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Übertragung der Bankenaufsicht auf die EZB

Datum:

Frank Schäffler

Der Übertragung der Bankenaufsicht auf die europäische Ebene habe ich nicht zugestimmt. Einen Teil meiner Gründe habe ich in einer Rede äußern können. Ich glaube, die Zustimmung zur Übertragung erfolgte in völliger Unkenntnis der Bedeutung der Angelegenheit. Ich nutze die Gelegenheit und stelle meine Gedanken zur EZB-Bankenaufsicht etwas ausführlicher dar:

Die Bedeutung des Projekts kommt am besten in einer Äußerung von Sharon Bowles, Mitglied des Europäischen Parlaments, zum Ausdruck. Sie gehört dort der ALDE-Fraktion an, in der sich auch die FDP organisiert hat. Vor dem Hintergrund ihrer Herkunft aus der ältesten Demokratie der Welt sagte sie:

„Unter demokratischen Maßstäben handelt es sich bei der Übergabe der Bankaufsicht an die EZB um eine weitaus größere Souveränitätsabgabe als bei der Einführung des Euro.“

Mit der Übertragung nationaler Hoheitsrechte auf die Europäische Union zur Wahrnehmung durch die EZB bin ich aus mehreren Gründen nicht einverstanden.

Die Übertragung erfolgt in Verkennung der Problemlage. Der Gesetzentwurf (hier zur Beschlussempfehlung) behauptet, ein Staat könne bei Verbleib der Aufsicht auf nationaler Ebene die Risiken, die von international tätigen, für die Stabilität des Finanzsystems relevanten Kreditinstituten ausgehen, nicht bändigen, ohne eine implizite Staatsgarantie einzugehen.

Ich halte dies, mit Verlaub, für groben Unfug. Die Risiken für das Finanzsystem rühren nicht von einer zu laxen Aufsicht, die in nationaler Beschränkt- und Blindheit agiert, her. Die Risiken im Finanzsystem sind Folge des Geldsystems, das den Notenbanken die Geldschöpfung im Kartell mit den Geschäftsbanken ermöglicht. Die Geldschöpfung ist dadurch nicht nur abgehoben von der wirtschaftlichen Entwicklung. Die Geldschöpfung ist vielmehr komplett entkoppelt von dem grundlegenden Prinzip des Wirtschaftens, vom Prinzip der Knappheit. Die Wirtschaftsrechnung erfolgt zur Lösung des Problems, wie knappe Ressourcen zu verteilen sind. Preise sind das Werkzeug, dessen sich die Wirtschaftsakteure bedienen, wenn sie Entscheidungen treffen und handeln.

Für das wichtigste Element eines marktwirtschaftlichen Systems, das Geld, ist die Verknüpfung zwischen Knappheit und Verfügbarkeit aufgehoben – insbesondere für manche Akteure, was besonders ungerecht ist. Der „Preis“ des Geldes stimmt nicht mehr. Für manche Akteure ist Geld daher viel zu leicht verfügbar, denn die Notenbanken können nach Belieben und auf Knopfdruck Geld drucken. An dieses Geld kommen zuerst die Geschäftsbanken und die Finanzindustrie. Was heute – ursprünglich polemisch, mittlerweile fast schon üblich – als Finanzkapitalismus bezeichnet wird, ist Folge dieser Entkopplung des Geldes vom Knappheitsprinzip.
Das Geld, das wir alle benutzen, wird dadurch ausgehöhlt und seiner Funktion beraubt. Das seiner Funktion entleerte Geld ist verantwortlich für Blasen und vor allem für die von vielen als ungerecht empfundene Verteilung von Gütern. Diesem Problem kommt man nicht durch eine Aufsicht bei, gleich ob in nationaler oder europäischer Verantwortung. Diesem Problem kommt man nur durch ein besseres, im Wettbewerb stehendes Geld bei. Geld muss also wieder ein Produkt der Marktteilnehmer werden. Bis dahin werden die Krisen bleiben.

Die angebliche implizite Staatsgarantie, der man durch die Übertragung der Aufsicht beikommen will, ist keineswegs implizit, sondern Folge vorheriger staatlicher Entscheidungen. Die vorherigen Bankenrettungen auf Kosten der Steuerzahler, angefangen mit Hypo Real Estate und IKB in Deutschland, haben den Grundstein dafür gelegt, dass Gläubiger von Banken glaubten, ihre Forderungen würden staatlich garantiert. Hätten wir IKB und Hypo Real Estate ohne die Schaffung von Abwicklungsgesellschaften bankrott gehen lassen, wäre dies mit einem Disziplinierungseffekt verbunden gewesen.

