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So zerlegte ein Maulwurf Britanniens Rechtsextreme

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Kommentar

Matthew Collins begann als jugendlicher Rekrut der National Front und endete als langjähriger Spion der einige Mitstreiter an die Behörden verriet. ITVs neues Drama „The Walk-In“ basiert auf seinem gleichnamigen Buch. Man muss damit rechnen, dass gerade in Britannien angesichts des Official Secrets Act sehr viel wesentliche Geheimnisse seiner Arbeit gewahrt bleiben; insbesondere was Methoden der Behörden anbetrifft. Allerdings illustriert der Fall das Grundproblem von Rechtsextremisten weltweit, dass sie über keine nennenswerten Möglichkeiten verfügen, Spionageabwehr und Gegenspionage zu betreiben.

Collins behauptet, dass ein Nachmittag in den späten 1980er Jahren für ihn den Ausschlag gab: Dutzende seiner Kollegen, die mit Hämmern bewaffnet waren, griffen eine Gruppe von Frauen an, die in einer örtlichen Bibliothek in Welling, Südlondon, gegen die British National Party (BNP) protestierten.

Ich sah mich bei diesen Leuten um, die meine engsten und liebsten Freunde waren – und erkannte, dass sie auch die verrücktesten Menschen waren, die ich je getroffen hatte.

Vielleicht ist er hier ehrlich und ihm war seine Szene zu psychopathisch und auch zu dämlich, denn solche Gewalttaten geben den Behörden und dem politischen Gegnern immer mehr Auftrieb und Gelegenheiten. Die aktuellen Handbücher, nach denen Informanten rekrutiert werden, sind geheim, aber es handelt sich um eine breite Palette an Methoden. Er selbst rekrutierte später sogar weitere Informanten in der Szene und beschädigte damit die BNP erheblich. Personen wie Collins werden nicht nur solide bezahlt, sondern haben auch mit dem Spionagejob eine viel spannendere Karriere als gewöhnlich.

Collins hat nach seiner Enttarnung natürlich Hunderte von Morddrohungen erhalten. An dem Buch und den Filmrechten verdient er natürlich auch.

„The Walk-In“ dreht sich um die Verschwörung von 2017, die Labour-Abgeordnete Rosie Cooper zu töten. Nach der Ermordung des Labour-Abgeordneten Jo Cox im Vorjahr erfuhr Collins von einem Informanten, dass Mitglieder der verbotenen Gruppe National Action einen Machetenangriff auf Cooper planten. Ihr mutmaßlicher Angreifer Jack Renshaw wurde später zu lebenslanger Haft verurteilt.

Collins wuchs von einer alleinerziehenden Mutter auf einer Sozialsiedlung in Lewisham im Südosten Londons auf, nachdem sein Vater im Alter von nur fünf Jahren von zu Hause weggezogen war. 1987, im Alter von 15 Jahren, war Collins der National Front beigetreten.

„Meine Familie sagte, es sei das Dümmste, was ich getan habe – und sie hatten Recht. Sie schließen sich einer Bande verzweifelt trauriger, deplazierter Männer an, die eine Vorstellung von einem Großbritannien haben, das es nie gegeben hat, und die die Idee vereint, dass die Dinge in ihrem alltäglichen Leben besser wären, wenn sie die Uhr zurückdrehen könnten.“

Dieses Dilemma lässt sich übertragen auf Rechtsextremisten in anderen Ländern. Szenegänger sind zunehmend frustriert mit ihren Anführern und betrachten die Spionage als Wiedergutmachung an der Gesellschaft, als Job und als Rache an den Ideologen, von denen sie einst verführt wurden.

Er wollte Aussteiger sein und hätte problemlos diskret und direkt den Kontakt aufnehmen können mit den entsprechenden Behörden, aber seltsamerweise rief er stattdessen zuerst die damals führende antifaschistische Publikation „Searchlight“ an.

Es folgte ein Doppelleben mit verdeckten Treffen, bei denen geschmuggelte Mitgliederlisten, Dokumente und Berichte über geplante Aktivitäten übergeben wurden. Eine Reihe von Angriffen wurden dank seiner Informationen vereitelt.

Collins kam damit durch, bis 1993 die TV-Dokumentarserie World In Action einen bahnbrechenden Dokumentarfilm über die Neonazi-Terrororganisation Combat 18 ausstrahlte, an dem er mitgewirkt hatte.

Das Programm kam heraus und ungefähr zwei Minuten später bekam ich einen Anruf von jemandem, der sagte: ‚Wir glauben, dass du es bist‘.

Auf das Drängen der Anti-Terror-Polizei machte sich Collins auf die Flucht und buchte einen Flug nach Melbourne. Hilfe bekam er von Special Branch und er lebte zunächst das Leben eines Backpackers. Für den Spionagejob zuhause war er verbrannt.

Die Gelegenheit ergab sich 2003, als er gebeten wurde, an einer BBC-Dokumentation teilzunehmen, die die Geschichte seiner Undercover-Arbeit erzählte. Ermutigt flog er nach Hause und fing an, Vollzeit für Searchlight zu arbeiten – jetzt Hope Not Hate. Er rekrutiert angeblich immer noch Informanten.

Einige Maulwürfe kommen zu Ihnen, weil sie Söldner sind und eine einmalige Information verkaufen wollen., sagt er. „Manche arbeiten ein paar Monate bei uns und dann sind sie weg. Aber es gibt auch einen Leberfleck, den ich seit 12 Jahren habe.

