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Jan Böhmermann blockiert Twitter-Nutzer anhand von szenerelevanten Trigger-Begriffen

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Der Fernsehmoderator und Satiriker Jan Böhmermann erklärt im Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ und in seinem bald erscheinenden Buch, wie er anhand von szenerelevanten Trigger-Begriffen Twitter-Accounts blockiert.

Rund 14.000 User, die Worte verwenden wie „Gutmensch“ oder „Links-grün-versifft“, „Zwangsgebühr“ oder „Systemling“, würden die freiheitlich-demokratische Grundordnung und ihre Institutionen ablehnen.

Künftig könnten die Sozialen Medien automatisierte Funktionen anbieten, um ein bestimmtes Klientel zu blockieren. In einer automatisierten Filterblase hätte man seinen „Safe Space“. Diejenige Klientel, die Böhmermann von sich fernhalten will, schottet sich ihrerseits im Netz ab von Leuten, die als „Systemlinge“ gelten. Jeder möchte gerne andere belehren und bekehren, aber sich nicht bekehren und belehren lassen.

Gerade Youtube war jahrelang sehr locker, was die Auslegung der Nutzungsbestimmungen anbetraf. Unzählige Menschen ließen sich ideologisch programmieren und aufhetzen, was wiederum den Algorithmus von Youtube trainierte.

Der Adel hinter Cambridge Analytica

Die Firma Cambridge Analytica (CA) wurde auf einmal weltberühmt und das im negativen Sinn. Zunächst hieß es, dass mit Hilfe von leistungsfähigen Algorithmen ein erheblicher Beitrag geleistet worden wäre zu der Wahlkampagne von Donald Trump und zu der Brexit-Kampagne von Nigel Farage und anderen. Später ergab sich, dass man dabei auf massenhaft Daten von Facebook zurückgegriffen hatte.

Psychometrie ist der wissenschaftliche Versuch, die Persönlichkeit eines Menschen zu vermessen. Meistens wird in dem Zusammenhang die sogenannte Ocean-Methode angewandt, also das Messen von fünf Persönlichkeitsmerkmalen: Offenheit, Gewissenhaftigkeit, Extraversion, Rücksicht und Kooperationsbereitschaft sowie Neurotizismus.

Es ist aber unwahrscheinlich, dass Cambridge Analytica sich wirklich in die Karten schauen ließ und ihr Geheimrezept verriet. Es lassen sich nämlich noch viele weitere Attribute messen, darunter auch die Ausprägung von Narzissmus, Psychopathie, emotionaler Instabilität usw.

[Michal] Kosinski und sein Team verfeinern die Modelle unablässig. 2012 erbringt Kosinski den Nachweis, dass man aus durchschnittlich 68 Facebook-Likes eines Users vorhersagen kann, welche Hautfarbe er hat (95-prozentige Treffsicherheit), ob er homosexuell ist (88-prozentige Wahrscheinlichkeit), ob Demokrat oder Republikaner (85 Prozent). Aber es geht noch weiter: Intelligenz, Religionszugehörigkeit, Alkohol-, Zigaretten- und Drogenkonsum lassen sich berechnen. Sogar, ob die Eltern einer Person bis zu deren 21. Lebensjahr zusammengeblieben sind oder nicht, lässt sich anhand der Daten ablesen. Wie gut ein Modell ist, zeigt sich daran, wie gut es vorhersagen kann, wie eine Testperson bestimmte Fragen beantworten wird.

Kosinski war überzeugt, dass er mit mehr Daten eine Person besser analysieren könne als ein enger Partner oder sogar als diese Person sich selbst einschätzen kann. Verfügt man über genügend Datensätze, kann man gezielt suchen, etwa nach unentschlossenen Wählern mit bestimmten Attributen.

Ende 2014 war Cambridge Analytica in den US-Wahlkampf eingestiegen, zunächst als Berater des Republikaners Ted Cruz, finanziert vom verschwiegenen US-Softwaremilliardär Robert Mercer. Der Mercer-Clan finanziert wie auch die Milliardäre Shillman und Rosenwald sowie weitere etablierte Kreise die sogenannte „neurechte“ Bewegung. Die Experten wissen, dass viele junge Männer in Amerika sich abgehängt fühlen, zu wenig Geld verdienen, zu unattraktiv auf das weibliche Geschlecht wirken und sehr wütend sind. Viele Wähler wollen die Grenze zu Mexiko sichern, die korrupten Wirtschaftsbosse zurückdrängen. Und Donald Trump sprach im Wahlkampf exakt die Worte, die die Wähler hören wollten.

