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Telegram sperrt Kanal von RT Deutsch, RT America entlässt Belegschaft

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Es war nur eine Frage der Zeit bis RussiaToday (RT) im Westen der Stecker gezogen wird. Das mediale Ost-West-Verhältnis war ohnehin seit Jahren asymmetrisch, da in Russland praktisch kein auch nur annähernd regimekritischer Journalismus, vor allem kein westlicher, mehr möglich war.

Der US-Zweig des staatlich unterstützten russischen Medienunternehmens RT entlässt nun seine Mitarbeiter und schließt mehr oder weniger angesichts der Gegenreaktionen auf den Krieg in der Ukraine. Misha Solodvnikov, General Manager von T&R Production, gab dies am Donnerstag in einem Memo bekannt. Er teilte den 100 Mitarbeitern des Netzwerks mit, dass RT America „die Produktion einstellen wird … als Folge von unvorhergesehenen Betriebsunterbrechungen“.

„Leider gehen wir davon aus, dass diese Entlassung dauerhaft sein wird, was bedeutet, dass dies zu einer dauerhaften Trennung der meisten T&R-Mitarbeiter an allen Standorten führen wird.“

Das Satellitenfernsehunternehmen DirecTV gab kürzlich bekannt, dass es am 1. März den Kanal nicht länger übertragen werde. RT hat Schwesterstationen auf der ganzen Welt, einschließlich Großbritannien und Frankreich, die ebenfalls kürzlich abgewürgt wurden. Eine Person, die an dem Treffen der amerikanischen Belegschaft teilnahm, sagte CNN:

„Das Treffen dauerte insgesamt etwa zwei Minuten.“
„Viele Leute waren schockiert.“ „Viele Leute haben geweint.“

Der Messenger-Dienst Telegram hat am Freitagmittag den Kanal des russischen Staatsmediums RT Deutsch gesperrt. RT DE bestätigte dies über den eigenen Kanal. Nach einem EU-Ratsbeschluss, der vorsieht, den russischen Staatsmedien RT und Sputnik das Aussenden ihrer Inhalte innerhalb der EU zu verbieten, bewarb RT den Kanal auf Telegram als „letzte Chance auf Direktinformationen“ auf seiner Webseite.

RT Deutsch

RT Deutsch startete zunächst als Webseite und Youtube-Kanal. Als einziges im Gedächtnis bleibt das Format „Der fehlende Part“. Bei der ersten Episode schien es, man hätte aus Versehen eine alte Aufzeichnung von TRL Live auf MTV erwischt und die junge Moderatorin kündigt gleich das neue Robbie Williams-Video an. Die Straßenreporterin mit Dreadlocks wirkte, als wäre sie beim frühen VICE Magazine abgeblitzt.

Im Endeffekt war „Der fehlende Part“ tatsächlich wie TRL Live auf MTV: Es werden Gäste eingeladen die etwas zu verkaufen haben (Putins Politik) und es gibt unterhaltsame Einspieler die das Publikum unterhalten (mit Putins Politik) und es wird ein Lebensgefühl vermittelt (Putins Politik).

Die Moderatorin stieg rechtzeitig aus.

Das Buch „RT Deutsch – Putins Medienarmee in Deutschland“ stammt von dem erfahrenen TV-Reporter Daniel Lange, der mehrere Jahre bei dem russisch finanzierten Sender zubrachte. Die BILD nahm einen Auszug als großen Aufhänger her, wonach Lange angeblich dazu gedrängt worden sei, den vergifteten Kreml-Kritiker Nawalny in der Berliner Charité auszuforschen. Prompt kündigte RT eine Klage gegen die BILD an, weil man den Vorwurf der Spionage weit von sich weist.

Langes Buch ist (wenig überraschend) im Stil einer knackigen TV-Reportage gehalten und dementsprechend für meinen Geschmack etwas kurz. Er beschäftigte sich in seiner Karriere mit Berichten, die selten klassisch-politisch waren und man merkt, dass es ihm an dem Hintergrund fehlt zu den Supermächten.

Die Frühphase bei RT Deutsch ähnelt der Frühphase bei dem englischsprachigen RT: Die ersten Jahre nicht weit aus dem Fenster lehnen, Strukturen aufbauen und teures Equipment benutzen für eine polierte Präsentation. Dann schleichend immer mehr Unzufriedenheit beim Publikum schüren und immer aggressiver vorgehen.

