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Die improvisierte Sprengstofffabrik des mutmaßlichen syrischen Täters in Chemnitz

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Von den Behörden hieß es, dass bei der Durchsuchung einer Wohnung in Chemnitz mehrere Hundert Gramm „hochbrisanter Sprengstoff“ gefunden wurden. LKA-Pressesprecher Tom Bernhardt erklärte auf Twitter, die „brisante Mischung“ des Sprengstoffs mache es unmöglich, ihn ohne weiteres abzutransportieren. Bei dem Sprengstoff soll es sich laut dem ZDF um TATP handeln, der bei Dschihadisten in Europa laut den Behörden oft zum Einsatz kommt: Gefährlich in der Herstellung, extrem instabil und unpraktisch, die Grundzutaten dafür verhältnismäßig leicht zu beschaffen.

TATP ist im Vergleich zu anderen Sprengstoffen viel zu unsicher in der Handhabung, was die Verwendung durch Terroristen seltsam erscheinen lässt. Es war aber ursprünglich in Chemnitz die Rede von verschiedenen Sprengstoffen.

Der gesuchte Syrer Jaber Albakr ist noch flüchtig und es ist unbekannt, wieviel Sprengstoff insgesamt hergestellt wurde, wo sich dieser weitere Sprengstoff evtl. nun befindet und ob weitere Personen für den gleichen Zweck an anderen Orten in Deutschland Sprengstoff hergestellt haben.

Je nachdem, um was für Sprengstoffe es sich handelte, kann man Rückschlüsse ziehen auf eine professionelle Ausbildung des Täters, den Aufwand und die benötigten Grundzutaten. Komplexere Sprengstoffe erfordern Fachwissen, hochkonzentrierte Säuren und andere Chemikalien, ausreichende Ausrüstung, ein improvisiertes Entlüftungssystem für giftige Dämpfe, eine Methode zur genauen Kühlung des Gemischs usw. Es ist schwer vorstellbar, dass sich der verdächtige Syrer unentdeckt ohne Weiteres teure und im Handel restriktiv gehandhabte hochkonzentrierte Säuren kaufen konnte. Früher wurden häufiger entsprechende Säuren unter dem Vorwand gekauft, Druckplatten oder andere Dinge zu reinigen. Sie können aber auch aus Schulen und Labors gestohlen werden. Bei TATP sind die Grundzutaten leichter zu beschaffen. Wikipedia berichtet, wie unpraktisch die Substanz ist:

Acetonperoxid ist, wie die meisten anderen organischen Peroxide und im Unterschied zu weniger gefährlichen Peroxiden wie etwa Dibenzoylperoxid, viel empfindlicher gegen Schlag, Reibung und Wärme. Es zerfällt leicht, was zu heftigen Detonationen führen kann.

Bei Raumtemperatur und etwa Lagerung in einem geschlossenen Gefäß bilden sich durch die Sublimation des Acetonperoxids im Bereich des Gefäßverschlusses schnell kleine Kristalle aus, die schon durch die Reibung beim Öffnen des Gefäßes zur Detonation führen können. Das bloße Zerbrechen der feinen Kristalle im Verschlussbereich wird dann eine Explosion des gesamten Gefäßinhaltes auslösen. Da aus demselben Grund die Acetonperoxid-Kristalle generell nicht stabil sind, können jederzeit Kristallbrüche entstehen (durch Temperatur- und Lichtunterschiede etwa), die zu einer spontanen Explosion des gesamten Gefäßinhaltes führen können.

Bei einem geplanten Anschlag auf mehrere Flugzeuge während des Fluges in die USA, der am 10. August 2006 in London verhindert werden konnte, sollte möglicherweise Acetonperoxid verwendet werden. Die Attentäter hätten die Rohstoffe (Aceton und Wasserstoffperoxid) in flüssiger Form in Trinkgefäßen in die Flugzeuge schleusen und dort den Sprengstoff ohne weiteren Katalysator herstellen können.[16] Die Praktikabilität eines solchen Unterfangens wird von Experten jedoch bezweifelt. Ohne Säurekatalyse erfolgt erst nach mehrtägigem Stehen der Mischung aus Aceton und Wasserstoffperoxid eine Reaktion, wie schon Wolffenstein 1895 nachweisen konnte; es wäre also zusätzlich noch eine Säure benötigt worden. Auch müsste das Peroxid nach der Herstellung von der Lösung abfiltriert werden. Die nachfolgende nötige Trocknung würde mehrere Stunden auf dem Filter dauern. Somit ist die „Flugzeugvariante“ in dieser Ausführung sehr unwahrscheinlich. Ebenso sollte es angeblich in sehr großer Menge (700 kg) bei einem Attentatsversuch in Deutschland verwendet werden. Die tatsächliche Durchführbarkeit dieses Plans ist jedoch sehr kritisch zu sehen. Die extreme Empfindlichkeit des Stoffes verhindert einen tatsächlichen Einsatz wirksam.

Ebenfalls zum Einsatz kommen sollte es bei den geplanten Anschlägen der sogenannten „Sauerland-Gruppe“, die zu diesem Zweck 2007 größere Mengen Wasserstoffperoxid zu kaufen versuchte.

Nach Angaben von Ermittlern wurde bei den Anschlägen in Paris am 13. November 2015 Acetonperoxid als Sprengstoff verwendet. Die Sprengstoffwesten wurden offenbar von einem Spezialisten in Europa hergestellt. „Sie haben diese Westen nicht aus Syrien mitgebracht“, sagte ein Ex-Geheimdienstbeamter, es sei viel zu riskant, den Sprengstoff über Tausende Kilometer zu transportieren.

Die mehreren hundert Gramm gefundenen Sprengstoff in Chemnitz können ein Gebäude ernsthaft beschädigen. Mit Schrapnell ergäbe sich auch eine extrem tödliche Waffe für öffentliche Plätze. Das Schrapnell wird zu Geschossen, die mit tausenden Metern pro Sekunde Geschwindigkeit fliegen. Hier ist eine Detonation von 400 Gramm Plastiksprengstoff:

Hier im Vergleich 100 Kilogramm:

Die Anwohner waren entsprechend gefährdet. Beispielsweise sind selbst gemachtes Nitroglyzerin und Dynamit oft extrem instabil und können spontan explodieren. Andere Sprengstoffe bestehen in Rohform aus Kristallen, die oft mit Mineralöl und anderen Stoffen zu knetbarem Plastiksprengstoff gemacht werden. Wurde hier unsauber gearbeitet, können Erschütterungen eine Detonation auslösen. Die Frage ist, wieviel der flüchtige Täter von dem Sprengstoff herstellen konnte, wo der Sprengstoff sich befindet und wieviele andere Personen evtl. parallel dazu Sprengstoff in Deutschland herstellten. Gab es am Tatort leere Behälter von hochkonzentrierten Säuren? Kann man abschätzen, wieviel Sprengstoff hergestellt wurde?

AlexBenesch
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