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Wie sich die NATO und Russland gegenseitig gezielt die Bälle zuwarfen

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Kommentar

Sind Sie für „Team NATO“ oder für „Team Russland“? Egal, wie Sie wählen; Sie verlieren und die Supermächte gewinnen. Man hätte die Ereignisse seit dem Ende der Sowjetunion kaum besser auf höchster Ebene heimlich koordinieren können.

Ab 1991 erschlaffte das sowjetische Militär und Imperium und als nächstes drohte die NATO zu erschlaffen, weil das Verteidigungsbündnis explizit wegen der sowjetischen Bedrohung existierte und China noch nicht zum Status einer Supermacht verholfen worden war. Im Vergleich zu den USA und Westeuropa waren die sowjetischen Rüstungskapazitäten immerzu ein schlechter Witz gewesen. Hätten die USA nicht durchgehend essentielle Technologie an den Ostblock verkauft, wäre dort kaum etwas gefahren, geschwommen oder geflogen.

Der Kalte Krieg hätte niemanden wirklich überzeugt, ohne diverse Stellvertreter-Kriege wie in Vietnam:

Die erste große konventionelle Offensive 1972 in Vietnam brachte den T-54-Panzer so­wjetischer Herkunft zum Einsatz. Dieser hat eine abgeänderte Christie-Federung amerikani­schen Ursprungs. Die GAS-Lastwagen auf dem Ho-Chi-Minh-Pfad stammten aus den von Ford gebauten Gorkij-Werken. Die SIL-Lastwagen ka­men aus den von Brandt gebauten Fabriken. Und während der Vietnamkrieg in vollem Gange war, wurden beide Werke durch weitere Handelslie­ferungen der Vereinigten Staaten mit neuen Maschinen ausgerüstet. Der Amphibienpanzer PT-76 stammte aus einer Fabrik in Wolgograd, an deren Errichtung achtzig amerikanische Firmen mitgearbeitet hatten. Das ist „fried­licher Handel“ im Wörterbuch der „Mystiker“ in Washington. Die Sowjets lieferten 80% des Nachschubs der Nordvietnamesen; die schwer­sten Güter, die über Land nicht hätten beför­dert werden können, kamen auf dem Seeweg. 

Antony Sutton, National Suicide

Stellen wir uns vor, wir haben es mit einem heimlichen Kartell der Supermächte zu tun, das diese Vorgänge koordiniert, um sich immer weiter aufplustern zu können. Es war bereits Anfang der 1980er Jahre klar, dass das Sowjetsystem zuviel Geld verbrennt und reformiert werden muss. Eine Transformation der Sowjetunion war ein gefährliches Unterfangen, weil theoretisch alles (auch Russland selbst) zerfallen konnte in unabhängige Einzelstaaten und vorhandener Wohlstand konnte in die Hände der gewöhnlichen Sowjetbürger fallen. Zudem würde die Transformation ein paar Jahrzehnte in Anspruch nehmen, während denen die NATO keinen aktiven Hauptfeind mehr hat als Existenzberechtigung. Für die USA boten die Anschläge vom 11. September 2001 den perfekten Vorwand, um den „Krieg gegen den islamischen Terror“ zu führen als Zwischenspiel; solange bis Russland wieder aufgebaut sein würde. Auch Russland profitierte erheblich durch 9/11 und arbeitete zusammen mit der Bush-Administration.

Was ist mit dem aktuell so oft angesprochenen Hickhack um die NATO-Osterweiterung? Die James-Baker-Episode, die herangenommen wurde, um den „Verrat“ der NATO zu argumentieren, ist bedeutungslos. Es ging um verbale Zusicherungen, die der damalige US-Außenminister James A. Baker dem ehemaligen sowjetischen Führer Michail Gorbatschow während eines Treffens am 9. Februar 1990 machte. Zu dem Zeitpunkt existierte die Sowjetunion noch und dementsprechend war auch zu erwarten, dass Baker oder kurz darauf der NATO-Generalsekretär in einer Rede in Brüssel nicht von irgendeiner NATO-Osterweiterung auf polnisches oder ukrainisches Gebiet sprechen würden.

Die Beteuerung von Baker war mündlich und wurde nie in einem Vertrag festgehalte. Dann endete die Sowjetunion und weder die Amerikaner noch die Russen wollten, dass Staaten wie Polen oder die Ukraine richtiggehend selbstständig werden. Zu dem Zweck belog man das ukrainische Volk über die Garantier ukrainischer Unabhängigkeit im Gegenzug für den Abtransport der Atomwaffen.