RT Deutsch hatte laut Lange kaum wirklich erfahrenen Journalisten und zahlte 1000 Euro pro Minute für Reportagen und gab Lange eine Menge Freiraum, den er sonst nirgendwo bekommen hätte. Was produziert wurde, wurde gesendet, ohne Diskussionen. Auch Themenvorschläge wurden einfach angenommen. Die riesige Halle in Adlershof, der alte Medienstandort des einstigen Ostberlins, war noch weitestgehend leer, aber man hatte dennoch teure Technik und hochtrabende Pläne für einen ausgewachsenen TV-Sender. Die Moskauer Agentur Ruptly lieferte Videomaterial, Moskau machte die Sende-Grafiken. Fehlte nur noch der eigentliche Content und genau das war das große Problem. Man sei noch „Lichtjahre entfernt“ gewesen von einem richtigen Sendebetrieb. Ins Kabelnetz eingespeist zu werden, erwies sich als unüberwindbare Hürde für einen auslandsfinanzierten Sender und man hoffte eher auf die Ausstrahlung über Satelliten.

Der „Lisa-Fall“ war einer der ersten größeren, radikalen Fehlgriffe. Verschiedene Sendungs-Formate wurden ausprobiert auf stümperhafte Weise. Leute wurden vor die Kamera gestellt und bald wieder abgesetzt. „Amateur Hour“ würde man es nennen.

Lange bekam eine Festanstellung, heißt es, und es wurde erwartet, dass er an den morgendlichen Konferenzen teilnimmt mit Video- oder Audio-Schalte aus Moskau, wo die neuesten Daten zu Putins Aktivitäten durchgegeben wurden und die Themen, die man gerne kommentiert haben möchte. Nach der Moskau-Schalte hätte es in der Konferenz nur noch nutzloses Gelaber gegeben; die Selbstdarstellung von inkompetenten, unqualifizierten Redakteuren.

RT Deutsch beziehe Content von der dpa und Ruptly; die Redakteure nehmen die dpa-Meldungen als Vorlage und fügen eine Kommentar-Färbung hinzu. Um Karriere zu machen, müsse man negativ von der NATO-Sphäre denken. Links oder rechts ist egal. Ein Redakteur sei früher in der linksautonomen Szene gewesen, aber verstehe sich mit einem der AfD nahen Kollegen. Redakteure nutzen angeblich „alternative“ Medien zur persönlichen Informationsnutzung, die aber oft von vorneherein durch Moskau gefärbt sind. Lange, der erfahrene Profi, drängte hin und wieder auf Korrekturen in Texten, was aber als fiese Einmischung und persönlicher Angriff gewertet wurde. Ein professioneller Redaktionsbetrieb sei eher simuliert worden. Die einen denken sich „kritische“ Fragen aus für die Bundespressekonferenz, der andere führt ein Interview mit schlechten Gästen und die Kameraleute drehen AfD-Wahlpartys.

Ein gewisser W. aus dem Umfeld der Partei DIE LINKE führe die sozialistische Fraktion in der Redaktion an. Unter ihm arbeitet ein weiterer Linker als Endredakteur, der alles nochmal prüfen darf vor der Veröffentlichung. Falls dieser Umstand so zutrifft, dürfte es eine herbe Überraschung darstellen für das AfD-Klientel: Pro-Russland-Sozialisten prüfen Beiträge in einem Studio, das nicht weit entfernt ist von dem Ort, wo einst das DDR-Fernsehen produziert worden war.

Der Produzent N.J. sollte das rechte Publikum und die Corona-Querdenker bearbeiten, zeigte aber sein Gesicht nie vor der Kamera. Er ist Dozent an einer Bildungseinrichtung für neue Journalisten. Dann gibt es noch Mitarbeiter, die nur per Videoschalte mit der Redaktion kommunizieren, darunter eine ehemalige Redakteurin des COMPACT-Magazins von Jürgen Elsässer. Manche solche Redakteure sollen anscheinend nie öffentlich mit RT in Beziehung gebracht werden.

Dann kam die Bauphase. Der Rubel rollte aus Moskau und man wollte endlich die ganze Halle füllen mit Studios und 200 Angestellten, um Deutschland 24 Stunden am Tag zudröhnen zu können so wie die großen Nachrichtensender. Der bisherige Chef ging und die neuen Chefs, so hieß es, würden kein deutsch sprechen, sondern auf englisch mit der Redaktion reden.

Das große Finale in Langes Buch ist die Nawalny-Reportage, die Lange eindeutig zu weit ging und die er nach eigenen Angaben dezent vor Ort sabotierte, damit er seinen Vorgesetzten sagen konnte, er sei von den Sicherheitskräften weggejagt worden. Er präsentiert Screenshots von den vertraulichen Chats und wer weiß, wie er sich sonst noch abgesichert hat. Seine Befürchtung war, als Spion verhaftet zu werden und er konfrontierte seine Vorgesetzten mit der sarkastischen Bemerkung, er wolle nicht irgendwann später an einer bestimmten Brücke gegen einen anderen Agenten ausgetauscht werden wie im Kalten Krieg.

