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Wenn der reichste und dümmste Geheimdienst der Welt ein Folterprogramm gestehen muss

Datum:

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Ein Kommentar von Alexander Benesch

Der Geheimdienstausschuss des US-Senats stimmte aktuell für eine teilweise Veröffentlichung des eigenen Untersuchungsberichts über das CIA-Folterprogramm nach 9/11.

400 Seiten Kurzfassung von ursprünglich 6300 Seiten gehen ans Weiße Haus. Irgendwann bekommt vielleicht auch die Öffentlichkeit eine Ladung Papier mit viel geschwärzten Passagen und einigen komplett geschwärzten Seiten. Fest steht: Die Administration von George W. Bush hat die USA auf das Niveau von Länder heruntergezogen, die nicht zum Westen zählen. Woanders gibt es keine „Sonder“-Programme für Folter, sondern Folter ist dort „normal“. Wenn jemand in den meisten Ländern der Welt von Polizeikräften wegen gewöhnlichen Vorwürfen festgenommen wird, und derjenige keinen Touristenbonus hat oder einflussreiche Freunde besitzt, dann gehört physische und psychische Gewalt zum Standard-Prozedere: Einschüchterung und Misshandlung, Personalien aufnehmen, dann richtig durch die Mangel drehen, dann nachschauen ob nicht ernstere Verletzungen vorhanden sind, dann ab in die stinkende Zelle. Wer medizinische Behandlungen bekommen will, der muss Glück haben. Geht es gar um Terrorismusverdacht, fallen auch die letzten Hürden weg.

Häftlinge haben an den meisten Orten der Welt praktisch keine Rechte. Deshalb ist es für das Wächterpersonal auch so einfach, die Insassen zu misshandeln und sogar deren Familien um Geld zu erpressen. Auch Anwälte in solchen Ländern machen es sich oft zur Aufgabe, die Angehörigen um ihre Geld zu betrügen.

Man darf nicht in die Falle tappen und das amerikanische Folterprogramm dazu benutzen, anderen Folterstaaten politisches Kapital zu verschaffen. Einige der schlimmsten Folter-Infrastrukturen gibt es in Russland, China, Nordkorea und natürlich im Iran. Dort ist es weit schwieriger, Informationen über Folter an die Öffentlichkeit zu bringen.

Je mehr der Westen Handel treibt mit solchen Regimen, umso mehr wird sich der Westen diesen Regimen angleichen. Denn Unterdrückung und Misshandlungen schaffen Terroristen. Und Terroristen versuchen gewieft, sich hinter Gesetzen zu verstecken und Rechte zu missbrauchen.

Geht es tatsächlich um die Rettung von vielen Menschenleben, würden einige Menschen im Westen laut Umfragen Folter unter Bedingungen und mit maximaler Transparenz zustimmen. Aber es gab bei der CIA keine intelligenten Rahmenbedingungen und keine Transparenz. Eine Verfassungsänderung dazu gab es nicht und darf es auch nie geben.

In dem Untersuchungsbericht des Geheimdienstausschusses des US-Senats sollen u.a. mehr Informationen über Waterboarding aufgeführt sein. Die Beschreibungen darüber, wie Waterboarding in der Praxis tatsächlich aussieht, waren seit 9/11 in den Massenmedien durch frappierende Auslassungen gekennzeichnet, obwohl längst eine ganze Bandbreite an veröffentlichten Regierungsdokumenten zur Verfügung stand. Dick Cheney marginalisierte die Praktik gar als “Ins-Wasser-tauchen”, während vor Jahren unter anderem eine rechtliche Überprüfung der CIA-Verhöre während der Bush-Ära durch das Office of Professional Responsibility des Justizministeriums veröffentlicht wurde. Das Waterboarding der CIA unterschied sich laut dem Justizministerium erheblich von dem, was beispielsweise Soldaten von Eliteeinheiten in ihrer Ausbildung erdulden müssen. Als Vorbereitung erhalten spezielle US-Einheiten quasi “Waterboarding light”:

“Der Verhörende schüttet eine geringe Menge Wasser auf den Lappen [über dem Gesicht des Soldaten] in einer kontrollierten Weise.”

