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Stalinistische Säuberungsaktionen in der russischen Führung (sind schon lange vollzogen)

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Kommentar

Je mehr wir erfahren über Prigoschins seltsame Rebellion, umso suspekter wirkt das Ganze.

Russische Geheimdienste drohten, den Familien der Anführer der Wagner-Söldnergruppe Schaden zuzufügen, als die Gruppe auf Moskau zumarschierte, berichtete die britische Tageszeitung The Telegraph am Montag unter Berufung auf anonyme britische Sicherheitsquellen.

„Es wurde auch geschätzt, dass die Söldnertruppe statt der angeblich 25.000 nur über 8.000 Kämpfer verfügte und bei jedem Versuch, die russische Hauptstadt einzunehmen, wahrscheinlich einer Niederlage drohen würde“,

schrieb die Zeitung. Der Telegraph nannte nicht die konkreten Wagner-Führer, deren Familien angeblich bedroht wurden, und es war nicht möglich, die Behauptungen des Berichts unabhängig zu überprüfen. Allerdings ist klar, dass die russische Führung prinzipiell die Möglichkeit hat, Angehörige zu bedrohen. Die Kinder von wohlhabenden Funktionären sind meist eingebunden über verschiedene korrupte Firmen und es gibt immer einen formellen Anlass, um Verhaftungen durchzuführen und anklage zu erheben. Alleine die Verhaftung wegen möglichen Mitwissens kann jahrelange Prozesse und eine Untersuchungshaft nach sich ziehen. Prigoschins Töchter Polina und Veronika sowie sein Sohn Pavel sollen Geschäftsinhaber in Russlands zweitgrößter Stadt St. Petersburg sein.

Säuberung ist längst geschehen

Nach Kriegsbeginn verstarben eine breite Reihe an Funktionären unter mysteriösen Umständen. Dies führte auf den soziale Medien wie Twitter zu sarkastischen Anmerkungen über vergifteten Tee und Fensterstürze. Sehr viele Funktionäre waren von dem Krieg überrascht und hielten Vorbereitungen nur für Routine und strategisches Getrommel.

Vor dem Krieg gab es bereits einige Säuberungen. Ein 35-jährige Russe, offiziell als Botschaftssekretär der russischen Vertretung akkreditiert, inoffiziell ein hoher Geheimdienstoffizier, war am frühen Morgen des 19. Oktober 2021 von einer Polizeistreife schwer verletzt auf einem Gehweg in Berlin-Mitte entdeckt worden. Er flog oder fiel aus der russischen Botschaft aus dem Fenster. Die russische Botschaft lehnte eine Obduktion ab und ließ die Leiche möglichst schnell nach Russland bringen. Der Vater des Toten ist ausgerechnet Alexey Zhalo, Generalmajor und einer der Vizechefs des FSB in Moskau. In den Zuständigkeitsbereich des Vaters gehören auch Auftragsmorde und Anschläge.​ War der Sohn ein Verräter? Oder wurde er für gravierendes Versagen bestraft? Oder sollte damit eher der Vater indirekt bestraft werden?

So verstarb in den letzten Jahren eine auffällig hohe Zahl an Geheimdienstlern und Militäroffizieren, die mit der Salisbury-Aktion zu tun hatten, den Operationen in der Ukraine und ähnlich heiklen Missionen. Wenn auch nur ein Bruchteil davon ermordet wurde vom russischen Regime, müssen wir uns fragen, wieso diese dramatischen Strafen zum Einsatz kamen:

  • Innerhalb von zweieinhalb Monaten starben sechs aktive russische Diplomaten.
  • Davor gab es eine Serie weiterer mysteriöser Todesfälle.
  • Eine Mordserie 2017 in der Ukraine; die sogenannte „Moskauer Blutspur“
  • General-Oberst Igor Korobow, Chef des Militärgeheimdiensts GRU, starb nun mit 62 Jahren. Er landete auf einem gewöhnlichen Friedhof. Er soll verantwortlich sein für die peinliche Schlappe um die Vergiftung vom GRU-Überläufer Sergej Skripal und seiner Tochter im englischen Salisbury. Die Amateurhaftigkeit der Operation wurde zur Lachnummer, genauso wie der TV-Auftritt zweier Agenten und mutmaßlicher Täter, die vorgaben, (schwule?) Touristen gewesen zu sein.
  • Korobows Vorgänger, General-Oberst Igor Sergunriss starb 2016 an einem Herzinfarkt.
  • General-Major Sergej Mischaniner soll sich am 21. Juli 2014 in seinem Arbeitszimmer erschossen haben.
  • General-Leutnant Valerij Asapow soll zufällig von einem Geschoss getroffen worden sein.
  • General-Major Alexander Schuschkin starb am 27.  Dezember 2015 an Herzstillstand. Er war beauftragt mit der Eroberung der Krim
  • General-Oberst Andrej Serdjukowwurde ist entweder schwerstens verletzt oder tot.
  • Fast alle Kommandeure der Donbas-Milizen sind innerhalb von zwei Jahren gestorben.

Russische Geheimdienste hätten frühzeitig im Bilde sein müssen über Prigoschins Pläne; also Wochen oder Monate im Voraus. Was Spitzel nicht in Erfahrung bringen konnten, das schafften Wanzen.

