Kommentar
Jürgen Elsässer beim COMPACT-Magazin, der Sahra Wagenknecht seit langer Zeit aus alten Kommunistentagen kennt und sie kürzlich erst hochlobte, fürchtet nun dass sie doch ernst macht mit einer eigenen Partei. Dies wäre eine „Waffe gegen die AfD“ und das „Ziel des Mainstreams“.
Wagenknecht bezog sich auf Meinungsforschung, laut der zwei Drittel der aktuellen AfD-Wahlwilligen nur Protestwähler sind, sie sich nirgendwo sonst aufgehoben fühlen, aber keine besondere Loyalität gegenüber der Partei haben. Da seien „Tricks“ mit denen Wagenknecht arbeite, meint ein sichtlich gealterter, langsamer Elsässer.
In einer aktuellen Umfrage schrumpft die AfD auf 16% und eine hypothetische Wagenknecht-Partei bekäme 15%. Zusammen wären dies 31% aber sie würden ihren jeweils stramm rechten und linken Charakter behalten wollen und es gäbe keinen weiteren Koalitionspartner. Beide Parteien wären ein pro-russisches Sammelbecken.
„Dann wäre sie Teil des Establishments.“
Dieses Narrativ scheint nun geteilt zu werden von der COMPACT. Man ist schwammig; es ist nicht klar ob sie mit ihrem Plan dem Establishment in die Hände spielen würde oder irgendwie an einer Verschwörung durch das System beteiligt sei.
Elsässer sieht besonders ihr Potenzial, im Bereich „Außenpolitik zu wildern“, also die Anti-NATO- und Pro-Russland-Karte zu spielen. Die AfD kann damit bislang den illusorischen Eindruck erwecken, viel mehr Macht ergattern zu können.
Wagenknecht könnte also, vor allem wenn sie einen Anti-Migrationskurs fährt, in mehreren Themenbereichen punkten, ohne die Probleme der AfD zu haben. Aktivisten und Mitglieder würden sich eher in der Öffentlichkeit engagieren, während pro-AfD-Leute sich vor allem im Westen scheuen, sich zur Partei offen zu bekennen.
Höcke von der AfD meinte vor kurzem gegenüber der COMPACT, der optimale Zeitpunkt für Wagenknechts Parteigründung sei bereits verstrichen. Dennoch sei es eine Gefahr für die AfD im Osten, die eigentlich damit rechnet, dort stärkste Kraft zu werden in mehreren Bundesländern.
Elsässer hofft darauf, dass Wagenknecht die Kader fehlen, um erfolgreich zu sein. In Thüringen könnte sie mit 25% stärkste Kraft werden vor der AfD, die auf 22% schrumpft. Noch nicht miteingerechnet ist, dass neue Skandale über die AfD ans Licht kommen in dem Zeitraum, oder dass die Wagenknecht-Partei der AfD sogar noch mehr Stimmen nehmen könnte.
Elsässer und die AfD sind in der Zwickmühle; lange Zeit hielt man felsenfest an dem rechten Kurs fest, der sich nun als Problem erweist. Als rechte Partei ist die AfD zu begrenzt, aber inzwischen gibt es darin keine Gemäßigten mehr von Bedeutung. Auch viele Supporter könnten abspringen, wenn Elemente des rechten Kurses aufgegeben oder abgeschwächt werden.
Ein E-Mail-Leak kürzlich erweckte den starken Eindruck, der Kreml wünscht sich eine Querfront in Deutschland von Rechten und Linken.
Wagenknecht nannte die AfD im WELT-Interview nun eine „Partei mit einem rechtsextremen Flügel“. diese Klassifizierung lässt offen, dass die AfD in der Zukunft vielleicht keinen rechtsextremen Flügel mehr hat. Das Kern-Wählerklientel der AfD liegt laut Meinungsforschung nur bei 6%. Der Rest sind Protestwähler und insbesondere jene, die die Migration begrenzen wollen.
Aus Sicht des Kremls haben die extremeren Figuren in der AfD keinen allzu großen Nutzen mehr. Selbst Parteivorsitzender Chrupalla tauchte kürzlich in der russischen Botschaft auf, zum Gedenktag über den antifaschistischen Sieg über die Nazis.
Wagenknecht würde, sofern sie eine eigene Partei hinbekommt, „Vorkehrungen treffen, um keine Verrückten, Spinner oder Rechtsextremen einzusammeln.“
Sie möchte exakt das Problem vermeiden, das die AfD hat: Fanatische Rechtsideologen, Truther, Reichsbürger und Q-Sektierer. Gelänge ihr dies, könnte sie poltern, ohne dass sie und ihre Parteimitglieder öffentlich mit der verbalen Nazikeule plattgehauen werden. Sie selbst ist immer noch Sozialistin.
Neue Parteien ziehen – unabhängig von der Ausrichtung – immer auch schwierige Leute an, die lediglich eine Plattform suchen.
Sie weiß, wie viele Personen notwendig sind, um eine Partei aus dem Boden zu stampfen. Die Welt fragt: „Schließen Sie aus, dass sie künftig mit der AfD zusammenarbeiten?“ Sie antwortet:
Ja. Die AfD hat einen rechtsextremen Flügel. Damit will ich nichts zu tun haben.
Das Ausschlusskriterium ist der rechtsextreme Teil. Sie lässt offen, ob sie künftig mit der AfD kooperieren werde, sofern der rechtsextreme Teil nicht mehr da ist.
Björn Höcke hat aktuell einen Doppelskandal; seine sprachlichen Anlehnungen an die deutsche Vergangenheit und ein Verfahren gegen seinen Sohn. Falls die Kreml-Strategen entscheiden, dass die AfD gesäubert gehört, um sie fit zu machen für eine Kooperation mit einer Wagenknecht-Partei, böten sich für die Säuberung verschiedene Möglichkeiten. Geht Höcke an seinen Skandalen zugrunde und zieht sich zurück, und steigen andere berüchtigte Politiker aus, wäre der Weg frei für die Querfront.