Alexander Benesch
Das Bundesverwaltungsgericht hat am Mittwoch in Leipzig entschieden, einem klagenden Journalisten die Einsicht in die BND-Unterlagen über den Tod des CDU-Politikers und ehemaligen Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein Uwe Barschel zu verweigern. Das Bundesarchivgesetz schreibe eine festgeschriebene Schutzfrist von 30 Jahren vor. Der Tod von Uwe Barschel und die Staatsgeheimnisse die er ausplaudern wollte, sind untrennbar verbunden mit dem israelischen Geheimdienst Mossad und dessen verdeckter Unterstützung für den heutigen Todfeind Iran.
In seinem Enthüllungsbuch „The Other Side of Deception“ lieferte Victor Ostrovsky bereits 1994 die bisher solideste und glaubwürdigste Darstellung der Ereignisse, die die Bundesrepublik erschütterten. Als einer der wenigen Auserwählten, die die volle Ausbildung zu einem Mossad-Führungsagenten durchlaufen hatten, sah er Details über „Operation Hannibal“ in der Abteilung, die sich mit Dänemark beschäftigte. Später lieferte ihm ein Kollege den Rest der Informationen.
Der Kern war ein heikles Waffengeschäft zwischen Israel und dem Iran; das Ayatollah-Regime benötigte dringend Flugzeugteile für seine Luftwaffe im Krieg gegen den Irak, während die Israelis daran interessiert waren, diesen Krieg zu verlängern. Eine direkte Lieferung wurde ausgeschlossen, also schuf man mit Operation Hannibal einen tarnenden Umweg durch Italien, Deutschland und Dänemark, wobei man sich die Kooperation von Geheimdiensten sicherte, welche ihre Regierungen auch notfalls im Dunkeln ließen. Der deutsche Bundesnachrichtendienst (BND) galt insgesamt nicht als vertrauenswürdig, da man von einer tiefgreifenden Infiltrierung durch Stasi- und KGB-Agenten ausging. Trotzdem hatte man einzelne Verbindungsleute genutzt und darüberhinaus separate Beziehungen geknüpft zu den verschiedenen Nachrichtendiensten der einzelnen Bundesländer sowie zu diversen Polizeidezernaten wie in Kiel oder Hamburg. Man rekrutierte einen Kontaktmann beim BND, der bekannt war durch Deals mit dem Ex-Mossad-Agenten und Mann für krumme Geschäfte Mike Harari.
Radarkomponenten, ganze Motoren und Flügelteile für Irans Kampfbomber wurden im Ashdod-Hafen in speziellen Containern auf israelische Schiffe verladen, zu italienischen Häfen transportiert und dort von Agenten des italienischen Nachrichtendienstes SISMI mit falschen Papieren als Gemüse deklariert. Weitere Hilfestellung kam durch die treu ergebenen Unterlinge von Licio Gelli und der berüchtigten Freimaurerloge Propaganda Due, sowie von italienischen Zellen der ultrageheimen Gladio-Organisation der NATO. Das „Gemüse“ wurde per Laster bis nach Hamburg zu Lagerhäusern gebracht, wo neue Fahrer israelischer Staatsbürgerschaft übernahmen und die Ware zu einer alten Start- und Landebahn in Kiel transportierten. Ein Iraner, der in den USA studiert hatte, prüfte die Flugzeugkomponenten und bezahlte die erste Hälfte der vereinbarten Summe. BND-Funktionäre aus dem mittleren Bereich der Hierarchie-Ebene hätten sich laut Ostrovsky durch die Beteuerungen des Mossad beeindrucken lassen, dass eine Kooperation Gold wert sein würde für ihre Karrieren. Der dänische Geheimdienst sicherte den vorletzten Teil der Transportroute durch Dänemark; mitte 1987 jedoch führte eine politische Krise und ein instabiles politisches Klima zu einem Rückzieher der Dänen.
Die Deutschen schlugen vor, den Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein Uwe Barschel mit einzuweihen. Man zog alle Register bei der Überzeugungsarbeit, bot u.a. Hilfe in Form von Geldern des Bundes an um ein marodes Unternehmen und zahlreiche Arbeitsplätze zu retten. Was den Mossad und die in Operation Hannibal involvierten BND-Agenten interessierte, waren die Häfen und die zahllosen Möglichkeiten, das „Gemüse“ an den Iran zu verschiffen. Nach einer deutlichen Abfuhr begann Agent „Ran“ vom Mossad, an Barschels Ast zu sägen und einen Politiker von der Opposition ins Amt zu helfen: Björn Engholm von der SPD sei begeistert gewesen von der Aussicht, trotz pessimistischer Wahlprognosen doch noch zu gewinnen. Agent „Yoel“ von der Station in Bonn zusammen mit Ran prüfte die Polizeiakten von Barschels Team in Kiel und Hamburg; man fand bei einem Reiner Pfeiffer angeblich ein aus fragwürdigem Grund eingestelltes Verfahren wegen Gewalt gegen eine Prostituierte. Laut Victor Ostrovsky rekrutierte der Mossad Pfeiffer mit diesen Informationen in der Hinterhand. Für den Landtagswahlkampf hatte sich Barschel vom Axel Springer Verlag den Journalisten Pfeiffer vermitteln lassen. Dieser wurde als Medienreferent in der Staatskanzlei eingestellt, wo er offiziell für die Medienbeobachtung zuständig war. In der Folgezeit entfaltete Pfeiffer eine Vielzahl von hirnrissigen Aktivitäten gegen politische Gegner der CDU:
- Er erstattete gegen Engholm eine anonyme Anzeige wegen Steuerhinterziehung, in welcher er unter Verwendung detaillierter Daten behauptete, Engholm habe Einkünfte nicht ordnungsgemäß versteuert. Die Anzeige führte allerdings nicht zu einem Strafverfahren gegen Engholm.
