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Die Sehnsucht nach dem Übernatürlichen und der Erfolg auf dem Boden

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Von Alexander Benesch

Was ist das Kernelement von den derzeit 21 unterschiedlichen Weltreligionen mit ihren unzähligen konkurrierenden Unterkonfessionen? Was ist das Kernelement von all den Büchern und Programmen über Kristallschädel, Reinkarnation, Außerirdische, längst untergegangene Kulte und vermeintliche Wunder? Was ist das Kernelement jeder existierenden Geistergeschichte in Romanform oder als Verfilmung?

Sobald ich mich dafür entscheide, an die Existenz übernatürlichen Phänomenen zu glauben (die ihnen von Menschen erzählt werden), dann entsteht auf dieser wackeligen Grundannahme zwangsläufig eine ganze Reihe an Schlussfolgerungen die einem nicht unbedingt sofort voll bewusst werden: Die übernatürlichen Sphären und Wesen seien der gewöhnlichen, materiellen Welt und den Geschöpfen darin weit überlegen. Ansonsten wären sie ja langweilig. Für die Geister, Engel und Dämonen gelten keine normalen Einschränkungen wie Raum, Zeit, Sterblichkeit und menschliche Hürden. Diese Wesen haben was wir wollen. Man könne bestimmte Regeln dieser übernatürlichen Sphären lernen, Kontakte herstellen und Abmachungen treffen und sich so Vorteile in der materiellen Welt verschaffen. Man sei in der Lage, mit bestimmten Methoden in die übernatürlichen Sphären hineinzuschnuppern und irgendwann (etwa nach dem Tod) sogar vollends in der übernatürlichen Sphäre zu existieren mit allen damit verbundenen Vorzügen.

Der Mensch fürchtet sich vor Tod, Schmerzen, Einsamkeit, Verstoßen-werden, Armut, Gefangenschaft, Erniedrigung, Verlust von Angehörigen und Freunden, Bedeutungslosigkeit. Die vielfältigen Priester der noch vielfältigeren übernatürlichen Sphären versprechen analog dazu ewiges Leben, eine starke Gemeinschaft, Unverwundbarkeit, Reichtum, Ansehen, ein extrem hohes Maß an Bedeutung und die Unversehrtheit von Freunden und Angehörigen. Echte empirische Beweise können die geistlichen Führer natürlich nicht vorlegen, deshalb sind rituelle Ersatzhandlungen, Wortspiele, zirkuläre Argumente, emotionale Manipulation und leider auch glatter Betrug zu einer wahren Kunstform geworden. Schamanen hätten früher nicht überlebt, wenn sie nicht Wege gefunden hätten, schwammige Vorhersagen aus Vogelknochen oder Exkrementen zu treffen, die mit der entsprechenden Deutung hinterher immer irgendwie „stimmen“.

Der Einstieg in den festeren Glauben ist die schwammige Akzeptanz von Erzählungen über allerhand behauptete Wunder, Ungereimtheiten und „Unerklärliches“. Haarig wird es wenn Leute die Erlernung der Logik, der menschlichen Natur und der physischen Gesundheit einfach überspringen wollen und gleich mit den verheißungsvollen Sphären „jenseits“ der Logik und Vernunft beginnen.

Ihnen reichen oft vorwissenschaftliche Argumentationsweisen, wie beispielsweise der Verweis auf Authorität: Es sei einfach deshalb wahr, weil es der heilige Ashram-Guru namens Rahshmapandandra Swamibuddha gesagt oder „empfangen“ hat. Oder das Traditionsargument: Es sei wahr, weil das schon seit 852 nach Christus geglaubt wird. Besonders wirksam heute sind auch pseudowissenschaftliche Sachbeweise: Wenn sie den Bibeltext in ein spezielles Bibelcode-Programm einfüttern, kämen allerhand (höchst schwammige) Vorhersagen dabei heraus die in den letzten Jahrzehnten eingetroffen sind! Hätten sie lieber bewusste oder unbewusste Fehldeutungen von antiken Hieroglyphen, Bildnissen, Bauwerken und Schriften. Zusätzlich erdichtete, durch Schauungen empfangene, gefälschte Texte die die bekannten religiösen Schriften „ergänzen“ oder „entschlüsseln“ sollen?

Der sinnsuchende Mensch versucht, „das Richtige“ zu tun, Sehnsüchte zu befriedigen und Mängel zu beheben, seien es nun Mängel der Zivilisation oder die eigenen, gewöhnlichen menschlichen. Findige religiöse Führer suchen gezielt „Kunden“ um jenen nach bekannten Marketingregeln Geschäfte anzubieten, ohne das so deutlich zu machen. Geld und Unterwerfung gegen das Versprechen auf all die verheißungsvollen Wirkungen im Diesseits und Jenseits.

