Kommentar
Nach dem Compact-Verbot reagierten Jürgen Elsässer und andere Influencer wie erwartet: Sie betonen die Pressefreiheit als das heilige Gut jeden Rechtsstaates.
Dumm nur, dass Elsässer sich nicht für Pressefreiheit zu scheren scheint, wenn es die Gegner des Putin-Regimes trifft. In Russland ist de facto alles verboten, was dem Staat nicht gefällt; die Gesetze sind nicht das Papier wert, auf dem sie gedruckt sind. Jeder noch so kleine Widerstand gegen irgendwas wird verfolgt.
In der Putin-Ära wurde der russische Überwachungsapparat grundlegend erneuert und hauptsächlich gegen organisierte politische Beteiligung und Aktivismus verwendet. Wer im privaten Umfeld sein Missfallen äußerte, wurde in aller Regel in Ruhe gelassen. Dieser Zustand konnte aber nicht allzu lange anhalten.
Seit 2022 wird Jagd gemacht auf jeden, der sich selbst nur im privaten Bereich negativ über den Krieg oder das System äußert.
„Es hat die Leute sehr paranoid gemacht, denn wenn man mit irgendjemandem in Russland kommuniziert, kann man nicht sicher sein, ob es sicher ist oder nicht. Sie überwachen den Verkehr sehr aktiv“,
sagte Alena Popova, eine russische Oppositionspolitikerin und Aktivistin für digitale Rechte.
„Früher war es nur für Aktivisten. Jetzt haben sie es auf alle ausgeweitet, die mit dem Krieg nicht einverstanden sind.“
Jede Art von elektronischer Kommunikation ist brandgefährlich; egal welche App man benutzt.
Die Bemühungen haben die Kassen einer Konstellation relativ unbekannter russischer Technologieunternehmen gespeist. Viele gehören der Citadel Group, einem Unternehmen, das einst teilweise von Alisher Usmanov kontrolliert wurde.
Die NY Times erhielt Hunderte von Dateien von einer Person mit Zugriff auf die internen Aufzeichnungen, in denen etwa 40 die Überwachungsinstrumente detailliert beschrieben. Es geht oft um die „Metadaten“, also wer mit wem kommuniziert.
Ein in den Materialien beschriebenes Programm kann erkennen, wenn Personen über verschlüsselte Chat-Apps wie Telegram, Signal und WhatsApp Sprachanrufe tätigen oder Dateien senden. Die Software kann den Inhalt der Nachrichten nicht unbedingt abfangen, aber sie kann feststellen, ob jemand mehrere Telefone verwendet, das Beziehungsnetzwerk kartieren, und triangulieren, welche Telefone an einem bestimmten Tag an bestimmten Orten waren.
Wer also kein klassisches Spionage-Tradecraft beherrscht, und nicht-elektronische Zeichen verwendet, um konspirative Treffen anzukündigen, ist klar im Nachteil.
Das expandierende Programm – früher bekannt als System for Operative Investigative Activities (SORM) – war ein unvollkommenes Überwachungsmittel. Russlands Telekommunikationsanbieter haben die Technologien oft unvollständig installiert und aktualisiert.
Jetzt hangelt man sich von einer verdächtigen Person zur nächsten. Automatisch wird verdächtiges Verhalten erkannt, wie das Verwenden mehrerer Mobiltelefone.
Eine Funktion von NetBeholder nutzt eine Technik namens Deep-Packet-Inspection, die von Telekommunikationsdienstleistern verwendet wird, um zu analysieren, wohin der Datenverkehr geht.
Für die Hersteller von Signal, Telegram und WhatsApp gibt es nur wenige Schutzmaßnahmen gegen ein solches Tracking. Die russische Bevölkerung ist nicht sehr groß und der Staat verfügt längst über sehr viele Daten zu den Menschen. Unter diesen Umständen ist keinerlei nennenswerte politische Beteiligung oder Aktivismus möglich.
Horror-Gefängnisse
Eine bekannte NGO, die Missbräuche im russischen Gefängnissystem verfolgt, sagt, sie habe „Tausende“ Videoclips erhalten, die zeigen, wie Häftlinge in mehreren Gefängnissen im ganzen Land von Wärtern geschlagen und gefoltert werden.
„Dies ist ein beispielloser Leak, der Schockwellen im ganzen Land senden wird. Insgesamt haben wir über 40 Gigabyte an Dateien, die weit verbreitete Folterungen zeigen“,
sagte Vladimir Osechkin, der Gründer der Gulagu.net-Rechtegruppe, der Moscow Times in einem Telefoninterview.
Die üblichen Kreml-Propagandisten bei uns im Westen behaupten standardmäßig, für Menschenrechte und alles denkbar Gute zu stehen. Erstens sollte jenen Papptrompeten längst bekannt sein, dass es in Russland heute zugeht wie im Mittelalter oder wie in den sowjetischen Zeiten. Zweitens sollte ihnen grob bekannt sein, dass das russische Sowjetregime haufenweise Sowjetfunktionäre verhaften und und foltern ließ. Das heißt, falls Russland irgendwann einmal die Kontrolle über Westeuropa erringt, zählen die Kreml-Propagandisten dann zu den ersten, die einkassiert und gefoltert werden.