Sobald Extremistenkreise eine gewisse Gewaltbereitschaft haben, testen sie neue Mitglieder durch Gewaltverbrechen. Inwiefern Informanten Verbrechen begehen dürfen, ist umstritten bzw. geheim. Will man hochplatzierte Informanten anwerben oder einen Informanten in der Gruppe aufsteigen lassen, müssten diese Figuren der Gruppe Loyalitätsbeweise in Form von Gewalt liefern, besondere terroristische Fähigkeiten, Materialien usw.

Tommy Robinson und das Erbe der BNP

Die Vergangenheit von Tommy Robinson ist eindeutig und wird ihm ewig anhängen: Die Führungsleute seiner früheren Gruppe English Defence League (EDL) waren vorher in deutlich faschistischen Gruppen. Dann gab es 2011 Verhaftungen von Mitgliedern, weil sie Moscheen mit Bomben angreifen wollten und es gibt noch eine Querverbindung zum norwegischen Terroristen Anders Breivik. Man muss damit rechnen, dass die EDL voller V-Personen und Agenten war. Mit dem ganzen Hintergrund spricht Robinson nur einem Bruchteil der Gesellschaft an, während er gleichzeitig die meisten Leute in der Gesellschaft massiv abstößt und den Linken Auftrieb verschafft. Mit einer stark geteilten, polarisierten Bevölkerung bekommen die Konservativen ihre Ziele nicht erreicht.

Robinson gründete nach seiner Zeit bei der faschistischen British National Party (BNP) die EDL mit einem Haufen Football-Hooligans, die vorher auch bei der BNP waren. Einer seiner Freunde und führenden Mitstreiter wurde erwischt mit Kinderpornos und Kokain. Die Veranstaltungen der EDL bekamen Zuspruch von Gruppen wie Blood&Honour oder Combat 18.

Die Organisation stieß bei einer überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung auf harte Ablehnung und versank in Streit. 2013 machte sich Robinson davon mit der Unterstützung des Quilliam Think Tanks, der ironischerweise von ehemaligen Mitgliedern der Islamistengruppe Hizb ut-Tahrir gegründet wurde. Einer der Gründer namens Ed Husain trat 2011 dem elitären Council on Foreign Relations in New York bei. Robinson konstatierte, dass Rechtsextremismus eine Gefahr darstelle und er ließ sich von Quilliam schulen in islamischen Angelegenheiten und Lobbyismus und bekam 8000 britische Pfund bezahlt. Quilliam wiederum erhielt eine Million britische Pfund von der britischen Regierung und anscheinend nochmal so viel Geld von der John Templeton Stiftung. John Templeton hatte die elitäre Yale-Univrsität besucht und durfte dort der Elihu-Society beitreten (benannt nach Elihu Yale, der sein Geld mit dem britischen Empire machte), besuchte auch noch Oxford als Rhodes Scholar (benannt nach Cecil Rhodes, einem wichtigen Manager des britischen Empires).

Die Vergangenheit bei der EDL wird Robinson ewig anhängen und es ist der überwältigenden Mehrheit der britischen Bevölkerung egal, dass er sich angeblich geändert habe. Seine rechte Hand war sein vorbestrafter Cousin Kevin Carroll. Sehr viel Geld kam möglicherweise von dem Multimillionär Alan Ayling alias Alan Lake, in dessen Wohnung die Gründung der EDL besprochen worden war. Gegen Lake wurde ermittelt wegen einem möglichen Einfluss auf den norwegischen Rechtsterroristen Anders Breivik. Er arbeitete bei der „Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung“ in der City of London, die den Ostblock wiederaufbauen sollte. Die EDL versank im Streit und ein gewisser John „Snowy“ Shaw warf Robinson vor, sich unrechtmäßig an EDL-Geldern zu bereichern. Robinson war damals schon mehrfach vorbestraft, was ihn aber nicht daran hinderte, zu versuchen mit dem pass einer anderen Person in die USA einzureisen. Ein weiteres Desaster für die EDL war, dass der norwegische Terrorist Anders Breivik mit der Schwesterorganisation „Norwegian Defence League“ zu tun hatte und viele Kontakte pflegte zu EDL-Leuten. Breivik bezeichnete den EDL-Gründer Ray als Mentor. 2011 wurden zwei EDL-Männer, einer davon ein Soldat, verurteilt wegen der Planung eines Bombenanschlages auf eine Moschee.

Die British National Party, wo Robinson früher unterwegs war, war ein bizarrer Faschistenhaufen voll mit Spitzeln und Agenten. Britannien kontrollierte bereits in den 1920er Jahren Faschistengruppen zu Spionagezwecken im Inland und Ausland (speziell gegen Deutschland). Auch verbreiteten establishment-nahe Personen wie Nesta Webster Verschwörungstheorien, die heute noch in rechten Kreisen zelebriert werden, und bekamen dafür noch Werbung von Winston Churchill.

Die BNP schuf den militanten Arm „Combat18“ und predigte, dass nur Weiße Bürger Großbritanniens sein dürften und dass Nicht-Weiße ihre Staatsbürgerschaft verlieren müssten. Die Verschwörungstheorien von Nesta Webster und anderen über jüdische Weltverschwörungen wurden übernommen. Mehrere Mitglieder wurden verurteilt wegen Bombenanschlägen und dem Bau von Sprengsätzen.

Er mag noch so sehr vor der Kamera betonen, wie er sich gelöst hätte von seinem bisherigen Leben und den bisherigen Organisationen, aber er stößt eine überwältigende Mehrheit der Bevölkerung ab. Mit einer stark polarisierten und geteilten Bevölkerung lassen sich keine seriösen konservativen Anliegen umsetzen.

AlexBenesch
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