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Tschetschenischer Sotschi-Terror gegen Deutschland würde Putin in die Hände spielen

Datum:

berlin-500

Ein Kommentar von Alexander Benesch

Eigentlich wollte das Compact-Magazin in der neuesten Ausgabe nur wie üblich Moskaus Perspektive darlegen über die Gefahr von westlich unterstützten Terroranschlägen gegen die olympischen Winterspiele im russischen Sotschi. Dabei wird auch verwiesen auf die erhebliche Anzahl an Tschetschenien-Flüchtlingen in Deutschland, unter denen sich auch Radikale befinden, die während den Spielen gegen deutsche Ziele losschlagen könnten, weil dies einfacher wäre als Operationen im schwerbewachten Sotschi. Wenigstens versucht COMPACT nicht allzu deutlich, dem Publikum die unbestätigte Propagandabehauptung anzudrehen, der saudische Prinz Bandar hätte Waldimir Putin direkt mit Terror in Sotschi gedroht. Der COMPACT-Chefredakteur lästerte noch in der vorhergehenden Ausgabe oberlehrerhaft gegen nicht näher genannte Autoren:

„Und müssen wir nicht 2014 wieder mit einem Mega-Terroranschlag rechnen? Der wird seit 9/11 für jedes Jahr vorhergesagt, besonders gerne in Zusammenhang mit Sportereignissen wie Olympia. Der schrille Daueralarm weckt das Publikum nicht auf, sondern treibt es in die Flucht.“

Eine Ausgabe später heißt es dann plötzlich wieder in der COMPACT:

„Sotschi – Bombenstimmung bei Olympia“

„Gestern Wolgograd, morgen Berlin?“

Aha. So schnell kann sich das also ändern. Der Autor der Sotschi-Story in COMPACT ist Viktor Timtschenko, der zu Sowjetzeiten „Journalistik“ studierte im ukrainischen Kiew. Nochmal Aha. Er schreibt:

„Aber rein medial gesehen würden Dutzende Tote in einem EU-Land für die weltweit höchsten Einschaltquoten sorgen. […] In Deutschland dagegen wurde das Personal, das bereit ist, per Selbstmord ins Paradies zu fliegen, 2013 umfassend aufgefrischt.[…] Im Mai warnte Moskau die deutschen Sicherheitsbehörden vor möglichen Terroranschlägen durch Tschetschenen. In abgehörten Telefonaten hatten Gotteskrieger im Kaukasus und in Syrien über eine Operation in Deutschland gesprochen.“

Der Clou ist: Nichts würde Moskau mehr in die Hände spielen als ein Anschlag unter falscher Flagge in Deutschland bzw. die verdeckte Hilfe an muslimische tschetschenische Terroristen in Deutschland. Die Vorteile liegen auf der Hand:

  • Das russische Regime könnte sich als fähig und stark genug präsentieren, Russland beschützt zu haben. Gleichzeitig würden westliche Dienste als schwach und unfähig erscheinen, Europa zu schützen
  • Die politische Stimmung der Europäer würde sich verändern und Russlands „Krieg gegen den Terror“ in der ehemaligen Sowjetrepublik Tschetschenien und andere Elemente russischer Ausßenpolitik vermehrt befürworten
  • Putins Image als christlicher Ritter des Rechts und Retter des abendländischen Europas würde enorm gestärkt werden, wenn seine Antiterrortruppen und Sondereinsatzkommandos letztendlich die Verantwortlichen finden und zur Strecke bringen

Schwierig zu bewerkstelligen wäre so ein Unterfangen nicht. Timtschenko und COMPACT könnten sich hinterher selbst feiern als die Journalismus-Helden, die die Gefahr einer solchen fiesen Tat von „westlich unterstützten“ Tschetschenen vorhergesehen haben.

Die üblichen Putin-Fans unter den Investigativreportern wie Wayne Madsen betonen natürlich – wie immer – nur ausschließlich CIA-Kontakte einzelner tschetschenischer Radikaler und unterschlagen völlig manipulativ die Infiltrierung der Radikalen durch die russischen Geheimdienste. Die CIA hatte es immer schwer in den Staaten des Ostblocks Fuß zu fassen. Jede noch so zwielichtige Gruppe konnte der Agency vorlügen, kooperieren und gegen die Russen losschlagen zu wollen, um eine Menge Geld und Ausrüstung geschenkt zu bekommen. Langley setzte so jahrzehntelang Millionen und Abermillionen in den Sand und holte sich feindliche Agenten ins eigene Nest. Niemand in den sogenannten „alternativen“ Medien will beispielsweise der Frage nachgehen, ob die Boston-Bomber, die im Nordkaukasus geboren waren und mit CIA-Hilfe dort zeitweise operierten, nicht vielleicht russische Doppelagenten waren und aus diesem Grund von den Amerikanern letztendlich so theatralisch gejagt und massakriert wurden.