In der Corona-Pandemie herrschte Baustopp in der RT-Zentrale, und Lange sollte irgendwie im Homeoffice Beiträge aus der Kategorie Schmutz und Verbrechen zusammenschustern. Da machte er seinen Abgang. Als erfahrener Reporter hatte er wohl die ganze Zeit Notizen gemacht, falls später die Behörden ihm irgendwann mal als Leder wollen. Auf diesen Notizen basiert dann wohl auch das Buch.

Der neue Werbespot für Russia Today Deutsch war reinster Hipster-Dreck:

So als hätten autistische Russen in den 1990er Jahren versucht, eine Art MTV für Nachrichten zu basteln. Chefredakteurin Dinara Toktosunova schmarrt mit dickem Akzent, dass es „immer etwas zu tun geben wird“, untermalt von Videobildern über Demonstrationen gegen die Ramstein-Basis, für Tierrechte und Umweltschutz und für Julian Assange. So könnte auch ein Sender aussehen von DIE LINKE. Dann kommt Programmdirektor Alexander Korostelev ins Bild gewackelt, der übertrieben auf seine Armbanduhr starrt beim Vorbeilaufen, und das „volle Programmm“ verspricht. Kreative Slogans verspricht er verständlicherweise nicht, denn er hat keine. Dann kommt die Social Media-Ressortleiterin Maryna, die einen Fuß vor den anderen setzt mit ausgestreckten Armen wie bei einem Alkoholtest. Lautet die Message etwa, dass es sich um eine trockene Redaktion handelt? Eine Kein- Vodka-Regel? Oder doch alle autistisch wie bei Rain Man? Stefan, der Social Media-Redakteur wirkt sterbenslangweilig, verspricht aber „viel Aufmerksamkeit“. Die hat er wohl bisher in seinem Leben nicht bekommen. Dann: Bühne frei für den tanzenden Igor, der sich stilmäßig an 90er-Jahre-Boybands orientiert und mit seinem Ohrring in Russland wohl in Lebensgefahr schweben würde. Dann kommt Sebastian, der „Endredakteur“ der aussieht wie Jaws, der „Beißer“ in den alten James Bond-Filmen, alias Zbigniew Krycsiwiki aus dem sowjetischen Polen.

Beißer, ich meine natürlich, Sebastian der Endredakteur, verspricht „Adrenalin pur“. Das ist das erste, was man der RT-Crew abkaufen könnte. Bei dem Redakteur Alireza handelt es sich wohl um Seyed Alireza Mousavi, den Politikwissenschaftler. Bei eigentümlich frei schwafelte er, „Deutsche Patrioten sehen Russland als Bündnispartner“.

15 Jahre Haft

Es war nur eine Frage der Zeit, bis wieder stalinistische Verhältnisse in Russland einkehren. Damals riskierte man 10, oder 15 oder mehr Jahre Gulag-Haft für einen Witz gegen das Regime oder für irgendeine unangenehme Wahrheit, welche das Regime unterdrücken wollte.

Der russische Gesetzgeber wird nun die „Verbreitung von Falschinformationen über die russischen Streitkräfte“ mit drastischen Strafen belegen. Das Parlament stimmte am Freitag in Moskau für eine entsprechende Gesetzesänderung. Es drohen hohe Geldstrafen und bis zu 15 Jahre Haft.

Es ist seit vergangener Woche verboten, in der Berichterstattung über den Krieg gegen die Ukraine Begriffe wie „Angriff“, „Invasion“ und „Kriegserklärung“ zu verwenden. Die gültige Formulierung lautet: Militärische „Sonderoperation“.

Unter Strafe stehen laut Gesetzestext das Verbreiten vermeintlicher Falschinformationen über russische Soldaten, das Diskreditieren russischer Streitkräfte und auch Aufrufe zu Sanktionen gegen Russland.

Russische Polizisten haben bei Antikriegsprotesten in Städten im ganzen Land über 1.000 Menschen festgenommen, und die Hälfte der Russen hat erklärt, dass sie den Krieg gegen die Ukraine unterstützen.

„Buchstäblich ab morgen wird dieses Gesetz diejenigen bestrafen – mit sehr harten Strafen –, die gelogen und Erklärungen abgegeben haben, die unsere Streitkräfte diskreditieren“,

sagte Vyacheslav Volodin, Vorsitzender der Duma.

https://www.thetimes.co.uk/article/russia-to-punish-fake-news-about-ukraine-war-with-15-years-jail-grjl8gv55

AlexBenesch
AlexBenesch
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