Nicht erst seit Putin ganz offiziell seinen Ukraine-Krieg als „Entnazifizierung“ bezeichnete, wurde in unzähligen Propaganda-Kanälen erzählt, es gäbe eine riesige Neonazi-Verschwörung in der Ukraine, die einen Genozid an den slawischen Bürgern durchführen möchte. Putins Geheimdienst hat im Prinzip nur ein Narrativ gebastelt, das die Ukrainer erinnern sollte an die deutsche Besatzung unter Erich Koch, bei der rund ein Viertel der Bevölkerung vernichtet werden sollte. Gleichzeitig sollte die russische Bevölkerung erinnert werden an den Ostfeldzug der Wehrmacht und Belagerungen wie gegen Leningrad, Putins Heimat. Dann müsste man noch anfügen, dass für die Russen der Hauptfeind immer die weißen Mittel- und Nordeuropäer sind, egal ob Deutschritterorden zu den Zeiten Alexander Newskis, im Zweiten Weltkrieg oder heute die angloamerikanischen Eliten.
Dem deutschen rechten Spektrum war jahrelang von Alexander Dugin und diversen Influencern erzählt worden, dass Russland den Deutschen helfen will, souverän zu werden. Als ob die Russen Lust hätten auf ein eigensinniges Deutschland mit starker Wirtschaft, Militär und Atomwaffen. Mit dem Ukraine-Krieg wird wieder einmal deutlich, dass Putin uns Deutsche erobern und nicht „befreien“ will. Sogleich ruderten die Influencer mit den Armen und versuchten, ihren Followern und Spendenschafen zu erklären, dass Putin nicht Nazis gemeint hätte in der Ukraine, sondern die Weisen von Zion. Er wolle die Ukraine befreien von der jüdischen Weltverschwörung. Aber nein. Er will Angelsachsen herausdrängen aus dem slawischen Gebiet und alles russifizieren.
Diejenigen aus dem rechten Spektrum in Deutschland, denen es einfach nicht gelingen will, auch nur einen einzigen Neonazi aufzuspüren in der AfD, plapperten natürlich das nach, was sie im Internet aufgeschnappt haben über Nazis in der Ukraine, speziell das Asow-Bataillon.
Angesichts von Stalins Holodomor und der sowjetischen Besatzung für Jahrzehnte überrascht es nicht, dass ein paar verstrahlte Personen heute in der Ukraine die Märchen glauben, dass die Weisen von Zion das britische Kolonialreich und die USA mühelos übernommen hätten, ohne aufgehalten zu werden. Hitler sei der Befreier gewesen und heute solle das Programm der NSDAP kopiert werden. Aber kaum jemand in der Ukraine ist so verrückt, Nazis zu trauen.
Der besonders untalentierte, gierige und psychopathische Erich Koch nahm die Funktionen eines Reichskommissars für das Reichskommissariat Ukraine wahr. Damit wurde Koch der mächtigste Mann Osteuropas.
Einerseits gab man sich als Befreier, welche die Ukrainer von Stalinismus und Holodomor erlösten. So rekrutierte man Ukrainer für das Wehrmachtsbataillon „Bataillon Nachtigall“ unter der Führung von Roman Schuchewytsch und schuf zunächst mit der Organisation Ukrainischer Nationalisten und der Ukrainischen Aufstandsarmee eine brüchige Zweckallianz, deren Anführer sich einen von Hitler abgesegneten ukrainischen Nationalstaat erhofften. Der Generalplan Ost sah die Germanisierung der Ukraine und die Vernichtung von 25 % der Ukrainer und eine Ausweisung von weiteren 30–40 % Richtung Osten vor.
Das Azov Battalion formte sich als Milizorganisation 2014 und kämpfte gegen die pro-russischen Kräfte. Man schätzte 2500 Mitglieder und nur ein Teil davon zähle zum radikalen Kern. Fürchtet sich Putin wirklich vor ein paar Neonazis? Wohl kaum.
Geld soll geflossen sein von dem Oligarchen Ihor Kolomoyskyi. Heute ist das öffentlichste Gesicht der Azov-Bewegung die politische Partei National Corps, die nur minimale Wählerunterstützung hat. Die Partei gewann in einer Koalition mit anderen rechtsextremen Parteien bei den Parlamentswahlen 2019 knapp 2 % der Stimmen. Schätzungen zufolge liegt die Mitgliederzahl bei rund 10.000 Mitgliedern.
