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Deprogrammieren

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Amerikanische Behörden beschäftigten sich selbstverständlich nicht nur mit der Frage, wie man etwas in Menschen hineinprogrammieren kann, sondern wie man Ideen auch wieder aus Menschen herausprogrammiert. Und genau dieser Teil der Forschung ist noch viel geheimer als das, was wir bisher bereits in diesem Buch betrachtet haben. Es gibt natürlich den Ansatz, mit invasiven und aggressiven Methoden Menschen zu bearbeiten, die eine bestimmte Idee einprogrammiert bekommen haben, um ihnen gegenteilige Ansichten einzuprogrammieren. Dieser Ansatz ist natürlich interessant, birgt aber auch Gefahren und ist nicht unbedingt praktikabel; besonders im Alltag. Als in den 1960er Jahren immer mehr Sekten und Kulte in den USA auftauchten, die mit bestimmten Methoden arbeiteten, die an die Forschungen der Regierung erinnerten, gab es logischerweise immer mehr Sekten-Opfer und Angehörige, die nach Möglichkeiten suchten, wie man die Kult-Programmierung abschwächen oder ganz eliminieren könnte. Manche selbsternannten Kult-Experten versuchten es mit aggressiven Methoden, die teilweise Freiheitsberaubung, Nötigung und ähnlich illegale Praktiken beinhalteten, mussten aber oft feststellen, dass die Probanden einfach das sagten, was der De-Programmierer hören wollte, und hinterher wieder zum Kult zurückkehrten. Das große Problem ist, dass die meisten Kult-Techniken völlig legal sind, aber die aggressiven Methoden zum Deprogrammieren eben nicht. Der „Vater der Deprogrammierung“ Ted Patrick stellte viele dieser Techniken einem breiteren Publikum als Mittel zur Bekämpfung von Sekten vor. Sylvia Buford, eine Mitarbeiterin von Ted Patrick, die ihn bei vielen Deprogrammierungen unterstützt hat, beschrieb fünf Phasen der Deprogrammierung:

  • Diskreditieren Sie die Autoritätsfigur: den Sektenführer
  • Gegenwärtige Widersprüche (Ideologie versus Realität): „Wie kann er Liebe predigen, wenn er Menschen ausbeutet?“ ist ein Beispiel.
  • Die Bruchstelle: Wenn ein Subjekt beginnt, auf den Deprogrammierer zu hören; wenn die Realität beginnt, Vorrang vor der Ideologie zu haben.
  • Selbstausdruck: Wenn sich das Subjekt zu öffnen beginnt und die Stimme gegen die Sekte meckert.
  • Identifikation und Übertragung: Wenn sich das Subjekt mit den Deprogrammierern zu identifizieren beginnt, beginnt es, eher als Gegner des Kultes denn als Mitglied zu denken.

Wegen dem Internet ist es billiger und schneller geworden, Menschen zu programmieren und für eine Sekte oder sektenartige Gruppe zu rekrutieren. Darunter fällt auch das fanatische Segment der Donald Trump-Unterstützer in Verbindung mit der Q-Anon-Bewegung, laut der ein Geheimteam hinter dem Präsidenten mitten dabei wäre, den „linken Deep State“ zu bekämpfen. Die Q-Bewegung hat inzwischen mehr Mitglieder als manche bedeutenden Kirchen in ihrer Frühzeit und spaltet ganze Familien. Online ist es noch viel einfacher, Menschen auszuschließen und zu blockieren, die nicht den eigenen (politischen) Ideen anhängen. Ein interessantes Detail: Trumps Generalstaatsanwalt Bill Barr, Vizepräsident Mike Pence, Bildungsministerin Betsy DeVos und Außenminister Mike Pompeo sind alle involviert in christlichen Gruppen, die der Experte Steven Hassan als autoritäre Sekten bezeichnet.