Scientology hat beispielsweise das Problem, dass Anhänger die bereits viel Geld ausgegeben haben für Auditing-Kurse, Hubbard-Bücher und Vitaminpillen, ungeduldig irgendwann einen völlig gereinigten Menschen, einen sog. Clear, sehen wollen um sich empirisch zu überzeugen, dass die wundervollen Verheißungen auch wirklich eintreten. Bekommt ein OT Level-Anhänger doch Krebs, könnte er zum frustrierten Whistleblower werden. Diejenigen Organisationen, die Reinkarnation und Karmalehre predigen, können auch niemanden vorweisen der tatsächlich die höchsten Level erklommen hat. Bestenfalls dürfen sie irgendwelche theatralischen Showmaster sehen die auch nicht zaubern können.

Der gläubige Rekrut soll nach Möglichkeit nicht den offensichtlichen Widerspruch des Geistlichen entdecken, dass einerseits zahllose ganz konkrete Angaben über die „anderen Sphären und Wesen“ gemacht werden und dass diese anderen Sphären angblich in erheblichem Maße mit unserer „gewöhnlichen“ Welt interagieren (andernfalls wäre das Jenseits für uns belanglos), aber andererseits der Geistliche sich vehement weigert, zweifelsfreie reproduzierbare und objektive Beweise vorzulegen. Vor dem Kauf eines Fernsehers oder eines Computers, können sie sich die Funktionen vorher problemlos demonstrieren lassen. Sie bekommen keinen stummen Kasten ohne Funktion bei dem die Anleitung sagt, sie müssen nur richtig glauben dass er funktioniert und dass kein Rückgaberecht existiert.

Werden beim Glaubensgeschäft echte Beweise verlangt oder wird zu kritisch nachgefragt, entzieht sich auf einmal plötzlich die Jenseitswelt unserer menschlichen Wahrnehmung, unserer Logik und normaler Kommunikation. Die Wunderwelt wird in unerreichbare Sphären verschoben um sie gegen Kritik und nähere Untersuchung abzuschirmen. Werden hingegen wieder all die Vorzüge der Jenseitswelt beworben, bekommt man erneut unendlich viele detailreiche Eigenschaften und Wesenszüge und natürlich Regeln beschrieben.

Wir können bis zur Grenze der Vernunft reisen. Wir können langsam und allmählich und mit viel Arbeit die Grenzen der Vernunft ausdehnen. Aber wir können nicht die Grenzen der Vernunft überschreiten und dabei uns im Rahmen der Vernunft bewegen. Wir können uns auf dem Gebiet unseres Wissens bewegen, aber wir können kein Wissen von jenseits unseres Wissens haben – wenn es „jenseits unseres Wissens“ ist, ist es kein Wissen, wenn wir davon wissen, ist es nicht mehr jenseits unseres Wissens. Wir können unser Wissen erweitern, aber wir können es nicht überschreiten und meinen, immer noch zu wissen. Wir können die Grenzen von Deutschland überschreiten, aber wir sollten nicht glauben, uns dann immer noch in Deutschland zu befinden.

Man kann eine Reise bis zu den Grenzen der Vernunft machen, aber wenn man sie überschreitet (transzendiert, wie der Theologe sagt), dann verlassen wir den Boden der Vernunft. Und wenn wir den Boden der Vernunft verlassen, dann gilt unsere Logik nicht mehr und unsere Begriffe, und damit ist keine Kommunikation mehr möglich. Wir können nicht mehr darüber reden, wir müssten davon schweigen. Der geschäftstüchtige religiöse Führer weiß, dass man dem Kunden leere Versprechungen machen kann, ohne dass dieser hinterher einen Vertragsbruch geltend machen kann oder einen solchen auch nur erkennt.

Wünscht sich der Gläubige durch Rituale und die Befolgung von religiösen Regeln von der Jenseitswelt und den Jenseitswesen wie üblich Geld, Glück und Erfolg, wird er fortan jeden Zufallstreffer und jeden Erfolg durch Eigenleistung den religiösen Praktiken zuschreiben und jede Nicht-Erfüllung von Wünschen entweder mangelnder Befolgung religiöser Gesetzmäßigkeiten oder fremden, finsteren übernatürlichen (eingebildeten) Kräften anlasten. Versuchsreihen haben gezeigt, dass ein einziger Zufallstreffer den Gläubigen wieder für eine ganze Weile bei der Stange hält, und sei es über die nächsten hunderten oder tausenden gezogenen Nieten hinweg.

Das Argument, die religiösen Praktiken können zumindest nicht schaden wenn sie schon nichts nützen, ist falsch. Für die Praktiken wird ein bedeutender Aufwand an Zeit und Geld betrieben der anderswo für die Umsetzung der eigenen Wünsche besser angelegt wäre. Die häufige Ablehnung von Logik, Vernunft und Objektivität als „minderwertige“ verhasste Maßstäbe bedeutet höchste Gefahr für alle großen und kleinen Entscheidungen des Lebens.

