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Wikileaks und Massenmedien wollen investigativen Journalismus der Zukunft diktieren

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Die Glaubwürdigkeit der Massenmedien erlitt einen ähnlichen Schaden wie die Bush-Administration während den acht verhängnisvollen Jahren, die einen Skandal nach dem nächsten brachten und das Ansehen der Vereinigten Staaten in bisher ungekanntem Maße beschädigten. Zu eng war die Bindung der Presse an die Regierung, zu offensichtlich arbeitete man Hand in Hand. Die New York Times beispielweise veröffentlichte Judith Millers Fantasien über Massenvernichtungswaffen im Irak und die Zeitung hielt Enthüllungen über illegale Abhöraktionen von US-Bürgern zurück bis Bush die Wiederwahl 2004 gewonnen hatte. Trotzdem entschied Julian Assange von Wikileaks, dieses Blatt neben zwei anderen frühzeitig mit den geheimen Kriegsberichten aus Afghanistan und dem Irak zu versorgen. Das Weiße Haus kritisierte wie erwartet die Veröffentlichung vehement und verlautbarte, jene könnte Leben von Amerikanern und der Verbündeten aufs Spiel setzen und bedrohe die nationale Sicherheit. Allerdings sei man in Washington laut Michael Calderone von Yahoo zufrieden gewesen mit der Berichterstattung der New York Times. Kein Wunder: Die Berichterstattung wurde zwar hochgejubelt als enorme Enthüllung und als Desaster für die Regierung, in Wirklichkeit verharmloste man das bisherige Blutvergießen dramatisch und senkte die Hemmschwelle für eine Ausweitung des Krieges gegen den Terror nach Pakistan und den Iran noch weiter. Die Berichterstattung des SPIEGELs war der internationalen Agenda der Neuen Weltordnung ebenfalls äußerst zuträglich; Georg Mascolo vom SPIEGEL sagte in einem neuen Interview mit der FAZ:

„Wir haben uns die Einwände der amerikanischen Regierung angehört, welche Informationen aus ihrer Sicht nicht veröffentlicht gehören und mit ihr darüber diskutiert. „

Der SPIEGEL hätte bereits vor fünf Monaten mit der Arbeit an den US-Depeschen begonnen und bis zu 50 Leute darauf angesetzt. Die Frage die sich stellt ist: Wieviel Absprache welcher Art mit den Regierungen hat es tatsächlich gegeben und wer profitiert von der völlig ausufernden Berichterstattung über das Material?

Verschiedene Seiten lobhudelten, dass Wikileaks eine Art Nachrichtendienst des Volkes darstellen könnte und dass wichtige Informationen zukünftig in einem goldenen Zeitalter von einer breiten globalen Community nach dem Open Source-Prinzip berichtet werden. Julian Assange lässt in einem neuen Interview mit dem Time Magazine jedoch ganz andere Töne anschlagen, er baut trotz der bisherigen Bilanz weiter fest auf die Massenmedien:

„Als wir angefangen haben, dachten wir dass die Analyse-Arbeit von Bloggern übernommen werden wird und von Leuten die Wikipedia-Artikel schreiben und so weiter. Wir dachten das wäre selbstverständlich, da wir einen Haufen wichtiger qualitativer Inhalte hatten. Natürlich ist es interessanter einen Artikel über streng geheime chinesiche [unverständlich] oder ein internes Dokument von Somalien oder über geheime Dokumente zu schreiben die enthüllen was in [unverständlich] geschehen ist – all das was wir veröffentlicht hatten – im Gegensatz dazu, einen Blogeintrag darüber zu schreiben was gerade auf der Titelseite der New York Times steht oder über die eigene Hauskatze oder so, aber es hat sich herausgestellt dass dem einfach nicht so ist. Die Schwerarbeit – die schwere analytische Arbeit – an unserem Material wird von uns erledigt und den professionellen Journalisten mit denen wir arbeiten und von professionellen  Menschenrechtsaktivisten. Die Arbeit wird nicht von der breiteren Community geleistet.“

