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Das tragische Schicksal des Agenten Ben Zygier: Mossad außer Kontrolle

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Von Alex Benesch

In 2010 erregte die Geschichte eines unbekannten Häftlings das mediale Interesse, der im Ajalon-Gefängnis in Ramla in Isolationshaft gefangen gehalten wurde. Der Fall wurde durch einen Pressebeitrag des Journalisten Raanan Ben-Tzur publik, die Existenz des zunächst nur „Häftling X“ genannten Insassen blieb zunächst unter Verschluss.

Nach Informationen des australischen TV-Senders ABC hieß der Häftling Ben Zygier und stammte aus Melbourne, wo er nach seinem Suizid auch bestattet wurde. Er hinterließ zwei Kinder. Über die Hintergründe der Inhaftierung herrschte noch bei der Aufdeckung der Identität durch ABC Australien im Februar 2013 ebenso viel Unklarheit wie auch über die Gründe des Todes. Israel kündigte eine Untersuchung an. Australien verlangte die Einsicht in die Mitschnitte der vier Überwachungskameras.

Ben Zygier war seit 2003 ein Agent des israelischen Geheimdienstes Mossad. Zunächst infiltrierte er in Europa Unternehmen, die mit Iran und Syrien in Kontakt standen. Im Sommer 2007 wurde er zurück nach Israel gerufen, da er die Erwartungen, die an seinen Einsatz gestellt wurden, nicht erfüllen konnte. Im März deckte das Nachrichtenmagazin Spiegel auf, dass Zygier versucht hatte, auf eigene Faust neue Quellen anzuwerben – vermutlich, um sich für seinen fehlgeschlagenen Einsatz zu rehabilitieren. Dabei geriet er versehentlich an einen Anhänger der Hisbollah, der fortan ein doppeltes Spiel spielte, und Zygier Geheimnisse entlockte. Als Folge dessen wurden später im Libanon zwei Mossad-Agenten, Ziad al-Homsi and Mustafa Ali Awadeh, enttarnt und zu langjährigen Haftstrafen verurteilt.

Laut offizieller Darstellung erhängte sich Häftling X am 15. Dezember 2010 in seiner Zelle. Die Zelle galt als gesichert gegen Suizide. Israels Regierung bot vergangenen Herbst der Familie die Summe von 1 Million $ an, um sich von zukünftigen Anklagen freizukaufen und um zu verhindern, dass gruselige Details veröffentlicht werden.

Nicht nur gab es lange eine Nachrichtensperre in „der einzigen Demokratie im mittleren Osten“, sondern bereits das Erwähnen des Maulkorbs stand unter Strafe. Ein Wärter wandte sich 2010 an die Presse, denn die Identität des Häftlings war ein Staatsgeheimnis, selbst grundlegendsten rechtlichen Schutz genoss er keinen. Die Regierung versuchte das Problem zu beseitigen, indem man die Medien bedrängte; praktischerweise soll sich „Häftling X“ trotz Videoüberwachung in seiner Zelle erhängt haben bevor er einen Anwalt zu Rate ziehen und sich gegenüber Reportern äußern konnte.

Die Spekulationen der Medien über eine „versehentliche“ Tätigkeit Zygier als Doppelagent sind bestenfalls fragwürdig. Der Mossad verfügt mit der LAP (Lohamah Psichlogit) natürlich über eine eigene Abteilung für psychologische Kriegsführung.

Zygier war genau das was der Mossad sucht, er verfügte über einen australischen Pass (auf den Namen Ben Allen), sprach akzentfreies Englisch und leistete nach seinem Umzug nach Israel im Jahr 2000 den Militärdienst. Man verfügt zwar über Fälscherwerkstätten um alle möglichen Pässe weltweit zu kopieren, dennoch stehen hinter solchen Wegwerf-Dokumenten meist nur dünne erfundene Coverstories. Ein echter Pass mit echter Historie, die auch einer intensiven Prüfung standhält, ist da mehr als Gold wert. Der Agent kann auf feindlichem Territorium notfalls seine Deck-Identität wegwerfen und in eine australische Botschaft fliehen oder als Mr. Allen ausfliegen.

Der Mossad hat wie alle Geheimdienste ein Problem mit dem Rechtsstaat und ein gewaltiges Problem mit Whistleblowern aus den eigenen Reihen. Das Urgestein unter den Field Agents, Oren Riff, war 1975 einer von 11 Unterzeichnern eines Protestbriefs an den höchsten Vorgesetzten: Der Mossad sei stagnierend, verschwenderisch und hätte die falsche Haltung gegenüber der Demokratie. Riff war der einizige der nicht umgehend gefeuert wurde, obwohl die Ausbildung eines sog. Katsas enorm viel Geld verschlingt und nur eine zweistellige Anzahl weltweit einsatzbereit sind.

Mehr als nur einen Rauswurf riskierte Victor Ostrovsky, ehemaliger Mossad Case Officer und Militäroffizier. Aus unzähligen möglichen Kandidaten und nach einem gnadenlosen Auswahlprozess wurde der Halb-Kanadier mit kanadischem Pass an die elitäre Geheimdienstakademie geholt und ausgebildet.

Er wähnte sich zunächst unter den fähigsten Patrioten des Landes, der Auftrag lautete, jüdisches Leben zu retten. Sehr schnell kam ihm die Behörde jedoch wie ein Mafia-Hurenhaus vor: Verlogen, korrupt, kriminell, arrogant und sogar kontraproduktiv im Hinblick auf das eigene Mandat. Ostrovskys gemäßigte politische Haltung und die ein oder andere Reiberei mit Vorgesetzten plazierten ihn auf der Abschussliste. Als ein Sündenbock für eine verpatzte Mission gebraucht wurde, feuerte man ihn und zog ihn gesetzeswidrig ohne Wartezeit sofort wieder für den Militärdienst ein. Sein Einsatzgebiet sollte der Südlibanon sein, was für einen Ex-Mossad-Mann einem Todesurteil gleichkäme.

Die Flucht nach Kanada schockte den arroganten Apparat, aber nichts konnte sie vorbereiten auf die Kooperation Victors mit mehreren ausländischen Diensten sowie die Veröffentlichung zweier Enthüllungsbücher in denen die Strukturen und Methoden des Mossad erläutert werden.

Es wäre naiv zu glauben, dass die Regierung Israels sich durch Druck der Presse zu einer ernsthaften Untersuchung des Falls von Zygier hinreißen lässt. Nicht einmal Otsrovsky gelang es, den Apparat zu reformieren.

Die sogenannte „einzige Demokratie im Mittleren Osten“ wird auch weiterhin den Mossad als ihr höchstpersönliches Werkzeug benutzen.

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