Es ist das Standard-Kochrezept der „alternativen“ Medien: Egal um welche Sache es sich handelt, ob NSU, Breivik, NSA oder sonstwas, der Finger zeigt immer auf die NATO, nie auf Russland und China. Dabei ist Putin doch eine Art Klon der beiden Bush-Präsidenten und war beim KGB und später FSB verantwortlich für genau die gleichen schwarzen Operationen wie sie die CIA durchführte.

Der Journalist David Satter schreibt im Wall Street Journal, dass die neuesten Bombenanschläge in Russland nach dem gleichen Muster verlaufen sein könnten wie jene 1999 gegen Wohnblöcke, mit deren Hilfe Wladimir Putin seine Kontrolle über das Land festigen und den Krieg gegen die ehemalige Sowjetrepublik Tschetschenien rechtfertigen konnte. Die Anschläge von 1999, wie Satter betont, wurden islamischen Terroristen angelastet, waren aber das Werk von Agenten des Staatssicherheitsdienstes FSB, ein Nachfolger des alten KGB. Über die Anschläge im Dezember in Wolgograd sagt Satter:

„Der Rahmen der Geschichte folgt einem Muster in Russland, bei dem Islamisten von der Polizei aus der Haft freigelassen werden kurz bevor sie Terroranschläge begehen.“

“Das Verbrechen wurde schnell einer weiblichen Selbstmordattentäterin aus Dagestan angelastet mit dem Namen Naida Asiyalova, sowie ihrem Quasi-Ehemann Dmitri Sokolov, ein Russe der zum Islam konvertiert war und angeblich Asiyalova mit der Bombe austattete. Sokolov war jedoch, wie die Behörden zugaben, bis kurz vor dem Anschlag in Polizeigewahrsam.“

Er meint, diese Vorkommnisse sollten von der Presse genau untersucht werden. Satter darf aber nicht nach Russland einreisen um zu berichten.

Nicht nur die US-Regierung hatte einen „Krieg gegen den Terror“ und einen Bin-Laden, der in der Vergangenheit mit der CIA kooperierte. Der Kreml hatte den „Terrorfürsten“ Schamil Bassajew und die Dschihadisten im Nordkaukasus, eine Region die Moskau einfach so als ihren Besitz betrachtet. Bassajew erreichte in den 90er Jahren einen Waffenstillstand auf dem Verhandlungsweg, der bis September 1999 hielt. Dann folgte eine Serie von Anschlägen des russischen Geheimdienstes FSB unter falscher Flagge auf russische Wohnblocks. Wieder wurde Bassajew der Öffentlichkeit als Organisator der feigen Taten präsentiert im Zusammenschluss mit dem jordanischen Wahabiten Ibn Kattab, der mit Bin Laden verkehrt haben soll. Beide stritten die Tat ab. FSB-Agenten wurden dabei ertappt, wie sie Hexogen-Sprengstoff im Keller eines Wohnblocks in Rjasan plazierten. Laut den Aufzeichnungen telefonierten die “Terroristen” mit dem FSB-Hauptquartier und später wurde ihnen ermöglicht, aus dem Land zu fliehen. Der Sicherheitsdienst gestand ein, die Säcke voller Sprengstoff plaziert zu haben, behauptete später jedoch dass es sich nur um Zucker handelte im Zuge eines Drills zur Überprüfung von Sicherheitsmaßnahmen.

Örtliche Behörden verlautbarten ursprünglich, dass ein Terroranschlag vereitelt wurde; sobald aber die Beteiligung des FSB entdeckt wurde, änderte man die Berichte. Alexei Kartofelnikov, der Augenzeuge der zuerst den Sprengstoff gesehen und die Polizei alarmiert hatte, gab zu Protokoll, dass die Säcke ein gelbliches Granulat enthielten, eine Beschreibung von Hexogen. Alle Beweise wurden später als geheim eingestuft und für 75 Jahre versiegelt. Das russische Militär marschierte im Herbst 1999 in Tschetschenien ein unter dem Banner einer „Antiterrormaßnahme“.

