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Alex Jones soll 1 Milliarde Schadensersatz zahlen für Sandy Hook-Berichte

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Kommentar

Die Familien von acht Opfern der Sandy-Hook-Schießerei haben am Mittwoch vom Infowars-Chef Alex Jones Schadensersatz in Höhe von fast 1 Milliarde US-Dollar zugesprochen bekommen. Es mag sich vielleicht anhören wie das Klischee vom durchgeknallten amerikanischen Rechtssystem, in dem Millionen zugesprochen werden für einen zu heißen Kaffee bei McDonalds.

Aber Jones scheffelte eben hunderte Millionen Dollars im Laufe der Jahre mit idiotischem, amateurhaften Verschwörungs-Content. Praktisch jedes schockierende Ereignis wurde dem „linken Deep State“ zugeschrieben. Für diesen Content zahlte das Publikum. Sich auszusprechen gegen solche Ideen und stattdessen soliden investigativen Journalismus zu liefern, wäre höchst unpopulär gewesen.

Wenn Jones einen einzigen Angehörigen von toten SandyHook-Kindern als Schauspieler im Auftrag des DeepState verunglimpft hätte, dann wären vielleicht 25 bis 50 Millionen Schadensersatzforderung die Folge gewesen. Mit etwas Glück ließe sich der Betrag durch Revisionen reduzieren und im Laufe von Jahren abstottern. Aber Jones musste natürlich die ganz große Megaverschwörung präsentieren: Die toten Kinder seien fake, die Eltern, die Schule, die Untersuchungen der Gerichtsmedizin und auch alle Polizisten und Rettungskräfte vor Ort sowie alle weiteren staatlichen Ermittler. Wenn Jones‘ Umsätze mal flau waren, brachte man eine weitere Sandy-Hook-Story und schon rollte der Rubel. In der Beweisaufnahme-Phase der Gerichtsprozesse wollte Jones den Eindruck erwecken, man wisse gar nicht genau, welche Berichte gut ankommen. In Wirklichkeit war genau bekannt, welche Knöpfe man beim Publikum drücken musste, um die Leute zu melken.

Jones‘ ständig wechselnde Anwälte zogen die Sache endlos in die Länge, wohl in der Hoffnung, dass den SandyHook-Eltern das Geld und die Geduld ausging. Stattdessen ging den Gerichten die Geduld aus und verhängte ein Schuldig-Urteil. Sowas passiert selten, ist aber möglich. Jones und seine (ehemaligen) Angestellten konnten oder wollten unzählige Fragen unter Eid nicht beantworten, widersprachen sich selbst oder gegenseitig oder irgendwelchen aufgezeichneten Fakten. Es drohen Strafprozesse wegen schwerem Meineids.

Mr. Parker fügte in einer Anspielung auf die Anhänger von Mr. Jones hinzu:

„Wenn Sie sich immer noch dafür entscheiden, diesem Mann zuzuhören, fragen Sie sich einfach: Was hat er Ihnen jemals gegeben?“

Was Jones seinem zahlkräftigen Publikum gegeben hatte, waren Luftschlösser. Die Fantasie, dass er zusammen mit Donald Trump, der Republican Party und Wladimir Putin Amerika und die Welt retten werde. In Wirklichkeit war Infowars ein Haufen Amateure, die nur zum Geldmachen durch viralen Content angeheuert wurden von einem psychisch gestörten Kerl.

Im August schätzte ein forensischer Ökonom, dass das Imperium von Herrn Jones höchstens 270 Millionen Dollar wert war, aber im selben Monat brachte Herr Jones seine Muttergesellschaft, Free Speech Systems, in Konkurs. Herr Jones behauptete, dass eine Schuld von 54 Millionen Dollar – geschuldet bei einem Unternehmen, das er kontrolliert – ihn zahlungsunfähig gemacht habe.

Sollte sich herausstellen, dass er Insolvenz-Schutz beantragt hat in der betrügerischen Absicht, sein Geld zu schützen, drohen im strafrechtliche Ermittlungen. Jones spielt natürlich wie immer das Opfer des großen Deep States und bittet sein Publikum um mehr Geld. Jedweder Deep State müsste Jones eigentlich eine Medaille verleihen. Kaum jemand sonst hat dem besorgten Publikum soviel Geld aus der Tasche gezogen und dieses Geld verschleudert und verpuffen lassen.

