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Der Prüfstand für die Black Ops-Thesen zu Hanau

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Von den verschiedenen Zeugenaussagen aus Hanau, laut dem es sich um mehr als einen Täter gehandelt hätte oder dass der im Fernsehen als Rechtsterrorist präsentierte Mann nicht der Täter gewesen sei, ist unterm Strich kaum etwas Verwertbares. Denn es fehlen Handyvideos, Überwachungskamerabilder und Leaks aus den Ermittlungsbehörden, die solche dramatischen Abweichungen von der offiziellen Darstellung untermauern könnten.

Das rechte Lager hat sich eine These zusammengebastelt, die sich anhört wie eine der Thesen aus dem NSU-Fall: Um peinliche Bandenkriminalität zu vertuschen hätten Geheimdienstler entschieden, einem Rechtsradikalen die Taten anzuhängen und schließlich diesen Rechtsradikalen umzubringen. Beim überaus komplizierten NSU-Fall handelt es sich nur um eine These von vielen. Bei Hanau hätte ein Geheimdienst sofort nach der Banden-Schießerei ein Killerkommando geschickt zu dem Schizophrenen Tobias R. der eine Waffenbsitzkarte mit zwei eingetragenen Pistolen hatte. Das Kommando hätte in dieser These sowohl Tobias als auch dessen (schwerkranke) Mutter erschossen, den Vater aber seltsamerweise am Leben gelassen, der nun in einer psychiatrischen Behandlung ist. Einen plausiblen Grund, warum das Killerkommando nicht den Vater einfach ebenfalls erschossen hatte, erklärt uns diese These nicht. Natürlich wird spekuliert, er der Vater sei zwangspsychiatrisiert worden und würde jetzt einer filmreifen Gehirnwäsche unterzogen oder zumindest bedroht werden. Aber wenn ein Killerkommando ausrückt, ist normalerweise Gründlichkeit die eiserne Grundregel. Den Vater am Leben zu lassen, obwohl er so viel Kontakt zu dem Sohn hatte, ergibt schlicht keinen Sinn.

Inzwischen sind Polizeiermittler und diverse andere Beamte mit Zugang zu Ermittlungsinformationen zunehmend gewillt, notfalls heikle Dinge an die Öffentlichkeit zu leaken. Ein Killerkommando auszuschicken zu einem lokalen Schizophrenen und jenen dann als Täter zu präsentieren, ist eine viel zu riskante Angelegenheit. Vor allem, wenn nur wenig Zeit bestand, um eine solche Operation zu planen. Es gibt einfach zu viele unbekannte Variablen und Möglichkeiten, dass die Sache auffliegt und zu einem Desaster für den Geheimdienst wird. Jeder Mensch besitzt heute ein Smartphone und überall hängen Überwachungskameras. Wenn der Geheimdienst nicht sämtliche Videos unter Kontrolle bringt, flöge die Sache auf. Wenn ein einziger Beamter aus dem Behördenapparat etwas Entlarvendes leakt, fliegt die Sache auf.

Dann wurde Muhsin Kidik in der türkischen Presse zitiert, ein bekannter Funktionär der Wirtschaftsorganisation MÜSIAD, mit der Aussage, die deutsche Polizei hätte Kenntnis von dem Angriff besessen. Vier Stunden vorab seien Vorsichtsmaßnahmen vor diversen Spielhallen und Bars getroffen worden. Irgendein Treffen sei verabredet worden; danach passierte die Schießerei. Der Artikel in den türkischen Medien ist enorm kurz und bei Weitem nicht klar genug. Falls es zutrifft, dass den Behörden irgendwelche Warnungen vorlagen vor einem möglichen Bandenkrieg, dann hätte es automatisch zu viele Mitwisser gegeben im Hinblick auf die Bedrohungssituation. Ein Geheimdienst hätte innerhalb von wenigen Stunden eine Operation zusammenstümpern müssen in der Hoffnung, dass an zwei Tatorten nicht zufällig Passanten aus sicherer Distanz mit ihren Handys filmen.