Dass die „professionellen Journalisten“ mit „seinem“ Material das Unmögliche geschafft und die Hemmschwelle für einen weiteren unpopulären Krieg gegen den Iran international stark gesenkt haben, scheint Assange zu entgehen. Investigative Journalisten mit Erfahrung beäugten bereits die Afghanistan- und Irakprotokolle sehr kritisch, man war nicht übermäßig beeindruckt von dem unzuverlässigen, höchst unvollständigen und irreführenden Material.  Für Assange existieren scheinbar nur die Massenmedien sowie ineffektive Blogger ohne wirkliche Ressourcen und ohne Know How. In den vergangenen zehn bis fünfzehn Jahren sahen wir jedoch ein dramatisches Erstarken eines bestimmten Typus an unabhängigen Medien. Loose Change, einer der erfolgreichsten Dokuentarfilme nicht nur in der Geschichte des Internets, dessen Produzent Corey Rowe sogar selbst in Afghanistan und im Irak stationiert war und die Kriege mit seinen eigenen Augen sehen konnte, enthüllte die Scharade des elften Septembers an mehrere zehn Millionen Menschen. Alex Jones aus dem texanischen Austin erarbeitete sich durch konstante Qualität ein Radiopublikum von rund drei Millionen Hörern täglich, seine Filme decken ein breites Spektrum der Agenda der Neuen Weltordnung ab. Genau diesen Medien spricht Assange den Wert ab und es mehren sich die Hinweise darauf, dass seine Fachkenntnisse über Politik und Geschichte nicht über das Niveau eines Noam-Chomsky-Lesers hinausreichen. In einem Interview mit Matthew Bell vom Belfast Telegraph äußerte er sich abfällig über Verschwörungstheorien wie etwa über 9/11; jene seien “durchgeknallt” und nichts weiter als eine “Ablenkung” von „echten“ Verschwörungen. Die elitäre Bilderberg-Organisation, eine der bedeutendsten internationalen Roundtable-Gruppen über die investigative Reporter wie Jim Tucker und Daniel Estulin seit langem bedeutende Insiderinformationen beschaffen, hält Assange für “geringfügig verschwörerisch”.

Assange legt viel Wert darauf, belesen zu wirken; sobald es allerdings irgendwie konkreter wird, offenbart sich eine hoffnungslose Naivität. Die israelische Zeitung Haaretz titelte, dass die Wikileaks-Enthüllungen „kein bisschen“ peinlich wären für Israel, dass Israels Regierung die gleichen Aussagen gegenüber Diplomaten verlautbare wie auch gegenüber der Presse. Benjamin Netanjahu, dessen Nation den Atomwaffensperrvertrag nicht unterzeichnet hat und über ein Arsenal an Atomwaffen verfügt, erklärte die US-Depeschen würden Israels Haltung beweisen dass der Iran die größte Bedrohung in der Region darstelle und dass das iranische Nuklearprogramm gestoppt werden müsse. Assange lobte den israelischen Premierminister, dessen Kollegen seit Jahren mit fanatischem Eifer den amerikanischen Partner in einen bewaffneten Konflikt mit dem Mullah-Regime hineinziehen möchte, lobte sich selbst und seine Kooperation mit den Massenmedien kaum verhüllt im Interview mit dem Time Magazine:

„Ich kann erkennen dass es eine große Neuordnung gibt hinsichtlich der Sichtweisen über viele unterschiedliche Länder. Das wird demnach resultieren in einer neuen Art von Harmonisierung [schwer verständlich; evtl. das Wort „Schadensminimierung“]. Der israelische Premierminister Netanjahu verlautbarte ein sehr interessantes Statement, dass [politische] Führungspersönlichkeiten in der Öffentlichkeit so häufig wie möglich genauso sprechen sollen wie sie es privat tun. Er glaubt dass das Resultat der Veröffentlichung, die die privaten Haltungen von vielen Leuten öffentlich macht, eine ziemlich gute [unverständlich] versprechen, was die Friedensschaffung im mittleren Osten und besonders im Bezug auf den Iran verbessert. Ich habe heute bemerkt dass der Iran sich zu Atomgesprächen bereiterklärt hat. Vielleicht ist das Zufall oder vielleicht kommt es aus diesen Ereignissen heraus, die Ereignisse bremsen das zumindest sicherlich nicht.“

Mascolo vom SPIEGEL betonte:

„Der ‚Spiegel‘ ist älter als die Republik, er kennt seine Verantwortung.“

Der SPIEGEL bediente sich in seiner prägenden Anfangszeit bei dem Know-How der kriminellen NS-Personnage; der damalige SPIEGEL-Mitarbeiter und ehemalige SS-Obersturmbannführer Dr. Paul Karl Schmidt alias Paul Carell beispielsweise war seit 1940 Leiter der Presse- und Nachrichtenabteilung im Auswärtigen Amt unter dem später in Nürnberg gehängten Kriegsverbrecher Ribbentrop. Ausgerechnet der Reichstagsbrand sollte mit Hilfe dieses ehemaligen Experten für nationalsozialistische Provokationen vom SPIEGEL aufgeklärt werden. Man präsentierte der Welt auch den Amateur-Historiker Fritz Tobias vom niedersächsischen Verfassungsschutz und pries dessen zweifelhafte Arbeit um der Welt weiszumachen, die Nationalsozialisten hätten den Reichstag nicht selbst angezündet um ihre kriselnde Partei zu retten. Der Ex-Gestapo-Chef Rudolf Diels, der für die Machtergreifung im Zuge des sogenannten “Preußenschlags” wichtige Vorarbeit leistete und nachweislich bereits 6 Stunden vor dem Reichstagsbrand Massenverhaftungen von KPD-Funktionären angeordnet hatte, wurde prompt vom SPIEGEL als “Widerstandskämpfer” rehabilitiert. Der SPIEGEL hat auch seit langem enge Verbindungen zu den deutschen Nachrichtendiensten.