In den 1990er Jahren wurde der Deprogrammierer Rick Ross nach einem erfolglosen Deprogrammierungsversuch von Jason Scott, einem ehemaligen Mitglied einer Pfingstgruppe namens Life Tabernacle Church, verklagt. Im Jahr 1995 sprach die Jury Scott 875.000 Dollar Schadenersatz und 2.500.000 Dollar Strafschadenersatz gegen Ross zu, die später mit 5.000 Dollar und 200 Dienststunden abgegolten wurden. Noch bedeutsamer ist, dass die Geschworenen auch feststellten, dass die führende Anti-Kult-Gruppe, die unter dem Namen Cult Awareness Network bekannt ist, ein Mitverschwörer des Verbrechens war, und sie verhängten eine Strafschadenersatzstrafe von CAN 1.000.000 $, wodurch die Gruppe in den Bankrott getrieben wurde Dieser Fall wird oft als ein Ende der Praxis der unfreiwilligen Deprogrammierung in den Vereinigten Staaten angesehen.

Im Laufe der Zeit gab es eine gewisse Professionalisierung und die Entwicklung von legalen Techniken. Hierbei bleibt aber die Frage, ob man hierbei nicht wichtiges Potenzial vernachlässigt. „Combatting Cult Mind Control“ ist ein Sachbuch von Steven Hassan, das als „Leitfaden für Schutz vor, Rettung von und Erholung von destruktiven Kulten“ beschrieben wird. Der Autor erörtert Theorien zur Gedankenkontrolle und zu Sekten, die auf den Forschungen von Margaret Singer und Robert Lifton sowie auf der kognitiven Dissonanztheorie von Leon Festinger basieren. Hassan hält fest, dass man aggressive Techniken im Hinterkopf behalten solle.

Rick Alan Ross leitet das Cult Education Institute, eine gemeinnützige Organisation mit Sitz in Trenton, New Jersey. Seit 1982 arbeitet er als Spezialist für Sekteninterventionen und hat über 500 „Interventionen“ (seine bevorzugte Bezeichnung für die von ihm durchgeführten Sekten-Deprogrammierungssitzungen) bei Mitgliedern von Gruppen wie Scientology und den Branch Davidians durchgeführt. Das Trump-Phänomen hält er nicht für einen vollausgeprägten, klassischen Kult, aber er sieht Ähnlichkeiten und empfiehlt, Trump-Anhänger über die traditionelle Definition eines „destruktiven Kultes“ aufzuklären und zu versuchen, ihnen klarzumachen, auf welche Weise ihre Mitgliedschaft in einer Gruppe schädlich gewesen sei. Dann versucht Ross, die Prinzipien der Gedankenreform und ihre Funktionsweise in verschiedenen Gruppenumgebungen zu erklären.  Ross sagt, es sei wichtig, eine Intervention als einen Akt der persönlichen Fürsorge und des Mitgefühls zu verstehen. Teil einer erfolgreichen Intervention, so Ross, sei es, der Person neue Informationen zu vermitteln, damit er seine eigene informierte Entscheidung über das Verbleiben bei der Gruppe oder das Verlassen der Gruppe treffen könne. Während einer Intervention fragt Ross die Person, was sie über die Gruppe und ihren Guru weiß. Meistens gibt es erhebliche Lücken, was die negativen Aspekte des Gurus und der Gruppe anbetrifft. Informationen allein können einem Sektenmitglied nicht zur Flucht verhelfen, denn Sektenerfahrungen sind emotional, nicht nur intellektuell. Man soll eine neutrale Sprache verwenden und die Fehler und Widersprüche in der Ideologie der Gruppe herausarbeiten. Das gleiche gilt natürlich für fanatische Anhänger der Democrats.

Wenn man zeigen kann, dass man genauso kritisch gegenüber den Clintons ist, wirkt man als Trump-Kritiker umso glaubwürdiger.

Ab und zu erwähnen Establishment-Kritiker Gustave Le Bons Buch über Massenpsychologie von 1895, um zu erklären, wie leichtgläubig die Wähler auf den Obama-Kult hereinfielen, oder auf Hillary Clinton. Aber was ist mit dem Trump-Kult? Was passiert, wenn mit den gleichen Standard-Kult-Techniken gearbeitet wird, um diejenigen einzufangen, die sich wünschen, dass jemand “den Sumpf austrocknet”?

