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Was Russlands geringes Truppen-Kontingent verrät

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Bild: Oleh Dubyna/Shutterstock.com

Aus hohen amerikanische Militärkreisen wird geschätzt, dass Russland bislang nur etwa ein Drittel der rund 200.000 aufgebotenen Streitkräfte in den Kämpfen in der Ukraine eingesetzt hat. Für ein Überrollen des Landes und eine Besatzung wären mindestens 500.000 Man empfehlenswert gewesen. Warum so zurückhaltend?

Russland hat seit Ewigkeiten keinen richtigen Krieg mehr gekämpft

Der zynische Spruch „Krieg ist die Gesundheit eines Staates“ gilt auch für Russland. Zu rüsten und in Manövern zu üben wie Zapad oder Kavkaz in den letzten Jahren ersetzt keine echte Kriegserfahrung. Die Militäraktion gegen Georgien war verhältnismäßig klein. Der letzte Tschetschenienkrieg ist lange her und das Land ist mit 15.647 Quadratkilometern winzig. Die Ukraine hingegen ist ungefähr so groß wie Frankreich. Der krieg verändert sich auch laufend durch den technologischen Fortschritt. Eine Entwicklung wie die tragbare Javelin-Rakete kann alle möglichen herkömmlichen Strategien aus den Lehrbüchern teil-obsolet machen.

Niemand konnte exakt vorhersehen, inwiefern die russischen Truppen abgebremst werden und wie schnell sie Männer und Ausrüstung einbüßen. Sendet man zunächst nur einen Teil der Kräfte, lässt sich absehen, mit was für einer Defensive der Ukraine man es zu tun hat. Ein wichtiger Faktor ist zudem, wie stark die NATO der Ukraine Hilfe leistet durch Satellitenaufklärung und andere Aufklärungsmethoden. Je mehr Hilfe, umso mehr Effekt haben die begrenzten ukrainischen Streitkräfte. Falls nötig, kann Russland weitere Truppen nachschieben und man kann auch brutalere Techniken einsetzen, um den ukrainischen Widerstand schneller zu brechen. Dies bringt aber negative Presse weltweit mit sich und kann politische Entscheidungen in vielen Ländern beeinflussen. Für Russland ist es „Make or Break-Time“. Ist man in der Lage, im 21. Jahrhundert einen richtigen Krieg zu führen, oder nicht? Die aktuellen Gefechte sind ein wichtiger Test.

Das ukrainische Verteidigungsministerium sagte, bis Mitte Freitag in der Ukraine seien 2.800 russische Soldaten getötet, 80 Panzer zerstört und mehr als 500 gepanzerte Fahrzeuge außer Gefecht gesetzt worden, aber es gibt keine Möglichkeit, diese Berichte unabhängig zu bestätigen.

Ressourcenknappheit

Russland ist ohnehin überdehnt durch die Hilfen an Regime wie im Iran und Syrien. Es kann bald notwendig sein, an mehreren Orten gleichzeitig Einsätze zu bestreiten. Es kann eine Invasion Polens, des Baltikums und Finnlands erfolgen. Deshalb muss nun in der Ukraine sparsam umgegangen werden mit Ressourcen. Die NATO möchte wohl ungerne zuviel Waffen senden an die Ukrainer, um nicht eine deutlich größere Militäraktion Russlands zu provozieren, die sich auf Polen und das Baltikum ausdehnen könnte. Die Russen sind Sparkurs gewöhnt: Bei der Besatzung Afghanistans im Kalten Krieg bot man nur 100.000 Truppen auf. In Osteuropa stationierte man 565.000 Mann. 75.000 in der Mongolei 30.000 in Ländern der Dritten Welt. Die Amerikaner leisteten sich auf dem Höhepunkt des Vietnamkriegs 500.000 Truppen im Einsatz. Und Vietnam ist nur ein Fünftel so groß wie Afghanistan. Die CIA belieferte zwar den Mudschahedin-Widerstand in Afghanistan, aber gerade nur so umfangreich, um den Topf am Köcheln zu halten.

Außenwirkung

Gelingt es, mit minimalem Truppeneinsatz und begrenztem Blutvergießen Kiew zu erobern und eine Marionettenregierung einzusetzen, ließe sich die negative Außenwirkung des Kriegs in Grenzen halten. Zieht sich der Konflikt in die Länge, kann Russland nur noch mit deutlich höherer Brutalität gewinnen, was der NATO die benötigten Greuelbilder liefern, um damit weltweit politische Entscheidungen zu beeinflussen. Thermobarische Waffen und Einschüchterungsaktionen wären verheerend in der Außenwirkung. Bereits im Tschetschenienkrieg kam Russland nicht aus ohne Internierungslager, Entführungen und Folter zur Einschüchterung.

Reserve für Partisanenbekämpfung

Die Ukraine ist ungefähr so groß wie Frankreich und es gibt Millionen ukrainischer Bürger, die bereit wären, als Partisanen zu kämpfen. Normalerweise benötigt man für die Partisanenbekämpfung eine mehrfache zahlenmäßige Überlegenheit, aber die kann sich Russland nicht leisten. Die Nachschubwege bei einer dauerhaften Besatzung wären lang und angreifbar. Entweder muss man Einschüchterungstaktiken gegen den Widerstand einsetzen, oder aber zweit- und drittklassige Truppen aus dem russischen Einflussbereich nachschieben, die schlecht ausgebildet sind.

Verhandlungsmasse

Die russische Hoffnung ist, dass die Ukraine bereits durch einen begrenzten Krieg genügend eingeschüchtert ist, dass es kapituliert. Halten die Russen Truppen zurück, kann dies als Verhandlungsmasse benutzt werden. Es besteht sowohl die Möglichkeit, mehr Truppen reinzuschicken, als auch die Option, die Sache im Rahmen zu halten.

AlexBenesch
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