Dazu kommt noch das Problem, dass MÜSIAD als Partner der Erdogan-Regierung nicht unbedingt eine Top-Adresse ist für objektive Hypothesen und Aufklärung zu Sicherheitsthemen. Der radikale Gründer wollte ein neues Kalifat, das die gesamte Welt steuert. Der Verband hat streng muslimische und türkische Interessen im Sinn. Die Szene der Shisha-Bars ist komplex und verschiedene ausländische Mächte sind involviert. Das Statement von Kidik zu Hanau ist momentan also zwar interessant, aber noch viel zu dünn.

Die Massenmedien wie die BILD spekulierten nach der Schießerei in Hanau zunächst über das Szenario russische Mafia sowie das Szenario Rechtsterror.

Die Psychologie des Terrors

Terrorismus versucht, Macht und Überlegenheit auszustrahlen und den verfeindeten Staat zu erniedrigen und vorzuführen als schwach oder als übermäßig brutal, was die Terrorbekämpfung anbetrifft. Terroristen wollen als Revolutionäre von hoher Bedeutung und Strahlkraft gelten und den Eindruck erwecken, der Endsieg sei nicht nur möglich, sondern lediglich eine Frage der Zeit.

Die vergangenen Rechtsterror-Anschläge zeigten jedoch keine rechten Ché Guevaras, sondern dysfunktionale und vereinsamte Psycho-Wracks, die nach endlosen Stunden vor dem Computerbildschirm auf den White Power-Zug aufgesprungen waren und entschieden, dass sie sich mit einem großen Knall aus der Welt verabschieden wollen. Jedes Mal verpuffte die Wirkung, die Aufmerksamkeit nach einem Anschlag ebbte schnell ab und hauptsächlich zogen linke Parteien bzw. Parteien der Mitte einen Nutzen aus der Angelegenheit.

Die Massenmedien und 60% der Deutschen halten nach Hanau die AfD für kollektiv mitschuldig, während Linke bei uns generell nicht in Sippenhaft genommen werden für die Verbrechen des kommunistischen Chinas in der Vergangenheit und Gegenwart.

Wegen der RAF war auch die Welt eins nicht untergegangen, obwohl sie über Support des Ostblocks verfügte und zeitweise Millionen Sympathisanten in Westdeutschland hatte. Bei Anschlägen wurde auf prominente Figuren der verhassten Bundesrepublik sowie auf Funktionäre des US-Militärs in Deutschland abgezielt. Diverse Polizisten wurden bei Operationen, Fluchtversuchen und Passkontrollen erschossen und als Kollateralschaden verbucht. Die Sowjets hatten eine internationale Terrorkampagne koordiniert und für Westdeutschland wählte man offensichtlich Zielpersonen mit hoher Propagandawirkung wie den ehemaligen NS- und SS-Funktionär Hanns Martin Schleyer. Hätte die RAF Zivilisten hinterrücks ermordet, vor allem in Kirchen und Freizeiteinrichtungen, wäre die große Sympathiewelle ausgeblieben.

Die Rechtsterroristen der vergangenen Jahre hingegen mordeten wehrlose Jugendliche auf einer Insel oder attackierten Gläubige bei religiösen Feiern. Jeder Anschlag schwächte das rechte Lager und per Sippenhaft-Argument galt jeder als verdächtig, der die gängige Migrationspolitik und den Linkskurs der EU-Länder ablehnte. Kein Wunder, dass das rechte Lager Verdacht schöpft und überall Parallelen zum NSU-Fall mit den zahllosen V-Leuten und Staatsgeheimnissen zu erkennen glaubt. Man darf jedoch nicht den Fehler machen, jeden Rechts-Terroranschlag als „MKULTRA False Flag“ des „linken Deep State“ und einer vermeintlichen satanisch-jüdischen Weltverschwörung zu porträtieren. Diese Automatismen und die Unwilligkeit der rechten Szene zu Selbstkritik und geheimdienstlicher Aufarbeitung verursachen weiteren Schaden und lassen das rechte Lager völlig bösartig und irrational wirken.

AlexBenesch
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