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Umfeld des Verfassungsschutzes beim Lübcke-Mord

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Stephan E. sitzt in Untersuchungshaft, weil ihm vorgeworfen wird, den CDU-Politiker Walter Lübcke erschossen zu haben. Zeugen wollen beobachtet haben, wie zwei Autos mit hoher Geschwindigkeit im Ort davonrasten. Eines davon sei ein VW Golf Caddy gewesen; ein Modell das auf die Ehefrau von E. zugelassen ist. Für die Tatzeit kann sie ihrem Mann kein Alibi liefern.

Die Behörden sagen, Stephans DNA sei an der Leiche gefunden worden und seine Vergangenheit weise ihn aus als gewaltbereit. 10 Jahre hätte er sich unauffällig verhalten, eine bürgerliche Existenz samt Familie aufgebaut.

Die alten Kontakte von Stephan E. reichten in eine kleine, verrohte Szene hinein, wo man sich kennt. Und diese Szene überschneidet sich mit dem NSU.

Anfang der 2000er Jahre traf er sich regelmäßig mit einer Schlüsselfigur der „Oidoxie Streetfighting Crew“ die aus der Rechtsrock-Band Oidoxie und der Dortmunder Kameradschaftsszene entstanden war. Der Gruppe wird vorgeworfen, eine terroristische Vereinigung zu sein und sich Waffen beschafft und für den Kampf trainiert zu haben. Die Combat-18-Zelle, die ihre Aktivitäten im Frühjahr 2006 einstellte, hatte mit Terrormachine eine eigene Hymne. Ein mutmaßliches Mitglied der Oidoxie Streetfighting Crew, Robin Sch., enger Brieffreund von Beate Zschäpe, wurde Anfang März 2016 vor dem NSU-Untersuchungsausschuss in Düsseldorf angehört. Stanley R. war ein weiterer Bekannter von Stephan E. aus der Zeit. Die Geburtstagsfeier von Stanley R. im Jahr 2006 wurde im NSU-Prozess aufgearbeitet. Auf der Party sollen nämlich die NSU-Terroristen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos gewesen sein. Kurze Zeit später geschah der Mord an Halit Yozgat.

Das Kasseler Internetcafé, in dem Halit Yozgat am 6. April 2006 angeblich von NSU-Trio ermordet wurde, liegt etwa 20 Kilometer vom Wohnhaus von Lübcke entfernt. In dem Internetcafé saß ein Mann des Verfassungsschutzes namens Andreas Temme und will Dating-Seiten besucht haben. Die Erschießung von Yozgat im nächsten Raum und die Leiche will er nicht gehört und gesehen haben.

Der Neonazi und V-Mann Benjamin Gärtner (Deckname Gemüse) erklärte im hessischen NSU-Untersuchungsausschuss, dass er von der Existenz eines „NPD-Stephans“ wisse. Gärtner alias Gemüse  arbeitete ausgerechnet für den Verfassungsschutzbeamten Andreas Temme, der nach dem Yozgat-Mord an eine Dienststelle der hessischen Verwaltung versetzt wurde, die Abteilung Beamtenversorgung, wo ausgerechnet der ermordete Walter Lübcke sein oberster Vorgesetzter war. Die Welt ist manchmal sehr klein. Am Tattag des Mordes an Yozgat telefonierte V-Mann Gärtner noch mit Temme.

Erst am 20. Februar 2015 wurde der Originalmitschnitt eines am 9. Mai 2006 abgehörten Telefonats öffentlich bekannt, das Temme mit dem damaligen LfV-Geheimschutzbeauftragten Gerald-Hasso Hess führte und das ihn massiv belastet: Temme war demnach mutmaßlich 2006 vorab über den Mord an Halit Yozgat informiert. Er sei wie bekannt am 6. April 2006 zum Tatzeitpunkt im Internetcafé gewesen, habe aber schon vorher konkrete Kenntnisse von der geplanten Tat, der Tatzeit, dem Opfer und den Tätern erhalten und sich deshalb in dem Internetcafé aufgehalten. In dem Telefonat hatte der LfV-Geheimschutzbeauftragte Hess seinen Kollegen Temme auf die Vernehmung durch die Polizei vorbereitet. Dann sagte er einen Satz, der nur auf den originalen Abhörbändern zu hören war und in der ursprünglichen Polizeiabschrift des Telefonats nicht mehr erscheint: „Ich sage ja jedem: Wenn er weiß, dass irgendwo so etwas passiert, dann bitte nicht vorbeifahren.“ wikipedia

Der größte Teil eines 230 Seiten langen Berichts des Landesamts für Verfassungsschutz in Hessen zum Thema NSU wurde bis zum Jahr 2134 als geheim eingestuft. Viele Akten im ganzen Land zum NSU wurden geschreddert.

NSU

Warum war Beate Zschäpe nicht geflüchtet, als sie die Gelegenheit dazu hatte, sondern stellte sich den Behörden? Sie konnte es vergessen, weiterhin im deutschen Untergrund zu leben und irgendwie von Banküberfällen zu leben und von Spenden aus der rechten Szene, die total von Spitzeln der Geheimdienste unterwandert waren. Warum ist sie nicht ins Ausland geflohen? Dies wäre immer noch attraktiver gewesen, als in einem deutschen Gefängnis zu landen dort nach zehn Jahren auf einer Bananenschale auszurutschen und plötzlich zu sterben. So wie mehrere Zeugen ins Gras bissen.