Alle Bankengläubiger hätten Konsequenzen gezogen und genau geschaut, ob und zu welchen Konsequenzen sie Banken Kredit geben können. Das Gegenteil ist passiert: Seit den Bankengläubigerrettungen von IKB, HRE und WestLB verhalten sich die Gläubiger aller Banken disziplinlos. Seitdem lohnt es sich, Gläubiger von Banken zu sein. Leider übertragen wir dieses Modell einer impliziten Staatshaftung für die Forderungen von Bankgläubigern nun auf die europäische Ebene. Die von der Bundesregierung vertretene Haftungskaskade von Aktionären zu Gläubigern, zu nationalen Abwicklungseinrichtungen, zu ESM ist fürchterlich schädlich. Eine Insolvenz muss ohne Staatsmittel, gleich an welcher Rangstelle, auskommen, ansonsten ist es keine marktwirtschaftliche Insolvenz, denn das Verlustprinzip wird für die begünstigten Gläubiger außer Kraft gesetzt. Wir brauchen daher nur eine einzige Haftungskaskade: Erst die Aktionäre, dann die Gläubiger.

In welcher Reihenfolge die Gläubiger haften, ist Sache der vertraglichen Gestaltung mit ihrem Schuldner. Wenn das Vermögen des Insolvenzschuldners nicht reicht, müssen im Zweifel eben die Gläubiger haften. Ich mache nur eine einzige Ausnahme: Vor allem aus Gerechtigkeitsgründen, aber auch, um den Zahlungsverkehr aufrecht zu erhalten, sollten Sparkonten und bestimmte andere Konten garantiert werden, so dass sie von der Insolvenz nicht betroffen sind. Dies kann jedoch für den Staat kostenlos passieren (vgl. mein Abwicklungsszenario). Um diese simple, marktwirtschaftliche, die Vertragsfreiheit bewahrende und steuerzahlerschonende Haftungskaskade durchzusetzen, braucht man keine europäische Aufsicht und keinen ESM. Die Übertragung der Aufsicht auf die europäische Ebene ist daher komplett überflüssig.

Sie ist zusätzlich ein Verstoß gegen die Europäischen Verträge. Die Bundesregierung meint, die Rechtsgrundlage für die Aufsicht in Artikel 127 Absatz 6 AEUV sehen zu können. Nach diesem geltenden Recht dürfen der EZB nur “besondere Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht” übertragen werden. Doch der Verordnungsvorschlag sieht vor, der EZB die laufende, reguläre Aufsicht zu übertragen. Das war niemals von der Norm beabsichtigt. Das gibt der Wortlaut nicht her und ist rechtswidrig. Aus der Wahl dieser falschen Norm resultieren überdies Folgeprobleme: Durch die Ansiedlung der Aufsicht bei der EZB werden Geld- und Fiskalpolitik vermischt. Die angeblich eingerichteten sogenannten Brandmauern zwischen Geldpolitik und Aufsicht sind aus japanischem Papier: Schon jetzt scheint hindurch, was sich dahinter abspielt und bei der erstbesten Gelegenheit werden sie abgefackelt werden.

Mit der EZB machen wir überdies den Bock zum Gärtner. Ziel der Bankenaufsicht war die Schaffung eines unabhängigen Gremiums zur Durchsetzung „deutscher“ Standards für die südeuropäischen, insbesondere spanischen Banken. Das kann die Aufsicht durch die EZB nicht gewährleisten. Nach der geplanten internen Kompetenzverteilung der EZB wird es ein Aufsichtsgremium und ein Schlichtungsgremium geben. Doch beide sind im wesentlichen nach dem Vorbild des EZB-Rats eingerichtet. Sie werden von nationalen Interessen dominiert. Beschlossen wird mit einfacher Mehrheit.

Von keinem der beiden Gremien sind daher Entscheidungen zu erwarten, die inhaltlich von der inflationären, die Südländer bevorteilenden „Geld“-Politik des EZB-Rats abweichen oder diesen widersprechen. Diese europäischen Aufseher sind nicht objektiver als nationale Behörden. Sie werden keinesfalls mutmaßliche europäische Interessen vertreten, da sie ihren nationalen Hintergrund niemals vergessen könnten. Im Hinblick auf die EZB wissen wir aus Studien, dass die Leitzinsen im EZB-Rat nicht im europäischen Interesse, sondern mit Blick auf die Heimatländer ausgehandelt werden. Für die Aufsicht durch die EZB wird zukünftig nichts anderes gelten. Entscheidungen der Aufsicht werden nicht irgendeinem fiktiven gesamteuropäischen Interesse folgen, sondern den Interessen derjenigen, die im Aufsichtsgremium entscheiden. Oder anders: Es ist eine Illusion zu glauben, wir bekämen eine objektive Aufsicht mit „deutschen“ Standards. Ob diese „deutschen“ Standards besser sind, sei ohnehin dahingestellt.

Doch dieses nicht objektive Aufsichtsgremium wird als institutionalisierte Verkörperung nationaler Interessen weitreichende Entscheidungen treffen können. Es geht nicht bloß darum, ob Direktoren entlassen werden können oder ob die Aufsicht Geschäftsräume von Banken betreten darf. Vor allem geht es darum, dass die Aufsicht zukünftig dafür zuständig sein wird, Banklizenzen zu erteilen und Banklizenzen zu entziehen. Die EZB wird zukünftig über den Erwerb von Beteiligungen entscheiden, sie genehmigen oder ablehnen können. Das sind harte Eingriffsbefugnisse. Die EZB hat es zukünftig in der Hand, welche Form und Gestalt die europäische Kreditbranche annehmen wird. Ob und wie es gegen solche Entscheidungen Rechtsschutz gibt, ist höchst fraglich.

