Kommentar
Eine der größten Sorgen Maos war, dass seine Funktionäre zu wenig psychopathisch agieren, zu entspannt werden und letztendlich seine Führung in Frage stellen. Deshalb gab es immer wieder massive Säuberungsaktionen, in denen Horden an Funktionären vorgeworfen wurde, sie seien richtiggehende Verräter.
Xi Jinping ist nicht Besseres eingefallen, als exakt diesen Kurs zu kopieren.
Li Shangfu ist seit Ende August nicht mehr öffentlich aufgetreten und US-Beamte sagen, der chinesische Verteidigungsminister werde von seinem Posten entfernt. Eine ganze Reihe weiterer hochrangiger Beamter verschwand spurlos. Offiziell handelt es sich um eine Kampagne gegen „Korruption“.
Im Jahr 2013 wurden etwa 180.000 Menschen wegen Verstößen bestraft, eine Zahl, die im Jahr 2018, dem Jahr, in dem Xi einen „vernichtenden Sieg“ über die Korruption verkündete, auf etwa 621.000 anstieg. Daten zeigen, dass seit 2017 jedes Jahr mindestens eine halbe Million Menschen bestraft wurden.
Die Wirtschaft nahm massiven Schaden wegen Covid. Die Jugendarbeitslosigkeit ist sprunghaft angestiegen, der Immobilienmarkt und die Verbraucherstimmung sind gesunken. Unterdessen häufen sich die Schulden und ausländische Investoren kehren dem chinesischen Markt zunehmend den Rücken.
Die Erlaubnis, fake-kapitalistische Unternehmungen zu betreiben und mit dem Ausland zu handeln, führte zu einem Spionageproblem. Jeder internationale Kontakt kann bedeuten, dass jemand zum Verräter wird oder gar zum Überläufer. Gewöhnliche Korruption zeigt, dass jemand die eigenen Interessen über die des Regimes stellt.
Die Angst verleitet die Bürokraten dazu, zaghaft zu handeln, was möglicherweise erhebliche Auswirkungen auf die Wirtschaft haben könnte, sagen Forscher.
„Beamte neigen eher dazu, [staatseigenen Unternehmen] Gefälligkeiten zu gewähren und dadurch ihre Karriererisiken zu verringern, da solche Zuwendungen nicht auf Korruption schließen lassen“,
schrieben das chinesische Forscherpaar Zeren Li und Songrui Liu in einer aktuellen Studie. dynamischeren Privatunternehmen ab, argumentierten sie.
Chinas Wirtschaft kollabiert und dies wird zur Systemfrage führen und die Regierung wird so agieren, wie in den vergangenen Krisen aus vielen Jahrzehnten: Mehr Verhaftungen, mehr Internierungen, mehr Einschüchterung.
In Chedun, einem Arbeiterviertel am südwestlichen Stadtrand von Shanghai, sind die meisten Fabriken weg. Ein Fabrikjob war bislang die zweitschlechteste Option, nach der Existenz als völlig verarmter Bauer. Viele waren in die Städte gezogen in der Hoffnung, dass es irgendwann einmal halbwegs lebenswert sein wird. Jetzt steigt die Arbeitslosigkeit unter den jüngeren Leuten so stark, dass die offiziellen Zahlen nicht mehr veröffentlicht werden. Wenn die Aussicht für hunderte Millionen Menschen ist, dass es nie besser wird oder sogar schlechter; wenn die Grundversorgung gefährdet ist, steigt die Bereitschaft zur Rebellion.
Vor Jahren zeigten westliche Politiker und Medien massives Appeasement; inzwischen wird berichtet über die Internieurngslager für Uiguren und die Bedingungen in Fabriken. Wie viele Millionen kann der Staat sonst noch einsperren? Lassen sich Millionen töten wie unter Mao? Kann dann die NATO-Sphäre im Vergleich dazu wieder viel besser wirken, als sie eigentlich ist?
Die Besorgnis über die chinesische Wirtschaft von westlichen Politikern und Medienkanälen sei „kognitive Kriegsführung“. Das heißt, wenn Einheimische die Wahrheit erzählen, sei das eine kriegerische Handlung.
Eine Immobilienkrise hat viele Mittelklasse-Chinesen destabilisiert. Viele Entlassungen in großen Unternehmen sorgen für Panik. Ausländische Unternehmen haben sich von Investitionen in China zurückgezogen.
Das Unwohlsein ist besonders auffällig im Vergleich zu dem Optimismus, den viele Chinesen zu Beginn des Jahres empfanden, nachdem Peking endlich die Coronavirus-Beschränkungen aufgehoben hatte, die dazu geführt hatten, dass viele Menschen drei Jahre lang ihr Zuhause nicht verlassen konnten und nicht bereit waren, Geld auszugeben.
Letztes Jahr arbeiteten Bürger in einer Autoteilefabrik und verdienten zwischen 800 und 1.000 Dollar im Monat. Doch in diesem Frühjahr sanken die Löhne auf etwa 550 US-Dollar.
Bruchlinien
2003 erklärte der US Think Tank RAND bereits die Sollbruchstellen der chinesischen Wirtschaft.
Die Gesamtarbeitslosigkeit beträgt mehr als 20 Prozent der Erwerbsbevölkerung, also rund 170 Millionen Menschen.
China leidet unter Wasserverteilungsproblemen: Nordchina, wo mehr als 33 Prozent der Bevölkerung leben, verfügt nur über 7,5 Prozent der natürlich verfügbaren Wasservorräte. Schadstoffeinleitungen aus industriellen und anderen Quellen verschärfen den Wassermangel für Verbraucher und Industrie im Norden.
China hat sich Anfang der 1990er Jahre von einem Nettoexporteur von Öl zu einem Importeur von fast der Hälfte seines Öls und fast einem Fünftel seiner Erdgasvorräte entwickelt. Das größte Risiko für ein nachhaltiges Wachstum im Energiesektor hängt von den Öl- und Gaspreisen ab und nicht vom Anteil der Importe am gesamten Energieverbrauch.
Die Fragilität der staatlich dominierten Finanzinstitute Chinas wird durch das hohe Volumen notleidender Kredite in den Bilanzen der vier großen Staatsbanken deutlich.
Es war auch bekannt, wie sich ein Investitionsstopp des Westens auswirken würde:
Eine nachhaltige Reduzierung der ausländischen Direktinvestitionen um 10 Milliarden US-Dollar pro Jahr könnte zu einer Verringerung des jährlichen BIP-Wachstums um 0,6 bis 1,6 Prozent führen.
Die verschiedenen genannten Bruchstellen können nun alle zusammen gleichzeitig auftreten. Dies führt zu der Notwendigkeit drastischer Maßnahmen. Eine starke Annäherung an Russland, ein Krieg und massive Repressalien gegen die eigene Bevölkerung. Die USA und Europa schufen letztendlich das chinesische Wirtschaftswunder. Und können es auch jederzeit wieder zerstören.