Die NY Times berichtet nun, dass laut US-Geheimdienstinformationen General Sergei Surowikin womöglich beteiligt war. Nach der Gegenoffensive der Ukraine im letzten Jahr half er dabei, die Verteidigung an den Kampflinien zu stärken. Er wurde im Januar als oberster Befehlshaber abgelöst, behielt aber weiterhin Einfluss auf die Leitung von Kriegseinsätzen und bleibt bei den Truppen beliebt. Amerikanische Beamte sagten auch, es gebe Anzeichen dafür, dass auch andere russische Generäle den Versuch von Prigoschin, die Führung des Verteidigungsministeriums gewaltsam zu ändern, unterstützt hätten.

Sowohl General Surowikin als auch Prigoschin haben Herrn Schoigu und General Gerassimow wegen der in der Ukraine angewandten Taktiken kritisiert. Es gibt aber viele elegante Wege, um den Krieg gegen die Ukraine einzufrieren und Russland in eine bessere Position zu bringen; insbesondere was die Verhandlungsposition mit dem Westen anbetrifft. Putin könnte demonstrativ eine kleinere Rolle einnehmen, oder sich ganz zurückziehen mit dem Verweis auf seine schlechte Gesundheit. Seit 1991 spielt Russland die Karte, wegen seiner Instabilität große Zugeständnisse vom Westen zu benötigen. Prigoschins scheinbare Rebellion erfüllte den Zweck, dass Russland die Drohkulisse verstärken kann. Man brauche Zugeständnisse, damit nicht künftig 10 Prigoschins aktiv werden und auch noch Atomwaffen erbeuten. Die NATO weiß das, scheint aber bei dem Theater mitzumachen, um eine Verhandlungslösung für die Ukraine zu begünstigen.


Einige internationale Beobachter sind misstrauisch und deshalb wird begrenzt in der Öffentlichkeit darüber gesprochen, dass Prigoschin an einer Täuschung beteiligt sein könnte. Allerdings werden dafür keine überzeugenden Motive präsentiert.

„Es sind einfach zu viele seltsame Dinge passiert, die meiner Meinung nach darauf hindeuten, dass es eine Absprache gab, die wir noch nicht herausgefunden haben“,

sagte Michael McFaul, ein ehemaliger US-Botschafter in Russland, in einem Telefoninterview.

„Denken Sie daran, wie einfach es war, Rostow einzunehmen. Es gibt überall in Russland bewaffnete Wachen und plötzlich ist niemand mehr da, der etwas tun könnte?“

Während der 36-stündigen bewaffneten Rebellion, die Russland an diesem Wochenende erschütterte, waren zwei Beamte, die für die Führung des Krieges von Präsident Wladimir V. Putin in der Ukraine von entscheidender Bedeutung waren, offensichtlich abwesend: Verteidigungsminister Sergej K. Schoigu und General Valery V. Gerasimov, der oberste Militärbefehlshaber des Kremls.

Aber jetzt, wo Herr Putin versucht, ein Bild der wiederhergestellten Stabilität und Kontrolle zu vermitteln, stellt er seinen Verteidigungsminister zur Schau, auch wenn Herr Schoigu sich nicht direkt an die Öffentlichkeit gewandt hat oder man ihn überhaupt sprechen hörte.

Am Montagmorgen wurde ein tonloses Video veröffentlicht, in dem Herr Shoigu militärische Stellungen besucht, was einige Kremlbeobachter als stillschweigendes Zeichen der Unterstützung für ihn interpretierten. Einige Militärblogger wiesen schnell darauf hin, dass das Video offenbar am Freitag gedreht worden sei, vor dem bewaffneten Aufstand unter der Führung von Jewgeni W. Prigoschin, dem Gründer der Wagner-Söldnergruppe.

Schoigu war am Montag auch anwesend, als Herr Putin ein Treffen seiner obersten Sicherheitschefs einberufen hatte. Im Staatsfernsehen gezeigte Aufnahmen zeigten ihn, wie er mit gesenktem Kopf und gefalteten Händen an einem Tisch saß.

Die Kader des Sicherheitsdienstes sind diejenigen, auf die Putin sich verlassen muss. In Schlüsselpositionen im Sicherheitsdienst hat Putin Kumpane aus seiner Heimatstadt St. Petersburg ernannt, die er aus seiner eigenen Arbeit im KGB der Sowjetzeit und im Büro des Bürgermeisters in den 1990er Jahren kannte.

Zu ihnen gehört Alexander Bortnikov, Chef des FSB, Russlands Nachfolger des KGB, der Jahrzehnte in St. Petersburg im Sicherheitsdienst verbrachte, bevor er zu Beginn von Putins Präsidentschaft nach Moskau berufen wurde. Nikolai Patruschew, Sekretär des mächtigen Sicherheitsrats Russlands, kennt Putin, seit sie in den 1970er Jahren als junge KGB-Offiziere zusammengearbeitet hatten, und trat 1999 die Nachfolge Putins als Chef des FSB an, als Putin vom damaligen Präsidenten Boris Jelzin zum Premierminister ernannt wurde.

AlexBenesch
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