- Er ließ Björn Engholm durch Detektive überwachen in der Hoffnung, Details aus dem Privatleben Engholms in Erfahrung zu bringen, die sich im Wahlkampf verwenden ließen.
- Zudem rief Pfeiffer bei Engholm zu Hause an, gab sich als Arzt Dr. Wagner aus und behauptete, er habe vertrauliche Hinweise darauf erlangt, dass Engholm an AIDS erkrankt sein könne.
- Er fälschte eine Pressemitteilung der schleswig-holsteinischen Grünen, in der diese scheinbar unter der Überschrift „Grüne: Engholms Taufe eine peinliche Wahlkampfmasche“ Engholms Wiedereintritt in die Kirche als „Gipfel der Taktlosigkeit“ bezeichneten.
- Er säte gezielt mit falschen Behauptungen Unfrieden unter den führenden Repräsentanten der Unabhängigen Wählergemeinschaft Schleswig-Holstein (UWSH), einer bürgerlich-konservativen Gruppierung, durch die die CDU ihre absolute Mehrheit besonders gefährdet sah.
In der Ausgabe vom 14. September 1987 berichtete der Spiegel in der Titelgeschichte ausführlich […]. Insbesondere schrieb der Spiegel, dass Pfeiffer in, dem Spiegel vorliegenden, eidesstattlichen Versicherungen zugegeben habe, diese Aktionen initiiert zu haben. Pfeiffer habe in diesen eidesstattlichen Versicherungen bekundet, er habe mit Wissen und im Auftrag von Barschel gehandelt. Noch in der Woche vor der Landtagswahl habe Barschel Pfeiffer beauftragt, eine Abhörwanze zu besorgen und in Barschels Telefon einbauen zu lassen. Diese Wanze habe dann auf spektakuläre Weise scheinbar entdeckt werden sollen, ihr Einbau sollte dann der SPD angelastet werden.
Nachdem Pfeiffers Farce kurz vor der Wahl in sich zusammenfiel, gab es massive Schuldzuweisungen gegen Barschel, der prompt die Wahl verlor. Gleichzeitig lief eine Desinformationskampagne des Mossad um Falschinformationen zu streuen über angeblich krumme Waffendeals von Barschel und dessen Bruder. Barschel kontaktierte den BND, der dank den Israelis inzwischen extrem misstrauisch geworden war und drohte damit, Informationen publik zu machen über die Waffentransporte an den Iran. Sollte er seine Drohung wahrmachen, hätte dies einen extrem problematischen Fallout zur Folge gehabt.
Barschel bekam im Urlaub auf den Kanaren laut Ostrovsky einen Anruf von Ran, ausgerechnet der Mann der seinen politischen Untergang orchestriert hatte. Ran identifizierte sich verständlicherweise nicht als Mossad-Führungsoffizier, sondern lockte Barschel nach Genf um ihm dort angeblich Dokumente zu überreichen, die seinen Namen reinwaschen könnten. Ein sogenanntes Kidon-Team von professionellen Attentätern checkte unter Decknamen und falschen Identitäten im Beau Rivage-Hotel in Genf ein.
Anstatt Dokumente zu überreichen, machte Ran den letzten Versuch eines Angebotes, Schweigegeld zu zahlen. Der Direktor des Mossad war in einem weiteren Hotel in derseben Straße unter dem Namen P. Marshon einquartiert und erfuhr von Ran, dass Barschel abgelehnt hatte und wahrscheinlich im Untersuchungsausschuss auspacken würde. Der ehmalige Ministerpräsident verlor durch ein Betäubungsmittel im Wein das Bewusstsein, die Kidon-Attentäter breiteten eine Plastikfolie auf dem Bett aus, legten Barschel darauf, führten einen Schlauch in seine Speiseröhre ein, gaben ihm Medikamente die ein hohes Fieber bewirken und legten ihn in die Badewanne mit Eiswasser. Ein Herzinfarkt führte schließlich zum Tod.
Laut Gutachten des Zürcher Toxikologen Hans Brandenberger stellt die Konzentrationsverteilung der Substanzen im Magen, Blut und Urin Barschels einen Beweis für Fremdeinwirken dar. Die Untersuchung ergab, dass sich das Cyclobarbital noch in der Anflutungsphase befand, während die anderen Beruhigungsmittel bereits ihre Wirkung entfaltet hatten. Barschel könne nicht zunächst die stark sedierenden Substanzen und dann nachträglich das tödliche Cyclobarbital zu sich genommen haben. Daher geht Brandenberger davon aus, dass diese Substanzen Barschel im bewusstlosen Zustand von einer anderen Person verabreicht wurden.
Barschel bestellte beim Zimmerservice eine Flasche 85er Beaujolais Le Chat-Botté, die gegen 18:30 Uhr mit zwei Gläsern – wie in diesem Hotel üblich – auf das Zimmer geliefert wurde. Barschel hatte die Flasche im Beisein des Kellners geöffnet und den Wein probiert, nach seinem Tod war die Flasche nicht auffindbar.
Die deutschen Behörden lehnen selbstverständlich die Darstellung von Ostrovsky ab.
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