1995 diskutierten die Amerikaner eine mögliche Osterweiterung der NATO. Es gab selbst unter alteingesessenen Kalten Kriegern große Zweifel, weil ein solches Unterfangen sehr teuer wäre und der Ausgang ungewiss. Russland unterzeichnete 1997 ein Dokument namens „NATO-Russland-Gründungsakte.“ Darin heißt es:

„… Achtung der Souveränität, Unabhängigkeit und territorialen Integrität aller Staaten und ihres inhärenten Rechts, die Mittel zur Gewährleistung ihrer eigenen Sicherheit zu wählen.“

Für diejenigen, die Probleme haben, diplomatisches Geschwätz zu verstehen: Die Textstelle bedeutet, dass Russland es Staaten wie Polen und der Ukraine gestattet, selbst über Sicherheit zu entscheiden, was einen NATO-Beitritt miteinschließen kann. Nirgends in dem gesamten Text werden NATO-Beitritte kategorisch ausgeschlossen. ABER:

„Die Mitgliedstaaten der NATO und Russland werden zusammen mit anderen Vertragsstaaten versuchen, die Stabilität zu stärken, indem sie Maßnahmen weiterentwickeln, um jeden potenziell bedrohlichen Aufbau konventioneller Streitkräfte in vereinbarten Regionen Europas, einschließlich Mittel- und Osteuropa, zu verhindern.“

Das heißt, dass Staaten wie die Ukraine oder Polen militärisch schwach bleiben müssen und es keine Ansammlungen von Truppen westeuropäischer NATO-Staaten oder der USA dort geben werde. Heißt: Russland bekam das Vorrecht eingeräumt, diese Staaten überrennen und wieder besetzen zu können. Dies wurde im Mai 1997 während der Unterzeichnung der Gründungsurkunde in Paris formalisiert.

Bevor am 7. Juli 1997 auf dem NATO-Gipfel in Madrid die Entscheidung, neue Mitglieder in das Bündnis einzuladen, formell verkündet wurde, wurde die polnische Delegation von Generalsekretär Javier Solana gebeten, die sogenannte „3 x NEIN-Erklärung“ zu unterzeichnen:

  • NEIN zu beträchtliche NATO-Streitkräfte auf dem Territorium von Staaten, die dem Bündnis beitreten
  • NEIN zu militärischen Einrichtungen und Stützpunkten
  • NEIN zu Atomsprengköpfen.

Man könnte es auch als „Freiwild“-Erklärung bezeichnen. Die Polen mussten erklären, sich zu Freiwild für die Russen zu machen. Ein Mitglied der polnischen Delegation beschrieb es Jahre später als ein betretenes Schweigen. Präsident Aleksander Kwaśniewski reagierte am schnellsten:

„Meine Herren, wir möchten der NATO beitreten, aber zunächst möchten Sie uns als zweitrangige Mitglieder behandeln.“

Polens Militär verwendet sie immer noch Gerätschaften aus der Zeit des Kalten Krieges. Tomasz Dmitruk, Analyst bei der Monatszeitschrift New Military Technology, veröffentlichte kürzlich Daten, die zeigen, dass die überwiegende Mehrheit der polnischen Panzer, Kampffahrzeuge, Hubschrauber und Marineschiffe seit etwa 30 bis 40 Jahren nicht mehr ersetzt oder aufgerüstet wurden. Einige Gegenstände sind museumsreif.

Im Februar 1991 gründeten Polen, Ungarn und die Tschechoslowakei die „Visegrád-Gruppe“, um die europäische Integration im Rahmen der Europäischen Union und der NATO voranzutreiben. Diese ehemaligen kommunistischen Staaten brauchten dringend viel Geld von der EU für weitreichende Sanierungen. Kaum jemand in Westeuropa wäre bereit gewesen, diese Gelder bereitzustellen, ohne die Beruhigungspille der Pseudo-Osterweiterung der NATO.

Polen ist der größte Empfänger von EU-Mitteln. Zwischen 2007 und 2013 hat unser Land über 67 Milliarden Euro aus dem EU-Haushalt erhalten. Bisher wurden über 85% dieser Mittel für z.B. neue Straßen, Flughäfen, Autobahnen, Modernisierung des ländlichen Raums und der östlichen Regionen des Landes verwendet. Zwischen 2014 und 2020 erhält unser Land gemeinsam 105,8 Milliarden Euro aus dem EU-Haushalt

https://www.paih.gov.pl/why_poland/eu_funds

Jetzt, da die ehemaligen Sowjetstaaten saniert sind, möchte Russland sie zurückhaben. Straßen und Flughäfen, eine Verbesserung des Stromnetzes usw. lassen sich auch militärisch nutzen.

