Kommentar
Angesichts der Ermittlungen gegen AfD-Politiker wie Bystron und Krah mag der Durchschnittswähler denken, dass endlich mehr getan wird, um einen möglichen Einfluss Russlands zurückzudrängen.
Mehrere Geheimdienste ließen an die Presse durchsickern, sie hätten angeblich Audio- und Videoaufnahmen wie Bystron Pakete voller Bargeld entgegennimmt. Was ist aber mit den viel größeren und gefährlicheren Vorgängen wie der Nordstream-Pipeline? Warum setzen sich die SPD und die CDU so leidenschaftlich für das Projekte ein, das wirtschaftlich keinen Sinn ergab und unsere Abhängigkeit von russischem Gas erhöhte? Wer verdiente wieviel Geld bei der Sache?
Die Grünen drängen aktuell auf einen Untersuchungsausschuss, der dringend nötig ist. Es ist zu erwarten, dass die Partei nicht unbedingt allem auf den Grund gehen will und es sich verscherzt mit der CDU und der SPD, die gebraucht werden als Koalitionspartner. Ein paar Bauernopfer und die Grünen können sich profilieren als Partei der Energiewende. Solar- und Windkraft statt Gas.
Der heutige Kanzler Olaf Scholz war als Bundesfinanzminister damals mit den Planungen zur Pipeline vertraut. Ex-Kanzler Gerhard Schröder arbeitete sogar für die Betreiber der Pipeline.
Die „Stiftung Klima- und Umweltschutz“ im SPD-geführten Mecklenburg-Vorpommern wurde extra geschaffen für das Projekt, um möglichen Sanktionen aus den USA auszuweichen. Die Grünen haben im Bundestag nicht genug Stimmen, um so einen Untersuchungsausschuss anzustrengen. Die AfD ist Fan der Russenpipelines.
Schwesigs Stiftung
Recherchen zufolge hatte die Regierung von Mecklenburg-Vorpommern unter Ministerpräsidentin Manuela Schwesig 2021 eine umstrittene Klimastiftung namens „Stiftung Klima- und Umweltschutz MV“ gestartet mit russischem Einfluss, um die Gas-Pipeline Nord Stream 2 entgegen der Sanktionsdrohungen der USA fertig zu bauen. Rechtlich könne man nun die Operationen der Stiftung nicht einfach so stoppen. Und es gibt noch zwei weitere heikle Stiftungen, die untersucht werden.
„Nörgler“ werde es geben, „die diese Idee zu zerreden versuchen“, prophezeite Schwesig als sie ihre Klimastiftung für NordStream2 durchbrachte. Die Drohungen der USA waren aber weit mehr als Genörgel. Joe Biden hatte sich bereits vor der Wahl in einem Positionspapier gegen die Pipeline ausgesprochen. Im US-Senat herrschte bei Demokraten und Republikanern Einigkeit darüber, dass das Pipeline-Projekt verhindert werden muss. In einem Schreiben drohten US-Senatoren dem deutschen Fährhafen Sassnitz auf Rügen „rechtlich verbindliche“ und „vernichtende“ Sanktionen an wegen der Pipeline “Nord Stream 2”. Die US-Senatoren Ted Cruz, Tom Cotton und Ron Johnson schrieben von „potenziell fatalen Maßnahmen, die die Fährhafen Sassnitz GmbH wirtschaftlich und finanziell von den Vereinigten Staaten abschneiden werden“. Die US-Senatoren berufen sich auf Gesetze wie den Countering America‘s Adversaries Through Sanctions Act (CAATSA). Als Teil des National Defense Authorization Act (NDAA) und des Protecting Europe‘s Energy Security Act (PEESA) seien die Sanktionen unabhängig von dem Willen Donald Trumps.
„Die Sanktionen sind obligatorisch, und es gibt keinen Ermessensspielraum bei ihrer Verhängung.“.