“Wenn auch die Massen die Dinge leidenschaftlich begehren, so wollen sie sie doch nicht für lange Zeit. Sie sind ebenso unfähig zu ausdauerndem Wollen wie zum Denken. Gleich dem Wilden läßt sie nicht zu, daß sich zwischen ihre Begierde und die Verwirklichung dieser Begierde ein Hindernis erhebt, umso weniger, als ihre Überzahl ihr das Gefühl unwiderstehlicher Macht gewährt. Für den einzelnen in der Masse schwindet der Begriff des Unmöglichen. Nichts erscheint der Masse unwahrscheinlich, und das darf man nicht vergessen, wenn man begreifen will, wie leicht die unwahrscheinlichen Legenden und Berichte zustande kommen und sich verbreiten.”

Dies beschreibt, mit welch felsenfestem Glauben so manche Trump-Unterstützer an ihren Wunschvorstellungen festhalten und konsequent alles ausblenden oder wegerklären, was nicht in den Kram passt. “Nichts erscheint der Masse unwahrscheinlich” bei Trump. Der Immobilienhai, der sein ganzes Leben lang nur Frauen und Dollars jagte und sich dabei ständig mit hochgefährlichen Insidern umgab, soll nun Amerika retten vor hochgefährlichen Insidern. Je abstruser die Behauptungen, umso erfolgreicher können die Behauptungen sein, weil das Versprechen mitschwingt, die Gesetze der Natur brechen zu können. Es sind regelrechte Wahrnehmungsstörungen:

“Der einfachste Vorfall, von der Masse gesehen, ist sofort ein entstelltes Geschehnis. Die Masse denkt in Bildern, und das hervorgerufene Bild löst eine Folge anderer Bilder aus, ohne jeden logischen Zusammenhang mit dem ersten. Die Vernunft beweist die Zusammenhanglosigkeit dieser Bilder, aber die Masse beachtet sie nicht und vermengt die Zusätze ihrer entstellenden Phantasie mit dem Ereignis. Die Masse ist unfähig, das Persönliche von dem Sachlichen zu unterscheiden. Sie nimmt die Bilder, die in ihrem Bewusstsein auftauchen und sehr oft nur eine entfernte Ähnlichkeit mit der beobachteten Tatsache haben, für Wirklichkeit.”

Kann ein Herrscher aber irgendwann nicht mehr genügend narzisstische Strahlkraft bieten, Furcht und Begeisterung auslösen, wird er von seinen Fans plötzlich verachtet, also selbst zum Opfer narzisstischer Wut:

“Die Massen erkennen die Macht an und werden durch Güte, die sie leicht für eine Art Schwäche halten, nur mäßig beeinflusst. Niemals galten ihre Sympathien den gütigen Herren, sondern den Tyrannen, von denen sie kraftvoll beherrscht wurden. Ihnen haben sie stets die größten Denkmäler errichtet. Wenn sie den gestürzten Despoten gerne mit Füßen treten, so geschieht das, weil er seine Macht eingebüßt hat und in die Reihe der Schwachen eingereiht wird, die man verachtet und nicht fürchtet.”

Für die Massen muss man entweder ein Gott sein oder man ist nichts. Trumps schwache Umfragewerte und die eskalierenden Skandale können dazu führen, dass er wegen dem Druck zurücktritt, 2020 nicht erneut antritt oder bei einem Wahlsieg 2020 vier Jahre lang seine Wähler gnadenlos enttäuscht.

Le Bon beschrieb den typischen narzisstischen Anführer, bevor es überhaupt eine moderne Psychologie gab:

“Die Masse ist eine Herde, die sich ohne Hirten nicht zu helfen weiß. Meistens sind die Führer keine Denker sondern Männer der Tat. Sie haben wenig Scharfblick und könnten auch nicht anders sein, da der Scharfblick im Allgemeinen zu Zweifel und Untätigkeit führt. Man findet sie namentlich unter den Nervösen, Reizbaren, Halbverrückten, die sich an der Grenze des Irrsinns befinden. So abgeschmackt auch die verfochtene Idee oder das verfolgte Ziel sein mag, gegen ihre Überzeugung wird alle Logik zunichte. Verachtung und Verfolgung stört sie nicht oder erregt sie nur noch mehr. Persönliches Interesse, Familie, alles wird geopfert. Sogar der Selbsterhaltungstrieb ist bei ihnen ausgeschaltet, und zwar in solchem Maße, daß die einzige Belohnung, die sie oft anstreben, das Martyrium ist.”