In einem offenen Brief an US-Präsident Bill Clinton drückten damals mehr als vierzig außenpolitische Experten, darunter Bill Bradley, Sam Nunn, Gary Hart, Paul Nitze und Robert McNamara, ihre Besorgnis über die NATO-Erweiterung aus.

Russland war besonders verärgert über die Hinzufügung der drei baltischen Staaten zur NATO. Im Gegenzug durfte Russland Kaliningrad behalten und große Mengen an Öl und Gas nach Europa verkaufen, um mit den Gewinnen das russische Militär zu erneuern, mit dem sich eine Enklave wie das Baltikum in kürzester Zeit überrollen ließe.

Der ehemalige deutsche Kanzler Gerhard Schröder fuhr einen absurden Schmuse-Kurs mit Wladimir Putin. Auch andere hochrangige Vertreter der SPD und den anderen großen Parteien redeten über hochtrabende Pläne einer Eurasien-Union.

Im Jahr 2008 war Russland wieder einigermaßen saniert und gerüstet, während die westliche Welt das Interesse verlor an den Anschlägen von 9/11 und dem „Krieg gegen den islamischen Terror“. Die Bush-Administration war Geschichte, die Obama-Ära begann und die beiden Supermächte brauchten frisches Drama, um nicht zu erschlaffen:

Russland führte den Kaukasuskrieg 2008 gegen Georgien und startete international über seine Geheimdienste eine Propagandakampagne für das russische Regime inklusive Personenkult um Putin. 2008 unterzeichnete Polen ein Abkommen mit den Vereinigten Staaten über den Bau von Elementen eines US-Raketenabwehrschilds auf polnischem Territorium, was den Russen den dringend benötigten Vorwand lieferte, weiter Druck zu machen.

Polen beteiligte sich aktiv an der Unterstützung der US-, NATO- und EU-Politik, die darauf abzielte, die „Demokratie“ in Osteuropa zu fördern, einschließlich der Unterstützung von „farbigen Revolutionen“ und des Östlichen Partnerschaftsprogramms der EU. Als aber die polnische Führung zu eigenständig wurde, starb sie bei einem höchst suspekten Flugzeugabsturz und die NATO hatte praktisch nichts auszusetzen an den grotesken Ermittlungen der Russen.

Am 15. August 2018 kündigte der polnische Präsident Andrzej Duda an, die Verteidigungsausgaben auf 2,5 % des BIP im Jahr 2024 zu erhöhen, also auf etwa 31 Milliarden. US-Präsident Donald Trump lobte Polen dafür. Polens ständig wachsendes Militärbudget führt aber beileibe nicht zu einer Garantie, dass Polen sich gegen Russland verteidigen kann. Selbst die vielen Neuanschaffungen Polens aus amerikanischer Produktion sollen es bestenfalls möglich machen, die Russen abzubremsen, bis Hilfe kommt von anderen NATO-Staaten. Dass diese Hilfe wirklich kommt, ist unwahrscheinlich, weil die NATO dann viel eher Polen aufgibt.

Ohne konstanten Druck durch die NATO wäre Russland erschlafft und dann wäre die NATO erschlafft.

Die Ukraine wurde einer der größten Empfänger von Unterstützung aus dem Internationalen Visegrád-Fonds und erhielt Unterstützung von der Visegrád-Gruppe für ihre Bestrebungen zur europäischen Integration. Die Ukraine trat der tiefen und umfassenden Freihandelszone mit der EU und damit mit der V4 im Jahr 2016 bei. Das Streben hin zur NATO wurde in der ukrainischen Verfassung 2019 verankert. Dazu kommt noch der Aspekt, den in den letzten Jahren interessanterweise weder die NATO noch die Russen wirklich ansprechen wollen: Russlands Militär ist stark abhängig von der Produktion von speziellen Bauteilen in der Ukraine und zudem benötigt Russland dringend frische, gebildete Bürger. Eine Invasion der Ukraine ist für Russland eine absolute Notwendigkeit und war immer abzusehen ab 2014. Die Invasion würde Russlands Kapazitäten dramatisch verstärken und selbstverständlich wäre dies der Anlass schlechthin, damit die NATO sich weiter aufplustert.

Besser hätte es ein Kartell der Supermächte nicht heimlich an der Spitze koordinieren können.

AlexBenesch
AlexBenesch
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