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Wie wahrscheinlich ein Warlord wie Prigoschin russische Atomwaffen erbeuten kann

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Kommentar

Der seltsame Putsch von Prigoschin warf vom ersten Moment die Frage auf, inwiefern jemand wie er russische Atomwaffen erbeuten könnte. Ein Marsch auf Moskau, bei dem sich spontan viele Militärführer und Staatsfunktionäre anschließen, ist nicht sonderlich realistisch, es sei denn, es handelt sich um eine Inszenierung. Zunächst hatte Prigoschin die Kontrolle über Millionenstädte im Süden. Er hätte sich eingraben können und mit Hilfe von Atomwaffen wäre er theoretisch in der Lage gewesen, seine Position zu halten.

Die Gerüchteküche war am Wochenende sofort im Overdrive: Atesh, eine Partisanenbewegung aus Ukrainern und Krimtataren, behauptete, dass die Wagner-Gruppe sich darauf vorbereitete, Atomwaffendepots in Woronesch zu beschlagnahmen. Die Organisation hinter Gulagu.net meinte, dass die Wagner-Meuterei mindestens ab Herbst 2022 als bewaffneter Aufstand geplant war und dass die Beschlagnahmung von 12 Objekten des russischen Atomarsenals geplant war. Der Wagner-Kommandeur Dmitri Utkin sei für diesen Teil der Aktion verantwortlich.

Das Kernproblem dieser Überlegungen ist, dass sich innerhalb Wagner viele Informanten und des russischen Geheimdienstes befunden haben müssen und dass solche weitreichenden Vorbereitungen nicht unbekannt bleiben können. Seit Urzeiten ist es Priorität für den russischen Staat, zu verhindern, dass sich Militärführer mit Hilfe gestohlener Atomwaffen selbstständig machen.

Insgesamt gibt es 12 zentrale Lagereinrichtungen für russische Atomwaffen, die dem 12. Hauptdirektorat des Verteidigungsministeriums unterstellt sind. Diese Stützpunkte sind über ganz Russland verteilt. Darüber hinaus verbindet ein ausgedehntes Netzwerk spezieller Logistik- und Sicherheitseinheiten sowie kleinerer Einrichtungen zur vorübergehenden Lagerung und Lieferung von Atomwaffen die zentralen Lagereinrichtungen mit verschiedenen nuklearfähigen Trägern.

E gibt mehrere Orte für die Herstellung und Wartung. Jeder russische Atomsprengkopf muss mindestens alle 12 bis 15 Jahre zur Wartung an eine Produktionsstätte geliefert werden.

In einem Dokument aus dem Jahr 2020 mit dem Titel „Grundprinzipien der Staatspolitik der Russischen Föderation zur nuklearen Abschreckung“ heißt es, der russische Präsident habe die Entscheidung zum Einsatz von Atomwaffen. Eine kleine Aktentasche, der sogenannte Tscheget, wird ständig in der Nähe des Präsidenten aufbewahrt und verbindet ihn mit dem Kommando- und Kontrollnetzwerk der strategischen Nuklearstreitkräfte Russlands.

Der russische Generalstab kann Autorisierungscodes an einzelne Waffenkommandeure senden, die dann die Abschussprozeduren durchführen würden. Es gibt auch ein Backup-System namens Perimetr, das es dem Generalstab ermöglicht, den Abschuss landgestützter Raketen direkt einzuleiten und dabei alle unmittelbaren Kommandoposten zu umgehen. Die Federation of American Scientists schätzt, dass Russland über 5.977 Atomsprengköpfe verfügt, mehr als jedes andere Land. Davon sind 1.588 im Einsatz und einsatzbereit.

Der US-Geheimdienst beobachtet seit Jahrzehnten die Verwundbarkeiten des russischen Atomwaffenarsenals. Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion im Jahr 1991 hat die Sicherung sowjetischer Atomwaffen sowohl für republikanische als auch für demokratische Regierungen oberste Priorität.