Im Oktober 2002 verfolgte die Welt mit nervöser Spannung die Geiselnahme tschetschenischer Terroristen im Moskauer Musicaltheater, die wieder einmal von Bassajew organisiert worden wäre. Russische Behörden setzten eine Art Nervengas ein und töteten dadurch 100 Geiseln. Auch hier folgten im Anschluss wieder Meldungen, die Tschetschenen hätten Unterstützung vom FSB und Waffen vom russischen Militär erhalten. Alle 41 Geiselnehmer hatten gefälschte Pässe, die offenbhar von russischen Beamten geliefert worden waren sowie Waffen und Sprengstoff von russischen Soldaten. 2003 designierten die USA drei involvierte tschetschenische Gruppen als Terrororganisationen mit Verbindungen zu al-Kaida. Im September 2004 folgte das nächste Kapitel in diese Tragikomödie: Wieder Bassajew. Wieder eine Geiselnahme, diesmal an einer Schule in Beslan. Wieder Berichte über russische Unterstützung der Terroristen.

Nach seinem Schulabschluss 1982 leistete Bassajew seinen Grundwehrdienst in der sowjetischen Luftwaffe. Später arbeitete er auf der Aksaiski-Sowchose im Gebiet Wolgograd. Vergeblich bemühte er sich um ein Jurastudium an der Moskauer Lomonossow-Universität. 1987 nahm er ein Agraringenieursstudium auf, das er jedoch 1988 wegen schlechter Noten abbrechen musste. Bassajew blieb jedoch für einige Zeit in Moskau und arbeitete dort zeitweise als Fahrkartenkontrolleur, Türsteher und schließlich bis August 1991 in einem Computergeschäft, das von einem ebenfalls in Moskau lebenden Tschetschenen betrieben wurde. Während des Augustputsches in Moskau gegen Michail Gorbatschow gehörte er 1991, mit einigen Handgranaten bewaffnet, zu den Verteidigern des Weißen Hauses, in dem sich Boris Jelzin verschanzt hatte.

Torsten Mann schreibt in seinem Buch Weltoktober:

„Sowohl über Schamil Bassajew als auch über seinen Bruder Schirwani ist bekannt daß diese in der Vergangenheit bereits für die sowjetische GRU gearbeitet haben. Auch der erste ‚unabhängige‘ Präsident Tschetscheniens, Dschochar Dudajew, hat eine bermerkenswerte Vergangenheit als General der sowjetischen Luftwaffe und Kommandeur einer Division nuklear bewaffneter Langstreckenbomber hinter sich.

Auch soll vor dem Beginn des zweiten Tschetschenienkrieges im Sommer 1999 in Frankreich ein Treffen zwischen Schamil Bassajew einerseits und Boris Beresowski sowie Jelzins Stabschef Alexander Woloschin andererseits stattgefunden haben, bei dem Absprachen für einen neuen Krieg in Tschetschenien getroffen worden sein sollen, für den Bassajew mit russischen Waffen und Finanzmitteln ausgerüstet wurde. Das bedeutet dass der neue Krieg vom Kreml bereits lange Zeit vor den Anschlägen geplant worden war, was Sergei Stepaschin, der damalige Chef des FSB, im Frühjahr 2000 auch tatsächlich zugab.“

Bassajew wurde am 10. Juli 2006 bei einer Explosion getötet. Die russische Regierung behauptet eine gezielte Tötung, Tschetschenen einen Unfall und andere Quellen eine ermordung durch Rivalen unter den Separatisten. Neue Terror-Figuren wie Umarow nahmen schließlich seinen Platz ein. Putin hätte sich kaum eine bessere Steilvorlage wünschen können als Bassajews Anschläge, um den Hardliner zu mimen der mit dem Einverständnis der russischen Bevölkerung jede Form von Freiheit untergraben kann.

Der tschetschnenische Mufti Kadyrow meinte, dass eingeschleuste russische Provokateure den Krieg begonnen hatten und der russische Genralstab den Konflikt auf beiden Seiten kontrolliere. Der Militärexperte Alexander Golz erklärte, der Konflikt habe den Zweck erfülllt, alte Waffen und Munition zu verbrauchen und den russischen Soldaten eine bessere Militärausbildung angedeihen zu lassen. Außerdem sahen wir eine rege Antiterror-Partnerschaft Russlands mit u.a. den Vereinigten Staaten.

AlexBenesch
AlexBenesch
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