Vor Gericht teilten die Zeugen erschütternde Geschichten über Belästigungen durch Verschwörungstheoretiker, die den Lügen von Herrn Jones glaubten, darunter Mord- und Vergewaltigungsdrohungen, Konfrontationen und Botschaften, in denen drohte, die Gräber der Opfer zu entweihen und auszugraben.

Jones hatte sich jahrelang geweigert, analytische Daten, Geschäftsunterlagen oder Zeugenaussagen vorzulegen, die von den Gerichten in den Klagen angefordert wurden. Infowars funktionierte wie eine Art geisteskranke Version von Buzzfeed für ein Verschwörungspublikum: Hauptsache viral und Kohle.

Im Connecticut-Prozess verwendeten die Anwälte der Familien forensische Analysen des Internetverkehrs, der internen Kommunikation von Infowars und Google Analytics-Daten um zu demonstrieren, wie die Zuschauerzahlen in die Höhe schossen, als er über Sandy Hook sprach.

Jones, der mit seinem Gefolge mit einem Privatjet nach Waterbury geflogen war, wohnte in einer gemieteten Villa mit Pool und Tennisplatz. Er lehnte es ab, für den größten Teil des Prozesses zu erscheinen.

Sein Geld hat Jones versteckt in undurchsichtigen Briefkastenfirmen und ein Experte schätze gewaltige Summen, die allerdings nicht zu Jones‘ Lifestyle passen. Weshalb arbeitet er überhaupt noch, wo er bereits 2013 verkündet hatte, in den Ruhestand gehen zu wollen? Warum besaß er nur ein 1-Million-$-Haus und drei gewöhnliche Autos? An wen floss das Extra-Geld? An diejenigen, die ihm womöglich lange Zeit geholfen hatten? Ist er eine Dauerwerbesendung für die Republican Party, wie einst die John Birch Society? In den letzten 20 Jahren hat er kein einziges echtes Geheimnis enthüllt, sondern nur kommentiert, was bereits woanders veröffentlicht war.

Jones-Supporter meinen entweder immer noch, er hätte Recht gehabt, oder sie argumentieren, er hätte zumindest in unzähligen anderen Themen richtig gelegen. Da er 20 Jahre lang viele Artikel aus den Massenmedien kommentierte, war es nicht besonders schwer, bei einfachen Sachverhalten richtig zu liegen. Fast immer dann, wenn er vorgab, mehr zu leisten und krasse Geheimoperationen aufzuklären, verließ er sich auf schlechtes Material, das er kostenlos aus dem Netz zusammengeklaubt hatte, und auf schlechte Gäste, die kostenlos bei ihm auftraten. Er hätte zwar durchaus professionelle Investigativreporter anheuern können, aber stattdessen wählte er Amateure, die sich nicht einmal selbst gegenseitig trauten.

Gewöhnliche Beobachter, gewöhnliche Medien und diverse links angesiedelte Personen wollen nun erklären, wie es überhaupt soweit kommen konnte, dass Jones es zu Berühmtheit und Einfluss gebracht hatte. Die ehrliche Antwort, die keiner hören will, lautet: Weil sonst niemand anderes einen deutlich bessere Job leisten wollte. Linke Medien und gewöhnliche Massenmedien waren lasch, schwächlich und ekelhaft bei ihrem Versagen, den Wahlbetrug der Republicans zugunsten von George W. Bush aufzudecken. Greg Palast hatte Schwierigkeiten, seine Recherchen einem größeren Publikum zu präsentieren. Michael Moore zitierte die Recherchen etwas, machte aber dauerhaft schamlose Werbung für die Democrats. Alex Jones lud Greg Palast regelmäßig ein und profitierte von der Recherche.

Nach 9/11 kam die goldene Ära von Infowars. Nicht weil sie geniale Arbeit geleistet hatten, sondern weil alle anderen Medien zu feige, zu lasch oder zu abgedreht waren. Für Jones reichte es, mit unterdurchschnittlichen Fähigkeiten ausgestattet zu sein. Selbst damit war er Konkurrenten in den Verschwörungsmedien überlegen. Jones hatte sich zeitweise kompetente Leute an Land gezogen und so wurden Film-Projekte wie „Martial Law 9/11 – Rise of the Police State“ realisiert. Ab 2008 näherte er sich zunehmend den Russen und dem Establishment in Form der Republican Party an. Immer mehr Leute wurden angeheuert, aber die Qualität sank drastisch.

AlexBenesch
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