Kommentar
Die Russenpropaganda betreibt Leichenfledderei mit der Linie, Otto von Bismarck sei ein großer Freund des Zarenreiches gewesen. Würden die Deutschen sich heute an Putin klammern, dann bekämen sie wieder ein souveränes Reich.
Jeder Historiker weiß, wie die Realität über Jahrhunderte hinweg aussah: Einzelne Länder versuchten, Teil einer stärkeren Allianz zu werden, um eine schwächere Allianz anzugreifen. „Frieden“ bedeutete schlichtweg, dass Vorbereitungen getroffen wurden für den nächsten Krieg, den man entweder selbst oder den ein anderes Land beginnen würde.
Russland formte eine solche Allianz mit Britannien und Frankreich gegen Deutschland und Österreich. Der Zar vergrößerte seine Streitmacht auf 1,5 Millionen Mann und jeder wusste, was das bedeutet. Aktuelle Forschungen, wie die vom Cambridge-Historiker Christopher Clark, sehen Russland als die treibende Kraft hinter dem Ersten Weltkrieg, nicht Deutschland.
Otto von Bismarck kannte natürlich diese Realitäten, auch wenn er die Jahrhundertwende nicht mehr erlebte. Was noch dazu kam, war die geheimdienstliche Problematik. Vor der Deutschen Reichsgründung 1871 war das Territorium ein Flickenteppich aus unterschiedlichen Mini-Königreichen, Fürstentümern und Grafschaften. Die Adelslinien der Welfen, Wettiner und Reginare hingen zusammen mit Britannien und auch mit dem russischen Zarenthron (Schleswig-Holstein, Hessen). Das heißt, das Deutsche Reich war durchsetzt mit Spionen, die fürs Ausland arbeiteten und eine Spionageabwehr war so gut wie nicht möglich.
Nicht einmal bei seinem eigenen, uralten und weitverzweigten Adelsgeschlecht konnte sich Otto von Bismarck wirklich sicher sein. Über die Adelsfamilie von Thadden lernte er seine künftige Frau kennen. Der 1921 geborene Adolf von Thadden, der spätere Gründer der Partei NPD, entpuppte sich als Agent des britischen Geheimdienstes.
So versuchte Bismarck, Prinzessin Augusta, die Gattin des Thronfolgers Wilhelm, von der Notwendigkeit einer Gegenrevolution gegen die Deutsche Revolution 1848/1849 zu überzeugen. Sie lehnte ab. Sie stammte aus dem großherzoglichen Haus Sachsen-Weimar-Eisenach, das mit dem britischen Thron zusammenhing, und war über ihre Mutter Maria Pawlowna eng mit der Familie der russischen Zaren (Hessen, Schleswig-Holstein) verwandt.
Die Entscheidung der preußischen Regierung im Jahr 1854 (vor dem Hintergrund des Krimkrieges), das Schutz- und Trutzbündnis mit Österreich zu erneuern, stieß bei Bismarck auf Kritik. Als Österreich sich danach offen gegen Russland wandte, gelang es Bismarck 1855, durch geschicktes Taktieren den Antrag der Österreicher zur Mobilisierung der Bundestruppen gegen Russland abzuwenden. Dieses Vorgehen Bismarcks spielte erheblich den Briten in die Hände, die nicht nur mit Russland koordinierten, sondern auch mit den USA. Aus Sicht Britanniens galt es unbedingt zu verhindern, dass die Preußen mit den Österreichern und Franzosen zusammenkommen. Ein solcher Block konnte nämlich Britannien überfallen. Die Amerikaner und Russen wären zu weit entfernt gewesen, um schnell und effektiv einzugreifen.
Nach der Niederlage Russlands im Krimkrieg plädierte Bismarck für eine Anlehnung an das Zarenreich. Im Januar 1859 wurde er als preußischer Gesandter nach Sankt Petersburg versetzt. s gab auch eine Liebesaffäre mit Fürstin Katharina Orlowa (1840–1875), der Ehefrau des russischen Gesandten in Belgien Nikolai Alexejewitsch Orlow.
Fünf Brüder aus dem Orlow-Clan hatten 1762 von Zarin Katharina der Großen (Holstein-Gottorf) zum Dank für die Mitwirkung am Sturz ihres Gatten den russischen Grafenstand erhalten. Katharina ist eine Favoritin von Wladimir Putin heute. Sie hatte auch eine enge romantische Beziehung mit Grigori Orlow.
Bismarck unternahm alles, Österreich zu isolieren und zu provozieren. In einem unnötigen Krieg mühte sich Preußen ab gegen Österreich und Sachsen. Schleswig und Holstein wurden von Preußen ebenso annektiert wie Hannover, Kurhessen, Nassau und die Freie Stadt Frankfurt. Allerdings waren diese Gebiete voller Spione der Welfen, Wettiner und Reginare.
Der nächste Krieg gegen Frankreich spielte letztendlich Britannien und Russland in die Hände. Am 18. Januar 1871 kam es im Spiegelsaal von Versailles zur „Kaiserproklamation“. Sie markierte die Gründung des Deutschen Kaiserreichs, das letztendlich immer noch ein Flickenteppich war.
Bismarck durfte sich als Sieger feiern lassen und überließ die Verwaltung seiner Gelder Gerson Bleichröder, was seinen Reichtum vermehrte. Gersons Vater Samuel war an fast allen deutschen Rothschild-Anleihen beteiligt. Die Rothschilds wiederum war ursprünglich rekrutiert worden vom Landgrafen von Hessen-Kassel. Sie dienten der britischen Krone und waren aller Wahrscheinlichkeit nach unter voller Kontrolle.
Ein Grundziel von Bismarcks Außenpolitik als Reichskanzler blieb es, Frankreich zu schwächen. Es überrascht nicht, dass Frankreich folglich mit Russland plante. Die preußischen Hohenzollern hatten zwar familiäre Bindungen zu Britannien und Russland, aber dies nützte ihnen nicht viel. In Deutschland waren die völkischen Bewegungen stark angewachsen, die durchsetzt waren von adeligen Spionen. Der britische Geheimdienst förderte die Märchen über die Rothschilds und eine vermeintliche jüdische Weltverschwörung.
Als Nachfolger Otto von Bismarcks wählte der Kaiser den politisch unerfahrenen General Leo von Caprivi.