Jegliches Eigentum oder Anteile an Eigentum, das die Fährhafen Sassnitz GmbH innerhalb der Gerichtsbarkeit der Vereinigten Staaten hat, würde eingefroren werden, ebenso wie jedes zukünftige Eigentum, einschließlich aller Transaktionen, die durch das US-Finanzsystem laufen. Das beträfe auch die Banken und Versicherer. Im Nachhinein betrachtet, stimmte die Argumentation der Amerikaner, Russland nicht noch mehr Möglichkeiten zu bieten. Schwesig nannte ihre Haltung in der Rückbetrachtung einen „Fehler“. Aber ging sie davon aus, dass Russland friedlich bleiben würde? War sie auch nur annähernd qualifiziert, um solche Sicherheitsthemen zu bewerten? Hatte sie beim Bundesnachrichtendienst nachgefragt? Was hatte der ihr erzählt? Hatte sie im Kanzleramt nachgefragt?
Noch frappierender ist, dass die USA in den 1980er Jahren ihren entscheidenden Widerstand aufgegeben hatten gegen die Northern Lights-Pipeline, mit der die Energieabhängigkeit Deutschland und Europas von den Russen erst so richtig begann.
Zum Stiftungszweck gehörte nach Schwesigs Vorstellung neben dem Umweltschutz eben auch, Nord-Stream 2 fertigzustellen. Die Nord Stream AG, deren Mehrheitseigner die russische Gazprom ist, sollte laut Landesregierung in den nächsten Jahren insgesamt sogar 60 Millionen Euro in die Stiftung einbringen.
Das deutsche Bundesministerium für Wirtschaft und Energie pochte darauf, dass es „extraterritoriale Sanktionen“ ablehne, da diese völkerrechtswidrig seien. Aus Sicht von Staatsminister im Auswärtigen Amt Niels Annen stellten die US-Sanktionsdrohungen „einen Eingriff in die europäische Souveränität dar, den wir ablehnen“. Man hätte auch unter formellen Protest oder aus eigenem Antrieb heraus die Pipeline begraben können, anstatt eine Stiftung aus dem Hut zu zaubern, um den angedrohten US-Sanktionen auszuweichen.
Die Landesregierung bestand jedoch offiziell stets darauf, dass es hauptsächlich um Klimaschutz gehe. Dass Nord Stream 2 AG die Stiftung fast vollständig finanzieren sollte, war klar. Im Beirat des federführenden Unternehmens des SPD-nahen Investors saß NS2-Verwaltungsratschef Gerhard Schröder.
Die Stiftung bürgerlichen Rechts sei nicht auskunftspflichtig, heißt es. Woher kam das Geld? Spenden seien es gewesen. Die Steuererklärungen seien leider nicht auffindbar. Die Sache fällt letztendlich auseinander.
Im Jahr 2000 wechselte Manuela Schwesig an das Finanzamt in Schwerin, für das sie als Steuerfahndungsprüferin tätig wurde. Um die Sicherheitsfolgen von Nordstream abzuschätzen, war sie unqualifiziert. Konnte sie wenigstens den wirtschaftlichen Nutzen bemessen?
In einer Studie vom Juli 2018 kam das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung zum Ergebnis, dass die Ostseepipeline Nord Stream 2 zur Sicherung der Erdgasversorgung in Deutschland und Europa unnötig und wirtschaftlich unrentabel ist. Die Erdgasversorgung ist so diversifiziert, dass das bestehende Versorgungssystem ohne Nord Stream 2 krisenfest ist und sogar ein vollständiger Wegfall russischer Erdgaslieferungen in Deutschland und in Europa durch andere Bezugsquellen und mehr Effizienz kompensiert werden kann. So ergibt sich für das Projekt ein negativer Barwert in Höhe von sechs Mrd. US-Dollar. Die Autoren der Studie gehen davon aus, dass die Pipeline geopolitischen Interessen dient und Baukonzerne stärken soll, die das heimische Pipelinenetz ausweiten.
Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine schrieb Schwesig in einer Erklärung, dass „der russische Einmarsch ein […] ein brutaler Angriff auf ein Nachbarland, eine klare Verletzung des Völkerrechts und durch nichts zu rechtfertigen“ sei. Nord Stream 2 wurde gestoppt; den CDU-Vorschlag, die Gelder der Klima-Stiftung für humanitäre Zwecke in der Ukraine einzusetzen, lehnte Schwesig zunächst als „populistisch“ ab, befürwortete ihn aber später.
Was war der militärische Nebennutzen der Pipelines?