„Trump agiert wie ein perfekt opportunistischer Algorithmus, der sich nur nach Publikumsreaktionen richtet,“

meinte die Mathematikerin Cathy O’Neil. Die Wahlwerbung, die via Facebook verschickt wird, geht nicht einfach nur in wenigen abgewandelten Versionen an grob definierte Wählergruppen wie in Hillary Clintons Kampagne, sondern automatisiert maßgeschneidert an Einzelpersonen und kleinste definierte Wählergruppen. Alexander Nix von Cambridge Analytica prahlte:

„Wir haben Psychogramme von allen erwachsenen US Bürgern – 220 Millionen Menschen.“

Das mag übertrieben sein, kann aber auch der Realität recht nahekommen. CA war hervorgegangen aus der britischen Firma SCL Group für Verhaltensforschung und strategische Kommunikation. Der SCL-Gründer Nigel Oakes besuchte die Eliteschule Eton, danach ist aber kein Studium nachweisbar. Seine weitere Qualifikation war eine Liebesbeziehung mit Lady Helen Windsor, Tochter von Prinz Edward, Duke of Kent, und eine Urenkelin des britischen Königs George V. Einer der ehemaligen Direktoren der mit Oakes arbeitete, war Lord Ivar Mountbatten, ein Cousin von Königin Elizabeth II. und Prinz Philip. Durch seinen Großvater Prinz George of Battenberg stammt er ab von dem Welfen-Haus Hessen-Darmstadt. Lord Ivar ist eigentlich offiziell Geologe und Landwirt. Was trieb er also in einer Firma für Data Mining und Psychometrie?

SCL brüstete sich mit „militärischen Desinformationskampagnen“ und erfolgreich geführten Wahlkampagnen. In Entwicklungsländern war die Rede von „Psy ops“, also psychologischen Operationen um die öffentliche Meinung und Politik zu beeinflussen. SCL behauptete sogar, Staatsstreiche auslösen zu können, was bereits psychologische Kriegsführung wäre. Angeblich hätte SCL den Segen der britischen und der amerikanischen Regierung besessen.

Cambride Analytica war ein Ableger für die USA und bekam Geld von dem Hedge Fund-Milliardär Robert Mercer, der auch Geld investierte in den Aufbau „neurechter“ Medien und Stars.

Mercer war im Herbst 1972 bei IBM Research angeheuert worden und arbeitete am Thomas J. Watson Research Center in Yorktown, New York. 1993 durfte er dem Hedge Fund Renaissance Technologies beitreten auf die Empfehlung hin von dem Wissenschaftler Nick Patterson, der einen Abschluss hatte von der britischen Cambridge-Universität und für die britische und amerikanischen Codebrecher-Einheiten gearbeitet hatte. Sein Doktorvater war John G. Thompson, Mitglied der Royal Society, der US National Academy of Sciences und Träger eines Ehrentitels von Oxford.

Zusammen mit Peter Brown, einem Kollegen von IBM, wurde Mercer Co-CEO des Hedge Funds. Der Haupt-Fond namens Medallion, machte ein Jahr nach dem anderen atemberaubende 39%, zeitweise sogar 71,8%, und die Beteiligten waren bei der Steuervernmeidung genauso kompetent wie beim Einfahren von Renditen. In den geleakten Paradise Papers taucht Mercer auf als Direktor von acht Bermuda-Firmen.

https://www.bloomberg.com/news/features/2016-01-20/what-kind-of-man-spends-millions-to-elect-ted-cruz-

Normalerweise sind Renditen, die dauerhaft oberhalb der Erträge von passiven ETF-Index-Fonds wie dem S&P500 Index liegen, nur mit kriminellen Methoden wie Insiderhandel machbar. Renaissance hingegen scheint mit Hilfe von gigantischen Datenmengen und der intelligenten Auswertung in einer völlig eigenen Liga zu spielen. Das Buch The Quants beschreibt die Arbeit von Spracherkennungsexperten, viele von IBM, darunter die aktuellen Führungskräfte des Unternehmens.

Der Daily Telegraph berichtete 2013, dass der Hedge Fund keine traditionellen WallStreet-Trader anheuert, sondern nur Mathematiker und ähnliche Wissenschaftler. In die Nähe kommt gerade noch der Quantum Fund von George Soros, der viel Geld spendet an linke Politiker und Organisationen. Renaissance spendet noch mehr an die Politik als Soros. Mercer spendet den Republicans und auch diversen Gruppen der Koch-Brüder, während sein Kollege Simons überwiegend den Democrats spendet.

Nach dem Skandal um Cambridge Analytica machten wichtige Beteiligte weiter mit der Firma Emerdata Limited. An Bord ist Rebekah Mercer, Alexander Nix und  Johnson Chun Shun Ko von der Frontier Services Group, die auf den Blackwater-Gründer Erik Prince zurückgeht, der die Trump-Administration berät zu Afghanistan und der Mitglied ist im verschwörerischen Council for National Policy (CNP) der fast die gesamte rechte Sphäre in den USA verwaltet.