Der Kreml teilte am Dienstag mit, dass ihm das Filmmaterial im Gefängniskrankenhaus Saratow bekannt sei und dass der Bundesgefängnisdienst (FSIN) eine Untersuchung der Videos eingeleitet habe.
Wegleugnen lässt sich die Sache nicht mehr. Selbst RussiaToday musste einen Bericht bringen.
https://www.rt.com/russia/536883-prisons-torture-video-activist
Man versucht, den Skandal abzuwälzen auf das unmittelbar involvierte Personal. Menschenrechtsaktivisten behaupten hingegen, das Filmen der Folter sei von Beamten des Staatssicherheitsdienstes FSB oder der Gefängnisbehörde FSIN sanktioniert worden.
Gulagu.net nennt vier Hauptkategorien von Opfern. Einige sollen gegen politische Persönlichkeiten aussagen. Andere sind gezwungen, die Wünsche der Gefängnisbeamten zu erfüllen. Es gibt auch reiche oder einflussreiche Menschen, die mit dem Ziel der Erpressung vergewaltigt werden. Schließlich können Personen von außerhalb des Gefängnisses den Beamten 40.000 bis 70.000 US-Dollar für die Teilnahme an den Übergriffen zahlen.
Kürzlich veröffentlichte Gulagu.net auf seinem Youtube-Kanal neues Filmmaterial, das Berichten zufolge zeigt, wie Gefangene geschlagen und gefoltert werden. Gulagu.net sagte, das Filmmaterial sei im Gefängniskrankenhaus in Saratow und in Gefängnissen in den Regionen Belgorod und Kamtschatka aufgenommen worden.
Später am Mittwoch gab der Bundesgefängnisdienst (FSIN) bekannt, dass er den Leiter des Gefängnisdienstes von Saratow zusammen mit drei regionalen Mitarbeitern und dem Chefarzt des Gefängnisses entlassen habe.
Gulagu.net teilte der Moscow Times auch Filmmaterial, das angeblich im selben Saratow-Gefängnis aufgenommen wurde und zeigt, wie mehrere Personen einen nackten Mann, der an ein Bett gefesselt ist, mit einem großen Gegenstand vergewaltigen.
Gulagu.net hat die Videos auch an das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) geschickt. CPT reagierte nicht sofort auf die Bitte um Stellungnahme der Moscow Times.
Corona-Stuss verboten
Der Diktator Wladimir Putin, widersprach den COVID-Aktivisten praktisch zu 100%:
“Die Ansteckungsgefahr ist auf höchstem Niveau, und die Bedrohung, die tödliche Gefahr des Virus besteht weiterhin. Russland hat es geschafft, die Ausbreitung der Epidemie zu verlangsamen, aber wir haben den Höhepunkt noch nicht überschritten.”
Manchmal mümmelten die COVID-Aktivisten grimmig, Putin sei von der Weltverschwörung bzw. von einem „Deep State“ in Russland gezwungen worden, an einer Fake-Pandemie teilzunehmen.
Wenn in Russland keine harten Maßnahmen gegolten hätten, abgesehen von ruhigeren Phasen wie auch in anderen Länden, hätten Ken Jebsen und Super-Opi Jürgen Elsässer das jeden Tag ihrem Publikum ganz dick aufs Brot geschmiert. Jeden einzelnen Tag hätte man es ganz groß zu ihrem zentralen Aufhänger gemacht.
Das COMPACT-Magazin vom rüstigen Super-Opi Jürgen Elsässer zeigte mal wieder Mut zum Russenstuss und wollte ganz vorne mitmischen bei dem COVID-Aufstand.
Ken Jebsen wich in den Youtube-Kommentaren meiner Frage aus, warum Russland einen harten Lockdown (inklusive Strafen und Zensurmaßnahmen) macht, und antwortet mit einem Link zu einem COVID-Verharmloser-Video.
Screenshot (Klicken zur Vergrößerung):
Die russische Medienplattform RT Deutsch war das Medium schlechthin für Corona-Aktivisten, Impfkritiker und das AfD-Klientel geworden.
Ende September 2021 wurde schließlich der YouTube-Kanal von RT DE aufgrund der Verbreitung von Falschinformationen über das Coronavirus gesperrt, nachdem das Thema so krass gemolken wurde wie es nur irgendwie ging. Man erfuhr natürlich sehr wenig auf RT Deutsch über die desaströse Lage in Russland. Gleichzeitig ist die redaktionelle Linie von RT für das russischsprachige Publikum eine völlig andere: Hier wurden die Impfung, die Maßnahmen und die Regierung gepriesen.
https://www.rferl.org/embed/player/0/31530613.html?type=video
So bezeichnet man die niedrige Impfquote von 35 Prozent als einen der wichtigsten Gründe für die katastrophale Pandemiesituation im Land.
https://russian.rt.com/russia/article/927927-koronavirus-rossiya-vakcinaciya
Die Chefin des Auslandsenders RT Margarita Simonjan meinte gar, man müsse langsam „an den kognitiven Fähigkeiten der Impfgegner zweifeln“. Diejenigen, die gefälschte Bescheinigungen gekauft haben und von der Impfung abraten, wurden als „mörderische Schwachköpfe“ bezeichnet, die „Pfuscherei und Sabotage“ betreiben. Bisher scheute der russische Staat eine universelle Zwangsimpfung, weil der Rückhalt generell in der Bevölkerung fehlt.