Das „loyal“-Magazin für Reservisten der deutschen Bundeswehr berichtete in der Ausgabe #1 von 2022 über die militärischen Möglichkeiten, die sich Russland bieten durch den Bau und den Betrieb der Nordstream-Pipelines quer durch die Ostsee.
Genannt werden die Autoren einer Studie, Michail Gonchar, Andrei Ryschenko und Bogdan Ustimenko vom Zentrum für globale Studien. Die Pipeline erlaubt es Russland, an der Pipeline und um diese herum Einrichtungen wie Passiv-Sonar zu installieren, die für eine Unterwasserkriegsführung geeignet sind, „ohne dass diese Manipulationen sofort auffallen“. Ein breiter Streifen um die Pipelines herum stünde Russland zur Verfügung. Auch Unterwasser-Kommunikation könnte verbessert werden durch ein System aus Transmittern. Letztendlich könnten unbemannte russische Unterwasserdrohnen durch die Ostsee fahren und alle „feindseligen“ Kräfte wie NATO-Staaten, Finnland und Schweden fernhalten. Das Thema Unterwasserkriegsführung oder speziell „Seabed Warfare“ ist eigentlich längst bekannt und die Nordstream-Pipelines haben keinen nennenswerten wirtschaftlichen Nutzen. Warum ließ man den Bau dann zu?
Viel zu spät musste sich das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestags in einer geheimen Sitzung genau damit befassen und befragte den Bundesnachrichtendienst, der aber keine Erkenntnisse habe und anscheinend auch nicht von den USA oder Britannien informiert worden ist. Der Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour hatte die Geheimdienstkontrolleure auf die Spur gebracht. Schließlich hatte die „FAZ“ berichtet, wie bei Turkstream, Gazproms Schwarzmeerpipeline von Südrussland in die Türkei, Spionagetechnologie montiert worden sei.
Marineexperten hätten früh auf das Risiko aufmerksam gemacht. Es wurde aber abgewunken, weil die Amerikaner nicht warnten und weil ja deutsche Firmen an der Pipeline beteiligt seien.
Meeresboden-Anlagen können Unterwasserdrohnen (UUV) aufladen, sich gesammelte Daten herunterladen und neue Missionsbefehle auf die UUVs laden. In einer Krise können Gegner Angriffe auf Untersee-Datenkabel koordinieren. Der Unterwasser-Krieg hat sich seit dem Kalten Krieg stark erweitert. Traditionelle Uboote bleiben uns zwar erhalten; diese sind aber langsam und schwer zu manövrieren. Ihre Sonaranlagen haben eine begrenzte Reichweite und sie sind ausgesprochen teuer. Ein Netz aus Dockingstationen und waffenfähige Unterwasserdrohnen ist hingegen die Zukunft. Selbst China baut solch ein Netz in seinem Einflussbereich. Warum akzeptierten wir dann die Nordstream-Pipelines durch die Ostsee.
Ein CSIS Report von 2016 hätte der deutschen Regierung klar machen können, wohin die Reise geht.
https://www.csis.org/analysis/undersea-warfare-northern-europe
Für Unterwasserkriegsführung hat Russland richtig viel Geld ausgegeben; anders als bei regulären Streitkräften. Russland kann schließlich nicht mit den Amerikanern mithalten was eine offensive Kriegsmarine anbetrifft, also setzte man den Fokus auf „Area Denial“, also den Gegner auszubremsen und fernzuhalten. So könnte Russland die Ostsee blockieren und von Kaliningrad aus den Luftraum.
Es braucht viel High Tech und Know How, vor allem bei unbemannten Unterwasserdrohnen. Der Wegfall der Produktion in der Ukraine war ein Riesenproblem, das teilweise aufgewogen wurde durch die Besatzung der Krim mit den wertvollen Werfen. Aber viele Teile stammten aus verschiedenen ukrainischen Industriekomplexen und letzten Endes bleibt wohl nur noch China als Lieferant.
Das russische Directorate for Deep Sea Research ist sehr geheim und bezahlt seine Leute außerordentlich gut für russische Verhältnisse.
Wer hat Nordstream gesprengt?
Die Frage ist immer noch ungeklärt. Ein kleines Team hätte die Aktion bewerkstelligen können. Die Russen verbreiten hingegen die Sichtweise, es habe sich um ein sehr aufwändiges Unterfangen der USA. Allerdings wurde von den russischen Geheimdiensten nichts Relevantes an Informationen präsentiert.