Sobald man sich in die Beweislage einliest, steht man vor einem Papierberg. Alleine die Anklageschrift ist mit 480 Seiten so lang wie ein Roman. Die Ermittlungsergebnisse der Bundesanwaltschaft füllen 650 Aktenordner; also etwa 100 Regale voll. Bereits im Juli 2014 waren die Verfahrensakten auf über 486.000 Seiten Papier angestiegen. Würde ein Mensch pro Tag rund 500 Seiten davon lesen, bräuchte er rund 1000 Jahre, um damit fertig zu werden. Die Untersuchungsausschüsse produzierten nochmal hunderttausende Seiten.

Der Senat und die Bundesanwaltschaft hielten Zschäpe auf Grund dieses Papierbergs für ein aktives Mitglied des NSU. Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, die eigentlich immer den Abzug betätigt haben sollen, starben unter höchst seltsamen Umständen bei angeblichen Selbstmorden. Wie hätte der Prozess mit den beiden ausgesehen? 1000 Prozesstage und 3 Millionen Seiten Papier? Dann hätten wir uns schon in Dimensionen bewegt, die sonst nur von Events wie dem JFK-Attentat oder 9/11 erreicht werden.

Die Beweislage zu Zschäpe aus dem Papierberg ist auffällig dünn. Der Mitangeklagte Holger Gerlach, der Pässe beschafft und Geld gebunkert haben soll, sagte aus, dass Zschäpe „durchsetzungsstark“ gewesen sei. Sein Eindruck wurde auch von Gutachtern bestätigt, wobei einer davon eine dependente Persönlichkeitsstörung bei Zschäpe diagnostizierte. Das beschreibt aber nur ihre Persönlichkeit und sagt uns praktisch nichts zu den Morden. Der Rest der Beweislage sind nur Indizien. An keinem der Tatorte fanden sich DNA-Spuren oder Fingerabdrücke. Es gibt keine eindeutigen Aufnahmen von Überwachungskameras, keine eindeutigen Augenzeugenberichte.

Die Belastung von Böhnhardt und Mundlos basierte nur auf den Gegenständen, die im ausgebrannten Wohnmobil und im Schutt der ausgebrannten Zwickauer Wohnung gefunden wurden. Im Prinzip hätten diese Gegenstände in einen Rucksack hineingepasst. Überzeugender sind die Mietfahrzeuge im Tat-Zeitraum. Aber selbst das ist noch nicht eindeutig, wer den Abzug betätigt hat und warum.

Mordwaffe

Im Fall Lübcke ist bisher keine Mordwaffe aufgetaucht. Die angebliche Mordwaffe des NSU hat eine bizarre Geschichte:

Bei dem Anis Amri-Anschlag wurden damals Bilder von einer Schusswaffe veröffentlicht, die wir korrekt als Erma-Pistole Modell EP 552 erkannten. Jetzt erfahren wir, dass der NSU auch ein solches Modell besaß mit ähnlicher Seriennummer und in beiden Fällen führen die Spuren zum Bodensee und in die Schweiz. Bei dem NSU wurden in einer ausgebrannten Wohnung 11 Schusswaffen gefunden. Dass die Gruppe ausgerechnet die angeblichen Mordwaffen wie etwa die berüchtigte Ceska behielt, anstatt diese in irgendeinem See zu versenken, ergibt keinen Sinn. Normalerweise werden Mordwaffen weggeworfen, damit sie nie gefunden werden können. Komisch auch, dass die Seriennummern nicht entfernt wurden. Das Landratsamt Konstanz erklärte ggü. dem BKA zu der Erma-Pistole des NSU, dass jene am 28. September 1992 an den Schweizer Peter F. aus Zürich verkauft worden sei. Der Mann erklärte, die Pistole vor 20 Jahren verkauft zu haben, was damals ohne Papierkram erlaubt war. Die Erma-Pistole von Amri war bei einem Jugoslawen gelandet. Ging damals jemand von einem Geheimdienst auf Einkaufstour? Qualitätswaffen bei denen sich die Spuren verwischen lassen? Neonazis gingen in den 90ern zum Balkan, um mitzukämpfen.

Anis Amris Schusswaffe gibt einige Rätsel auf. Die italienische Traditionszeitung Corriere della Serra berichtet, dass seine Waffe, mit der er einen Polizisten in Mailand anschoss, exakt dieselbe sei mit der der polnische LKW-Fahrer getötet worden war. Nicht nur wird über das identische Kaliber gesprochen (22er), sondern auch über forensische Analysen des Laufs, der Hülsen und der Geschosse.

Die Behörden gaben seltsamerweise bei Amri zunächst an, dass es sich um keine herkömmliche Waffe gehandelt habe, sondern um ein selbstgebasteltes „Schießinstrument“. Wie man das genau verstehen soll, ist fraglich.

Es ist komisch, dass Amri trotz seiner Kontakte zum islamischen Staat mit dessen Finanzmitteln und trotz der Netzwerke des IS in Europa auf eine solch billige/selbstgebastelte Waffe zurückgreifen musste. Immerhin stellte die Waffe auf seiner langen und unsinnigen Rundreise von Berlin nach Frankreich und schließlich Italien seine einzige Möglichkeit dar, einer Gefahrsituation zu entfliehen. Außerdem wurde bekannt, dass Amri versucht hatte, von einem Spitzel des LKA eine Schusswaffe zu kaufen. Eine Verhaftung fand nicht statt.

Bei dem äußerst mysteriösen NSU-Trio waren mehrere erlaubnispflichtige Schusswaffen gefunden worden: Eine Radom VIS 35, Walther PP, Ceska 83 mit Schalldämpfer, eine ERMA EP552S,
Maschinenpistole 1952 mit Klappschaft (wahrscheinlich PPS Typ 43).

AlexBenesch
AlexBenesch
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