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Russische Politiker lügen erneut über Gentechnik im eigenen Land

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Erneut versuchen führende russische Politiker in den Medien den falschen Eindruck zu erwecken, man würde Russland sauber halten, was Gentechnik anbetrifft. Und erneut plappern Putin-Propagandisten einfach diese Behauptungen ungeprüft nach.

Eine dahingehende Story vom moskau-treuen „Centre for Research on Globalization“ ist fast identisch zu anderen Stories auf Natural Society und ähnlichen Seiten. Die Story von Natural Society landete auch auf PrisonPlanet.com. Am frühesten hatte die Meldung eine alternative Webseite namens Sustainable Pulse. Diese Webseite nimmt als Quelle wiederum Interfax.ru, eine große russische Nachrichtenagentur mit Sitz in Moskau. Interfax scheint wegen dem frühesten Veröffentlichungsdatum der Ursprung des Ganzen zu sein. Der Bericht vom wurde u.a. ins Deutsche übersetzt und landete so auf den üblichen Blogs und in sozialen Netzwerken.

Die russische Regierung würde angeblich jede Form von gentechnisch modifizierten Organismen (GMOs) ablehnen, so der russische Vizepremier Arkady Dvorkovich anlässlich des Internationalen Wirtschaftsforums, welches zwischen dem 18. und 20. Juni in St. Petersburg stattfand. Russland hätte einen „anderen Weg gewählt“ und wird „diese (Gen-)Technologien nicht verwenden“, um die landwirtschaftliche Produktion zu erhöhen. Die Vizepräsidentin von Russlands „National Association for Genetic Safety“ wird noch zitiert mit einer Forderung nach einem zehnjährigen Moratorium für Gentech in Russland. Diese Dame ist allerdings nur eine Aktivistin und hat gar keine Macht. Präsident Putin trommelte hingegen mehrfach in den Medien, dass die russischen Bürger vor GMOs geschützt werden müssen. Dann ist Russland also frei von Gentech? Mitnichten.

Solche irreführenden Berichte waren bereits vor einem Jahr falsch. Auch ein neuer Gesetzesentwurf für bestimmte Einschränkungen von Gentech ist nicht das endgültige Verbot, auf das viele gehofft haben, sondern nur eine Hinhaltetaktik, um westliche Importe zu bremsen und der eigenen Biotech-Branche und den Regulatoren mehr Zeit zu verschaffen. In dem Fachmagazin für Landwirtschaft „All about Feed“ hieß es interessanterweise am 30. April:

…bisher sind in Russland 12 Sorten Gen-Mais und 6 Sorten Gen-Soyabohnen genehmigt worden.

„Wenn wir von absoluten Zahlen reden, dann sprechen wir von rund 2 Millionen Tonnen Soyabohnen und 53.000 Tonnen Mais“ erklärte Tretiyak. Russland hat fast nichts anders als Gen-Soyabohnen und Genmais verwendet als Rohmaterial für die Futtermittel-Produktion.

Soviel zu den Lügen über das „saubere, gentechfreie Russland“. Außerdem sind die Strafen für Regelbrüche bisher extrem niedrig, maximal 10.000$.  Russland fehlt es bisher sowieso an einem funktionierenden Überwachungssystem für Gentechnik bei Fleisch oder Milch, erklärte der Experte für Russlands Landwirtschaft Eugene Gerden.

Das Fachmagazin für Landwirtschaft „FoodManufacture.co.uk“ zitiert aktuell den Chef des französischen Saatgut-Kooperativs Limagrain mit folgenden Worten:

„Ich denke, dass es früher oder später in der Ukraine und Russland auch GVOs geben wird.“

Eine andere Quelle bei Limagrain erklärte, dass bereits jetzt inoffiziell 4Mha an Gen-Anbau in der Ukraine existieren würden. Letztendlich soll von Russland und der Ukraine aus zukünftig der europäische Markt überschwemmt werden.

Russlands Regierung hatte vor wenigen Jahren dem Import von gentechnisch veränderten Nahrungsmitteln und der Aussaat veränderter Sorten selbst zugestimmt, was eine Bedingung war für den Beitritt zur Welthandelsorganisation. Es erschienen offizielle Meldungen mit Überschriften wie “Kreml will Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen erlauben” auf Russia Beyond The Headlines”.

Russia Beyond The Headlines ist ein Medium, das von dem Rossijskaja Gaseta Verlag unterstützt wird. Die Rossijskaja Gaseta ist das offizielle Amtsblatt der russischen Regierung, in dem alle Gesetze und Erlasse publiziert werden.

In der Meldung hieß es:

“Russland wird bald gentechnisch veränderte Organismen produzieren dürfen. Am 1. Juni tritt ein Erlass in Kraft, der die Registrierung von genetisch veränderten Getreidekulturen erlaubt.”