Peter Andersson ist ein leitender Angestellter bei Poseidon Diving Systems, einem schwedischen Unternehmen, das Militärs auf der ganzen Welt, darunter in den USA, Deutschland und Schweden, mit moderner Tauchausrüstung beliefert. Als Weltklasse-Taucher, der um die Welt reist und militärischen und zivilen Tauchlehrern den Umgang mit Poseidons Ausrüstung beibringt, sagt Peter (nicht verwandt mit Erik), dass er allein in Schweden persönlich mindestens 30 Taucher kennt, die zu einem solchen Tauchgang fähig sind. Weil die Handhabung von Sprengladungen noch dazukam, ist es wahrscheinlich, dass aktive oder ehemalige Kampfschwimmer beteiligt waren, die geübt sind mit „Underwater Demolition“.
Wenn die gewöhnlichen Sicherheitsvorkehrungen ignoriert werden und Unterwasserantriebsgeräte verwenden würden, wäre die gesamte Nordstream-Sabotagemission mit zwei Tauchern und einer Unterstützungsmannschaft in wenigen Stunden durchführbar. Der Transport der Sprengstoffe auf den Meeresgrund wäre möglich, wenn die Saboteure Schwimmsäcke verwenden würden.
Den Russen mussten diese Umstände bekannt gewesen sein. Nach dem Überfall auf die Ukraine waren die Pipelines ein wichtiges Ziel; vor allem an den seichten Stellen. Die Unfähigkeit, diese wichtige Infrastruktur zu schützen, war peinlich für das russische Regime und so erklärt sich wohl das Narrativ, es seien NATO-Spezialisten und besondere Ausrüstung vonnöten gewesen. Mit dieser Darstellung kann sich Russland als Opfer vermarkten statt als inkompetent.
Wenn die Sprengladungen innerhalb einer Stunde am Meeresgrund platziert werden, dauert es drei weitere Stunden, um wieder an die Oberfläche zu gelangen, ohne Probleme durch den Wasserdruck zu bekommen.
Andersson und sein Sohn, ein Computeringenieur, der an seismischen Untersuchungen in der Ölindustrie arbeitet, führten komplexe Berechnungen und Computersimulationen durch.
Die Sabotage hätte durchgeführt werden können mit 50 kg Sprengstoff oder weniger für jede Leitung.
„Fünfzig Kilogramm an Kreuzungen mit Betonstützen würden wahrscheinlich ausreichen“, sagte ein ehemaliger Sprengstoffexperte der Marine, der das Filmmaterial überprüfte.
Er und ein deutscher militärischer Sprengstoffexperte, der auch Anderssons Bilder überprüfte, waren sich einig, dass die Bomben möglicherweise nur jeweils 10 kg schwer gewesen sein könnten, abhängig von der spezifischen Art des verwendeten Sprengstoffs.
„Es wurde grob ein wenig in den Schlamm neben der Pipeline eingegraben“, sagte er. „Ich denke, es erzählt die Geschichte eines Tauchers, der es eilig hatte und möglicherweise ohne die Möglichkeit einer Dekompression an der Oberfläche tauchte und daher nur 10 bis 15 Minuten Zeit hatte, um auf dem Grund zu bleiben.“
Andersson hat möglicherweise auch eines der mehreren Teilrätsel der Nord Stream-Saga gelöst: Warum wurden nur drei der vier Pipelines angegriffen? Andersson vermutet, dass die Saboteure unter Wasser auf magnetische Anomalien auf ihren Kompassen gestoßen sind, die dazu geführt haben, dass sie versehentlich zwei Bomben auf Linie A von Nord Stream 2 platziert haben.
„Ich hätte mit meiner Drohne den gleichen Fehler gemacht, wenn der Kapitän es mir nicht gesagt hätte kleine Schritte zu machen und immer zum Ausgangspunkt zurückzukehren“, sagte Andersson.
Einer Quelle zufolge, die an der Expedition teilnahm, stieß eine Gruppe von Journalisten, die einen Dokumentarfilm für die BBC und die schwedische Zeitung Expressen drehten, auf eine Kompassstörung, ähnlich der, die Andersson erlebte, als sie Ende letzten Jahres über dem Gelände filmten.