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Netflix will den Leuten das Böse erklären

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Kommentar

Netflix will dem Publikum das Böse erklären mit Shows wie „Mindhunter“ und „Manhunt: Unabomber“. Anders als die zahllosen anderen Sendungen über Serienkiller und wahre Verbrechen konzentrieren sich diese beiden Netflix-Produktionen auf die frühe Geschichte des Profilings, eine Zeit in der noch die grundlegenden Erkenntnisse zusammengetragen werden mussten unter dem skeptischen Blick der Vorgesetzten, die sich lieber auf forensische Analysen verlassen wollten. Profiling galt lange Zeit als nutzlose Spielerei und entwickelte sich langsam aber stetig zu einem der wichtigsten Werkzeuge, um Täter aufzuspüren und soll künftig sogar Verbrechen verhindern, bevor sie geschehen.

Die Faszination für Serienkiller ist beim Publikum ungebrochen und dies ist natürlich einer der Gründe, warum solche Serien produziert werden. Mehr Subscriber begeistern die Investoren. Netflix berieselt die Leute konstant, lädt ein zum „Binge Watching“ (suchtartiges Dauerglotzen) und hält das Publikum größtenteils vom Denken ab. Immer mehr Menschen schauen Netflix unterwegs, beim Warten, in öffentlichen Verkehrsmitteln usw. Nicht einmal diese Zeitfenster werden mehr genutzt, um sich Gedanken zu machen. Komplett denkfaul sind die Leute aber nicht, und deshalb sind alle herzlich dazu eingeladen, sich in sozialen Netzwerken zu unterhalten über Serien-Inhalte, die keine Bedeutung haben. Natürlich wissen die Menschen insgeheim, dass etwas mit der Welt überhaupt nicht stimmt und sie sind unzufrieden mit ihrem Leben als kleine Zahnrädchen in einem System der strikten Kontrolle. Und da kommen Shows wie Mindhunter oder Unabomber gerade recht: Sie sprechen wissenschaftlich über das Böse und sind sogar so subversiv, um anzudeuten dass auch Politiker durch und durch böse sind und sich das Problem nicht nur auf Serienkiller beschränkt.

Das Publikum bekommt ein paar kleine Brocken vorgesetzt über Psychopathie und natürlich werden wieder die tollen, bemühten staatlichen Fahnder der Behörden gezeigt. Das Buch „Als Mörder geboren“ von Adrian Raine machte vor einer Weile die Runde in Hollywood und man kann davon ausgehen, dass auch die neuen Netflix-Shows davon oder von sehr ähnlichen Werken beeinflusst sind.

Raine bewirbt das LOMBROSO-Programm, laut dem die gesamte Bevölkerung schrittweise von oben herab vom Staat auf Psychopathie geprüft werden soll. Und genauso wird in „Mindhunter“ immerzu angedeutet, wie man die frühen Warnzeichen erkennen müsse, um rechtzeitig zu intervenieren, bevor jemand zum (Serien-)Mörder wird. Der Unabomber war einer der intelligentesten Männer seiner Generation gewesen, besuchte mit 16 Jahren bereits Harvard, nur um sich wenige Jahre später in eine Hinterwäldler-Hütte in Montana zurückzuziehen, Bomben zu basteln und rebellische Manifestos zu schreiben über die furchtbare Welt. Die Zuschauer, die selbst von der Welt mies behandelt wurden, lernen über Killer, die einst von der Welt grausam behandelt und vernachlässigt worden waren und dann als Akt der Rebellion die Welt grausam behandelten. Mit mehr Psychopathie lässt sich das Problem der Psychopathie natürlich nicht lösen, also bleiben in der Fernsehwelt nur die smarten, sich aufopfernden Profiler und Ermittler übrig, die Heldentaten vollbringen und den (scheinbaren) Weg andeuten zur Erlösung der Menschheit von dem Bösen.

Sowohl Mindhunter als auch Manhunt: Unabomber spielen hier und da darauf an, dass die Mächtigen in unserer Gesellschaft auch bösartig sind, liefern allerdings keinen echten Kontext und präsentieren den Staat als einzigen, der das Problem lösen könne. Selbstverständlich muss modernes Wissen über Psychopathie und Profiling einfließen in das Justizsystem und es müssen völlig neue Methoden der Prävention geschaffen werden, aber die Netflix-Shows und Adrian Raine gehen letztendlich doch nicht über blinde Staatsgläubigkeit hinaus.

Eigentlich müsste es genau umgekehrt laufen: Die Bürger sollten sich auf der horizontalen Ebene gegenseitig prüfen und sich selbst als gesund zertifizieren lassen und die Bürger sollten wasserdichte, multiple Tests zur Vorschrift machen für alle, die staatliche Ämter haben wollen. Außerdem müsste man aufdröseln, welche Eliten genau hinter den staatlichen Funktionären stecken. Lässt man den Staat und das medizinische Establishment die Führung übernehmen eines LOMBROSO-Programms, dann wird dies böse enden.

Adrian Raine ist selbst ein halber Psychopath und schon alleine deshalb muss man seinen Lösungsansätzen misstrauen. Auch in „Mindhunter“ zeigt die Hauptfigur stark verminderte Empathie und scheint sich im psychopathischen Spektrum zu bewegen.

Die neue Staffel Homeland ist ebenfalls von Raine beeinflusst und zeigt konstant moralische Dilemmas. Im Trailer sieht man eine diktatorische US-Präsidentin und einen Alex Jones-Verschnitt, der zum John Wilkes Booth werden will:

Eine kritische Geschichtsbetrachtung zeigt, dass die britischen Geheimdienste schon sehr früh über fortgeschrittene Kenntnisse des Profilings und der Psychopathie und des Narzissmus verfügten. Eine Psychoanalyse von Hitler des US-Geheimdienstes OSS während dem Krieg lieferte eine akkurate Definition von Narzissmus, rund 40 Jahre bevor Narzissmus überhaupt erst in den gewöhnlichen psychiatrischen Handbüchern auftauchte. Den Strafverfolgungsbehörden wurden in den 1970er und 1980er Jahren dann eigene Forschungen gestattet (im limitierten Rahmen, beschränkt auf die Ermittlung gegen Gewaltverbrecher) und nun kommen Zuschauer von Netflix in den Genuss einer stark verwässerten Version davon.

Die Serien sind unterhaltsam und können das Denken und Konversationen anregen. Aber nichts ersetzt die Lektüre von Büchern wie das von Raine. In meinem eigenen Buch „Das Böse entschlüsselt“ gehe ich noch einige Schritte weiter und ich unterlag dabei keinen künstlichen Begrenzungen und Zensurmaßnahmen.

AlexBenesch
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