um über alles mögliche zu reden. Unweigerlich steuert die Unterhaltung auf die „verkommenen“ Eltern des Anrufers zu. Ein Anrufer klagte:
„Manchmal schrie mein Vater unsere Katze Fluffy an, wenn er wütend war.“
Worauf er die Antwort bekam:
„Es tut mir so leid, dass du das erleben musstest. Was für ein Monster, direkt aus der Hölle. Deine Kindheit muss verheerend gewesen sein. Sag mir: Hat er jemals die Katze in der Öffentlichkeit angeschrien?“
Anrufer:
„Ähm, nein.“
Molyneux:
„Ich wusste es! Das beweist, dass er nicht verrückt ist. Er ist ein hasserfüllter, satanischer Dämon der diese unaussprechlichen Dinge absichtlich tut. Ich fordere dich nicht dazu auf, dich von deiner Familie zu trennen, aber du wärst ein Verlierer, wenn du es nicht tätest.“
Je tiefer man in FDR drinsteckt, umso größer wird der Druck, alle Bindungen zu den eigenen Eltern zu lösen. Das entstehende Vakuum füllt dann bereitwillig die Gruppe. In Molyneuxs Worten:
„Wenn du den größten Dienst für politische Freiheit leisten willst, musst du nur all deine unbefriedigenden Beziehungen beenden. Egal ob Eltern, Geschwistern, Ehepartner.“
„Durchschnittliche Eltern können genausowenig Moral neu erfinden wie sie ein Space Shuttle in ihrem Garten bauen können. Trotzdem schaffen sie es, dass ihre Kinder ihnen gehorchen. Wie schaffen sie das? Oh, mit den üblichen Methoden: Schuldgefühle, Scham, emotionale Abschottung, Kritik, Bestechung, Zwang, Manipulation – der übliche Mist der in der Geschichte als Erziehung durchging. […]
Sieh der Wahrheit ins Auge: Deine Eltern waren Tyrannen. […] Man will dir erzählen dass du deine Beziehung zu deinen Eltern reparieren sollst, aber das ist unmöglich, eine völlige Zeitverschwendung die außerdem verrückt machen wird. Da sie dir wehtaten als du jung warst, kannst du diese Beziehung nicht reparieren.“
Was sind die typischen Sünden der verkommenen Eltern?
„Sie haben dich in die Kirche mitgenommen.“
„Dein Vater hat dich dominiert.“
„Sie haben dich missbraucht indem sie dich zwangen, dich in der Öffentlichkeit zu benehmen.“
Besteht ein Anrufer hartnäckig darauf, dass er eine wirklich schöne Kindheit hatte, wird Molyneux zunehmend frustriert und lässt Dinger vom Stapel wie:
„Du warst denen so egal, dass sie sich nicht einmal die Mühe machten, dich zu schlagen.“
Um nicht völlig verrückt und unseriös zu wirken, wird nach außen auch manchmal widerwillig empfohlen, Therapie zu versuchen bei Beziehungen. Den Anrufern sagt Stefan aber wieder:
„Warum sich die Mühe machen, wenn die eh nicht darauf eingehen?“
Die Hoffnung ist, dass Eltern auf den überplötzlichen, konfrontativen Vorschlag einer Therapie mit dem Gegenvorschlag reagieren, doch erst einmal darüber zu reden. Schon hat man die scheinbare Bestätigung: Sie wollen nicht! Molyneux hatte Recht! Die Grundregel lautet, dass der Bruch mit den Eltern plötzlich und ohne Warnung stattfinden muss. Den Eltern darf keine Gelegenheit gegeben werden, sich zu rechtfertigen und die Sache auszusprechen: Umziehen, Telefonnummer wechseln. Gerade in der Phase des Erwachsenwerdens und des Übergangs in ein selbstständiges Leben sind die Molyneux’schen Ratschläge besonders destruktiv.
Auch Freunde, die sich nicht rekrutieren lassen, soll man in den Wind schießen. Dafür und für 50$ Spendenbeitrag im Monat, bleibt man Mitglied dieser erlauchten FDR-Gruppe und trägt den Titel „Philosophenkönig“.
Checkliste: Woran erkennen sie, dass sie selbst ein Molypod (anhänger von Molyneuxs FDR) sind?
- Sie hören endlos Podcasts und Youtube-Videos von Stefan und Christina
- Sie haben alle Bindungen zur Familie und engen Freunden abgebrochen. Es bleiben ihnen nur noch andere Molypods als Umgang
- Sie wissen zwar, dass Stefan alle seine philosophischen Konzepte woanders hergenommen hat, gleichzeitig glauben sie ihm dass er alles selbst erfunden hätte
- Sie betrachten jede Kritik an dem Pärchen als Verfolgung eines Helden
- Ihnen sind alle vorherigen Punkte auf einer bestimmten Ebene bewusst, trotzdem verteidigen sie FDR