Die USA gaben Milliarden von Dollar aus, um Methoden zu entwickeln, um den Verlust, Diebstahl oder Verkauf des sowjetischen Arsenals von 27.000 Sprengköpfen zu verhindern. Nach der russischen Doktrin werden Waffen getrennt von den Flugzeugen, Raketen und anderen Träger-Systemen gelagert.

An den Waffen sind elektronische Sicherheitsvorrichtungen angebracht, sogenannte Permissive Action Links.

In einem am Samstag veröffentlichten Artikel zitierte die Washington Post einen namentlich nicht genannten US-Beamten, der behauptete, angesichts von Prigoschins kurzlebiger Rebellion bestehe „große Besorgnis“ über die Instabilität und die Kontrolle des russischen Atomarsenals. Wenn es einer Söldnergruppe gelingen würde, die Macht zu ergreifen und die Kontrolle über einige russische Atomwaffen zu erlangen, „befände sich die Welt auf Neuland“, sagte Alexander Vershbow, ehemaliger stellvertretender NATO-Generalsekretär und US-Botschafter in Russland, dem Bulletin of Atomic Scientists.

„Es ist zweifelhaft, ob das gestürzte Putin-Regime in der Lage wäre, den Zugang zu Nuklearcodes sehr lange oder überhaupt zu verweigern.“

Andere Experten teilten diese Sorge.

„Jede zivile Instabilität innerhalb eines Atomstaates weckt Ängste hinsichtlich der Führung und Kontrolle seiner Atomwaffen“,

sagte Mariana Budjeryn, leitende wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Project on Managing the Atom an der Harvard University, gegenüber dem Bulletin.

Die meisten, wenn nicht alle gelagerten russischen taktischen Atomsprengköpfe, sind noch nicht vollständig zusammengebaut.

Das bedeutet, dass die Neutronenröhren nicht installiert sind, die MED-Elektrozünder nicht angeschlossen sind und das elektrische System nicht an Stromquellen angeschlossen ist.

Experten sind sich nicht sicher, ob PAL-Codes vom Zentralkommando freigegeben oder wie in den Vereinigten Staaten auf dem Stützpunkt aufbewahrt werden – ein möglicherweise äußerst folgenreiches Detail.

Der Bluff

Die Instabilität des russischen Regimes im Zusammenhang mit dem Atomwaffenarsenal wird besonders seit 1991 ausgenutzt, um massive Zugeständnisse vom Westen zu erhalten. Es ist wahrscheinlich, dass Probleme gezielt vorgetäuscht werden, um diesen Effekt zu verstärken und sich immerzu in eine bessere Verhandlungsposition zu bringen. 2010 war die NATO auffällig still bei dem Vorfall in Smolensk, bei dem viele hohe polnische Vertreter starben. Eigentlich wäre es ein Bündnis-Verteidigungsfall gewesen. Zur selben Zeit probte Russland in Übungen den Krieg gegen Polen und das Baltikum. Ein entsetzter Radoslaw Sikorski forderte amerikanische Truppen auf polnischem Boden. Es gab aber keine bedeutende polnische Aufrüstung und besonders die schwache Ukraine saß auf dem Präsentierteller. Nach der Einnahme der Krim 2014 und weiterer Territorien durch Russland folgten schwache Sanktionen.

Selbst Anfang diesen Jahres waren die Waffenlieferungen an die Ukraine viel zu zögerlich. Es ist wahrscheinlich, dass die NATO-Führung intern Geheimdiensteinschätzungen verteilte, in denen hingewiesen wird auf die Instabilität des russischen Regimes und die Problematik der Atomwaffen.

Russland kann sich immerzu in eine bessere Verhandlungsposition bringen und die NATO kann die Umstände immerzu als Universalargument benutzen, um Russland entgegenzukommen und das Regime dort in irgendeiner Form zu bewahren.

Die Supermächte haben kein Interesse daran, sich wirklich gegenseitig zu bekämpfen, sondern ihren Status zu wahren und zu verhindern, dass gewöhnliche andere Länder eine Konkurrenz werden.

AlexBenesch
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