Das passt sehr genau auf Donald Trump, der sich und andere in immer größere Schwierigkeiten gebracht hat und unbeirrt immer so weiter macht. Er sieht als verfolgter Märtyrer, als Ziel einer Hexenjagd.

“Nicht die Gelehrten und Philosophen, vor allem nicht die Skeptiker, haben die großen Religionen geschaffen, die die Welt und die riesigen Reiche, die sich von der einen Erdhälfte bis zur anderen erstreckten, beherrscht haben. Die meisten Menschen, besonders in den Massen des Volkes, haben von nichts außerhalb ihres Berufsfaches eine klare und richtige Vorstellung. Sie sind nicht imstande, sich selbst zu leiten; so dient ihnen der Führer als Wegweiser. Er kann zur Not, aber nur sehr unzureichend, durch Zeitungen ersetzt werden, die ihren Lesern Meinungen anfertigen und Redensarten bieten, welche alles Denken ersparen.”

Mit dem Internet kann man sich heute endlos berieseln lassen von der Propaganda des Gurus.

Checkliste

  • Wirbt die Gruppe mit unrealistischen Versprechungen? Werden einem in der Gruppe schrittweise unrealistische Versprechungen aufgetischt? Der Trump-Kult wirbt tatsächlich mit völlig unrealistischen Versprechungen.
  • Ist die Gruppe wählerisch, was neue Mitglieder betrifft? Nach welchen Kriterien? Es wird blinder Gehorsam erwartet.
  • Wie würde ein Ausstieg konkret verlaufen und welche Konsequenzen und Risiken wären dabei vorhanden? Sobald man Kritik übt, gilt man als Verräter und wird ausgeschlossen, beschimpft und gemieden.
  • Wie betrachtet die Gruppe Außenstehende und Andersdenkende? Will die Gruppe, dass ich den Kontakt zu Außenstehenden verringere oder gar ganz abbreche? Gelten Außenstehende gar als Feinde? Wer wird generell als Feind betrachtet und warum? Trump-Kritiker gelten als Feinde und Verräter. Man soll sich nur mit Gleichgesinnten umgeben.
  • Welche Regen stellt die Gruppe auf? Wodurch steigt man in der Gruppe auf? Je mehr man die narzisstische Dynamik befeuern und neue Leute in den Kult bringen kann, umso mehr steigt man auf.
  • Inwiefern unterscheiden sich die höheren bzw. inneren Ebenen der Gruppe von den gewöhnlichen Ebenen? Je weiter nach oben man blickt, umso eher wissen die Trump-Kultisten, dass die Sache ein Schwindel ist.
  • Hat die Gruppe einen Gründungsmythos und falls ja, ist dieser glaubhaft und wissenschaftlich überprüfbar? Der Gründungsmythos ist die Wahl 2016, die Trump angeblich aus eigener Kraft und mit Hilfe von Pepe-Memes im Internet gewann, um Amerika zu retten.
  • Was sind die Gedanken und Überzeugungen der Gruppe und sind diese wissenschaftlich haltbar? Man hält Trump für einen Retter und man glaubt an ein mysteriöses Team aus hochrangigen Patrioten hinter ihm, das aber gar nicht existiert. Irgendwie würde man die Kontrolle über Amerika bekommen.
  • Gibt es einen Guru-ähnlichen Anführer, der angeblich alles weiß und grandiose Eigenschaften und Fähigkeiten hat? Ist dieser transparent? Reich? Wenn ja, wodurch? Praktiziert die Führung das, was sie predigt?
  • Welche Pläne hat die Gruppe? Mit welchem Mitteln will sie diese Pläne in die Tat umsetzen? Man will Amerika erobern..
  • Hat sie überzogene Macht- und Rachefantasien?
  • Übertreibt die Gruppe maßlos ihre bisherigen Leistungen und ihre Rolle in der Welt? Behauptet sie, in Kontakt mit deutlich größeren Kräften zu stehen? Stimmt das überhaupt? Wenn ja, wie sieht diese größere Gruppe aus?
  • Wie steht es mit kritischem Denken in der Gruppe? Wie geht sie mit Kritikern um? Das Verhältnis zur Gewalt? Versucht die Gruppe, mir zu erzählen was ich hören will? Arbeitet sie mit idealisierten, unrealistischen Darstellungen?