Man schlittert im Extremfall in einen Narzissmus hinein und erfindet eine Phantasieversion von sich selbst, die erleuchtet und der Überzeugung ist, mit mächtigen Partnern aus dem Jenseits in Verbindung zu stehen. Wer dieses Bild in Frage stellt, den trifft der Hass oder Schlimmeres. Erleuchtetes heiliges „Recht“ steht für den fanatischen Gläubigen über weltlichem Recht. Theokratie, die politische Herrschaft, ist die Traumvorstellung praktisch jeder Priesterkaste. Objektive Freiheit gibt es da keine oder nur in ganz begrenztem Umfang.

Die meisten Gläubigen erwarten nicht wirklich, Stimmen in ihrem Kopf zu hören und durchsichtige Wesen vor ihren Augen zu sehen. Stattdessen hofft man, glaubt man, dass die Message in der Jenseitswelt, bei den Jenseitswesen angekommen ist und sich die erhoffte Erfüllung persönlicher Wünsche einstellt.

Andere erleben bereits in ihrer Kindheit vereinzelt Halluzinationen, die dann die nötige Überzeugungskraft haben, um die Person auf einen religiösen Weg zu schicken. Oder im Erwachsenenalter macht man Bekanntschaft mit allerlei Extrem-Meditationstechniken sowie natürlichen und künstlichen Substanzen, die die Hirnchemie temporär verändern und immer gleiche beeindruckende Effekte auf den Nutzer haben, während das Ganze für den Beobachter wenig spannend wirkt. Der Versuch, nach dem Trip irgendeinen konkreten Nutzen für die Diesseitswelt aus dem Erfahrenen zu ziehen, irgendeine tiefere, detaillierte Weisheit zu formulieren, misslingt. Das einzige was sich beschreiben lässt, ist das subjektive Gefühl der Beeindrucktheit, Körperlosigkeit, eine temporäre Auflösung des Ichs, hormonelle Wallungen, visuelle Formen und Figuren.

Adam Kokesh raucht die chemische Droge DMT, die er von Unbekannt über das Internet gekauft hat:

Mit Sprüchen und Binsenweisheiten wie „Alles ist eins“ oder „alles ist beseelt“ oder „alles ist Liebe“ lassen sich unsere menschlichen Probleme, vom Haarausfall bis zum Atomkrieg nicht lösen. Mehr Leute für den Glauben und für Halluzinogene rekrutieren löst die Probleme nicht, die Probleme im eigenen Kopf einfach einem „sterbenden Zeitalter“ zuzuordnen nützt auch nichts. Auf ein Utopia zu warten und passiv bleiben kann lebensgefährlich sein, eine Garantie auf eine tolle Existenz nach dem Ableben in der verhassten „gewöhnlichen“ Welt gibt es nicht. Das Missbrauchspotential ist endlos.

Welcher Gott letztendlich vom Suchenden dann im Gegensatz zu zahllosen anderen geglaubt wird, hängt von sehr weltlichen Faktoren ab wie Zufall oder persönlichen Vorzügen. Fast jeder Gläubige ist im Bezug auf andere Religionen abgesehen von der eigenen ein Ungläubiger, ein Atheist. Bei anderer Leute Glauben ist man dann auf einmal wieder sehr weltlich, kritisch und misstrauisch. Man sieht einfach keinen vernünftigen Grund, sich einer fremden Religion anzuschließen.

Ob gläubig oder nicht; jedem Menschen objektiv zu empfehlen ist qualitative Literatur über die menschliche Psyche und über menschliche Interaktionen, Sport ohne extreme Tendenzen, Logik und Bildung allgemein. Der wahre Weg zum Erfolg ist die kontinuierliche, erfüllende aber harte Arbeit an sich und seiner Umwelt und die Abwehr von pathologischen Personen und Beschädigungen des eigenen Geistes.

Vermeiden sie die zahllosen Irrgärten in die man sie hineinlocken will. Die allermeisten erfolgreichen spirituellen Führer mit Porsche und Villa betreiben ein Geschäft das auf Ausbeutung und Täuschung beruht. Als Mitglied dort werden sie um ihr Geld, ihren Verstand und ihre Arbeitskraft beraubt, magischer und erfolgreicher wird ihr Leben dadurch nicht.

Kaum einer will sich wirklich mit ihren wahren Kräften messen, werter Leser, deshalb versucht man ja gerade ihre Kräfte fehlzuleiten und zu verwässern, während man ihnen Wege verspricht, mit Hokuspokus ihr „wahres Potential“ zu entfalten.

AlexBenesch
AlexBenesch
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