In Wien bewachen aktuell Spezialeinheiten das Haus von Christo Grozev, ein investigativer Journalist, dessen mit einem Oscar ausgezeichneter Dokumentarfilm den Versuch des Kremls aufdeckte, den Oppositionsführer Alexei Nawalny zu töten. Jeder weiß, dass diese Vorsichtsmaßnahmen nötig sind, um Russen davon abzuhalten, ein dreistes Attentat auf Österreichs Straßen durchzuführen.

Wie souverän ist ein Staat, der sich so fürchten muss?

Grozev floh 2023 in die USA. Er kehrte nun zurück, um seine in Wien zurückgebliebene Familie zu besuchen. Russland verlagerte viele Spionageoperationen insgesamt nach Österreich. In den letzten zwei Jahren ist die Zahl der russischen Staatsangestellten in Österreich von 300 auf 400 auf über 500 gestiegen, getarnt wie üblich als Diplomaten und Verwaltungsangestellte.

Letztes Jahr schloss Deutschland das russische Konsulat in München, das deutschen Beamten zufolge eine Reihe von Spionen beherbergte. Die russischen Mitarbeiter zogen einfach nach Salzburg.

Russische Diplomaten und Hilfspersonal operieren in Wien von über 40 Liegenschaften aus. Auf den Dächern dieser Liegenschaften tauchen immer mehr Überwachungsgeräte auf. Gleichzeitig ist diese Konzentration von Aktivitäten auch ein gewaltiger Nachteil. Die Gebäude lassen sich genauso überwachen wie die russischen Angestellten. Jeder einzelne Trip innerhalb Europas lässt sich gnadenlos verfolgen und somit wird die Luft dünn für viele Operationen.

Zum Spionagealltag gehört das regelmäßige persönliche Treffen mit angeworbenen Personen, wo aufwändig sichergestellt werden muss, dass kein Beteiligter feindliche Observationsteams oder eine Drohne hinter sich her hat oder die Route durch Kameras oder Tracker nachvollzogen wird. Anhand von Bewegungsdaten lässt sich feststellen, ob suspekte Personen mehrfach ihre Wege kreuzten. Das Geschäft ist viel schwieriger als noch vor 15 oder 30 Jahren.

Während des Kalten Krieges war Wien bereits ein berüchtigter internationaler Spionageknotenpunkt. Spionage ist in Österreich, das Mitglied der Europäischen Union ist, legal, solange sie sich nicht gegen Österreich selbst richtet.

Das nutzen natürlich auch die Amerikaner aus.

2018 sorgten Fotos von Putin, der bei ihrer Hochzeit mit der österreichischen Außenministerin Karin Kneissl tanzt, für Aufruhr. Im Jahr 2023 zog Kneissl nach Russland, wo sie eine Denkfabrik leitet. Die russische Luftwaffe half ihr beim Umzug, einschließlich ihrer Ponys.

Russland schickt große Mengen Bargeld auf dem Landweg in Nachbarländer wie Litauen, sagte ein österreichischer Geheimdienstmitarbeiter. Von dort transportieren in Österreich stationierte Diplomaten es durch ganz Europa, oft in Diplomatengepäck, das von der Polizei nicht kontrolliert werden kann.

Wird ein Russe mit Diplomatenstatus erwischt, kann man ihn in anderen Ländern einfach ausweisen. Falls die Österreicher zu sehr wegschauen, können die EU und die USA vielfältigen Druck ausüben.

Jetzt erwägen EU-Staaten einen tschechischen Vorschlag für ein Reiseverbot für russische Diplomaten außerhalb des Landes, in dem sie stationiert sind.

Die USA unterhalten auch ein großes Spionagekontingent in Österreich, dem Sitz des regionalen Zentrums der Central Intelligence Agency, das die Aktivitäten in Osteuropa und auf dem Balkan überwacht.

Abgesehen von Spionen mit diplomatischem Schutz bleibt Russland noch der Weg über die „Illegalen“, die unter verschiedener Tarnung arbeiten müssen und schlichtweg verhaftet werden können. Kürzlich erwischte es Schläfer-Agenten in Slowenien, die einen hohen Wert für Moskau hatten. In solchen Fällen beginnen sofort die Verhandlungen auf Staaten-Ebene, einen Agenten-Tausch zu vereinbaren.

Der österreichische Geheimdienst selbst ist seit jeher von russischen Spionen infiltriert. Anfang des Jahres wurde Egisto Ott, ein hochrangiger Beamter für verdeckte Operationen, wegen verschiedener Anklagen festgenommen, darunter des Vorwurfs, für Russland spioniert zu haben.

Der ehemalige Einsatzleiter des Dienstes, Martin Weiss, der von österreichischen Ermittlern ebenfalls verdächtigt wird, ein russischer Spion zu sein, floh 2021 nach Dubai.

Beide Männer arbeiteten für Jan Marsalek, den in Österreich geborenen ehemaligen Chief Operating Officer der Firma Wirecard, die 2020 in einem großen Betrugsfall zusammenbrach. Marsalek, der nach Moskau floh, um einer Verhaftung zu entgehen, arbeitet seit über einem Jahrzehnt für den russischen Geheimdienst und hat heute nach Angaben europäischer Beamter eine leitende Position beim FSB, dem wichtigsten russischen Geheimdienst, inne.

Marsalek koordinierte laut Rechtsdokumenten mindestens ein Team, das an dem Komplott gegen Grozev beteiligt war. Mehrere an dem Komplott beteiligte Personen wurden inzwischen festgenommen.

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