Sogar die Libertären

Vor Jahren war einer unserer größeren Supporter plötzlich abgetaucht und boykottierte uns auf passiv-aggressive Weise. Was war passiert? Hatten wir irgendeine große Sünde begangen? Nein, er war als Libertärer reingerutscht in die Sekte von Stefan Molyneux, der den Boykott jeglicher ernstgemeinter (partei-)politischer Aktivität zum Ober-Dogma erhoben hatte. Wer dieses Dogma nicht akzeptiert, gilt als Problem, als Feind, als Etatist usw. Molyneux empfahl sogar wiederholt, sich von ungläubigen Freunden und Angehörigen zu trennen. Der Stuss von Molyneux erinnerte etwas an die Taliban oder eine Sci-Fi-Sekte. Man muss sich daran erinnern, dass zu dem damaligen Zeitpunkt die Obama-Administration in den USA regierte und es nicht abzusehen war, dass ein (neurechter) Populist und Geschäftsmann wie Donald Trump ein paar Jahre später im Weißen Haus landen würde. Man ging davon aus, dass nach 8 Jahren Obama und Democrats halt wieder die Republicans regieren würden mit einem Präsidenten wie Jeb Bush oder Mitt Romney. Sicherlich war die Situation frustrierend und entmutigend, aber die Antwort konnte nicht darin bestehen, einer ultra-libertären Sekte beizutreten und Hass auszukübeln über andere Menschen und sogar über Libertäre, die nicht Molyneuxs Dogmen akzeptierten. Unser Supporter ist übrigens inzwischen nicht mehr in der Molyneux-Sekte. Sobald die Trump-Ära begann und der Trump-Hype, bei dem manche neurechte Medien zeitweise viel Geld machen konnten, sprang Molyneux auf diesen Zug auf und beteuerte mit einer schwurbeligen Pseudo-Argumentation, dass er dadurch nicht seine eigenen Dogmen verletzen würde. Molyneux wollte gleichzeitig seine radikal-libertären Dogmen und die neurechten Dogmen vertreten, aber er nährte mit seinen einseitigen Tiraden gegen Linke und Frauen eben das Links-gegen-Rechts-Denkmuster und dadurch eben die beiden großen Parteien. Die extrem rechten Figuren wollten ihn dazu bewegen, immer radikalere Dogmen zu vertreten, wodurch sich Molyneux Ärger einhandelte und einen Rückzieher machte, wofür ihn die Rechtsradikalen nun verachten. Molyneux, Hans Hermann-Hoppe und diverse Nachplapperer hatten eigentlich nichts Neues oder Besonderes anzubieten. Es war eine Mischung aus Hayek, Mises, Rand und Rothbard, ergänzt durch die Utopia-Luftschloss-Fantasiegesellschaft namens Privatrechtsordnung ohne jegliche Staatlichkeit. Genau wie in den Utopias von Linken (das Endstadium des Kommunismus, wo der Staat verwittert, weil er nicht mehr gebraucht wird), oder Islamisten (die vollendete Scharia-Gesellschaft) funktioniert in der Privatrechtsordnung alles wie am Schnürchen. Dass dieses Utopia unrealistisch ist, und mit viel zu vereinfachten Annahmen konstruiert ist, interessiert die Radikal-Anarchos nicht. Sie haben die Dogmen längst für heilig erklärt und in ihre persönliche Identität eingebaut. Sie haben keine Ahnung, wie sie realistisch zu dieser Ideal-Gesellschaft in der wirklichen Welt gelangen könnten. Sie verstehen