Alexander Nix besuchte auch Eton, studierte danach Kunstgeschichte und arbeitete dann zunächst lange als Finanzanalyst bei der M&G Group, bevor er zu SCL kam. Die Ashburner Nix-Familie sind seit mehreren Generationen Banker und profitierten einst ausgiebig von der britischen Kolonie Indien und der Herrschaft der East India Company. Wie auch Nigel Oakes scheint er persönliche Beziehungen zu seinem Vorteil genutzt zu haben, denn er heiratete Olympia Paus aus dem Wilhelmsen-Clan, deren Urgroßvater Graf Peder Anker Wedel-Jarlsberg war, der Hofverwalter für den norwegischen König Haakon VII. Jarlsberg war demzufolge der höchste Adelige Norwegens außerhalb der Königsfamilie und hatte auch enge Verbindungen zu dem schwedischen Königshaus. König Haakon VII war geboren als Prinz Karl von Dänemark; sein Vater stammt aus dem Oldenburg-Ableger Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg und dessen Mutter wiederum war Luise von Hessen-Kassel.

Im März 2018 wurde durch Whistleblower Christopher Wylie bekannt, dass die ersten Aktivitäten von Cambridge Analytica auf einem Datensatz basierten, den die Muttergesellschaft SCL 2014 von einer Firma namens Global Science Research kaufte, die von Aleksandr Kogan gegründet wurde, der als Psychologe in Cambridge arbeitete.

Michal Kosinski vom Psychometrics Centre der Cambridge University erzielte wichtige Durchbrüche beim Auswerten von Facebook-Daten. Cambridge Analytica verwendete später massenhaft solche Facebook-Daten, was letztendlich den Skandal auslöste. Laut Alexander Nix habe man zwischen 4000 und 5000 relevante Datenpunkte über jeden Amerikaner besessen. Reporter von Channel 4 News aus Großbritannien posierten als potenzielle Kunden von CA um eine Wahl in Sri Lanka zu beeinflussen. Vor einer versteckten Kamera prahlte Nix, dass man neben der Psychometrie auch klassische Methoden einsetzen würde wie etwa Honigfallen in Form von hübschen ukrainischen Frauen oder Bestechung. Zudem könne man auf die Dienste „israelischer Firmen“ zurückgreifen um unerwünschte Politiker in eine Falle zu locken. Die Firma CA wurde beendet und in der Presse zirkulierten haufenweise Berichte, oft auch gestützt von Wissenschaftlern, in denen der Eindruck erweckt wurde, als habe CA die Möglichkeiten der Psychometrie völlig übertrieben und kaum eine nennenswerte Rolle gespielt bei der Trump-Wahl. Man darf aber nicht vergessen, dass der Adel und die höchsten Ebenen der Wissenschaft schon seit vielen Jahrzehnten an Psychometrie forschen und dass der Skandal um CA und die Prahlerei von Nix dem Thema ungewollte Aufmerksamkeit einbrachten.

CA war an sehr vielen Projekten weltweit beteiligt gewesen und das Schlüsselpersonal machte nahtlos weiter mit Nachfolgefirmen wie Emerdata, Data Propria und Auspex International.

Ein Geheimdienst könnte folgende Suchparameter in eine besondere Suchmaschine eingeben:

  • Männlich, jünger als 40 Jahre
  • Narzisstische bis psychopathische Persönlichkeit
  • Politisch aktiv
  • Pädophilie
  • Durchschnittliche oder höhere Bildung
  • Vorstrafen
  • Heimliche Neonazi-Gesinnung
  • Durchschnittlicher IQ von rund 100
  • Militärische Grundausbildung
  • Wohnhaft in einer bestimmten Stadt

Die Suchmaschine würde passende Suchergebnisse anzeigen, die durch weitere Suchparameter weiter eingegrenzt werden können. Für die vielversprechendsten Kandidaten könnte der Geheimdienst eine passende Operation entwerfen, um diese Kandidaten unter Kontrolle zu bringen und als Provokateure und Spitzel zu benutzen. Früher hätte die Vorarbeit Monate und massiven Personaleinsatz gebraucht. Heute ist es so einfach wie die Bedienung einer Internetsuchmaschine.

Umgekehrt hat der Normalbürger keine auch nur annähernd vergleichbaren Möglichkeiten, um einen Politiker zu prüfen, der zur Wahl antritt. Man bekommt nur manipulative TV-Berichte und Wahlwerbung für den Politiker-Kandidaten, und nirgendwo wird einem in der Schule beigebracht, wie man andere Menschen professionell einschätzt.

AlexBenesch
AlexBenesch
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