Es kommt noch dicker:

“Nach Angaben des Präsidenten der Russischen Getreideunion (RZS) Arkadij Slotschewskogo werden gentechnisch veränderte Soja- und Maispflanzen in Russland auf 400 000 Hektar angepflanzt.”

Sowas ist kein Versehen, sondern ein heimlicher Test.

Russia Beyond The Headlines spekulierte, dass die neuen Erlasse der Regierung zu der Produktion eigener genmanipulierter Samen in Russland führen werden. Viele wissenschaftliche Organisationen in Russland werkeln bereits fleißig an eigenen genmanipulierten Sorten. Es ist also nur eine Frage der Zeit.

Die amerikanische Kongressbibliothek erklärt zu Russland unmissverständlich und hochoffiziell (Stand vom 1. Mai 2014):

“Mehrere Typen von genetisch veränderten Nahrungsmitteln und Futtermitteln, die den Prozess der staatlichen Registrierung und Kontrolle durchlaufen haben, dürfen importiert, verarbeitet und für die Produktion von Nahrung und Tierfutter verwendet werden. […] Derzeit sind 18 genetisch veränderte Nahrungsmittel-Produktlinien und 14 Futtermittel in Russland zugelassen und registriert.”

[…]

“Im Juni 2012 äußerte Rospotrebnadzor, die wichtigste russische Behörde für die staatliche Kontrolle über genetisch veränderte Lebensmittel, die Absicht, ein positives Bild von Genprodukten in der russischen Gesellschaft zu verbreiten.”

Es ist schon bemerkenswert, wie in russischen Propaganda-Publikationen, die für das AUSLAND gedacht sind, die russische Regierung als strikter Gentech-Gegner porträtiert wird. Laut Umfragen mögen die Russen zwar Gentech nicht besonders, sie kaufen es aber trotzdem. Der Grund: Gentech-Produkte sind billiger.

Medwedews großer Bluff

Im Juni 2014 folgte dann die theatralische Ankündigung von Premierminister Medwedew bei einem Treffen von Partei-Apparatschniks aus ländlichen Bereichen: Moskau hätte keinen Grund, genetisch veränderte Produkte zu fördern. Er hätte eine stärkere Beobachtung des Marktes anberaumt. Die Meldungen aus den russischen Medien enthalten nur Hinweise auf politische Forderungen, die aus diversen Richtungen geäußert wurden. Nichts wirklich Konkretes. Einige Abgeordnete der herrschenden Partei Einiges Russland wollten zum Beispiel eine Gesetzesänderung über Höchstgrenzen für Genanbau. Russia Today berichtete sogar, dass es “gegenwärtig keine Grenzen gäbe” im Bezug auf den Handel mit und der Produktion von Nahrungsmitteln mit Gentech-Anteil. Lediglich eine Kennzeichnung sei vorgeschrieben. Die Regierung hätte im vergangenen Herbst sogar eine Resolution verabschiedet, mit der gentechnisch veränderte Pflanzen in das Unified State Register aufgenommen werden können.

Wo ist also das Gentech-Verbot in Russland? Das Einzige das sich bestätigen lässt, sind Absichten über Benachteiligungen gegen ausländische Konzerne. Um die Verwirrung perfekt zu machen, verkündete Medwedew im April das Hinauszögern des Anbaustarts “um drei Jahre”. Nicht weil das Gesetz vom letzten Herbst falsch sei, sondern weil man mehr Zeit brauche für die Bürokratie und Tests. Ich kann mir vorstellen, wie in Russland Gentech an Menschen ausprobiert wird. Mehr Zeit braucht man wohl eher für die lahmende, von Korruption zerfressene russische Wirtschaft, um selbst Genprodukte marktreif zu machen. Bis sich die Mafia-Oligarchen einigen, wer wieviel vom Business abbekommt, dauert schließlich auch seine Zeit. Die Verzögerungstaktik soll verhindern, dass ausländische Firmen wie Monsanto und Syngenta in Russland früh einen Vorsprung bekommen.

Würde Russland wirklich Gentechnik verbieten, moniert die Welthandelsorganisation sofort eine “ungerechte Handelsbarriere”. Vergrätzt Russland zu schnell die WTO, kann man die eigene schwache Wirtschaft gleich vergessen. Auch China beugte sich bereits und nahm leider die Kennzeichungspflicht für Genprodukte wieder zurück.

Gentech ist also noch lange nicht verbannt aus dem russischen Imperium. Ganz im Gegenteil. Die russische Führung ist lediglich sehr gekonnt darin, Dreiviertel-Lügen zu benutzen um Stimmung zu machen. Die meisten “alternativen” Medien verkaufen ihnen einfach Mainstream-Meldungen aus dem Osten. Und dann nicht einmal die Richtigen.

AlexBenesch
AlexBenesch
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