nicht, welche Risiken man eingehen würde bei dem Versuch, Verfassungen und Staatsgrenzen aufzuweichen. Sie krallen sich an ihr Dogma des “Nichtaggressionsprinzips” und kübeln Hass auf Kritiker dieses Dogmas, auch wenn es sich um freiheitlich gesinnte Kritiker handelt. Komischerweise unterstützen oder tolerieren Hoppe-Anhänger oft Russland und wollen faule Kompromisse eingehen mit dem Putin-Regime. Diskussionen mit Radikallibertären, ob nun im privaten Umfeld oder im Internet, verlaufen im Prinzip alle ziemlich ähnlich, auf vorgestanzten Bahnen, weil die Radikal-Libertären sich die Argumentationstechniken von ihren Helden und Vorbetern abgeschaut haben. Die Dogmen, also beispielsweise die Forderung nach einem kompletten Boykott (partei-) politischer Aktivität oder die Forderung nach einer Aufweichung der Grenzen sowie die Forderung, dass selbst Islamisten und Kommunisten ihre eigene Justiz und Polizei aufbauen dürfen, werden abgestützt durch das Ober-Dogma: Das Verbot initiierender Gewalt bzw. Zwang. Man nennt es auch Nicht-Aggressions-Prinzip und es ist so simpel, das es einerseits monolitisch und einleuchtend wirkt, andererseits viel zu simpel ist für die reale Welt. Man hat es also zu tun mit einer zirkulären Argumentation. Dann benutzen Radikal-Libertäre in Diskussionen noch ständig ihre Luftschloss-Fantasie-Gesellschaft, ein gedankliches Utopia in dem alles wunderbar wie am Schnürchen funktioniert. Solche Utopias haben auch Kommunisten und Islamisten und taugen rein gar nichts als Argumente. Man könnte lästern, die härtesten Anhänger von Hoppe versuchen, sich mit seinem Buch die ganze Welt zu erklären; so ähnlich wie Islamisten mit dem Koran. Einen realistischen Weg, um ihr Utopia Wirklichkeit werden zu lassen, haben sie nicht anzubieten. Die allermeisten Menschen suchen sich eine andere Ideologie, die Zwang beinhaltet, und Zwang wollen die Radikal-Libertären ja um jeden Preis vermeiden. Der Radikal-Libertäre schießt sich wegen seinem Ober-Dogma selber in beide Knie und verbaut sich jede Chance, wirklich Fortschritte zu machen im Kampf für Freiheit. Seine scheinbar größte Stärke ist seine größte Schwäche. Wenn der Gesprächspartner nicht die Dogmen akzeptieren will, kann der Radikallibertäre mit einem Wutanfall reagieren, so wie es der Szene-Held Molyneux vorgemacht hat. Dann beginnt die typische Hexenjagd und der Gegenüber wird als niederträchtiger Verschwörer verworfen. Mit dieser Verhaltensweise verlieren die Radikalen bald alle Freunde und Beziehungen außerhalb der Sekte. Manche versuchen, in eine Kommune von Sektenmitgliedern zu ziehen. Ähnliche Probleme gibt es bei den Kommunisten, die irgendwann ganz und gar in ihrer Filterblase und Echokammer leben wollen, aber nie aufhören, unter der Fuchtel des angloamerikanischen Empires zu leben. Inzwischen gibt es auch reihenweise völkische Neonazi-Dörfer, die von der großen Revolution träumen. Von Truther-Dörfern, also Kommunen von Verschwörunsgtheoretikern, hört man bislang sehr wenig.