Eine ganz andere Kategorie ist jedoch das Waterboarding an Kriegsgefangenen und Terror-Verdächtigen: Die CIA benutzte zum Beispiel dermaßen viel Wasser, dass der Geheimdienst laut den veröffentlichten Memos irgendwann zu einer Salzlösung überging um das Auftreten von Lungenentzündungen zu verringern. Die verhörenden Agenten wurden angewiesen, den auf speziellen Wipp-Bahren festgeschnallten Subjekten das Wasser genau dann in den Mund zu zwängen, wenn jene gerade einatmen. Laut dem Bradbury-Memo können Krämpfe im Kehlkopf auftreten, die sogar dann anhalten und das Atmen unmöglich machen, wenn das Schütten eingestellt und der Gefangene in eine aufrechte Position gebracht wird:

“Ein qualifizierter Arzt würde sofort einschreiten, um sich um das Problem zu kümmern und ggf. einen Luftröhrenschnitt durchführen.”

Die Häftlinge wurden von der CIA im Vorfeld auf eine Flüssignahrung-Diät gesetzt um die Auswirkungen abzumildern, falls jemand während dem Waterboarding sein eigenes Erbrochenes einatmet. Das empfohlene Produkt war “Ensure Plus”, eine ballaststoffreiche Trinknahrung in neun verschiedenen Geschmacksrichtungen (Vanille, Kakao, Waldfrucht, Banane, Himbeer, Orange, Kaffee, Schwarze Johannisbeere, Erdbeer). Das Justizministerium während der Bush-Ära authorisierte die CIA zusätzlich, das Waterboarding mit anderen Foltermethoden zu kombinieren. Häftlinge konnten über 7 Tage durchgehend wachgehalten werden indem man ein Seil oder eine Kette von ihren Handfesseln zu einem Haken in der Decke führte, sodass sie sich nie hinsetzen oder hinlegen konnten. Während dieser “Vorbereitung” auf das Waterboarding trugen die Häftlinge Windeln und wurden gefüttert. Ein weiteres Memo von Bradbury aus dem Jahr 2005 beschreibt, wie Häftlinge zwischen den Waterboarding-Einheiten u.a. gegen die Wand geschleudert, in eine kleine Kiste gesteckt, in Stresspositionen gekettet und mit kaltem Wasser abgespritzt werden durften. Viele Häftlinge gaben irgendwann auf, und versuchten bewusst zu ertrinken. Die Agency wurde angehalten, jede Session zu Forschungszwecken ausführlich zu dokumentieren. Ex-Navy SEAL Jesse Ventura fand in der Larry King Live-Sendung auf CNN deutliche Worte über den Nutzen dieser Verhörmethode:

“[Es] ist Folter… Es ist Ertrinken. Es gibt einem vollständig das Gefühl, dass man ertrinkt. Es taugt nichts weil man… lass es mich so formulieren: Gib mir ein Waterboard, Dick Cheney und eine Stunde Zeit und ich krieg ihn dazu, die Sharon Tate-Morde zu gestehen.”

Die CIA kultivierte seit ihrer Gründung einen Ruf der kalten Professionalität. Kalt sind sie tatsächlich, aber professionell wirken sie zunächst nicht. Eine Auswertung von zehntausenden Akten ergab eine verblüffendes Maß an Inkompetenz, das mit Geld und Brutalität nicht aufzuwiegen war. Überall dort, wo man den Kommunismus bekämpfte, schuf man mehr Zulauf für die Kommunisten. Steckte doch eine Methode hinter dem Wahn? Die CIA arbeitet schließlich für den amerikanischen Geldadel, nicht für die Institutionen der Republik. Ging es bei dem Folterprogramm auch eher um die Provozierung eines gewünschten, größeren Konflikts mit der muslimischen Welt? Steht die westliche Welt erstmal vor einer ausreichend großen Bedrohung, dann wird die Verfassung schnell als realitätsfremder Anachronismus entsorgt.

Man darf sich aber auch nicht der von Amateuren und Propagandisten genährten Illusion hingeben, dass die CIA den islamischen Terrorismus im Griff habe. Selbst die von Langley trainierten Gotteskrieger hielten gebührenden Abstand. Russland hat wahrscheinlich sogar mehr radikale Moslems ausgebildet als Washington.

AlexBenesch
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