Neue Gesetze behindern zunehmend jegliche Konkurrenz zu den Massenmedien; ein neues Presserecht soll Lizenzgebühren einführen für simpelste Zitate aus anderen Publikationen, der Jugendschutz-Medien-Staatsvertrag bürdet signifikante Kosten und administrativen Aufwand auf und die Umsonst-Mentalität im Netz trocknet echten investigativen Journalismus aus. Das Modell des Nebenher-Journalismus, Schreiber die überhaupt nicht die angemessene Zeit haben um konstante solide Arbeit zu leisten, ist nicht tragfähig. Assange und die Establishment-Publikationen scheinen den investigativen Journalismus für die Massen diktieren zu wollen; alles bewegt sich zurück zum Monopol der vergangenen Jahrzehnte und Jahrhunderte und hat doch den dünnen Anstrich des Neuen und Modernen. Nachdem die „Profis“ von den Massenmedien Wikileaks-Enthüllungen präsentieren, sollen laut Assange  hinterher all die „Amateure“ in der Blogosphäre auf dieser Basis mitquasseln den Hype vergößern:

„Sobald die ursprüngliche Schwerarbeit geleistet ist, sobald eine Story eine Story, ein Nachrichtenartikel geworden ist, sehen wir den Beginn der Beteiligung der Community, die weiter gräbt und mehr Perspektive bietet. Die sozialen Netzwerke dienen uns als Verstärker.“
Der nächste „Megaleak'“

Assange kündigte für Anfang nächsten Jahres eine weitere „Megaveröffentlichung“ über eine große amerikanische Bank an. Bereits vergangenes Jahr sprach er über eine 5 GB-Festplatte in seinem Besitz die von einem führenden Funktionär der Bank of America stammen soll. Wieder benutzt Assange Superlative und grandiose Ankündigungen hinsichtlich des Materials, zehntausende Seiten sollen unzählige kleine Entschidungen und Vorgänge dokumentieren die die Firma in die roten Zahlen getrieben habe. Die Wahrscheinlichkeit ist enorm hoch, dass diese Veröffentlichung nach dem inzwischen altbekannten Strickmuster verlaufen wird und der SPIEGEL, die NYT und der Guardian bereits jetzt oder in den nächsten Tagen mit den Informationen versorgt werden. Assange wäre auch dann nach Expertenmeinung wieder einmal nicht greifbar:

„Das Problem sei indes ein anderes, sagt Alexandra Eley, Presserechtlerin in der Münchner Kanzlei Nachmann: Es handele sich „nicht um eine Frage des rechtlichen Anspruchs, sondern seiner Durchsetzung“. Anders gesagt: „Wo sitzt Wikileaks, wie kommt man an die ran?“ Denn für jeden Prozess braucht man einen Gegner mit einer „zustellungsfähigen Anschrift“. Was bei Wikileaks-Gründer Julian Assange schwierig werden dürfte. Er hat keinen festen Wohnsitz, und Wikileaks hat keine Firmenadresse mit Messingschild an der Tür.“

Die großen Zeitungen und Magazine werden sich durch ihre Ressourcen und den inzwischen zum Standard gewordenen zeitlichen Vorsprung absichern. Kleine Medienvertreter haben hier vielleicht ein größeres Nachsehen als bisher:

„Der Kampf dürfte hauptsächlich gegen die Unternehmen geführt werden, die das Wikileaks-Wissen für sich nutzen“, sagt der Internetrechtsexperte Andreas Peschel-Mehner von der Kanzlei SKW Schwarz in München. Das dürften vor allem Medienunternehmen und Journalisten zu spüren bekommen – die Zweitverwerter der Informationen. „Gegen die gibt es gute Erfolgsaussichten“, sagt Michael Knospe, Medienrechtlicher in der Münchner Sozietät SJ Berwin.

Zu erwarten sind ein weiterer übertriebener Skandal über Material das niemanden überrascht und die Forderungen in den Massenmedien nach neuen Bankenkontrollgesetzen die die Zentralbanken und einige wenige ausgesuchte Geschäftsbanken in eine noch mächtigere Position hieven als zuvor.

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