Militär und Geheimdienste

Geheimdienste müssen prinzipiell Strategien parat haben, um Menschen aus gefährlichen, fanatischen Gruppen als Informanten anzuwerben. Man arbeitet mit sehr ähnlichen Techniken wie die Kult-Deprogrammierer. Der US-Marine-Corps-Generalmajor Douglas M. Stone, der befehlshabende General, der für Häftlingsoperationen im Irak verantwortlich war, bat um Verstärkung durch eine Firma auf dem, wie er es nannte, „Schlachtfeld des Geistes“, um etwa 25.000 irakische Gefangenen unter seiner Kontrolle zu bearbeiten. In einem Vorschlag suchte das Militär ein Team von Fachleuten, einschließlich „Lehrern, Beratern für Religions- und Verhaltenswissenschaften“, die „ein Programm durchführen werden, das Gefangene wirksam [in die irakische Gesellschaft] reintegriert, insbesondere diejenigen, die durch Erziehung und Beratung zu gewalttätiger, radikaler Ideologie neigen.“ Ein Teil des Programms sollte darin bestehen, dass kleine Häftlingsgruppen, möglicherweise unter der Leitung eines irakischen Geistlichen und eines Verhaltensforschers, sechs Wochen lang „Aufklärungs-, Deprogrammierungs- und Entradikalisierungssitzungen durchlaufen“. Der frühere australische Außenminister Alexander Downer sagte, die Regierung prüfe, ob man Techniken der Deprogrammierung gegen Terroristen einsetzen werde:

„In vielen Teilen der Welt, in Europa, im Nahen Osten und sicherlich auch in Indonesien, haben diese Regierungen versucht, Extremisten und Terroristen, die inhaftiert sind, davon zu überzeugen, ihren Standpunkt zu ändern und zu verstehen, dass es nicht die islamische Art zu töten, nicht die islamische Art zu morden ist“,

sagte Downer.

Was immer wieder auffällt, ist, dass groß angelegte Kampagnen in den Medien, die beispielsweise den Einfluss von rechtsradikalen Ideen oder von russischer Propaganda zurückdrängen, beinahe schon dreist vorgehen, und dabei den radikalen Kern der Zielgruppe nur weiter provozieren und aufheizen. In Deutschland gab es eine Reihe an Medienbeiträgen „gegen Rechtsextremismus“, in denen eine Expertin auftrat, die optisch nach einem linken Antifa-Punk aussah, und indirekt ihren Glauben an eine weiße, rechte Weltverschwörung äußerte. Ihre Frustration darüber, dass die Regierung zu wenig tue und im Fall des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) sogar der Verfassungsschutz überraschend viele Informanten unterhielt und Strukturen bezahlte, deutet an, dass sie eine großangelegte rechte Verschwörung wittert. Eine Reihe an klapprigen Intellektuellen tauchten ebenfalls in den Berichten auf und wirkten so schwächlich, dass ein rechter oder unschlüssiger Zuschauer angewidert wirkt. Das rechte Publikum glaubt an eine linke Weltverschwörung, die den Männern das Männertum austreiben wollen. Hätte man muskulöse, intelligente und patriotische Männer als Experten präsentiert, wäre der Effekt viel besser gewesen. Geheimdienste wissen, dass Rechtsextremisten zunehmend Frustrationen in den üblichen Gruppen erfahren, weil die erhofften Wahlergebnisse und die Rekrutierung neuer Mitglieder ausbleiben, die Gruppen-Führung inkompetent und arrogant ist und weil es generell an Professionalität mangelt. Geht ein Geheimdienst auf einen Rechtsextremisten zu, strahlt der Geheimdienst genau jene Männlichkeit und Stärke aus, nach der sich der Rechtsextreme sehnt. Ein Informant für den Verfassungsschutz zu werden, ist oft die erste Erfahrung der Person überhaupt mit einer schlagkräftigen, professionellen Organisation.

Konsequent

Man kann sich aus vielen verschiedenen Quellen bilden zum Thema Deprogrammieren und muss konstant diese Prinzipien anwenden auf Personen und generell das relevante Wissen verbreiten als präventive Maßnahme. Die Welt ist voller Krisen und es kommen immer neue Krisen dazu, die Gefühle von Panik und Endzeit auslösen, was sich manipulative Personen und Organisationen zunutze machen. Immer wieder preisen Gruppen ihre Lehre und ihren jeweiligen Guru als letzte Chance an, als den ultimativen Widerstand.

Man muss sich die Prinzipien der Psychometrie zunutze machen: Welche Persönlichkeitsstruktur hat derjenige, mit dem ich spreche? Was fürchtet er? Was erhofft er sich? Wann spreche ich mit ihm? In welcher Situation? Wie spreche ich mit ihm?

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