Bild: kremlin.ru/CC4.0
Kommentar
Die NY Times veröffentlichte nun einen Kommentar, der exakt die Talking Points enthält, die wir vorhergesehen haben während des Prigoschin-Putschs: Der Westen müsse Russland entgegenkommen, da ansonsten das Regime viel zu instabil wird, Militäroffiziere zu Warlords werden und Atomwaffen kontrollieren.
Die Times wird sich denken können, dass der Putsch wahrscheinlich eine Inszenierung war, um Russland eine bessere Verhandlungsposition zu verschaffen. Die Times weiß auch, dass es sich um die alte Leier handelt, die wir schon seit 1991 ständig hören: Bloß kein Druck auf Russland sonst werde alles schlimmer oder es kommt sogar das Armageddon. Die Times wird auch ahnen, dass die NATO-Führung sich nicht einfach veräppeln lässt, sondern in der Öffentlichkeit das russische Narrativ stützt, um eine faule Verhandlungslösung über die Ukraine zu erreichen. Die Times wird auch ahnen, dass der faule Kompromiss nicht unbedingt lange halten wird.
Die außergewöhnlichen Ereignisse des letzten Wochenendes zeigten nicht nur, wie anfällig Putin für eine Machtübernahme ist, sondern auch die Aussicht, dass alles, was als nächstes kommt, aus den extremen und unvorhersehbaren Kräften resultieren könnte, die der russische Präsident während seines kostspieligen Krieges gegen die Ukraine entfesselt hat. Herr Prigozhin, dessen Söldnern willkürliche Tötungen und andere Verbrechen vorgeworfen werden, machte deutlich, dass diese Kräfte genauso, wenn nicht sogar noch schlimmer sein könnten.
Die Times zitiert einen „Experten“ vom Think Tank „Center for Strategic and International Studies“ mit den Worten, dass Kriege „unglaublich destabilisierend sind“. Der Prigoschin-Aufstand habe verdeutlicht, dass das Putin-Regime instabil ist und keine besseren Kräfte existieren, die nachrücken können. Da Putin seit 1999 regiert, symbolisiert er dieser Logik zufolge, abgesehen vom Ukraine-Krieg, relativ viel Stabilität. Und dieser Krieg war bislang ohne ABC-Waffen. Nach einer (faulen) Verhandlungslösung müsse man wohl über den Krieg hinwegsehen, weil die Alternativen viel schlimmer seien.
Bevor Herr Prigozhin zurücktrat, baute er Unterstützung auf, indem er einen populistischen Anti-Elite-Korruptions-Kreuzzug mit Aufrufen kombinierte, Russland zumindest vorübergehend in eine Version von Kim Jong-uns Nordkorea oder Augusto Pinochets Chile zu verwandeln, um in der Ukraine den Sieg zu erringen.
Es gäbe genügend Bürger und Funktionäre in Russland, so die Times, die den Krieg in der Ukraine eskalieren wollen und sogar Atomwaffen erwägen, um zu gewinnen. Wieder und wieder das Argument, Putin sei dagegen der kleinste gemeinsame Nenner und alternativlos.
Selbst wenn er morgen tot umfällt oder im Sanatorium verschwindet, so müsste der Westen genauso behutsam vorgehen, um nicht Armageddon auszulösen.
Prigoschin habe vielen gewöhnlichen Soldaten und Offizieren eine Stimme gegeben, wird ein russischer General im Ruhestand zitiert.
Die Handlungen von Herrn Prigozhin ließen die Möglichkeit aufkommen, dass jemand, der seit langem mit Herrn Putin verbündet ist, gegen die Regierung des russischen Führers vorgehen könnte.
Falls es weitere Prigoschins geben wird, so die Times, würde dies dazu führen, dass Putin und seine Getreuen hyper-aggressiv werden und dass dadurch die Weltsituation viel gefährlicher wird.
Was bleibt dann also laut der Zeitung? Es wird nicht explizit ausgesprochen, aber es bliebe nichts anderes übrig, als einen faulen Kompromiss zu schließen über die Ukraine, die Sache zu verzeihen, Russland weitere Zugeständnisse machen und auf das beste hoffen.
In einem weiteren Artikel geht es darum, dass die Prigoschin-Episode starke Verunsicherung ausgelöst hätte bei den Chinesen. Je mehr Druck auf Russland, umso unberechenbarer wird China.
Genaue Beobachter Chinas sagen, dass die Meuterei, so kurz sie auch war, Herrn Xi dazu veranlassen könnte, eine enge Beziehung zu Russland abzusichern, das Peking bereits weltweiter Kritik ausgesetzt und einige seiner Interessen im Ausland bedroht hatte.
Das heißt im Prinzip, der Weste müsse Russland entgegenkommen, damit es nicht zu nahe an China heranrückt. Dieses Argument war schon die Leitlinie während der George W. Bush-Administration. Man kann mit dieser Art Universalargument eigentlich sämtliche Arten von Appeasement-Politik gegenüber dem Ostblock begründen.
„Dadurch wird China klar, dass die Innenpolitik der Putin-Regierung tatsächlich ziemlich fragil ist“, sagte Xiao Bin, Forscher am Institut für russische, osteuropäische und zentralasiatische Studien der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften.
Niemand will öffentlich fragen, ob der Putsch fake war und das Regime sich damit in eine bessere Verhandlungsposition bringen will.
China sei besorgt, dass ein neuer russischer Führer die Nation zu einer freundlicheren Haltung gegenüber den Vereinigten Staaten ausrichten würde, sagte Herr Xiao. Das könnte dazu führen, dass China in seiner Rivalität mit den USA isoliert bleibt und stärker unter Druck gesetzt wird.
Also soll Putin die sichere Bank sein? Der Teufel den man kennt seit 1999? Man müsse ihm den Krieg verzeihen?
Peking könnte erwägen, seine Bemühungen zu verstärken, um mehr Zugeständnisse von Russland zu erzwingen. Ganz oben auf der Liste Chinas könnten der Zugang zu mehr russischer Technologie und günstigere Konditionen für die geplante Gaspipeline Power of Siberia 2 stehen.
Es ist bekannt, dass die russische Wirtschaft und Demografie abstürzen. Russland kann elementare Bauteile nicht herstellen und größere Produkte nicht in genügenden Stückzahlen. Liefen die Sanktionen und der Krieg weiter, könnte China immer mehr Gewicht über Russland bekommen. Also lieber Putin?
Einige sehen in der Wagner-Rebellion das jüngste Zeichen dafür, dass Chinas Beziehungen zu Russland immer mehr denen zu Nordkorea ähneln, einem Land, das notorisch unberechenbar ist und sein volatiles Verhalten ausnutzt, um China im Gegenzug für einen Rückzieher zu mehr Unterstützung zu drängen .
Russische Funktionäre und die großen Medien haben genügend atomare Drohungen ausgestoßen und wollten damit nur oberflächlich Stärke demonstrieren. Unterschwellig sollten Panik und Unberechenbarkeit vorgetäuscht werden Zusammen mit dem Prigoschin-Putsch wirkt das noch mehr. Nicht wirklich auf die ausgebufften NATO-Strategen, die da sofort hindurchschauen. Aber die NATO und die Medien wie die Times spielen bei dem Prigoschin-Narrativ anscheinend mit aus Angst vor großem Chaos.
Die Supermächte spielen sich aber die Bälle gegenseitig zu an der Spitze. Jede Form von Appeasement wird erklärt mit dem Universal-Argument, Schlimmeres zu verhindern. Wie faul der Ukraine-Deal wird und wie lange er hält, wird sich zeigen.