Ich bleibe daher dabei, dass es ein großer Fehler ist, die Aufsicht auf die EZB zu übertragen. Wir machen den zweiten Schritt vor dem ersten. Die Übertragung neuer Kompetenzen auf die EZB ist mindestens solange ein Fehler wie die derzeitigen Strukturen – nicht nur bei den Stimmverhältnissen – von ESZB und EZB fortbestehen. Das Einzige, was wir auf diese Art bewirken, ist die Tür für weitere heimliche und offene, mittelbare und unmittelbare Transfers zu öffnen. Ein Europäischer Finanzausgleich darf jedoch nicht innerhalb des Zentralbankensystems stattfinden. Er wäre, wenn man ihn überhaupt haben wollte, Aufgabe der Politik, die ihrerseits und zu diesem Zeitpunkt jedenfalls keine Legitimation besitzt.

Freundliche Grüße
Frank Schäffler

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Rede anlässlich der Übertragung der Bankenaufsicht auf die EZB

Frank Schäffler (FDP):

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Übertragung der Bankenaufsicht auf die Europäische Zentralbank ist eine der weitreichendsten Entscheidungen, die der Deutsche Bundestag seit der Einführung der gemeinsamen Währung, des Euros, getroffen hat. Sie ist verbunden mit der Abgabe von Souveränität. Dass der Deutsche Bundestag über diese entscheidende Frage heute um 22 Uhr entscheidet, zeigt, wie wichtig wir diese Frage als Parlament tatsächlich einschätzen.

(Dr. Gerhard Schick (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Da hat er recht! – Joachim Poß (SPD): Was heißt hier „wir“? Christian Lange (Backnang) (SPD): Ihre Koalition!)

Die Frage ist, wie ernst es uns damit ist, die europäische Bankenaufsicht tatsächlich zentral zu regeln. Es glaube bitte keiner in diesem Raum, dass es möglich ist, von 17 Bankenaufsichten in Europa mit 17 EDV-Systemen und 17 Behördenstrukturen innerhalb eines Jahres zu einer funktionsfähigen europäischen Bankenaufsicht zu kommen.

(Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU): Es geht nur um wenige Banken!)

Das ist unmöglich, und es wissen auch alle, dass das unmöglich ist.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Daran sehen Sie: Es geht gar nicht darum, eine funktionsfähige Bankenaufsicht in Europa zu schaffen, es geht um etwas ganz anderes: Es geht darum, die spanischen Banken mit Eigenkapital aus europäischen Steuertöpfen zu befördern. Das eigentliche Ziel ist, die Banken durch den ESM an den Staatshaushalten vorbei direkt zu rekapitalisieren.

(Beifall des Abg. Manfred Kolbe (CDU/CSU))

Das Ziel ist also, dass der ESM zu einem Bankenrekapitalisierungsfonds wird; die Bankenaufsicht spielt überhaupt keine Rolle.

(Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU): Das stimmt doch gar nicht!)

Wenn Sie es ernst meinten mit der vollständigen Übertragung der Bankenaufsicht, dann müssten Sie die europäischen Verträge ändern. Diese Verträge geben das, was Sie heute beschließen wollen, nämlich nicht her. In Art. 127 Abs. 6 AEUV ist geregelt, dass nur besondere Aufgaben der Bankenaufsicht auf die EZB übertragen werden können, aber nicht die komplette Bankenaufsicht.

(Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): „Bedeutende“ heißt es im Vertrag! – Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU): Das machen wir gar nicht!)

Doch genau das haben Sie jetzt vor. Wenn Sie das machen, begehen Sie einen Rechtsbruch. Tatsächlich gibt es für das, was Sie heute beschließen wollen, keine Rechtsgrundlage.

(Widerspruch des Abg. Klaus-Peter Flosbach (CDU/CSU))

Wenn Sie den ESM zu einem Bankenrekapitalisierungfonds machen wollen, dann müssen Sie das mit offenem Visier tun, dann müssen Sie einen Konvent einberufen und eine Vertragsänderung in Gang setzen und in letzter Konsequenz auch eine Volksabstimmung darüber in Deutschland durchführen. Wir sind dann nämlich letztendlich auf dem Weg in den europäischen Superstaat.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Widerspruch des Abg. Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU))

Wer den europäischen Bundesstaat will, der muss am Ende die Verträge dahingehend ändern und muss darüber in einer Volksabstimmung entscheiden lassen. Das muss man offensiv machen, das darf man nicht durch die Hintertür tun.

Wenn wir gute Nachbarn in Europa zu Schuldnern bzw. Gläubigern machen, dann schaffen wir kein einheitliches Haus Europa, sondern zerstören es. Das, was heute beschlossen werden soll, ist ein weiterer Schritt dahin, der am Ende dazu führt, dass das Haus Europa zerstört wird, statt dass an ihm weitergebaut wird.

Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU Dr. h. c. Hans Michelbach (CDU/CSU): Völlig verquer!)

AlexBenesch
AlexBenesch
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